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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Arbeitsmarkt im März 2011; Neue Wege – gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf; Ein irrer Duft liegt in der Luft; Wieder eine Fülle neuer Daten und Fakten in Sozialpolitik aktuell in Deutschland; Kommunen und Stadtwerke fordern einmütig Energiewende; Wirtschaftsweiser Franz verlässt den Aufsichtsrat von EnBW; Amerikaner verstoßen gegen Swift-Abkommen; Ein weiterer Schlag gegen Sarkozys Autorität; Sitzen ist Gewalt; Operation am offenen Herzen; Rekord: Belgien überholt Irak; Umfallen als Politikstil; Stuttgart 21 – Strafbefehl gegen Polizisten; Kunst der Aufklärung in China: Kant hat sich nicht getraut; Peinlich für Bouffier; Rezension: Patrick Bahners: Die Panikmacher – Die deutsche Angst vor dem Islam (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Arbeitsmarkt im März 2011
  2. Neue Wege – gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf
  3. Ein irrer Duft liegt in der Luft
  4. Wieder eine Fülle neuer Daten und Fakten in Sozialpolitik aktuell in Deutschland
  5. Kommunen und Stadtwerke fordern einmütig Energiewende
  6. Wirtschaftsweiser Franz verlässt den Aufsichtsrat von EnBW
  7. Amerikaner verstoßen gegen Swift-Abkommen
  8. Ein weiterer Schlag gegen Sarkozys Autorität
  9. Sitzen ist Gewalt
  10. Operation am offenen Herzen
  11. Rekord: Belgien überholt Irak
  12. Umfallen als Politikstil
  13. Stuttgart 21 – Strafbefehl gegen Polizisten
  14. Kunst der Aufklärung in China: Kant hat sich nicht getraut
  15. Peinlich für Bouffier
  16. Rezension: Patrick Bahners: Die Panikmacher – Die deutsche Angst vor dem Islam

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Arbeitsmarkt im März 2011
    5,594 Millionen “Arbeitslosengeld-Empfänger/innen” (SGB III und SGB II)1
    4,754 Millionen Arbeitslosengeld II-Empfänger/innen – 283.000 (5,6%) weniger als im März 2010. 3,210 Millionen registrierte Arbeitslose – 350.000 (9,8%) weniger als im März 2010.
    Von diesen 3,210 Millionen Arbeitslosen waren 1,010 Millionen (31,4%) im Rechtskreis SGB III und 2,201 Millionen (68,6%) im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert.
    Als Arbeitsuchende waren im März 2011 insgesamt 5,374 Millionen Frauen und Männer registriert, 687.000 (11,3%) weniger als im März 2010. Die von der Statistik der BA ermittelte „Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit“ betrug im März 2011 4,163 Millionen, 579.000 (12,2%) weniger als im März 2010.
    Nach vorläufigen, hochgerechneten Daten hatten 0,937 Millionen (arbeitslose und nicht arbeitslose) Frauen und Männer Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III) und 4,754 Millionen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Bereinigt um die Zahl der etwa 97.000 sog. Aufstocker (gleichzeitiger Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im März 2011 etwa 5,594 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) bzw. Arbeitslosengeld II, 593.000 weniger als vor einem Jahr (BA-Monatsbericht, S. 20).
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 446 KB]
    Quelle 2: Bundesagentur für Arbeit

    Anmerkung WL: Der Bestand an offenen Stellen hat gleichfalls zugenommen, liegt aber bei nur 407.710 Stellen von denen 384.016 sofort zu besetzen wären [PDF – 1.3 MB]. Die Arbeitsagentur schränkt zwar ein, dass den Arbeitsagenturen nur 39% des gesamten Stellenangebots gemeldet würden. Das gesamte Stellenangebot wird jedoch großteils nicht etwa von Arbeitslosen sondern von Menschen in ungekündigter Stellung nachgefragt. Will sagen: Selbst wenn alle offenen Stellen besetzt durch Arbeitslose besetzt werden könnten, bliebe es noch bei Massenarbeitslosigkeit – zumal wenn man noch die „stille Reserve“ einbeziehen würde.

