Hinweise des Tages II

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Das Grundeinkommen ist ein Irrweg
  2. Totenglöckchen für Schweizer Steuerabkommen – Morgenluft für Steuergerechtigkeit
  3. Thomas Fricke – Angie, hilf!
  4. Ideologie und Moral: Was die Finanzkrise über das Funktionieren von Demokratie lehrt
  5. Eurokrise
  6. Re-writing the history of the housing bubble and the economic crisis
  7. Schäubles fette Beute
  8. Arm trotz Arbeit: Aufstocker sind wesentlicher Teil des Hartz IV-Systems
  9. Der Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Sozialcharta ist überfällig
  10. Gelsenkirchener Oberbürgermeister: Zahnpflege ist längst nicht mehr selbstverständlich
  11. Michael Freiberg: ein Abgeordneter als Lobbyist
  12. Operation “Gedächtnisschwund”?
  13. Bundestagsparteien kamen 2010 auf Gesamteinnahmen von zusammen knapp 414 Millionen Euro
  14. Gute Arbeit in der Wissenschaft – Ein Leitfaden für Hochschulen und Forschungseinrichtungen
  15. Bremer Friseur rauft sich bei dieser Bewerbung die Haare
  16. Das Letzte: Der Hehler rät Betrügern zur Gesetzestreue

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Das Grundeinkommen ist ein Irrweg
    Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker erklären, warum das Grundeinkommen die ökonomische Basis zerstört, aus der heraus es bezahlt werden soll.
    Sollte es ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden Bürger geben? Ob Linkspartei, die Piraten-Partei oder Bürgerinitiativen: Die Idee für ein bedingungsloses Grundeinkommen, nach der einem jeden Bürger ein bestimmtes monatliches Einkommen gezahlt werden soll, unabhängig davon, ob er arbeitet oder nicht, ob er Vermögenswerte besitzt oder nicht, hat viele Befürworter. Selbst Unternehmer, wie beispielsweise Götz Werner, Gründer einer Drogeriemarktkette, setzen sich bisweilen für ein Grundeinkommen von 1000 Euro im Monat ein.
    Der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck, der auch Direktor bei der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf ist, hat zusammen mit der Diplom-Volkswirtin Friederike Spiecker, dem Wirtschaftswissenschaftler Volker Meinhardt und dem bis 2007 beim Deutschen Institut für Wirtschaftsfragen “Verantwortlichen für Grundsatzfragen der Finanzpolitik”, Dieter Vesper, nun ein Buch vorgelegt, das ein bedingungsloses Grundeinkommen als “Irrweg” bezeichnet: Irrweg Grundeinkommen: Die große Umverteilung von unten nach oben muss beendet werden.
    Im Telepolis-Interview erklären Flassbeck und Spiecker, warum ein bedingungsloses Grundeinkommen ihrer Meinung nach keine Lösung sein kann. Für Flassbeck und Spiecker ist das bedingungslose Grundeinkommen ein Beispiel dafür, wie versucht wird, Symptome zu behandeln ohne auf die tatsächlichen Ursachen, die den Ruf nach einem bedingungslosen Grundeinkommen erst haben laut werden lassen, einzugehen.
    Quelle: Telepolis
  2. Totenglöckchen für Schweizer Steuerabkommen – Morgenluft für Steuergerechtigkeit
    Frontal 21 berichtete gestern in “Kampf gegen Steuerhinterziehung: Razzien bei deutschen UBS-Kunden” über die jüngsten Ereignisse bei der UBS Deutschland und deren Konsequenzen für das Steuerabkommen mit der Schweiz. Im Aufmacher heißt es:
    “Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte schon früher Ermittlungen im Zusammenhang mit gekauften Datenträgern eingeleitet. Das Finanzministerium in Düsseldorf erklärte, seit 2010 seien insgesamt sechs CDs aus der Schweiz mit den Daten mutmaßlicher deutscher Steuerhinterzieher gekauft worden. Beim jüngsten Erwerb waren auch die Daten von UBS-Kunden dabei.

    Beihilfe zur Steuerhinterziehung?

