Harms, Röpcke und Reitschuster gegen Nord Stream 2: Das letzte Aufgebot der Manipulation

Harms, Röpcke und Reitschuster gegen Nord Stream 2: Das letzte Aufgebot der Manipulation

Harms, Röpcke und Reitschuster gegen Nord Stream 2: Das letzte Aufgebot der Manipulation

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Gegner der Pipeline Nord Stream 2 haben sich gerade auf einer Konferenz getroffen: Dabei hat Personal der Grünen gemeinsam mit dem der „Bild“-Zeitung und solchem von der NATO gewirkt – und sich zu einer fragwürdigen Koalition verbunden. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Personal der Grünen, der NATO und der „Bild“-Zeitung sowie Vertreter aus osteuropäischen Staaten haben sich gerade in einer bemerkenswerten Koalition zusammengefunden: Eine Konferenz in Berlin hat sich am Donnerstag zur Pipeline Nord Stream 2 positioniert – genauer gesagt: dagegen. Bereits der Titel der Veranstaltung ließ ahnen, wohin die Reise wohl gehen würde: „Putins Nord Stream 2-Pipeline und ihre tatsächlichen Kosten für Europa“.

Wenn sich Rebecca Harms (Grüne), Julian Röpcke („Bild“) und Sijbren de Jong vom NATO-Hauptquartier zu einer „Informations“-Veranstaltung zusammenfinden und wenn dann noch der „Journalist“ Boris Reitschuster als „normaler“ Gesprächspartner in Sachen Russland eingeführt wird – dann wird der Raum für antirussische Diffamierung einerseits weit geöffnet, was schwer erträglich ist. Wenn allerdings andererseits diese Personen die letzten transatlantischen Reserven darstellen, die das fast fertig gestellte Pipeline-Projekt noch aufhalten sollen – dann kommen doch Zweifel auf, ob man sich um das europäisch-russische Energievorhaben noch allzu großen Sorgen machen muss. Doch das könnte ein ein fataler Fehlschluss sein: Denn andererseits planen die USA aktuell scharfe Sanktionen gegen die Pipeline und beteiligte Länder, dazu später im Text mehr.

Auf verlorenem Posten: „Wir können Nord Stream 2 nicht mehr aufhalten.“

Trotz der im Raume hängenden US-Drohungen zu Sanktionen und einer in diesem Text formulierten Warnung vor zu viel Optimismus: Auf der Konferenz am Donnerstag konnte einen das Gefühl beschleichen, dass hier mit großer Geste, aber vermutlich folgenlos, der Mond angebellt wird. Das stellte auch etwa der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des estländischen Parlaments, Marko Mihkelson, so ernüchtert wie unverblümt fest und verband es gleich mit Forderungen nach Aufrüstung:

„Wir verlieren, wir können Nord Stream 2 und die russischen Aggressionen nicht mehr aufhalten. Vielleicht ist es Zeit, statt auf ‚Wandel durch Handel‘ auf ‚Wandel durch Stärke‘ zu setzen: Es braucht mehr Geld für die Verteidigung.“

Die dennoch anhaltenden starken transatlantischen Widerstände gegen Nord Stream 2 sind bekannt – auch die dadurch einmal mehr sichtbare mutmaßliche Verbindung zwischen Personal der Grünen, des Springer Verlags und Abgesandten aus dem NATO-Hauptquartier. Im Falle der Grünen würde man sich wünschen, dass diese fragwürdige Seite des Parteicharakters endlich ins Bewusstsein der Bürger dringt und sich auch in Wahlergebnissen niederschlägt.

Mit der „Zivilgesellschaft“ gegen die Pipeline

Auch die bekannten Techniken, die gegen die Pipeline ins Feld geführt werden, waren auf der Konferenz einmal mehr zu beobachten: Besorgte Politiker, vor allem aus Osteuropa, treffen auf solche aus Westeuropa und bilden, flankiert von großen Medien, mit besorgten Vertretern der osteuropäischen „Zivilgesellschaft“ (Umweltaktivisten, Journalisten, Think-Tanks etc) eine scheinbar breite Front der „Bürger-Ablehnung“. Den Eindruck der teils freundlichen Medien-Begleitung für die Pipeline-Gegner versuchte „Bild“-Journalist Julian Röpcke auf der Konferenz allerdings ins Gegenteil zu verkehren:

„Es gibt eine starke Lobby für Nord Stream 2, die sich auch in der Presselandschaft zeigt. Da gibt es Lokalzeitungen in Mecklenburg Vorpommern – sie sind nicht gekauft, aber sie erhalten sehr teure Anzeigen.“

Solche Beschwerden über potente Geldgeber klingen aus dem Mund ausgerechnet eines „Bild“-Reporters dann doch überraschend. Zudem zeigt sich laut Röpcke in einer teils verzagten und nicht eindeutigen Berichterstattung zur Pipeline auch ein „deutsches Verständnis von Journalismus“ bezüglich einer möglicherweise falsch verstandenen Neutralität. Feierlich fügte Röpcke an:

„Darum arbeite ich bei ‚Bild’: Wir arbeiten zwar faktenbasiert, aber nicht zwingend neutral.“

Bundesregierung als „Komplize“ Russlands?