  2. Neue Wege – gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf
    Am 25. Januar 2011 wurde das Sachverständigengutachten für den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übergeben. Das Gutachten und die Zusammenfassung können Sie hier abrufen.
    Quelle: Fraunhofer Institut
  3. Ein irrer Duft liegt in der Luft
    Hundert­tausende demonstrieren gegen den Sparwahn der Regierung und wollen Premier ­Cameron die nonchalante ­Krisenbewältigung nicht ­länger durchgehen lassen
    Quelle: Der Freitag
  4. Wieder eine Fülle neuer Daten und Fakten in Sozialpolitik aktuell in Deutschland
    Unter anderem:

    • Erwerbstätigkeit im Lebenszyklus (Bertelsmann Stiftung)
    • Eigenständige Alterssicherung von Frauen (FES)
    • Pflegestatistik 2009. Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung – Deutschlandergebnisse (Statistisches Bundesamt)
    • Sozialberichterstattung Nordrhein-Westfalen: Lebenslagen von Alleinerziehenden
    • Vorschläge zur künftigen Arbeitsmarktpolitik: integrativ – investiv – innovativ. Gutachten für das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie (IAQ)
    • Missbrauch von Leiharbeit verhindern (IAQ)
    • Untersuchungen über Wachstum und Gerechtigkeit. Deutschland – ein beschäftigungsorientierter Ansatz (ILO)
    • Bedürftige Kinder und ihre Lebensumstände (IAB)
    • Renten auf einen Blick 2011: Renteneinkommenssysteme in OECD- und G20-Ländern (OECD)
    • Ohne Studium (k)eine Führungsposition? (IAQ)

    und Vieles andere mehr.

    Quelle: Sozialpolitik aktuell in Deutschland

  5. Kommunen und Stadtwerke fordern einmütig Energiewende
    Kommunen und kommunale Unternehmen fordern einen Umbau des Energiekonzeptes für Deutschland mit besseren Rahmenbedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Sie begrüßen, dass die sieben ältesten Kernkraftwerke abgeschaltet sind und die Laufzeitverlängerung erneut zur Diskussion steht, so tont es aus dem weitem Lande Deutschlands. Bitte geht doch, wenn die politische Funktionärskaste plötzlicher Machtverlust droht. Man ist versucht, hier von Wendehälsen zu sprechen.
    Denn eines bleibt bei allen nun zu beobachteten Entwicklungen in Richtung erneuerbaren Energien: Ein sehr bitterer Beigeschmack, denn erstens erscheint das politische Personal als nicht glaubwürdig genug, die Wende zur Nachhaltigkeit zu vollziehen. Da ist viel – wie auch im Unternehmensbereich, wo man dies Greenwashing nennt – Trittbrettfahrerei dabei. Denn und zweitens, die Wende zur Nachhaltigkeit ist auch eine weltanschauliche, moralische Frage, da geht es eben um den mündigen Bürger, um mehr Demokratie und Mitbestimmung bis hin soziale Gerechtigkeit. Das wollen diese am liebsten wegschrauben und die Wende zur Nachhaltigkeit alleine als eine “technische” darstellen. Größer kann der Irrtum nicht sein, der dann auch einem auf die Füße fallen wird.
    Quelle: Glocalist
  6. Wirtschaftsweiser Franz verlässt den Aufsichtsrat von EnBW
    Wenige Tage nach dem Wahlsieg von Grün-Rot in Baden-Württemberg zeichnen sich die ersten Veränderungen im Aufsichtsrat des Energieversorgers EnBW ab. Der vom scheidenden Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) in das Gremium gebrachte Wirtschaftsweise Wolfgang Franz hat angekündigt, sein Mandat niederzulegen.
    Quelle: Badische Zeitung