    UBS-Mitarbeiter stehen schon länger im Verdacht, auch bei deutschen Kunden Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu leisten. Frontal21 berichtete mehrfach darüber. So hatten sich Frontal21-Reporter unter anderem als Anleger ausgegeben, die unversteuertes Geld ins Ausland schaffen wollten. Ein Schweizer Außendienstmitarbeiter bot den Reportern daraufhin an, das Geld in der Schweiz so anzulegen, dass die deutschen Behörden keinen Zugriff hätten. Vor wenigen Tagen teilte die Staatsanwaltschaft Mannheim mit, dass sie gegen Mitarbeiter der UBS wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittle.
    Die größte Schweizer Bank UBS hatte bereits vor mehreren Jahren Geschäftsmodelle entwickelt, die ihr eine wohlhabende internationale Kundschaft bringen sollten. In den USA warben UBS-Berater zum Beispiel für Geldanlagen, bei denen der amerikanische Fiskus leer ausging, weil eine Scheinfirma zwischengeschaltet war. Als die Geschäfte aufflogen, wurde die UBS zu einer Strafzahlung von umgerechnet 610 Millionen Euro und zur Herausgabe von über 4500 Kundendaten verurteilt.”
    Quelle: blog steuergerichtigkeit

  3. Thomas Fricke – Angie, hilf!
    Die deutsche Wirtschaft ist weit näher an einer Rezession, als es Bundesregierung und Daueroptimisten behaupten. Höchste Zeit, einen Rettungsplan für 2013 vorzubereiten.
    Noch ist der Konjunktursturz nur in manchen Branchen zu spüren. Die Autobranche fährt wieder Kurzarbeit. In Bankhäusern laufen beschleunigt die Entlassungswellen. Und es soll hochwertige Qualitätszeitungen geben, denen es vorübergehend nicht so gut geht. Alles in allem wächst die Wirtschaft ja trotzdem noch, wie am Donnerstag gemeldet wurde.
    Entsprechend gelassen scheinen Prognostiker, Wirtschaftsminister und Bundeskanzlerin zu reagieren. Von Auszeit am Arbeitsmarkt ist die Rede. Vom Wiederaufleben der Konjunktur ab 2013. Und von der deutschen Stärke, frei nach Philipp Rösler. Da soll die Rezession es mal wagen.
    Was ein bisschen skeptisch macht, ist, dass solche Sprüche fast immer zu hören sind, bevor die Wirtschaft in Rezessionen stürzt. Das Risiko könnte bei beschleunigt abstürzenden Frühindikatoren und auslaufender Schonfrist für die deutsche Wirtschaft bereits zunehmen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Auguren dies unterschätzen. Und auch nicht das erste Mal, dass die Kanzlerin erst spät reagiert. Dabei lässt sich der Sturz jetzt noch abwenden.
    Quelle: FTD
  4. Ideologie und Moral: Was die Finanzkrise über das Funktionieren von Demokratie lehrt
    Ideologien beinhalten immer auch Aussagen über Fakten. Wenn diese Aussagen aber zur Realität nicht passen möchten, so wird gerne und schnell moralisiert: Ein Zustand IST dann nicht, sondern er SOLL sein. Das führt derzeit besonders der Neoliberalismus vor, wie sich nicht zuletzt an den Diskussionen um die aktuelle Finanzkrise zeigt. Die Lehre daraus: Demokratie ist nie ein Streit um Fakten, sondern immer ein Streit um deren Interpretation.
    annotBeginnen wir zunächst mit dem Marxismus. An seinen dogmatischen Varianten lässt sich sicherlich eine ganze Menge kritisieren. Ein Beispiel für eine besonders fragwürdige Annahme wäre beispielsweise die, dass die Arbeiterklasse zur Revolution strebe, also die politische und ökonomische Macht an sich reißen werde, weil sich dies aus dem historischen Ablauf der Geschichte so ableiten lasse. Blöde war nur, dass die Arbeiterklasse in den vergangenen zweihundert Jahren den “historischen Gesetzmäßigkeiten” nicht so recht folgen wollte. In Deutschland war mit dem Ende der Bismarckschen Sozialistengesetze der Weg frei zur sozialen und politischen Einbindung der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften, die diesen Weg in Übereinstimmung mit dem größten Teil ihrer Klientel eifrig beschritten.