Hart ins Gericht ging der „Bild“-Reporter wie zahlreiche andere Referenten mit der deutschen Bundesregierung – die (bisher) in bemerkenswerter Stabilität zu dem Projekt steht: Die deutsche Regierung habe sich „bei der Verheimlichung der wahren Ziele von Nord Stream 2 zum Komplizen gemacht“. Und überhaupt, Nord Stream 2 sei viel mehr als eine Pipeline: „Es ist eine politische Waffe, mit der die Standhaftigkeit Deutschlands bei Menschenrechten geschwächt werden soll.“

Das Motiv der europäischen Spaltung und der durch die Pipeline bedrohten Menschenrechte erklang am Donnerstag häufig. Zwar sind die bestimmenden Motive der Pipeline-Gegner mutmaßlich wirtschaftlich und geopolitisch begründet: mit dem Ersatz russischen Pipeline-Gases durch US-amerikanisches Fracking-Gas und dem Wunsch nach einer allgemeinen Schwächung Russlands. Nach außen jedoch werden diese Motive vernebelt und durch Sorgen um die Umwelt, die Menschenrechte und um die EU-Wirtschaft ersetzt. Das spiegelt sich auch in den im Netz bereitgestellten „Quick Facts“ zur Pipeline: Sie ist demnach eine „Korruptions-Pipeline“, ein „Sicherheitsrisiko“ und ein schlechter Deal, der drohe, die EU zu spalten. Für die Umwelt sei das Vorhaben auch schlecht. Zur Bedrohung von Umwelt und Klima durch die neue Pipeline gab es sogar eine eigene von Rebecca Harms moderierte Diskussionsrunde, deren Tenor sich im folgenden Satz von Harms zusammenfassen lässt:

„Wir hören sehr viel über die Klimaschädlichkeit US-amerikanischer Energieimporte, aber sehr wenig über die Schädlichkeit solcher Importe aus Russland.“

Nord Stream 2 ist (vorsichtig) zu begrüßen

Das Projekt Nord Stream 2 ist grundsätzlich und vorsichtig zu begrüßen – die Energiegewinnung mit dem hier gelieferten Gas ist vermutlich billiger und ökologischer als die Alternative aus US-Flüssiggas. Auch wenn Pipelinegase darum noch lange nicht zur perfekten Energiequelle erklärt werden sollten. Es gibt vermutlich auch gute geopolitische Gründe für das Projekt: Es kann – zumindest potenziell – Deutschland auf positive Weise (Handel) mit der immer wichtiger werdenden politischen Kraft Russland verbinden. Kriegsgefahren werden dadurch vermindert.

Diese verbindende Wirkung wird jedoch vehement bestritten, dem Vorhaben wird unterstellt, ein Hebel für zukünftige Erpressungen durch Russland zu sein und – etwa für osteuropäische Staaten – die Kriegsgefahr zu erhöhen. Diese Sicht war Inhalt einer weiteren Runde mit dem Titel „Nord Stream 2 als Politik mit anderen Mitteln“. In dieser „Diskussion“ trafen unter anderem Sijbren de Jong aus dem NATO-Hauptquartier und der „russlandkritische Journalist“ Boris Reitschuster zusammen, das Ergebnis kann man sich ausmalen. Bemerkenswert waren zudem Äußerungen des bereits erwähnten Marko Mihkelson vom estländischen Parlament. Er beschrieb, dass Energiehandel seit den 60er Jahren als Werkzeug der Einflussnahme Russlands genutzt würde: Vordergründig sei Russland dabei vertragstreu. Hinter den Kulissen könnten aber theoretisch riesige Summen fließen: „Auch an korrupte Politiker in Deutschland“, so Mihkelson.

USA fordern Sanktionen – NATO rudert intern zurück

Die Konferenz fand möglicherweise nicht zufällig im Vorfeld der vom 11. bis 14. Oktober in London ausgetragenen Herbstsitzung der Parlamentarischen Versammlung der NATO statt. In der Organisation scheint es aber einen Dissens in der Frage der Pipeline zu geben. Während die USA Sanktionen gegen die Pipeline und beteiligte Länder fordern, sieht das sogar ein interner NATO-Bericht kritisch, wie „Sputnik” aus einem NATO-Dokument zitiert:

„‚Das Gesetz (zu den US-Sanktionen) muss noch vom Senat und dem Repräsentantenhaus verabschiedet werden, bevor der Präsident es als Gesetz unterzeichnen kann. Es hat jedoch bereits ernsthafte Bedenken in Europa ausgelöst‘ heißt es in dem Bericht. Besonders schwierig sei dabei die Situation, weil Europa selbst gespalten sei. Es gebe Länder, wie etwa Deutschland, die das Projekt unterstützen, und jene, wie Polen und das Baltikum, die es auf das Schärfste ablehnten.“

Das Dokument stellt laut diesem Artikel weiter fest, dass allein schon die Vorbereitungen des Sanktionsgesetzes „eine gewisse transatlantische Spannung erzeugt“ hätten. Dies liege daran, dass Washington sich die Option geben wolle, Sanktionen gegen beliebige nichtamerikanische Unternehmen zu verhängen, die mit Russland auf dem Gebiet der Ölförderung oder der Modernisierung von Pipelines zusammenarbeiten. Weitere Informationen zu den US-Sanktionen liefert etwa das „Handelsblatt“ in diesem Artikel.

Pipeline ist fast fertig

Je nach Quelle ist Nord Stream 2 bereits zu 83 Prozent bzw. zu 70 Prozent fertig gebaut. Trotz Differenzen mit Dänemark über die Pipeline-Route gehen die Betreiber derzeit noch davon aus, dass die Arbeiten am Projekt bis Ende 2019 abgeschlossen sein werden.

Titelbild: DesignRage/shutterstock.com

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