Diktatur und Mobilfunk in Myanmar

Diktatur und Mobilfunk in Myanmar

Diktatur und Mobilfunk in Myanmar

Marco Wenzel
Ein Artikel von Marco Wenzel

Der norwegische Mobilfunkbetreiber hat letzte Woche sein Netz in Myanmar an eine libanesische Firma verkauft und will sich aus dem Land zurückziehen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Seit dem Putsch am 1. Februar dieses Jahres hat sich die Situation in Myanmar dramatisch verändert. Für Telenor geht es aber nicht nur um Profiteinbußen, es geht auch um die Sicherheit seiner eigenen Mitarbeiter vor Ort und um ethische Prinzipien, die nach Einschätzung der Geschäftsleitung den weiteren Verbleib angesichts der neuen Forderungen der Junta in Myanmar unmöglich machen. Von Marco Wenzel.

Wie viele andere Firmen auch, hatte sich Telenor vom Schein trügen lassen und geglaubt, Myanmar sei endlich auf dem Weg zu einer Demokratie und ließ sich daher von hohen Gewinnerwartungen im Rahmen des Aufbaus des Mobilfunknetzes in Myanmar blenden. Die Geschichte hörte sich ja auch gut an und alle Welt wollte daran glauben. Das Militär schien willens zu sein, die Macht an eine Zivilregierung abzugeben und der von der Friedensnobelpreisträgerin Aung Suu Kyi im Jahre 1988 gegründeten Partei NLD die Regierungsmacht zu übergeben. Es war fast zu schön, um wahr zu sein, 43 Jahre Militärdiktatur schienen zu Ende zu gehen. Wer aber genauer hinsah, der konnte erkennen, dass das Parlament in Myanmar von Anfang an nur ein Scheinparlament war und dass die eigentliche Macht in Verwaltung und Wirtschaft nach wie vor noch beim Militär lag. Jetzt zieht Telenor sich mit Verlust aus dem Myanmargeschäft zurück.

Es gibt zurzeit viele Gründe für Menschen, die das noch tun können, Myanmar zu verlassen. Für ihren Rückzug aus dem Land gibt Telenor die nachfolgenden drei Gründe an:

1. Die wirtschaftliche Lage

Das Internet wurde in Myanmar erst im Jahre 2000 eingeführt und es gab von Anfang an Bestrebungen des Militärs, kritische Seiten zu blockieren. Aber seit 2000 ist der Sektor für Internet und Mobilfunk trotzdem im Aufwind. Telenor ist seit Beginn 2014 in Myanmar aktiv. Ein komplett neues Netz musste aufgebaut werden. Telenor hat hunderte Millionen US-Dollar darin investiert.

Telenor gehört neben Ooredoo, der staatlichen MPT und Mytel, einem Gemeinschaftsunternehmen der vietnamesischen Gesellschaft Viettel und dem Militär, zu den vier großen Mobilfunkanbietern in Myanmar. Heute hat Telenor rund 18 Millionen Kunden und bedient damit ein Drittel der 54 Millionen Einwohner des Landes. Seit dem Militärputsch schreibt das Unternehmen rote Zahlen.

Die Mobilfunkbetreiber in Myanar wurden nach dem Putsch gezwungen, den Zugang zu Plattformen wie Facebook, Twitter und Instagram zu sperren, weil diese genutzt wurden, um die Proteste zu organisieren und um Nachrichten über die Repressionsmaßnahmen, den Terror und die Menschenrechtsverletzungen der Tatmadaw in aller Welt öffentlich zu machen. Mitte März wurden die Internetanbieter, zu denen auch Telenor gehört, gezwungen, den Internetzugang ihrer Kunden zu kappen. Der Internetzugang ist bis heute nicht vollständig wiederhergestellt, die Telekommunikationsunternehmen erhalten regelmäßig von der Junta Listen mit zu sperrenden Websites und Telefonnummern von Aktivisten.

Telenor hatte ein erfolgreiches Geschäft in Myanmar aufgebaut. Jetzt verkaufte es sein Geschäft an die libanesische Investmentfirma M1 Group für 105 Mio. USD, weit unter dem geschätzten Wert von 650 Millionen USD, und kündigte seinen Rückzug aus dem Land an. Es wird spekuliert, dass M1 das Mobilfunknetz an eine russische oder eine chinesische Firma weiterverkaufen könnte. China und Russland unterhalten enge Beziehungen zur Militärjunta und haben sich bisher stets geweigert, den Putsch zu verurteilen.