    Quelle: annotazioni.de
  5. Eurokrise
    1. Lagarde: Eurozone muss Griechenland helfen
      Im Ringen um neue Hilfskredite für Griechenland macht der Internationale Währungsfonds (IWF) Druck. Die Finanzminister der Eurozone sollten auf ihrem Treffen in der kommenden Woche zu einer Einigung kommen, damit Griechenland wieder auf die Füße kommt, sagte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde. Lagarde will ihre Asien-Reise verkürzen, um an dem Treffen am Dienstag in Brüssel teilzunehmen.
      Quelle: derStandard.at
    2. Deutschland ächzt – Frankreich freut sich
      Eigentlich schien für die Ökonomen alles klar zu sein: Deutschlands Konjunktur rettet sich im dritten Quartal knapp ins Plus, Frankreichs Wirtschaft hingegen begibt sich auf Schrumpfkurs. Doch nun ist es anders gekommen: Frankreich überrascht mit guten Zahlen. Für Deutschland sieht es schlechter aus, für die gesamte Euro-Zone düster…
      Überaschend gute Zahlen kommen dagegen aus Frankreich: Das Bruttoinlandsprodukt legte im Zeitraum von Juli bis September zwar wie in Deutschland auch nur um 0,2 Prozent zu. Doch Beobachter hatten damit gerechnet, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas im dritten Quartal in eine Rezession rutscht. Im zweiten Quartal war die Wirtschaftsleistung in Frankreich bereits um 0,1 Prozent zurückgegangen.
      Quelle: SZ
    3. Südeuropas Leid, Deutschlands Freud
      Krisengewinnler Deutschland: Die Massenarbeitslosigkeit in Südeuropa treibt tausende hochqualifizierte Arbeitskräfte in die Bundesrepublik. Selbst die, die kein Wort Deutsch sprechen, sind bei den Unternehmen willkommen…
      Im ersten Halbjahr 2012 kamen netto rund 182.000 Zuwanderer nach Deutschland, 35 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Portugiesen und Spanier stieg gegenüber 2011 um mehr als die Hälfte, die Zahl der griechischen Zuwanderer steig um 78 Prozent…
      „Für Deutschland ist das großartig”, sagt Herbert Brücker, Migrationsexperte am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. 50 bis 70 Prozent der Zuwanderer seien Hochschulabsolventen, viele davon aus den gefragten naturwissenschaftlichen und technischen Fächern. Aber auch Pflegekräfte und Krankenschwestern würden schnell Arbeit finden…
      Im Gesamtjahr 2012 könnte die Nettozuwanderung nach Deutschland laut IAB-Experte Brücker deutlich über 300.000 liegen…
      Quelle: Spiegel

      Anmerkung WL: Deutschland ist der Schmarotzer der Krise: Der Staat spart die Ausbildungskosten und die Unternehmen profitieren von der größer werdenden „Reservearmee“ an Arbeitskräften und können so die Löhne drücken. Man raubt den krisengebeutelten Ländern qualifizierte Arbeitskräfte und schwächt das dortige „Humankapital“.

    4. IMK-Indikator: Rezession immer wahrscheinlicher
      Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in nächster Zeit in eine Rezession gerät, ist im vergangenen Monat rapide angestiegen – zum dritten Mal in Folge. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Erstmals in diesem Jahr kommt die vom Indikator ausgewiesene Rezessionsgefahr dem “roten Bereich” des Instruments nahe, der bei einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent beginnt.
