Kriegstreiber in Latzhosen

Jens Berger
Ein Artikel von:
Dominic Johnson

Früher war nicht alles besser, aber früher war doch sehr vieles einfacher. Linke Journalisten plädierten für Abrüstung und Frieden, während das reaktionäre Lager gerne dem Hurra-Patriotismus frönte. Sicher, die Pickelhaubenträger in den Redaktionen von WELT, BILD und FAZ sind nicht ausgestorben. Sie haben jedoch Zuwachs aus einer Ecke bekommen, die man nicht unbedingt mit Militarismus verbinden würde – dem linksliberalen Latzhosenmilieu der ehemals linken Tageszeitung taz. Deren „Ressortleiter Ausland“ heißt Dominic Johnson und Johnson ist in puncto Militarismus einer der schärfsten Kriegstreiber der Branche. Freilich geht es ihm dabei nicht um Kriege aus „egoistischen Gründen“, sondern um die militaristische Durchsetzung universeller Menschenrechte. Ist das noch Naivität oder schon als Naivität getarnte Kriegstreiberei? Diejenigen, die liebend gerne Kriege aus egoistischen Gründen führen wollen, können sich jedenfalls für so viel Schützenhilfe von links nur bedanken. Von Jens Berger

Vor wenigen Tagen wies Albrecht Müller im Rahmen eines umfassenderen Artikels auf das jüngste Schauerstück von Dominic Johnson hin. In seinem Artikel „Her mit der Flugverbotszone“ forderte Johnson am letzten Montag die Einrichtung einer Flugverbotszone über Syrien, die in letzter Konsequenz der Luftwaffe der NATO-Staaten erlauben soll, russische Flugzeuge über Syrien abzuschießen. So weit gehen noch nicht einmal die Säbelrassler von WELT, BILD und FAZ. Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass man sich ernsthaft Sorgen um Johnsons Geisteszustand machen muss. Nach dem Abschuss von MH17 über der Ostukraine forderte Johnson beispielsweise allen Ernstes die Erklärung des NATO-Bündnisfalls. Ok, liebe taz – Meinungspluralität ist ja ein hohes Gut. Aber irgendwo muss es doch auch einmal eine rote Linie geben.

Was treibt ausgerechnet einen taz-Journalisten dazu, mit der Feder den Einsatz des Schwertes herbeiführen zu wollen? Um es vorwegzunehmen: Johnson ist meines Erachtens kein „Handlanger“ der Rüstungslobby oder ähnliches. Er gleicht vielmehr einem naiven Anti-Faust, der stets das Gute will und stets das Böse schafft. Johnson forderte militärische Interventionen im Irak, in Syrien, in der Ukraine, in Somalia, Zentralafrika und fast jedem anderen Konfliktherd auf der Welt. Johnsons Lieblingssatz ist „Die internationale Staatengemeinschaft darf das nicht hinnehmen“, gefolgt von moralinsauren Vergleichen zu Auschwitz, Ruanda, Srebrenica und anderen grauenhaften Massenmorden. Die Botschaft: Wer wegguckt, macht sich strafbar. Nur wer was tut, hat aus der Geschichte gelernt. Ach, wenn es doch nur so einfach wäre.

Wenn es um Syrien geht, ist Dominic Johnson schon lange der Kragen geplatzt. Bereits 2012 forderte er unter der vielsagenden Überschrift „Eingreifen! Jetzt!“ eine militärische Intervention Deutschlands in Syrien. Ein Jahr später bemühte er sogar „Fotos von KZ-Opfern“, um in einem Artikel mit der Überschrift „Nichtstun? Oder lieber nichts tun?“ noch einmal mit dem Säbel zu rasseln und die deutsche Politik zu einem militärischen Eingreifen in Syrien zu treiben.

Es ist wohl sicher wenig überraschend, dass Johnsons Syrien-Expertise sich 1:1 auf, nennen wir sie einmal vorsichtig „oppositionelle“ Quellen beruft. Abwägungen oder gar differenzierte Betrachtungen sucht man bei Johnson vergebens. Die „Widerstandskämpfer“ sind die Guten, die Regierungsarmee, gerne auch personifiziert als „Assad“ oder schlicht „das Regime“, sind die Bösen. Und wenn nicht mehr zu verheimlichen ist, dass die „Opposition“ doch zum übergroßen Teil aus Islamisten besteht, also einer Gruppierung, die einem linksliberalen taz-Mann eigentlich nicht so fürchterlich nahe stehen sollte, dann ist daran natürlich auch das „Nichtstun“ des Westens schuld. Was nicht passt, wird passend gemacht. So einfach kann Journalismus sein.