2. Die Sicherheit der Angestellten

Den Führungskräften der großen Telekommunikationsfirmen in Myanmar wurde von der Junta verboten, das Land ohne Erlaubnis zu verlassen. Eine Anordnung des Post- und Telekommunikationsministeriums von Mitte Juni besagt, dass leitende Angestellte, sowohl Ausländer als auch Staatsangehörige Myanmars, eine Sondergenehmigung einholen müssen, um das Land zu verlassen. Das Verbot soll Druck auf die Telekommunikationsfirmen ausüben, eine von der Junta geforderte Spionagetechnologie einzurichten.

Für die Überwachung der Mobilfunkkunden brauchen die Militärs die Mitwirkung der Netzbetreiber und deren Angestellten. Das Ausreiseverbot soll die Angestellten zur Kooperation mit der Junta zwingen. Das Militär geht auch tätlich gegen Mitarbeiter der Mobilfunkunternehmen vor oder bedroht sie, wenn sie sich weigern, ihre Anordnungen auszuführen. Manche Mitarbeiter, so wird berichtet, wurden auch schon festgenommen und verhört.

Ganz allgemein verschärft sich die Sicherheitslage in Myanmar zunehmend. Das Militär hat ein neues Netzwerk pro-militärischer und nationalistischer Gruppen gegründet bzw. wieder reaktiviert, die Pjusawhti. Es handelt sich hierbei um faschistische Hardliner, die Terror unter der Bevölkerung verbreiten und einen schmutzigen Krieg gegen die demokratischen Kräfte führen, die sich dem Putsch widersetzen. Die Pyusawhti kann die nächtliche Ausgangssperre ignorieren, um ihre Anschläge auszuführen, weil es Partner des Militärs ist und von der USDP, der Partei des Militärs, unterstützt wird.

Das Netzwerk arbeitet mit der Junta zusammen, um Angriffe auszuführen, die darauf abzielen, Terror zu verbreiten und den Ruf der Volksverteidigungskräfte und anderer Widerstandsgruppen zu beflecken, indem sie versuchen, diese Attentate den Regimegegnern in die Schuhe zu schieben. Zudem sind sie verdeckt als Spitzel tätig, um Regierungsgegner zu denunzieren. Wenn sie die nötigen Informationen bekommen haben, erledigt dann die Tatmadaw den Rest. Die Gruppen sind sehr gefährlich und zunehmend seit Mitte Mai aktiv. Auf ihr Konto gehen zahlreiche Bombenattentate auf Schulen, Krankenhäuser und sogar auf die NLD-Büros in Mandalay und Rangun Mitte Juni sowie zahlreiche Tötungen von Regierungsgegnern, inklusive von Dorfvorstehern, die zur NLD gehören, und sogar von Abgeordneten der NLD.

Ihnen gegenüber stehen zunehmend radikale Gruppen von meist jungen Regierungsgegnern, die in den Untergrund gegangen sind und ihrerseits Anschläge auf Polizeiposten und Regierungsgebäude ausführen und die auch regelmäßig Spitzeln die Kehle aufschlitzen oder regierungstreue Beamte erschießen. Entgegen den Pjusawhti oder den Tatmadaw haben diese Gruppierungen jedoch einen Verhaltenskodex und es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine solche Gruppierung, auch wenn sie nicht unter dem Kommando der Parallelregierung NUG steht, Schulen, Krankenhäuser oder Einrichtungen der NLD angreifen würde.

Seit dem Putsch hat es bereits mehr als 300 Bombenanschläge im Land gegeben. Es wird zunehmend gefährlicher in Myanmar, wer zur falschen Zeit am falschen Ort ist, kann schnell mal eine Pechsträhne haben.

Und dann ist da noch die neue Covid-Welle, die zurzeit komplett aus dem Ruder läuft. Myanmar scheint auf eine schwere COVID-19-Krise zuzusteuern, die das Land verwüsten könnte, das Virus unter Kontrolle zu bringen, ist eine Herausforderung, der die Junta und das Gesundheitssystem unter den aktuellen Bedingungen nicht gewachsen sind. “Der Junta fehlen die Ressourcen, die Fähigkeiten und die Legitimität, diese Krise unter Kontrolle zu bringen,” sagte der UN-Sonderberichterstatter für Myanmar, Tom Andrews.