      Der jüngste starke Anstieg des Rezessionsrisikos geht nach der Analyse des IMK maßgeblich auf die negative Entwicklung von realwirtschaftlichen Faktoren zurück: So sind die Auftragseingänge aus dem In- und aus dem Ausland abermals verstärkt rückläufig. Hinzu kommt der Rückgang der offenen Stellen seit Jahresbeginn. Aber auch die Stimmungsindikatoren haben sich weiter verschlechtert. So sinkt der ifo-Geschäftsklimaindex seit dem Frühjahr kontinuierlich. Schließlich kommt in diesem Monat auch von den Finanzmarktindikatoren erstmals ein signifikanter Erklärungsbeitrag zum Anstieg der Rezessionswahrscheinlichkeit. Maßgeblich für diese Entwicklung ist die Krise im Euroraum, die die Exportchancen der deutschen Industrie zunehmend belastet.
      Quelle: IMK
  6. Re-writing the history of the housing bubble and the economic crisis
    The story of the housing bubble is an incredible tragedy. The collapse of the bubble has wreaked havoc on the lives of tens of millions of people by leaving them or family members unemployed, destroying savings and costing millions their homes.
    The simple reality is bad enough, but what makes matters worse is that the whole episode was entirely preventable. As early as 2002 it was possible to recognize that house prices had sharply diverged from their long-term trend without any basis in the fundamentals of the housing market.
    Since we had just seen the rise and collapse of a $10 trillion bubble in the stock market it should have been apparent to economists that our economy can generate large bubbles. The collapse of that bubble had thrown the U.S. economy into a recession, from which we were having considerable difficulty recovering, so it should have occurred to economists that the collapse of the housing bubble would also be bad news for the economy.
    Quelle: Real World Economics Review
  7. Schäubles fette Beute
    Still und leise kürzt der Finanzminister den Bundeszuschuss für den Gesundheitsfonds zusammen. Das heißt: Schon bald werden Versicherte Zusatzbeiträge zahlen müssen
    “Ich bin doch nicht krank!“, sagen Frauen, wenn sich ihr Bäuchlein zu runden beginnt und sie von allen Seiten fürsorglich belagert werden. Es hat lange gedauert, bis schwangere Frauen sich wieder selbstbewusst zu ihren „anderen Umständen“ bekennen konnten. Denn mit der Medikalisierung von Schwangerschaft und Geburt sind sie zu versorgungsbedürftigen Patientinnen geworden. Und die Krankenkassen übernehmen alle damit verbundenen Kosten: von der Vorsorge über die Geburtshilfe bis hin zu Mutterschafts- oder Krankengeld, wenn Eltern mit einem kranken Kind zu Hause bleiben müssen.
    Quelle: Der Freitag
  8. Arm trotz Arbeit: Aufstocker sind wesentlicher Teil des Hartz IV-Systems
    Mehr als eine Million Menschen arbeiten und stocken ihr Gehalt durch Hartz-IV-Leistungen auf. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde würde diesen Menschen helfen und zugleich die Ausgaben für Hartz IV um mehrere Milliarden Euro senken.
    Im Hartz IV-System sind bei weitem nicht alle Leistungsempfänger arbeitslos. Im Juli 2012 waren von knapp 4,5 Mio. Hartz IV-Empfängern im erwerbsfähigen Alter (15 – 64 Jahre) „nur“ 2 Mio. Menschen arbeitslos. Hartz IV dient also nicht nur zur Sicherstellung des Existenzminimums für Menschen ohne Arbeit, sondern auch für diejenigen, die trotz ihrer Erwerbstätigkeit kein Einkommen erzielen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt und ggf. den ihrer Familie sicher stellen können. Hartz IV ist für diese Menschen ein Kombi-Einkommen, mit dem sie ihren Lohn aufstocken. Demzufolge werden sie als Hartz IV-Aufstocker bezeichnet.
    Ein Vergleich der Entwicklung der Zahl der Aufstocker und der Gesamtzahl erwerbsfähiger Hilfebedürftiger zeigt einen auffälligen Trend. Im Zuge der konjunkturellen Erholung nach Überwindung der Wirtschaftskrise 2008/09 nimmt die Zahl erwerbsfähiger Leistungsempfänger in den letzten Jahren leicht ab. Bei den Aufstockern ist hingegen im Trend eine gegenläufige Entwicklung festzustellen. Ihre Zahl steigt, obwohl eigentlich eine parallele Entwicklung zur Gesamtzahl der Leistungsempfänger zu erwarten wäre.