    Anmerkung G.K.: Nach der „Stromwatch-Studie“ der Saarbrücker Professoren Leprich und Junker verbuchten die drei Energie-Konzerne E.ON, RWE und EnBW zusammen – auch durch mit EEG-Kosten vorgeblich begründeten Strompreiserhöhungen – in den Jahren 2002 bis 2009 Gewinne von über 100 Mrd. €! (Siehe die umfassende Darstellung von Thomas Seltmann „Solare Rendite für Stromkonzerne“ in der Zeitschrift Sonne, Wind & Wärme, Heft 17/2010, Seite 116h ff.).
    Frage: Wie hoch waren in dieser Dekade die Gewinnzuschläge in der Preiskalkulation der Stromkonzerne? Wo sind die Investitionen dieser Mega-Profite geblieben?
    Seit Beginn der Atomausstiegsdiskussion nach Fukujima meldete sich wiederholt der Vorsitzende des Sachverständigenrates Prof. Wolfgang Franz mit Ausstiegs-Warnungen und mit „fachlichen“ Aussagen zu dann notwendigen Strompreiserhöhungen öffentlich zu Wort (z.B. zuletzt in der Wiso-Sendung vom 21.3.2011).
    Mit den Äußerungen eines „Wirtschaftsfachmannes“ aus dem höchsten öffentlichen Regierungsberatungsgremium der Republik wird natürlich der Boden für die öffentliche Akzeptanz einer neuen Strompreissteigerungsrunde der Konzerne bereitet – klar, die drei Quasimonopolisten sollen ihre Gewinnzuschläge auch bei zu erwartenden Netz-Investitionen zumindest halten können.

    Heute wird bekannt, dass Wolfgang Franz von Stefan Mappus in den EnBw-Aufsichtsrat berufen wurde und bei der geplanten Neubesetzung des EnBw-Aufsichtsrats von der neuen grün-roten Regierung entlassen werden soll…
    So bewegt sich also Wolfgang Franz bei der Ausübung seines hohen Amtes in den vertrauten Fußstapfen seines Vorgängers Bert Rürup. Steht inzwischen die ganze deutsche WiWi-Fakultät unter Generalverdacht?

  7. Amerikaner verstoßen gegen Swift-Abkommen
    Die EU-Kommission räumt in einem Bericht schwere Fehler bei der Umsetzung des Swift-Abkommens ein. Die USA speichern demnach Daten europäischer Bankkunden ohne Anlass und auf Vorrat – und verschweigen die Zahl der Zugriffe. EU-Parlamentarier fordern die Aussetzung des Paktes.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Jens Berger: Wen wundert das? Wenn die EU grob fahrlässig ein Gesetz erlässt, das förmlich zum Missbrauch einlädt, darf sie sich auch nicht darüber beschweren, dass die Sollbruchstelle dann auch tatsächlich bricht. Der Katzenjammer, der jetzt durch die Brüssler Flure halt, ist mehr als verlogen.

  8. Ein weiterer Schlag gegen Sarkozys Autorität
    Der zweite Durchgang der Département-Wahlen in Frankreich hat die Trends vom letzten Sonntag noch verstärkt. Bei den Stichwahlen in rund 1500 Wahlkreisen, den «cantons», gelang es den Linksparteien, zusätzliche Sitze zu erobern. Die Sozialisten, die mit den Kommunisten und den Grünen bisher schon 58 von 100 Départements regiert haben, werden ihre Vorherrschaft nach der Wahl der Präsidenten der Generalräte Mitte Woche um drei bis fünf zusätzliche Départements ausbauen können. Obschon in Frankreich der «Fukushima-Effekt» weit weniger stark war als bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, gelang es den Grünen (Europe-Ecologie-Les Verts), ihren bisherigen Sitzbestand in den Stichwahlen zu verdoppeln, in einigen Fällen auch auf Kosten von Sozialisten oder Kommunisten.
    Zwar gelang es dem FN wegen des Mehrheitswahlrechts nur in 2 von 400 Wahlkreisen, wo seine Kandidaten noch im Rennen waren, ein Mandat im Generalrat zu erringen. Das ist klar weniger als das Dutzend, das die Parteichefin Martine Le Pen als Ausbeute angestrebt hatte. Der eigentliche Erfolg des FN aber war der sehr starke Stimmenzuwachs zwischen den beiden Durchgängen, der belegt, dass für viele Wähler ein Votum für den FN kein Tabu mehr darstellt.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung WL: Sarkozys Kriegstreiberei in Libyen hat ihm also innenpolitisch genauso wenig geholfen wie die angebliche Kehrtwende in der Atompolitik den konservativen Parteien in Deutschland.