Das Regime in Myanmar hat für diese Woche eine landesweite Abriegelung verhängt und gleichzeitig die Anzahl der Feiertage in dieser Woche von zwei auf fünf erhöht, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen, während die Zahl der Infektionen und Todesfälle im Lande weiter ansteigt. Die Junta gab letzten Mittwoch bekannt, dass vom 17. bis 25. Juli offizielle Feiertage sein werden.

Am letzten Mittwoch meldete Myanmar 145 Todesfälle – die höchste tägliche Zahl seit dem Militärputsch. (Über die Pandemie in Myanmar werden die NachDenkSeiten nächste Woche noch einen eigenen Beitrag bringen.)

Und als sei das alles noch nicht genug, droht aufgrund der bürgerkriegsbedingten Ernteausfälle dieses Jahres und der fehlenden Einnahmen durch den Zusammenbruch der Wirtschaft und der Pandemie demnächst eine Hungersnot.

3. Spionagesoftware und Ethik

Bereits zwei Jahre vor dem Putsch, im Januar 2019, kontaktierte das zuständige Ministerium die Mobilfunkunternehmen, um die technischen Aspekte der Überwachung von Sprache, SMS und Daten zu besprechen. Das Ministerium, damals unter der Regierung der NLD, war mit ehemaligen Militäroffizieren besetzt und stellte 6,19 Mrd. Kyat (etwa 3,2 Mio €) im Budget für 2019-20 bereit, um ein System zu implementieren, das in der Lage wäre, bis zu 120 Anrufe im Telenor-Netzwerk gleichzeitig abzufangen und gleichzeitig auch ein Gigabyte pro Sekunde der Kundendaten des Unternehmens zu überwachen. Im Dezember 2020 schlug Telenor Alarm und enthüllte, dass die Behörden bald schon einen direkten Zugriff auf Nutzerdaten in Echtzeit haben würden.

Einige Monate vor dem Putsch am 1. Februar wurden die Telekommunikations- und Internetprovider dann angewiesen, eine Spionagesoftware zu installieren, die es der Armee ermöglicht, die Kommunikation der Bürger abzuhören. Nach dem Putsch und infolge der umfangreichen Proteste hat das Regime alle Betreiber nochmals angewiesen, die Abhörtechnik zu installieren, und ihnen eine Frist bis zum 5. Juli gesetzt, damit die Behörden Anrufe, Nachrichten und Webverkehr ausspähen und die Benutzer verfolgen können.

Es ist aber noch unklar, inwieweit die beiden ausländischen Anbieter Telenor und Ooredoo (Katar) dem nachgekommen sind. Ein Gesetz zur Cybersicherheit verpflichtet die Telekommunikationsanbieter dazu, auf Anfrage Daten zur Verfügung zu stellen und Inhalte zu entfernen oder zu blockieren, die als störend für “Einheit, Stabilisierung und Frieden” angesehen werden. Dazu verlangt das Regime auch, Daten über seine Nutzer weiterzugeben, wie z.B. deren Wohnadressen und Anruflisten. Gleichzeitig wurden die Datenschutzgesetze außer Kraft gesetzt.

Als die Regierung Myanmars 2019 für die SIM-Karten-Registrierung die Vorlage eines Ausweises oder Reisepasses einführte, äußerte Telenor Bedenken wegen der mangelnden Datenschutzrechte. Trotzdem hat das Unternehmen unregistrierte SIM-Karten im Juni letzten Jahres gekündigt.

Gegen die Bestimmungen der Junta können die Telefonfirmen sich nicht wehren: “Die Betreiber müssen diese Informationen zur Verfügung stellen, die wir anfordern, um eine Person zu verhaften oder zu überprüfen, oder es werden Maßnahmen gegen sie ergriffen”, sagte ein Polizeibeamter. Die Informationsanfragen können das Ausweisdokument, das zur Registrierung einer SIM-Karte verwendet wurde, Aufzeichnungen von Mobilfunkmasten, die zur Verfolgung der Bewegungen einer Person verwendet werden können, sowie die Wohnadresse und die Anrufliste eines Kunden umfassen, so der Polizeibeamte. Der Beamte, der zu einem neuen Cybersicherheitsteam innerhalb der Polizei gehört, bestätigte, dass sie auf diese Informationen von allen vier Mobilfunkbetreibern in Myanmar zugreifen können. Das Regime kann damit alle Daten abgreifen, die es will, und es gibt keine Regeln dafür, wie damit umgegangen werden darf. Das stellt ein erhebliches Risiko für jeden Kunden dar.