    Quelle: DGB

  9. Der Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Sozialcharta ist überfällig
    Die sozialen Rechte werden ohne eine transnationale Dimension keine Zukunft haben. Der wirtschaftlichen Globalisierung muss eine Globalisierung der sozialen Rechte folgen…
    Der Kampf um globale soziale Rechte hat nicht nur eine globale, er hat auch eine europäische Dimension. Denn in Europa, das mit seiner gewachsenen Wohlfahrtsstaatlichkeit einst das Kernland der sozialen Rechte darstellte, drängen die einseitige Orientierung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und die neuartigen austeritätsorientierten Steuerungsmechanismen des Fiskalvertrags die sozialen Rechte zunehmend zurück. Als Gegengift könnte die Stärkung der Europäischen Sozialcharta den sozialen Rechten wieder einen Haltepunkt auf europäischer Ebene geben. Die Charta ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der zum Recht des Europarates gehört. Insgesamt 27 europäische Staaten, aber nicht alle Mitgliedsstaaten der EU haben sie unterzeichnet. Die Charta fristet aktuell ein Schattendasein. Das Zusatzprotokoll zur Europäischen Sozialcharta und das darin enthaltene Kollektivbeschwerdeverfahren wurden kaum ratifiziert, auch nicht durch die Bundesrepublik.
    Neben der gebotenen Ratifizierung spricht nichts dagegen, die Rechte der Sozialcharta auch vor Gericht bringen zu können sowie Individual- und Kollektivbeschwerden zu ermöglichen. Wenn im Unionsvertrag gefordert wird, dass die Europäische Union der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten soll und mittlerweile der Entwurf einer Vereinbarung dazu vorliegt,[1] dann sollte die Europäische Union sich auch der Europäischen Sozialcharta verpflichten und zu einer der maßgeblichen Kräfte ihrer Stärkung werden. Darüber hinaus könnte ein gerichtliches Forum im Rahmen der Europäischen Sozialcharta, ein europäischer Sozialgerichtshof das Netzwerk europäischer Gerichte ergänzen. Es bedarf einer gerichtlichen Instanz, die nicht wie der Europäische Gerichtshof primär dem Binnenmarkt verpflichtet ist, sondern dafür Sorge trägt, dass die sozialen Rechte in Europa endlich zentrale Bedeutung erhalten.
    Quelle: Gegenblende
  10. Gelsenkirchener Oberbürgermeister: Zahnpflege ist längst nicht mehr selbstverständlich
    In Gelsenkirchen leben die meisten armen Kinder Deutschlands. Im Interview erklärt Oberbürgermeister Frank Baranowski, wie es dazu kommen konnte und weshalb der Staat dort die Eltern erziehen muss: … ” Der Etat ist sehr schwierig, das stimmt. Auch wir müssen Schulden machen, um unsere Aufgaben überhaupt noch erfüllen zu können. Wenn wir uns aber aus solchen präventiven Maßnahmen verabschieden, bedeutet das zwangsläufig, dass sich hier Lebenswege entwickeln, die den Sozialstaat in weitaus höherem Ausmaß belasten werden. Um es klar zu sagen: Präventives Handeln ist die beste Investition in die Zukunft! … So drastisch es klingt, manchmal wäre es wirklich sinnvoller, Kinder direkt nach der Geburt in eine andere Obhut zu nehmen, das ist bitter, aber es ist so. Mir macht es große Sorgen, dass Eltern nicht mehr in der Lage zu sein scheinen, ihre ureigenen Aufgaben zu erfüllen. Zum Beispiel ist Zahnpflege in einem bestimmten Milieu längst nicht mehr selbstverständlich.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein ziemlich eigenartiges Interview, wenn man bedenkt, dass der Bürgermeister vor den Landtagswahlen 2010 in NRW noch ganz anders geklungen hat: “Gelsenkirchen hat durch die Schließung der Zechen und den Wegfall weiter Teile der Stahlindustrie so massiv Arbeitsplätze verloren, wie kaum eine andere Stadt. In den vergangenen Jahren ist es uns gelungen, die alten Bergbau- und Industrieflächen ohne Verwerfungen wieder nutzbar zu machen und an vielen Standorten neue zukunftsfähige Unternehmen anzusiedeln. Natürlich bleiben weiterhin viele Probleme, aber der Grundstein für ein zukunftsfähiges Gelsenkirchen ist gelegt. Diesen Aufwärtstrend werden wir intensiv durch eine möglichst optimale Ausbildung der jungen Generation unterstützen.”