    Anmerkung J.D. (Frankreich):

    • sehr niedrige Wahlbeteiligung, 45 %
    • die UMP Partei des Präsidenten Sarkozy liegt bei 17 %, viele seiner Kandidaten sind unter “Schwindeletikett” angetreten, d.h. sie haben sich nicht getraut für ihre UMP Zugehörigkeit zu stehen
    • die Parti Socialiste PS die sehr stark auf Dedpartementsebene vertreten ist, erklärt sich als Sieger, obwohl es sich bei genauem hinsehen mehr um Stabilität denn um Zuwachs handelt
    • die Front de Gauche, die ihre Nähe zur Linkspartei erklärt, hat zwar dazugewonnen, aber das erklärte Ziel vor den Sozialisten zu landen ist wohl in weite Ferne gerückt. Ihr charismatischer Sprecher Jean Luc Melenchon und erklärter aber noch nicht von der Basis der Parti Communiste bestätigter Präsidentschaftskandidat, konnte sich aber in der Parteien -und Medienlandschaft etablieren. Seine Rolle ist in etwa der des Oskar Lafontaine bei der Gründung der Linken gleichzusetzen.
    • and the winner is: die rechtsextreme Front National mit neuem Gesicht, d.h. Tochter des bisherigen Leaders Marine le Pen.

    Das schockierendste:
    die Kandidaten haben keinen Wahlkampf geboten, absolut keine Information zu ihrer Person, nur Wahlplakate mit dem Porträt der neuen Parteivorsitzenden und Präsidentschaftskandidatin, in groß und in klein darunter ihren Namen. Darunter ein 93 jähriger Altersheiminsasse, Frauen die man per mail angesprochen hat und zugesichert dass sie unter ihrem Frauenamen bei höchster Diskretion kandidieren können. Und diese Phantomkandidaten haben im 1. Wahlgang generell 17 – 20 % Stimmen erhalten, im 2. Wahlgang dann sogar bis zu 40 – 45 %, allerdings nur 2 wurden gewählt.
    Es ist diese Parodie von Demokratie zusammen mit der hohen Wahlabstinez die als sehr schrilles Alarmsignal zu werten ist. Aber tut man das?

