Nachdenk-Splitter zu den Wahlen in Brandenburg und Sachsen

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Die hohen Ergebnisse für die Rechtsradikalen NPD und DVU sind bedrückend. Aber ähnlich bedrückend ist das Ausmaß der Manipulation, die mit uns stattfindet und die am Wahlabend und dem Tag danach wieder einmal sichtbar wurde. Dazu ein paar Hinweise und Anmerkungen.

  1. Die Wahlbeteiligung lag in Brandenburg bei 56% und in Sachsen bei 59%. 44 bzw. 41% der Menschen in ostdeutschen Ländern bleiben zu Hause, erwarten nichts von Wahlen. Das ist ähnlich alarmierend wie die 9,2% für die NPD und 6,1% für die DVU. Das Bemerkenswerte an diesem Ergebnis ist, dass – wie in den USA übrigens – die Unterschicht aus der Politik hinauskomplimentiert wird. Symbolhaft festzumachen an den Typen, die als Vertreter der NPD und DVU auftreten und über die und ihre mangelnden Qualitäten sich die Fernsehmacher mit Häme hermachten.
  2. Interessant war am Wahlabend, wie dumm die Fernsehjournalisten mit den Vertretern von DVU und NPD umgegangen sind. Man interviewt sie, aber lässt sie nicht ausreden. Dümmer kann man es nicht machen. Die Wähler dieser Parteien mussten sich in ihrer Entscheidung bestätigt fühlen.
  3. Es ist bewundernswert, wie die SPD aus einer Niederlage mit einem Ergebnis von unter 10% (9,8, und damit 0,6% mehr als die NPD) in Sachsen und einem Minus von 7,4% in Brandenburg einen Sieg machen konnte. Man sollte sich den Mechanismus dieser Manipulation ansehen: Man nehme Umfragen, die die SPD hinter der PDS zeigen und einen strahlenden Ministerpräsidenten Platzeck und ebenso strahlenden Bundeskanzler, mische das mit gefügigen Fernsehjournalisten und schon hat man aus einer Niederlage einen Sieg gemacht.
  4. Diese Konstellation wird genutzt, um die Wahlergebnisse als Unterstützung für den „Reform“-Kurs zu interpretieren. Das war geschickt gemacht. Platzeck bekannte sich in der Tat in den letzten Tagen vor der Wahl uneingeschränkt zu Hartz IV. Offenbar war in Berlin aus Umfragen erkennbar, dass die SPD eine Chance hat, stärker zu bleiben als die PDS, und dass dies als Sieg interpretiert werden kann. Das war gekonnt. Dieser „Sieg“ wird jetzt als Bestätigung für die Reformen hergenommen.
  5. Dabei helfen Medien und sogenannte Wissenschaft. So z.B. Frau Lidschreiber in der ARD, wenn sie davon spricht, man müsse dem Volk weiter „die grausamen Wahrheiten“ sagen, oder der Politikwissenschaftler Holtmann, der meint, man müsse mit „dem Reformkurs unbeirrt fortfahren“, bis sie „auf dem Arbeitsmarkt Wirkung zeigen“, oder sogar der Psychotherapeut Hans-Joachim Maaz, der meint, die Reformen seien dringend notwendig. Für alle drei gilt, das sie keinerlei Kompetenz für diese Aussagen mitbringen, und sich auch nicht die Mühe machen zu begründen, warum die Reformen notwendig sind. Es ist die übliche Nachplapperei.
  6. Auf die Meinung der Menschen zu den Reformen nehmen die meinungsführenden Kräfte unserer Republik keine Rücksicht. Laut Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen e. V. halten in Sachsen und Brandenburg jeweils 59% aller Befragten (und 84% der NPD- bzw. 83% der DVU-Anhänger) die von der Bundesregierung beschlossenen Reformen für eher falsch. Aus früheren Umfragen wissen wir auch, dass die Mehrheit der Deutschen sozialstaatliche Lösungen und die Rolle des Staates für wichtig halten. Aber diese Meinung des Volkes kümmert die Eliten nicht. (siehe dazu im einzelnen Albrecht Müller, „Die Reformlüge…“ Eintrag im Kritischen Tagebuch vom 26.8.04)
  7. In diesem Kontext ist auch interessant, wie sich die etablierten Parteien in der Spiegelung auf die Rechtsradikalen als „demokratische Parteien“ stilisieren. Westerwelle z.B. kann mit der Empörung über die Erfolge der NPD und DVU seine Partei, die seit Jahren vor allem die Einzelinteressen einiger kleiner Gruppen vertritt und die Politik benutzt, um diese Interessen und damit sich selbst zu bedienen (z.B. Lambsdorff als Vertreter der Versicherungswirtschaft), als demokratisch darstellen. Genauso die CDU, deren Altkanzler bis heute rechtswidrig die Namen der Spender nicht nennt und die Spenden in die Schweiz und nach Liechtenstein transferiert hat. Oder die SPD, die mit ihren „Reformen“die Privatvorsorge propagiert, obwohl die Mehrheit solidarische Lösungen präferiert. Und die Grünen, die den gesamten Katalog von Reformlügen über die angeblich neue Globalisierung und das angeblich neue demographische Problem zusammen mit CDU, CSU, FDP und SPD nachbeten.