    Plötzlich ist Strukturwandel nicht mehr auf gutem Wege, sondern immer noch Hauptgrund für die Schwierigkeiten der Stadt. Was ist zwischenzeitlich geschehen, dass Frank Baranowski sogar auf staatliche Zwangserziehungsmethoden setzt? Die Schelte an versagenden Eltern ist populistisch und soll wohl bei der Schicht, die noch wählen geht, ankommen – wie wahrscheinlich auch die vor der Landtagswahl gelobte Bewältigung des Strukturwandels. – Es würde schon interessieren, wie hoch die Anzahl der Doppelverdiener, wie groß der Anteil des Niedriglohnsektors in Gelsenkirchen ist und ob nicht eher solche Situationen dazu beitragen, dass manche Kinder nicht die Betreuung und Erziehung erhalten, die nötig ist. Vor allem aber versäumt es der Bürgermeister auf gravierende wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen seiner Vorgänger hinzuweisen. Da wären zum Beispiel die Überlassung des städtischen Kanalnetzes und etlicher städtischer Gebäude an amerikanische Investoren über Cross-Border-Leasingverträge. Im Gefolge der Finanzkrise (hier der der US-Versicherungskonzern AIG) musste sich die Stadt im Frühjahr 2009 aus dem Vertrag zum Kanalnetz heraus kaufen – dafür wurden 49 Millionen Euro Steuergelder fällig. Ein weiteres schönes Beispiel bietet das renommierte Grillo-Gymnasium, das mit einer neuen Tonhalle ausgestattet werden sollte. Etwas spät stellte sich heraus, dass das Gymnasium bis zum Jahre 2020 über Cross-Border-Leasing amerikanischen Finanzinvestoren gebunden war und alles beim Alten bleiben musste. – Hinzukommen gescheiterte PPP-Projekte (Public Private Partnership), aber vielleicht sollte man mit dem Bürgermeister nicht allzu kritisch umgehen, denn Gelsenkirchen geht es wirklich schlecht und eines muss man ihm zugutehalten: Obwohl er das individuelle Versagen seiner Mitbürger aus der Unterschicht allzu sehr betont, hat er die letzte Trumpfkarte, die Populisten in solch einer Situation zu ziehen pflegen, nicht ausgespielt: Den Hinweis auf den relativ hohen Bevölkerungsanteil von Bürgern mit Migrationshintergrund (mehr als ein Fünftel).
    Zum Ausmaß fragwürdiger Zinswetten und Cross-Border-Leasingverträge deutscher Kommunen siehe hier.

  11. Michael Freiberg: ein Abgeordneter als Lobbyist
    “Türöffner zu politischen Entscheidungsträgern“: so betitelte sich der Berliner CDU-Abgeordnete Michael Freiberg auf seiner Homepage Freiberg-Consulting. Freiberg ist seit 2011 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für den Wahlkreis Neukölln. Auf seiner Homepage bot er seine Tätigkeiten als Lobbyist an. Nachdem seine Lobbytätigkeit Ende Oktoberin die Kritik kam, nahm Freiberg prompt die Seite aus dem Netz. Das Problem ist dadurch aber nicht aus der Welt.
