Beim Wort Trennkeile dachte ich bisher ans Handwerken, an Hilfsmittel beim Basteln. Weit gefehlt. Die deutsche Sprache, ihre berühmt-berüchtigte amtliche, behördliche Ausdrucksweise hat einen üppigen Schatz an Begriffen, die harmlos klingen und doch gesellschaftliche Kälte offenbaren – so wie beim Wort Trennkeile. Diese Keile sind laut einer Definition „Vorrichtungen der defensiven Architektur“. Defensiv? Im Gegenteil. Trennkeile sind konkret Mittel, obdachlose Menschen aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben und auszugrenzen. Sie sind ein Angriff. Umso dringender ist es, dieser Praxis Einhalt zu gebieten und stattdessen humanistisches Handeln an den Tag zu legen. Ein Kommentar von Frank Blenz.
Trennkeile – ein Angriff auf die Menschenwürde
Folgende Schlagzeile fiel mir vor Kurzem bei der Lektüre verschiedener Blogs im Netz auf: „Bürgermeister entfernt Trennkeile gegen Obdachlose“. Geschehen war diese Aktion schon im Frühjahr dieses Jahres in Österreich. Im Blog „Guter Zweck“ ist zu lesen:
In Dornbirn, einer Stadt in Vorarlberg, hat der Bürgermeister Markus Fäßler von der SPÖ für Aufmerksamkeit gesorgt, indem er selbst sogenannte Trennkeile von mehreren Sitzbänken entfernte. Diese Trennelemente aus Holz sollten verhindern, dass obdachlose Menschen sich auf die Bänke legen und übernachten.
Keile, die die Gesellschaft spalten
Bürgermeister Fäßler handelte einzig richtig, finde ich – wohl auch, weil er merkte, dass derlei kommunaler Aktionismus schlicht herzlos ist und keine Perspektiven für die Betroffenen bietet. Mit Vorrichtungen, die Menschen treffen, die kein Zuhause haben, verwahrlost die etablierte Gesellschaft selbst, während sie Menschen ablehnt, ausgrenzt und der Verwahrlosung überlässt.
Solche Vorrichtungen gehören zur sogenannten defensiven Architektur – einer Gestaltungspraxis, die bestimmte Verhaltensweisen im öffentlichen Raum gezielt unterbindet. Besonders häufig trifft es jene Menschen, die keinen festen Wohnsitz haben und auf öffentliche Plätze angewiesen sind.
Keile als Abwehr, die gibt es nicht nur im beschaulichen Dornbirn, wo defensiv abgewehrt wurde. Und nicht nur Keile sind es, die ausgrenzen und diskriminieren – Behörden entwickeln dabei viel Fantasie, und zwar weltweit:
Defensive Architektur findet sich in vielen Städten weltweit. Sie reicht von Bänken mit Unterteilungen über geneigte Flächen, die das Sitzen verhindern, bis hin zu Metallstiften auf Mauern, die das Sitzen unmöglich machen. Formal wird es häufig mit Themen wie Sicherheit oder Ordnung begründet, tatsächlich führt es aber oft dazu, dass verletzliche Gruppen aus dem öffentlichen Leben gedrängt werden.
(Quelle: Blog Guter Zweck)
Weltweit – von Dornbirn nach Paris
Apropos weltweit: In der französischen Hauptstadt habe ich vor einigen Jahren an einer Haltestelle nahe der Nationalbibliothek auf den Bus gewartet. Ich wollte meine Beine quer auf die Bank ausstrecken und merkte, dass diese durch eine kleine Metallkonstruktion in der Mitte geteilt war. Gut, dachte ich mir, das Stück wird wohl ein architektonisches Stilelement sein. Später dämmerte es mir aber. Überall in der Stadt gab es auf Bänken dieses Bautyps solche Streben, die verhindern sollten, dass Menschen ohne Obdach sich in der Nacht hinlegen und unter den Glasdächern Schutz finden können.
Voriges Jahr war ich wieder in Paris – Olympia. Ich erlebte zwei Wettkampftage, die Marathon-Wettbewerbe, die ohne Eintritt entlang der Strecke erlebt werden konnten. Die französische Hauptstadt wiederzusehen, war verbunden mit Neugier, wie sich die Gastgeber der Olympischen Spiele präsentieren würden und ob die Stadt, wie von Organisatoren und Regierung angekündigt, „chic, sauber und frei“ (von Obdachlosen und Ausgegrenzten) sein würde. Siehe da, entlang des Seine-Ufers waren an abseitigen Orten, unter Brücken, in verwinkelten Seitenbereichen und in der Nähe von Grünanlagen Vorkehrungen getroffen worden, damit Obdachlose sich dort nicht aufhalten konnten: große Steinblöcke waren an einigen Stellen aneinandergereiht. Bauzäune verstellten Möglichkeiten zum Unterschlupf. Tatsächlich waren an diesen Abschnitten des Ufers und der näheren Umgebung der Seine kaum noch obdachlose Menschen zu sehen, die es aber zahlreich in Paris gibt. Diese Pariser aus ihrem Paris zu vertreiben, schien gelungen zu sein. Später konnte ich mir ein „Ja, ihr lasst Euch nicht vertreiben“ nicht verkneifen. In mehreren Parkanlagen der Stadt standen neue Zelte – aufgebaut von Menschen ohne feste Bleibe, die sich trotz behördlicher Schikane nicht aus ihrem Paris vertreiben ließen.
Was macht der Bürgermeister in Dornbirn?
Die Keile sind weg, die Bänke für jeden nutzbar. Die Lage der betroffenen Menschen zu verbessern, das scheint den Verantwortlichen zu dämmern. So heißt es aus dem Rathaus von Dornbirn:
Dornbirn will einen anderen Weg gehen. Nachdem Kritik an dieser Praxis lauter wurde, kündigte die Stadt an, eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Sozialarbeit, Polizei und Verkehrsplanung ins Leben zu rufen und Lösungen zu erarbeiten, die Rücksicht auf alle Nutzergruppen nehmen. Das Ziel ist ein öffentlicher Raum, der Sicherheit bietet, ohne Menschen zu marginalisieren. Statt einer Verdrängung sollen die Begegnungen, Zugänglichkeit und gesellschaftliche Teilhabe im Fokus stehen.
Ob Keile oder Bügel – weg damit
Schließlich fand ich noch eine Nachricht über eine weitere Aktion gegen defensive Architektur. In Hamburg wurde kein Keil, sondern ein Metallbügel ratzfatz weggeflext:
In Hamburg hat vor zweieinhalb Jahren Rapper Disarstar für Aufmerksamkeit gesorgt, als er obdachlosenfeindliche Metallbügel an einer Bank vor dem Empire Riverside Hotel auf St. Pauli kurzerhand wegflexte. Fälle von obdachlosenfeindlicher Architektur gibt es in Hamburg immer wieder.
(Quelle: Hinz & Kunzt)
Titelbild: Valery Evlakhov/shutterstock.com