Nachdem Telenor zunächst die Welt über die Direktiven der Generäle informiert hatte, wurde das Unternehmen inzwischen vom Regime zum Schweigen gezwungen. Die Weitergabe von Benutzerdaten an die Behörden bringt viele Menschen in Gefahr. Telenor, das nach eigenen Angaben großen Wert auf Menschenrechte und verantwortungsvolle Geschäftspraktiken legt, möchte der Junta nun nicht weiter dabei helfen, den Internetzugang zu beschränken und Regimegegner ins Visier zu nehmen, indem es seine Nutzerdaten an ein Regime weitergibt, das entschlossen ist, jede Opposition niederzuschlagen.

Zurzeit verlässt sich das Militär noch hauptsächlich auf Informanten, um seine Gegner zu verfolgen, aber dies könnte sich bald ändern. Der erhöhte Einsatz von Überwachungstechnologie wird es dem Regime in Zukunft erleichtern, Demonstranten und Regimegegner aufzuspüren.

Die Gewalt hat seit dem Putsch mehr als 200.000 Menschen vertrieben. Sie sind untergetaucht und auf der Flucht vor der Festnahme durch die Tatmadaw. Viele von ihnen sind zur Fahndung ausgeschrieben, weil sie sich an der Bewegung des zivilen Ungehorsams gegen die Militärdiktatur beteiligen. Sie schlafen nicht mehr als zwei Nächte hintereinander am selben Ort. Mehr als 900 Menschen wurden bereits von den Sicherheitskräften getötet, 5.200 befinden sich in Haft, berichten die Vereinten Nationen. Da kann man nicht riskieren, dass ihr Mobiltelefon verrät, wo sie sich aufhalten.

Wörter wie “Revolution” und “Protest” werden in das System eingegeben. Wenn das System feststellt, dass jemand diese Wörter oft benutzt, wird die Person auf die Liste der Verdächtigen gesetzt und dann hört die Polizei ihre Gespräche mit. Bei den Festgenommenen werden die Daten von ihren Mobiltelefonen und Laptops extrahiert, um weitere Verdächtige zu finden. Die Polizei überprüft das Mobiltelefon, die Telefonlisten und die Chat-Anwendungen, Facebook und die Fotogalerie, um weitere Verdächtige oder Freunde zu finden, die mit einem Festgenommenen in Verbindung stehen. Die gefundenen Daten werden zudem als Beweismittel vor den „Gerichten“ des Militärs verwendet.

Aber nicht nur die Telefone der bereits verhafteten Regimegegner werden durchsucht. Die Tatmadaw halten in ihrem Versuch der totalen Kontrolle und Einschüchterung der Bevölkerung auch wahllos und willkürlich Menschen auf der Straße an und verlangen die Herausgabe ihres Handys, um es auf verdächtige Inhalte zu durchsuchen. Wenn sie fündig werden, dann werden die Besitzer verhaftet und auf dem Revier verhört oder gar sofort ins Gefängnis geworfen oder Schlimmeres. Das Ziel ist es, den Menschen Angst einzuflößen. Zudem kommt es oft zu Razzien während der nächtlichen Ausgangssperre. Die Tatmadaw dringen in die Häuser ein, um sie nach verdächtigem Material oder versteckten Personen zu durchsuchen. Auch hierbei werden in der Regel die Mobiltelefone und Laptops nach regimekritischen Daten durchsucht.

Der Rückzug von Telenor bedeutet einen Rückschlag für die Aktivisten. Telenor hatte sich bisher, so gut es konnte, gegen die Anweisungen des Militärs gewehrt, während die beiden myanmarischen Firmen Mytel und MPT (Myanmar Posts & Telecommunications) erwartungsgemäß die Forderungen der Junta zum Ausspionieren ihrer Kunden eins zu eins umsetzten. Viele Mobilfunknutzer sind deshalb nach dem Putsch zu Telenor hinübergewechselt. Aktivisten äußerten ihre Besorgnis über den Rückzug von Telenor. Sie sahen Telenor als den sichersten Betreiber an und vertrauten darauf, dass Telenor ihre Daten nicht weitergeben würde.