    Quelle: LobbyControl
  12. Operation “Gedächtnisschwund”?
    Man hat für diesen neuen Krieg in Gaza den Namen “Operation Wolkensäule” gewählt. Passender wäre wohl “Operation Gedächtnisschwund” gewesen. Premier Netanjahu rechnet mit dem kurzen Gedächtnis der Bevölkerung. Er zählt darauf, dass die Menschen vergessen haben, dass Dutzende, wenn nicht hunderte “Liquidationen” ausgeführt wurden, ohne dass damit auch nur ein Problem gelöst worden wäre – weil es immer wieder jemanden gab, der den Platz des Getöteten einnahm und dann in der Regel noch radikaler war als sein Vorgänger. Netanjahu rechnet damit, dass die Menschen sich nicht mehr daran erinnern, dass Israel vor vier Jahren Krieg gegen Gaza führte, dem binnen drei Wochen 1300 Zivilisten zum Opfer fielen – ohne dass sich dadurch irgendetwas zum Besseren gewendet hätte..
    Quelle: derStandard.at
  13. Bundestagsparteien kamen 2010 auf Gesamteinnahmen von zusammen knapp 414 Millionen Euro
    Die sechs im Bundestag vertretenen Parteien haben im Jahr 2010 Gesamteinnahmen von zusammen knapp 414 Millionen Euro verzeichnet und damit insgesamt gut 65 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Dies geht aus den als Unterrichtung (17/11090) durch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vorgelegten „vergleichenden Kurzübersichten über die Einnahmen, Ausgaben und Vermögensverhältnisse der Parteien in den Rechnungsjahren 2001 bis 2010“ hervor.
    Danach musste die CDU 2010 mit Gesamteinnahmen von 138,05 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 15,16 Prozent hinnehmen. Die CSU verbuchte 2010 laut Unterrichtung Gesamteinnahmen in Höhe von rund 35 Millionen Euro und damit 16,61 Prozent weniger als 2009. Die SPD kam den Angaben zufolge 2010 auf Gesamteinnahmen in Höhe von fast 147,19 Millionen Euro und damit im Vergleich zum Vorjahr auf ein Minus von 15,08 Prozent. Die Gesamteinnahmen der FDP lagen 2010 mit rund 34,35 Millionen Euro 20,58 Prozent unter denen von 2009, wie aus der Vorlage weiter hervorgeht. Die Linke konnte danach ihre Gesamteinnahmen 2010 gegenüber 2009 um 2,17 Prozent auf rund 27,85 Millionen Euro steigern. Bündnis 90/Die Grünen verzeichnete laut Vorlage 2010 mit Gesamteinnahmen von rund 31,24 Millionen Euro ein Plus von 2,26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
    Von den Gesamteinnahmen der CDU entfielen 2010 der Unterrichtung zufolge 31,1 Prozent auf staatliche Mittel, 29,6 Prozent auf Mitgliedsbeiträge, 13,0 Prozent auf Mandatsträgerbeiträge und 12,8 Prozent auf Spenden. Die Gesamteinnahmen der CSU kamen zu 27,5 Prozent aus staatlichen Mitteln, zu 26,2 Prozent aus Mitgliedsbeiträgen, zu 15,6 Prozent aus Spenden und zu 8,6 Prozent aus Mandatsträgerbeiträgen. Bei der SPD trugen die Mitgliedsbeiträge 2010 zu 31,1 Prozent der Gesamteinnahmen bei, die staatlichen Mittel zu 26,5 Prozent, die Mandatsträgerbeiträge zu 15,2 Prozent und Spenden zu 6,5 Prozent. Bei der FDP machten 2010 die staatlichen Mittel 39,0 Prozent der Gesamteinnahmen aus, die Mitgliedsbeiträge 23,3 Prozent, Spenden 17,4 Prozent und die Mandatsträgerbeiträge 6,0 Prozent. Von den Gesamteinnahmen der Partei Die Linke entfielen 38,9 Prozent auf staatliche Mittel, 35,9 Prozent auf Mitgliedsbeiträge, 9,9 Prozent auf Mandatsträgerbeiträge und 7,5 Prozent auf Spenden. Von den Gesamteinnahmen der Grünen waren 36,5 Prozent staatliche Mittel, 22,3 Prozent Mandatsträgerbeiträge, 21,1 Prozent Mitgliedsbeiträge und 12,9 Prozent Spenden.
