Der Einsatz der US-Streitkräfte gegen ein angebliches Drogenboot im Karibischen Meer sorgt weiterhin für Kontroversen. Das Boot, das von den USA als Drogentransporter eingestuft wurde und aus Venezuela kam, wurde am 2. September angegriffen und versenkt. Dabei starben elf Menschen. US-Präsident Donald Trump bestätigte öffentlich, den Angriff persönlich befohlen zu haben. In einem Bericht der New York Times weisen nun anonyme Regierungsvertreter der USA darauf hin, dass das Boot kurz vor Beginn der Operation den Kurs änderte und offenbar wendete, nachdem die Männer an Bord ein US-Militärflugzeug bemerkt hatten. Dennoch wurde es mehrfach beschossen, bis es sank. Von Philipp Zimmermann.
Mit diesen neuen Erkenntnissen erhält die Debatte um die Rechtmäßigkeit der Aktion auch in den USA wieder Aufwind. Während die US-Küstenwache und in manchen Fällen auch die Marine in der Region regelmäßig Schmugglerboote anhalten, Durchsuchungen vornehmen und Besatzungen festnehmen, markiert der aktuelle Angriff mit der gezielten Tötung angeblicher Schmuggler eine Abkehr von bisherigen Vorgehensweisen.
The US military killed 11 people in a strike on a vessel from Venezuela allegedly carrying illegal narcotics, President Donald Trump said, in the first known operation since his administration's recent deployment of warships to the southern Caribbean https://t.co/3TReR8KwNE pic.twitter.com/0xP9TOu2KF
— Reuters (@Reuters) September 3, 2025
Kritiker werfen der Trump-Regierung vor, den rechtlichen Rahmen bewusst zu verschieben. Im Artikel der New York Times werden juristische Fachleute zitiert, die deutliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einsatzes äußern. Der ehemalige oberste Jurist der US-Marine, Donald J. Guter, betonte, dass es keine „unmittelbare Bedrohung” und somit auch keine „Selbstverteidigung” gebe, wenn sich ein Boot zurückziehe. Sein Nachfolger im Amt, James McPherson, stellte ebenfalls infrage, ob ein solcher Schlag juristisch haltbar sei, und verlangte, dass die Regierung eine „legale Grundlage” für ihre Handlungen vorlegt.
Die Trump-Administration argumentiert derweil, Drogenschmuggel stelle eine unmittelbare Bedrohung für die USA dar. Außenminister Marco Rubio verwies auf jährlich mehr als 100.000 Todesfälle in den USA infolge von Überdosen. Die Anwendung tödlicher Gewalt gegen Schmuggler sei gerechtfertigt, da in der Frage des Drogenhandels die Gesetze eines bewaffneten Konflikts gelten würden. Verteidigungsminister Pete Hegseth erklärte vergangene Woche, die Operation sei auch ein Signal an andere Schmuggler. Wer versuche, Drogen in Richtung USA zu bringen, müsse mit ähnlichen Konsequenzen rechnen. Präsident Trump bezeichnete die Getöteten als „Drogen-Terroristen” und betonte, das Militär werde weiterhin „jedes verfügbare Mittel” einsetzen. In einem Schreiben an den Kongress rechtfertigte er den Angriff explizit als Akt der Selbstverteidigung.
Die von der New York Times zitierten Rechtsexperten weisen diesen Ansatz jedoch zurück. Drogenschmuggel sei nicht mit einem militärischen Angriff gleichzusetzen. Selbst wenn man dieser Argumentation im Grundsatz folgen würde, entfalle mit der Kursänderung des Bootes vor dem Angriff jede akute Gefahr, so die Einschätzung. Geoffrey Corn, ein früherer Berater der US-Armee für Kriegsrecht, sprach von einem „gefährlichen Präzedenzfall” und bezeichnete Trumps Befehl zum Angriff auf das Boot als illegal. „Wir haben hier eine Linie überschritten”, so Corn.
Auch aus Venezuela wurde in den letzten Tagen erneut Kritik am Vorgehen der USA laut. Innenminister Diosdado Cabello wies die Anschuldigungen Trumps zurück, die elf Getöteten seien Mitglieder der venezolanischen Bande „Tren de Aragua” gewesen. „Wir haben hier in unserem Land Untersuchungen angestellt, denn es gibt Familien der Verschwundenen, die ihre Angehörigen zurückhaben wollen. Keiner von ihnen gehörte zum ‚Tren de Aragua‘, keiner war Drogenhändler”, sagte Cabello, der die Aktion als „Mord an einer Gruppe unserer Bürger” bezeichnete.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Amerika21.
Titelbild: Screenshot Popular Front
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