Dominic Johnson ist Fachmann für Afrika und überträgt seine Erfahrungen vom schwarzen Kontinent nur all zu gerne auf andere Konfliktherde. Dabei geht er jedoch leider meist holzschnittartig und unterkomplex vor. Die „friedlichen Revolutionen“ des sogenannten Arabischen Frühlings fand er natürlich ganz toll. Demokratie! Menschenrechte! Wunderbar! Und wenn die Machthaber ihre Pfründe nicht freiwillig hergeben wollen?

In einem vollkommen anderen Kontext, nämlich dem Bürgerkrieg in der Ostukraine, pocht Johnson darauf, dass jeder Staat „nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht [hat], gegen Gewaltakteure vorzugehen, die auf seinem Territorium die Verfassungsordnung bekämpfen“. Was für die Ukraine in Johnsons Welt ein selbstverständliches Recht ist, gilt für Syrien natürlich nur eingeschränkt. Denn – und bereits hier kommt Johnson ins Schlingern – das staatliche Recht, gegen Gewaltakteure vorzugehen, sei damit verbunden, dass der Staat selbst „das Recht“ achtet. Nur um welches Recht geht es?

In einem Artikel unter der vielsagenden Überschrift „Das Völkerrecht gilt nicht“ legt Johnson bereits 2003 in einem Kommentar zur Rechtfertigung des Irak-Kriegs dar, was für ihn gültige Kriterien zur Kriegsführung sind. Das Völkerrecht gehört nicht dazu. „Der Test, ob ein Krieg gerechtfertigt ist oder nicht, besteht nicht in der Einhaltung juristischer Prinzipien, sondern in der Wahrung der Menschenrechte“, so Johnson.

Problematisch ist an dieser Definition vor allem, dass der Begriff „Menschenrechte“ zum einen sehr vage und zum anderen ein rein europäisch-amerikanisches Konzept ist. Die Idee, die Menschenrechte mit Waffenwalt zu einem universellen Dogma zu machen, würde wohl selbst den Philosophen der Aufklärung den Schrecken ins Gesicht treiben. Abgesehen davon begibt man sich in einen sehr gefährlichen Bereich, wenn man die Wahrung der Menschenrechte zur monokausalen Begründung von Krieg und Frieden erhebt und gleichzeitig juristische Prinzipien verteufelt. Wer soll dann bitte wie überprüfen, ob die Menschenrechte gewahrt werden? Die Antwort ist ebenso einfach wie verschreckend: Die Medien – oder besser gesagt, die Propaganda, der die Medien aufsitzen.

In diesem Kontext ist Johnsons zweite grundsätzliche Erklärung, nach der „eine humanitäre Intervention sich aus sich selbst legitimieren muss“, eine Steilvorlage für jeden Kriegstreiber in Latzhosen. Sobald ein Staat die Menschenrechte seiner Bevölkerung nicht wahrt, wäre demnach ein Angriffskrieg gegen diesen Staat gerechtfertigt.

In Dominic Johnson lebt ein naives Kind, das immer wieder „das gilt nicht“ schreit, wenn es auf echtes oder gefühltes Unrecht stößt. Sicher – jeder von uns fühlt sich hundsmiserabel, wenn er an die Opfer von Srebrenica, Ruanda oder Aleppo denkt. Jeder von uns würde Morde, Kriege und Unrecht lieber heute als morgen stoppen. Wenn man dies erreichen würde, indem man einfach ein paar Soldaten in die Krisengebiete schickt, wäre die Welt schon schnell ein besserer Ort. Die Geschichte lehrt uns jedoch, dass es nicht so einfach ist. Die Geschichte lehrt uns auch, dass die große Propagandisten „humanitärer Kriege“ alles andere als altruistisch sind.

Kosovo, Irak, Libyen, Afghanistan und nun Syrien – die Motive für den Westen, in aller Welt Kriege zu führen, waren nie altruistisch, sondern stets egoistisch. Wie sieht es denn heute in diesen Ländern in puncto Menschenrechten aus? Haben „wir“ im Irak wirklich erfolgreich Menschenrechte herbeigebombt? Haben „wir“ die afghanischen Frauen befreit und im Kosovo ein zweites Auschwitz verhindert? Unfug. All dies waren nur die Zückerli für die Johnsons dieser Welt, die zugleich Opfer und Täter sind und dabei von Tag zu Tag den Boden der Realität weiter verlieren.