Im beschaulichen Städtchen Weiden in der Oberpfalz hat ein Seifenkistenrennen stattgefunden. Im Sinne des Zeitgeistes war auch die Bundeswehr mit einer eigenen Kiste vor Ort – samt Tarnanzug und kugelsicherer Weste. Die Bundeswehr auf Tuchfühlung mit Kindern und der Jugend? Die Lokalzeitung Der neue Tag erklärte nach Kritik durch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ihrer Leserschaft, dass der Auftritt der Bundeswehr aber nichts mit „Militarisierung“ zu tun habe. Im NachDenkSeiten-Interview kritisiert der Lehrer Helmut Bösl die Berichterstattung. Von Marcus Klöckner.
Marcus Klöckner: „Bundeswehr beim Seifenkistenrennen ist keine Militarisierung“ – so lautet die Überschrift eines Artikels, der in der Oberpfälzer Regionalzeitung Der neue Tag erschienen ist. Sie haben Beschwerde beim Presserat eingelegt. Warum?
Helmut Bösl: Der Bericht ist als „Analyse“ gekennzeichnet, ist aber völlig einseitig.
Würden Sie bitte unseren Lesern sagen, was es mit diesem Seifenkistenrennen auf sich hatte? Was war da los?
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte Bedenken angemeldet bezüglich des Seifenkistenrennens in der Stadt Weiden. Dort war die Bundeswehr mit einer Seifenkiste in Camouflage-Lackierung angetreten, und der Fahrer der Seifenkiste trug einen Kampfanzug mit Helm und schusssicherer Weste. Auch der Betreuer, offensichtlich ein Angehöriger der Bundeswehr, trug einen Kampfanzug mit Helm, wie ihn in der Regel nur die kämpfende Truppe mit Gewehren trägt. Aus meiner Sicht ist es ganz klar, dass die GEW sich hier zu Wort meldet und anmahnt, ob das wirklich sein muss. Ein Seifenkistenrennen, das im Normalfall von sehr vielen Kindern besucht wird, sollte nicht dazu dienen, massiv Werbung für die Bundeswehr und vor allem für kämpfende Soldaten zu machen. Das ist die Grundbotschaft der GEW.
Die Position der GEW hat Der neue Tag abgedruckt.
Dieses Seifenkistenrennen findet öfter in Weiden statt, oder?
Ja, alle zwei Jahre auf dem Gelände der Fachoberschule. Meine Schule, in der ich arbeite, die Europa-Berufsschule Weiden, hat wie immer daran teilgenommen. Wir sind mit Schülerinnen und Schülern der Berufsvorbereitungsklassen und der Integrationsklassen wieder bei dem Event dabei gewesen. Viele Organisationen aus der Umgebung nehmen dort teil und präsentieren sich. Deshalb finde ich grundsätzlich gut, dass alle das Recht haben, sich dort zu präsentieren. Es stellt sich nur die Frage, ob die Bundeswehr das auf einer Veranstaltung tun muss, auf der Kinder und Jugendliche die Hauptakteure sind. Und die weitere Frage: Wenn die Bundeswehr schon eine Seifenkiste dort haben möchte, muss dann auch noch im Kampfanzug angetreten werden?
Der Artikel in Der Neue Tag, wo es heißt, es sei keine Militarisierung, war dann als Gegenrede auf den Beitrag der GEW zu verstehen?
Genau.
Was genau kritisieren Sie inhaltlich an dem Artikel des Herrn Gräf?
Verwerflich ist die fast schon aggressive Art und Weise, mit der sich Der neue Tag nach dem Artikel der Gewerkschaft reagiert hat. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr mich diese Art und Weise emotional berührt hat. Das Verwerfliche an diesem umfangreichen Bericht ist vor allem, die Argumente der Gewerkschaft vollkommen zu ignorieren und die eigene Meinung, die Meinung des Redakteurs, als unumstößlich darzustellen.
Wie verlief der Kontakt mit der Zeitung nach Ihrer Kritik?
Der Kontakt zu meiner Zeitung verlief relativ wortlos. Meine Frau Sonja hat einen Beschwerdebrief verfasst, an den sogenannten Leseranwalt. Dieser Leseranwalt ist seit diesem Brief wohl im Urlaub, so wurde meiner Frau mitgeteilt.
Sie sprechen von „Ihrer“ Zeitung. Das heißt, Sie sind mit der Zeitung verbunden?
Ich lese Der neue Tag wohl seit meinem zehnten Lebensjahr. Ich habe auch schon etwa 25 Jahre lang als Lokalredakteur für meine kommunale Gemeinde für diese Heimatzeitung geschrieben. Mir ist also natürlich bekannt, wie diese Zeitung inhaltlich ausgerichtet ist. Ich bin den Jargon der Zeitung gewohnt, stecke dann auch einiges weg. In jüngster Zeit, mindestens seit einem sozialdemokratischen Verteidigungsminister, der von der „Kriegstüchtigkeit“ der Bundeswehr spricht, merkt man aber, dass sich meine Heimatzeitung sehr engagiert an dieser – zumindest verbalen – Mobilmachung beteiligt.
Wie nehmen Sie die Berichterstattung zu Bundeswehr und Kriegstüchtigkeit in ihren lokalen oder regionalen Medien wahr? Ist die Entwicklung dort ein Thema? Wenn ja: Wie ist der Umgang damit aus Ihrer Sicht?
Fast schon unerträglich ist für mich in der gesamten Medienlandschaft, in Printmedien und TV diese verbale Kriegsrhetorik. Es ist unglaublich, wie massiv das stattfindet. In den kleinsten Zeitungen tauchen überall Berichte über Bundeswehr-Militäraktionen auf. Und alles wird als so toll dargestellt.
Was komplett fehlt, sind die Friedensbewegungen, die zu meiner Jugendzeit noch viel präsenter waren. In den sozialen Medien findet man sie nur, wenn man explizit nach ihnen sucht. Es macht mir Angst, wenn ich zusehe, wie einseitig sich hier die Welt verändert und man immer mehr nach Schuldigen sucht. Der europäische Gedanke als die größte Friedensbewegung, die es innerhalb Europas jemals gegeben hat, scheint völlig vergessen zu sein. Im Gegenteil, man hat den Eindruck, als würde die Europäische Union die Speerspitze dieser Kriegsstrategie bilden und nur noch wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Für mich mit meinen 63 Jahren bedeutet dies nun, dass ich mich – wie in meiner Jugend – an jeglichen Friedensbewegungen, die stattfinden, beteiligen werde; obwohl ich dachte, ich könnte mich endlich zur Ruhe setzen.
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