    An „Einnahmen aus Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften und Veröffentlichungen und sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit“ entfielen laut Vorlage 2010 auf die CDU 12,56 Millionen Euro und auf die CSU gut 7,24 Millionen Euro. Die SPD kam hier auf Einnahmen in Höhe von fast 13 Millionen Euro, die FDP auf gut 2,24 Millionen Euro, Die Linke auf 204.000 Euro und die Grünen auf rund eine Million Euro. Unter dieser Rubrik werden Lammert zufolge auch Sponsorenzahlungen und Zahlungen für Anzeigen in Parteipublikationen erfasst.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  14. Gute Arbeit in der Wissenschaft – Ein Leitfaden für Hochschulen und Forschungseinrichtungen
    Immer mehr Zeitverträge mit immer kürzeren Vertragslaufzeiten, unsichere Berufsperspektiven und unberechenbare Karrierewege an Hochschulen und in Forschungseinrichtungen – diese Missstände haben Untersuchungen wie der Bundesbericht zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (BuWiN) oder der Bericht zur Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) zu Tage gefördert. Doch gute Arbeit in Lehre, Forschung und Wissenschaftsmanagement auf der einen Seite sowie gute Beschäftigungsbedingungen und berufliche Perspektiven auf der anderen Seite sind zwei Seiten einer Medaille. Daher hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit ihremTempliner Manifest unter dem Motto „Traumjob Wissenschaft“ zehn Eckpunkte für eine Reform von Berufswegen und Personalstruktur in Hochschule und Forschung vorgelegt (Templiner Manifest)…
    Die GEW empfiehlt Hochschulen und Forschungseinrichtungen, sich in einem Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ zur Schaffung stabiler Beschäftigungsbedingungen und berechenbarer Karrierewege zu verpflichten.Auf ihrer 6.Wissenschaftskonferenz „Baustelle Hochschule – Attraktive Karrierewege und Beschäftigungsbedingungen gestalten“ im September 2012 in Herrsching amAmmersee hat die GEWfolgende Eckpunkte für einen Kodex „GuteArbeit in der Wissenschaft“ erarbeitet, den wir als Diskussionsangebot an Hochschulen und Forschungseinrichtungen verstehen.
    Quelle: GEW [PDF – 485 KB]
  15. Bremer Friseur rauft sich bei dieser Bewerbung die Haare
    Das soll eine Bewerbung sein? Friseurmeister Detlef Gehlhaar (48), Chef des Salons „headhunter“ war schockiert, als er vergangene Woche die Bewerbung für einen Aushilfsjob aus dem Briefkasten fischte. […]
    Chef Gehlhaar und sein Team sind erschüttert! Der Friseurmeister: „Das ist doch der blanke Hohn. Wir arbeiten und finanzieren solche Leute über unsere Steuergelder und dann kommt sowas. Ich finde, dass solche Leute kein Geld mehr vom Staat bekommen dürfen.“
    Quelle: BILD

    Anmerkung unseres Lesers C.S.: Billiger und widerlicher geht es ja kaum noch. Selbst für Bild-Verhältnisse übergebenswert.

    Ergänzende Anmerkung JB: Die BILD hätte Herrn Gehlhaar (nomen est omen?) einmal fragen sollen, welchen Stundenlohn er Aushilfsfriseusen zahlt. Wenn die Bewerberinnen allein stehend sind oder in einer sogenannten Beadarfsgesellschaft leben und keine weiteren Einkünfte haben werden sie bei diesem Job auch weiterhin als Hartz-IV-Aufstocker mit „unseren Steuergeldern“ finanziert. Dies ist eine Subvention von Unternehmern wie Herrn Gehlhaar. Das lieber Herr Gehlhaar und liebe BILD, ist „der blanke Hohn“.

  16. Das Letzte: Der Hehler rät Betrügern zur Gesetzestreue
    Die UBS rät: „Generell empfiehlt UBS möglicherweise betroffenen Deutschen Kunden den Weg in die Steuerkonformität mit einem unabhängigen Steuerberater aktiv anzugehen.“
    Quelle: Handelsblatt