  9. Sitzen ist Gewalt
    Das Bundesverfassungsgericht kriminalisiert Sitzblockaden. Das darf im Sinne der Versammlungsfreiheit nicht das letzte Wort bleiben
    Seit Jahren verurteilen deutsche Strafgerichte Sitzblockierende regelmäßig wegen Nötigung. Das ist Teil einer Einschüchterungspraxis, die neben dem Strafrecht auch mit horrenden Kostenerstattungsklagen für Polizeieinsätze aufwartet. Die Strafgerichte berufen sich für die Verurteilungen auf Paragraf 240 des Strafgesetzbuches, der die rechtswidrige Nötigung „mit Gewalt“ dann verbietet, wenn die Täter verwerflich handeln.
    Auch das Bundesverfassungsgericht urteilte am Dienstag über einen Fall friedlicher Resistenz: […]
    Wenn sich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes darin erschöpfte, bei der Verwerflichkeitsprüfung eine hinreichende Beachtung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit einzufordern, könnte man ihn vorbehaltslos begrüßen. Der Kammerbeschluss macht der Strafgerichtsbarkeit aber leider ein folgenreiches Zugeständnis: Das Bundesverfassungsgericht erkennt die sogenannte „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs an.
    Quelle: Der Freitag
  10. Operation am offenen Herzen
    Die NATO hat das Oberkom­mando für die Militäroperationen übernommen und verschafft dem Prinzip Schutzverantwortung einen Präzedenzfall
    Erst eine Woche des erbitterten Streits, dann aber passiert es. Ob beim Waffenembargo, beim Flugverbot oder Schutz der Zivilbevölkerung – die westliche Allianz führt nun alle Militäroperationen in Libyen, ohne auf den schnellen Erfolg zu rechnen. Die NATO plant für einen etwa dreimonatigen Einsatz und zieht die Entscheidung über viele strittige Fragen an sich: Wie weit geht das Mandat des Sicherheitsrates? Was ist das Ziel der Operation? Der Schutz der Zivilbevölkerung und ein möglichst baldiger Waffenstillstand, wie das der Resolution 1973 (2011) zu entnehmen ist? Oder doch eine weitgehende Zerschlagung von Gaddafis Militär und die Unterstützung der Rebellen? Oder gar ein durch militärische Übermacht erzwungener regime change, wie es George W. Bush genannt hätte?
    Quelle: Der Freitag
  11. Rekord: Belgien überholt Irak
    289 Tage ohne richtige Regierung – Weiterhin Konflikt zwischen Flamen und Französischsprachigen.
    Belgien hat am Dienstag den Weltrekord des Irak für die längste Zeit bis zu einer Regierungsbildung eingestellt. Das Königreich, das als Hauptsitz der Europäischen Union (EU) dient, war am Dienstag 289 Tage nach den Parlamentswahlen vom 13. Juni 2010 weiter ohne richtige Regierung. Die Koalition unter Yves Leterme war im vergangenen April an einem Streit über die Rechte von französischsprachigen Belgiern in Flandern zerbrochen.
    Quelle: Der Standard
  12. Umfallen als Politikstil
    Nicht einmal mehr auf Klientelpolitiker ist Verlass. Deutsche Parteien ändern neuerdings nach Stimmungslage die Richtung. Das sollten Wähler nicht durchgehen lassen.
    Wenn sich Befürworter der Atomkraft angesichts der japanischen Reaktorkatastrophe zu Atomkraftgegnern wandeln, ist das ein begrüßenswerter Lernprozess. Was allerdings Union und Liberale bewegt hat, ihre Atompolitik komplett umzukehren, ist kein Lernprozess, sondern Opportunismus in beinahe obszöner Ausprägung. Und darum nimmt ihnen auch kaum jemand diese Verwandlung ab.
    Sie versuchen nicht, glaubwürdig zu sein, sondern sie bemühen sich um den Eindruck von Glaubwürdigkeit. Deshalb der peinliche Schlingerkurs von Merkel und Mappus vor dem vergangenen Wahlsonntag, deshalb der hektische Aktionismus, deshalb der erbärmliche Versuch der FDP, die Grünen an AKW-feindlicher Radikalität zu übertreffen.
    Quelle: FTD
  13. Stuttgart 21 – Strafbefehl gegen Polizisten
    um ersten Mal hat der Einsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten am sogenannten Schwarzen Donnerstag juristische Konsequenzen für einen Polizisten. Gegen ihn wurde ein Strafbefehl über 6000 Euro verhängt, weil er gegen eine Demonstrantin im Schlosspark am 30. September unrechtmäßig Pfefferspray eingesetzt hatte.
    Er soll es einer Frau grundlos aus nächster Nähe ins Gesicht gesprüht haben. Da es ein Strafbefehl über mehr als 90 Tagessätze ist, gilt der Polizist nun als vorbestraft.
    Quelle: Stuttgarter Zeitung
  14. Kunst der Aufklärung in China: Kant hat sich nicht getraut
    Professor Huang Liaoyu, Germanist an der Peking-Universität, zur deutsch-chinesischen Großausstellung “Kunst der Aufklärung”, die Anfang April im Pekinger Nationalmuseum eröffnet wird
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein bemerkenswert unbefangenes Interview, das zeigt, dass in China auf einer eher privaten Ebene auch heikle Themen diskutiert werden können, ohne dass der Geheimdienst gleich zuschlägt. Wunderbar die Antwort auf die Frage, warum in einer Zeit verstärkter Zensur diese Ausstellung dennoch möglich sei: “Ich glaube, die Mehrheit der Bevölkerung und wohl auch der Beamten wissen nicht, dass sich hinter dem Begriff Aufklärung politisch heikle Dinge verbergen können. Dass die westliche Kritik an China auf Wertvorstellungen basiert, die aus der Aufklärung kommen, sehen viele in China gar nicht.” – Nur hat Huang Liaoyu eine Tendenz in Deutschland noch nicht mitbekommen: Das gnadenlose Zusammenstreichen der Geisteswissenschaften und der Sparzwang in vielen kulturellen Institutionen im Zeichen kurzfristiger ökonomischer Verwertbarkeit. Seine Bewunderung für die Hochachtung von der Kultur und Geisteswissenschaften in Deutschland schmerzt.

