12.501,30 Euro fielen in den ersten vier Monaten der Dienstzeit des deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz für Styling, Friseur, Visagisten und Fotografen an. Das ergab eine kleine Anfrage der AfD im August, über die der SPIEGEL gestern mit dreimonatiger Verspätung berichtete. Der SPIEGEL findet das „im Verhältnis zu der Bühne, auf der er steht“, eigentlich schon ganz okay. Nun ließe sich über Merz’ Friseurkosten ja eine prächtige Glosse schreiben, doch dafür ist das Thema zu ernst, zeigt es doch, wie weit die politischen Eliten sich heute vom Ideal eines bescheidenen Staatsdieners entfernt haben. Ein Kommentar von Jens Berger.
Können Sie sich vorstellen, dass Helmut Kohl einen Fotografen engagiert hätte, der ihn beim Saumagen-Essen ablichtet, nur um dann gar lustige Beiträge unter dem Hashtag „#kohlisst“ auf den Sozialen Netzwerken zu posten? Oder können Sie sich vorstellen, dass ein Heer von Visagisten, Friseuren und Fotografen Willy Brandt beim Wandern mit Genossen im Teutoburger Wald begleitet hätte, um Social-Media-Content zu produzieren? Zugegeben, allein die Vorstellung davon ist absurd.
Heute ist diese Form der Inszenierung „normal“. Markus Söder gibt pro Jahr rund 220.000 Euro nur für Fotografen aus, um X und Instagram pausenlos mit grenzwertigen „#Söderisst“-Beiträgen zu fluten, auf denen er sein ministerpräsidiales Gebiss meist mit Vorliebe herzhaft in Fleischprodukte schlägt. Sicher, das könnte man als eine skurrile Form des Kulturkampfes sehen, mit der Söder „Volksnähe“ demonstriert und gegen politisch korrekte „linksgrüne“ Ernährungsempfehlungen polemisiert. Das kann er machen. Doch die 220.000 Euro für diese alles andere als selbstlose Selbstdarstellung zahlt er ja nicht selbst und sie stammen auch nicht aus dem Wahlkampfbudget der CSU, sondern aus den Steuergeldern der Bayerischen Staatskanzlei. Dass man über Social Media von Hinz und Kunz mit Blödsinn genervt wird, ist ja nicht neu. Dass man diesen Blödsinn aber auch noch über die Steuern selbst bezahlt, ist erbärmlich.
Und Markus Söder ist ja nur die Spitze des Eisbergs moderner Selbstdarstellung und Selbstverblödung auf Steuerzahlerkosten. Selbst der – im Vergleich zu Söder eher bieder daherkommende – Obergrüne Winfried Kretschmann kommt in der laufenden Amtszeit auf 100.000 Euro Kosten für Fotografen, bezahlt vom Steuerzahler in Baden-Württemberg. Wofür? Gute Frage. Da heute bei jedem Spatenstich auf einer schwäbischen Kuhbläke ja ein Blitzlichtgewitter wie auf dem roten Teppich in Hollywood einsetzt, stellt sich natürlich die Frage, welchen Mehrwert von Steuergeldern bezahlte Fotografen für die Öffentlichkeit eigentlich haben sollen. Mir fällt da keiner ein.
Doch die Fotografen selbst sind ja nur ein Teil der Selbstdarstellungskosten. Als öffentlich wurde, dass die damalige Außenministerin Annalena Baerbock 136.500 Euro pro Jahr für eine persönliche Visagistin ausgibt, war die Aufregung wenn auch nicht groß, so doch zumindest wahrnehmbar. Aber klar, die berechtigte Kritik wurde ziemlich schnell erstickt und als „Sexismus“ geframt. Sie wolle halt im Fernsehen „nicht aussehen wie ein Totengräber“, so Baerbock. Das muss man doch verstehen. Okay, mir ist kein Fernsehformat bekannt, bei dem man nicht vorher „in die Maske“ muss und dort von Fachkräften fernsehtauglich hergerichtet wird. Aber so eine persönliche Visagistin ist natürlich schon was anderes. Und so lange der dumme Steuerzahler diesen narzisstischen Luxus klaglos bezahlt, ist ja alles gut. Und klaglos ist er ja ohnehin, der Steuerzahler.
Von Annalena lernen, heißt Siegen lernen. Heutzutage scheinen die persönlichen Stylisten, Friseure, Visagisten und Fotografen im Kabinett zur Standardausrüstung zu gehören. In den ersten vier Monaten der schwarz-roten Koalition sind lt. AfD-Anfrage und SPIEGEL über 170.000 Euro allein für die Fotografen der Damen und Herren Bundesminister angefallen – darunter 33.700 Euro zum Ablichten von Lars Klingbeil und 19.000 Euro für schöne Bilder von Johann Wadephul. Auch hier geht es wohlgemerkt um „offizielle“ Fotos; es ist ja nicht so, dass Klingbeil und Wadephul nicht permanent von freiberuflichen und angestellten Fotografen für die Medien abgelichtet werden und es einen Mangel an Bildern der Minister gäbe.
Und damit die „Diener des Volkes“ auch präsentabel aussehen, kamen in den ersten vier Regierungsmonaten noch einmal fast 60.000 Euro für Visagisten und Friseure hinzu. Spitzenreiterin ist hier Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche, deren Visagistin hat den Steuerzahler 19.264,76 Euro gekostet – davon entfallen übrigens 8.324,11 Euro allein auf die Reisekosten. Dabei sieht die Dame doch gar nicht so schlimm aus. Obwohl … Man kennt sie ja anscheinend nur professionell geschminkt, wer weiß, wie sie in natura aussieht.
Rechnet man die Ausgaben für die privaten Fotografen, Visagisten und Friseure des Bundeskabinetts hoch, kommt man auf die stolze Summe von 690.000 Euro pro Jahr. Das dürfte ungefähr den Kosten für acht Lehrer, Polizisten oder Sozialarbeitern entsprechen. Bezahlt vom Steuerzahler. Doch wofür? Zumindest mir wäre ein Minister lieber, der „wie ein Totengräber“ aussieht und vernünftige Dinge sagt und eine vernünftige Politik verfolgt. Und was ikonische Bilder angeht, waren die privaten Schnappschüsse von Willy Brandt ohnehin besser und authentischer als alle nervigen inszenierten Bilder von einem mampfenden Markus Söder zusammen.
Die Selbstinszenierungssucht der Politeliten zeigt jedoch mehr: eine kaum noch zu fassende Abgehobenheit. In den Tagen, als das Volk von absolutistischen Herrschern regiert wurde, war es vollkommen normal, dass Frau Kaiserin oder Herr König eine ganze Heerschar von Kammerdienern und -zofen und Hofmalern hatten, die ihr öffentliches Bild prägten. Im demokratischen Ideal sollten die „Herrschenden“ jedoch eigentlich eher Diener des Volkes sein, die sich nicht durch royalen Pomp vom gemeinen Volk abheben. Doch diese Zeiten sind offenbar vorbei.
Natürlich – gemessen an den absurden Milliardensummen, die die professionell gestylten und inszenierten Damen und Herren für die Rüstung ausgeben, sind die Kosten für Visagisten, Friseure und Fotografen in der Tat Peanuts. Der eigentliche Skandal sind daher auch gar nicht die Kosten selbst; sondern die Selbstverständlichkeit, mit der dieser volksferne Narzissmus der Politikeliten heutzutage angesehen wird.
Titelbild: Markus Söder via Instagram