Telenor hatte sich zu Transparenz verpflichtet, ganz im Gegensatz zu den anderen Mobilfunkanbietern in Myanmar, ist aber nach dem Putschversuch nicht mehr in der Lage, weiterhin transparent zu bleiben. Die Mobilfunkbetreiber in Myanmar haben keine andere Wahl, als die Anweisungen der Junta, entgegen eigener Sicherheitsbedenken, zu befolgen.

Aber der Rückzug von Telenor wird auch von den Regimegegnern als übereilt kritisiert. Telenor hätte sich die Sache zu einfach gemacht, meinen viele. Denn die Firma befindet sich mehrheitlich im Besitz des norwegischen Staates. Der norwegische König reiste sogar 2014, zum Beginn der Aktivitäten von Telenor, persönlich nach Myanmar und wurde dort mit allen Staatsehren von der Regierung empfangen. Viele kritisieren, dass der norwegische Staat sich hätte auf diplomatischer Ebene einschalten und mit den Generälen Tacheles reden müssen, statt sich sang- und klanglos aus dem Staub zu machen.

Fluch und Segen des Mobilfunks

So hilfreich und bequem der Gebrauch des Mobilfunks heutzutage auch sein mag, so birgt er auch große Gefahren für seinen Besitzer, wenn die Daten, die bei seiner Benutzung anfallen, in die falschen Hände gelangen und abgegriffen werden können. Seit der Verbreitung der Mobiltelefone mit eingebauten Kameras zum Fotografieren ist es für beide Seiten, sowohl für das Regime als auch für seine Gegner, schwer, etwas geheimzuhalten. Das gilt nicht nur in Myanmar.

Das Militär hat die Macht in Myanmar übernommen und es hat Waffen. Die Tatmadaw alleine entscheiden in Myanmar, was Gesetz ist und was nicht. Die Justiz ist nicht unabhängig, Klagen gegen Maßnahmen der Tatmadaw sind sinnlos. Es gibt keine Gewaltenteilung. Wenn Telenor sich nicht fügt, werden die Sicherheitskräfte ihre Büros stürmen und sich mit Gewalt die Informationen holen, die sie wünschen. Und sie werden bei der Gelegenheit auch noch gleich die ganze Belegschaft verhaften.

Die Forderungen des Regimes, mit denen Telenor für den Zugriff auf Anrufe, SMS-Nachrichten und Internet-Nutzungsdaten der Nutzer in Echtzeit konfrontiert wird, sind in vielen Ländern üblich und als “rechtmäßiges Abhören” bekannt. In Myanmar gibt es jedoch keine Kontrollen wie z.B. eine gerichtliche Überprüfung darüber, welche Daten überwacht werden dürfen und unter welchen Umständen das geschehen darf. Kein Richter muss eine vorherige Genehmigung zum Abhören erteilen, die Tatmadaw macht, was sie will.

Die Entwicklung in Myanmar sollte jedem zu denken geben, der seine Daten unbedarft im Internet auf den sozialen Medien preisgibt. Die meisten glauben, es könne ja nichts passieren, sie seien ja unbescholtene Bürger und machten nichts Verbotenes. Da hätten sie ja auch nichts zu befürchten, wenn jemand weiß, wo wer gerade ist.

Auch die Menschen in Myanmar waren bis zum ersten Februar unbescholtene Bürger. Sie waren Krankenschwestern, Ärzte, Anwälte, Lehrer, Staatsangestellte oder sie waren Schüler und Studenten. Nichts Besonderes, meist nicht mal politisch aktiv. Manche von ihnen waren Bürgermeister, Dorfvorsteher oder sogar Abgeordnete.

Nach dem Putsch sind viele von ihnen jetzt auf der Flucht, müssen sich verstecken und sind zur Fahndung ausgeschrieben. Weil sie sich an Demonstrationen beteiligt hatten, weil sie sich an der Bewegung des zivilen Ungehorsams beteiligen oder weil sie der NLD angehören, der Partei, die die vorherige Regierung gestellt hatte und die letzten Wahlen im November 2020 mit überwältigender Mehrheit gewonnen hatte.

Titelbild: Phuong D. Nguyen/shutterstock.com

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