  15. Peinlich für Bouffier
    Im Fall Daschner wird es für Volker Bouffier immer peinlicher. Erst das das unsägliche Schmerzensgeld-Verfahren des Kindsmörder bringt die die Wahrheit über den politischen Umgang mit dem Fall ans Tageslicht. Die Regierung hätte besser gleich mit offenen Karten gespielt.
    Der Frankfurter Polizist Wolfgang Daschner hat in sehr schwieriger Situation eine falsche Entscheidung getroffen – dem Kindermörder Magnus Gäfgen Gewalt anzudrohen. Eine andere Entscheidung Daschners war hingegen absolut richtig: Er hat hinterher mit offenen Karten gespielt.
    Ob das auch für andere Beteiligte gilt, muss bezweifelt werden. Ministerpräsident Bouffier etwa, der seinerzeit Innenminister war, hat dem Parlament nur verschleierte Auskünfte gegeben, wie sich jetzt herausstellt. Er hat nicht verraten, dass der damalige LKA-Chef offenbar von Anfang an in den Entführungsfall einbezogen war und ausweislich der Akten auch der damalige Staatssekretär Corts. Das hätte Bouffier sagen müssen, wenn er es denn gewusst hat. Genauso peinlich wäre es, wenn er nicht Bescheid gewusst hätte. Dann wäre er von seinen Untergebenen hintergangen worden.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  16. Rezension: Patrick Bahners: Die Panikmacher – Die deutsche Angst vor dem Islam
    FAZ-Redakteur Patrick Bahners entlarvt die neokonservative Islamkritik als Panikmache und wird dafür im eigenen Lager heftig attackiert.
    Bahners setzt sich fundiert und auf weiter Strecke überzeugend mit Autoren und Politikern auseinander, die sich das weltanschauliche Orientierungsbedürfnis eines verunsicherten bürgerlichen Publikums zunutze machen, um sich mit rassistischen Untergangs- und Horrorszenarien wichtig zu machen. Ob Autoren wie Peter Sloterdijk, Henryk M. Broder, Ulrike Ackermann, Udo Ulfkotte, Necla Kelek, Hans-Peter Raddatz oder CDU-Politiker wie Hans-Jürgen Irmer und Kristina Schröder: Alle bekommen sie ihr Fett weg.
    Anstoß nimmt der konservative Journalist aber auch an jenen Berufspolitikern, die sich den Zuspruch der Wähler dadurch zu erwerben versuchen, dass sie gezielt Vorurteile gegenüber in Deutschland lebenden Muslimen schüren. Das erste Beispiel für eine Karriere auf dem Ticket der Islamkritik ist für ihn die CDU-Politikerin Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Diese habe den aus der rechtsextremistischen Propaganda bekannten Topos von der angeblich zunehmenden Deutschenfeindlichkeit unter Einwandererkindern zunächst dem hessischen Landtagswahlkampf 2008 beigesteuert, »in dem die CDU die Angst vor kriminellen Ausländern schürte und Zweifel an der nationalen Zuverlässigkeit der Spitzenkandidaten der Oppositionsparteien säte« (Bahners, a.a.O., S.270f). Als Ministerin setzte sie das Thema auf die Tagesordnung der Bundesregierung und stilisierte sich selbst dann auch noch zum Opfer dieser von ihr selbst herbeigeredeten »Deutschenfeindlichkeit, weil sie als Fachpolitikerin für Islam, Integration und Extremismus unflätige Briefe erhalten hat, in denen die einschlägigen Schimpfwörter verwendet wurden«. (ebd., S.272)
    Patrick Bahners: Die Panikmacher – Die deutsche Angst vor dem Islam. CH Beck Verlag, München 2011, 320 Seiten, 19,90 Euro
    Quelle: Junge Welt