Hinweise des Tages

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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Ratingagenturen mächtiger als EZB; Kommunen versinken in Schulden; Firmensterben in der Autobranche; Lohndrücker raus; Ex-Atommanager entscheidet über Atomenergie; Auch Steinmeiers Krieg; Impfstoffverträge – eine Farce; Ethik-Steuer; Schlechte Noten für Schwarz-Gelb; Mitternachtsspitzen. (KR/WL)

  1. EZB im Glück
  2. Kommunen versinken in Schulden
  3. Pläne gegen Schulden: Koalition erwägt höhere Sozialabgaben
  4. Rangelei am Rotstift
  5. Massenfirmensterben in der Autobranche
  6. Lohndrücker raus
  7. Szene wie im Zombiefilm
  8. Lobbyisten im Umweltministerium: Umweltverband warnt vor Ex-Atommanager
  9. Es ist auch Steinmeiers Krieg
  10. Allgemeinmediziner kritisiert einseitige Impfstoffverträge “zum Nachteil der Länder”: Das Ganze ist eine Farce“
  11. Ethik-Steuer, “um Austritte zu bremsen”
  12. Deutsche geben Schwarz-Gelb schlechte Noten
  13. Vielleicht wird 2010 ein Obama-Jahr
  14. Die trostlose Heimat des Hampelmanns
  15. Zu guter Letzt: Mitternachtsspitzen – Wilfried Schmickler´s Weihnachtsansprache und Jürgen Beckers Interview mit der Kanzlerin

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. EZB im Glück
    Da hat die Europäische Zentralbank (EZB) aber Glück gehabt. Die dritte Ratingagentur war nicht ganz so streng zu Griechenland wie die beiden anderen. Sie verschlechterte die Note für die Staatsschuld nur um eine Stufe. Damit gewinnt die EZB Zeit. Zeit, um noch mal über ihr Demokratieverständnis nachzudenken. Zeit aber auch, um sich die Folgen auszumalen, sollte Griechenland tatsächlich von allen drei Agenturen so schlechte Noten bekommen, dass seine Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit dienen dürfen. Was passiert dann? Dann wären die griechischen Banken stehend k.o., denn sie kämen nicht mehr an die EZB-Liquidität. Dann verlören griechische Staatstitel so dramatisch an Wert, dass alle Banken, die in griechischen Bonds investiert sind, hohe Abschreibungen vornehmen müssten. Das Gros der griechischen Staatsanleihen liegt wo? Wahrscheinlich bei deutschen Banken und Fonds. Und dann fingen die Spekulanten an, auf fallende Kurse bei irischen, spanischen und portugiesischen Titeln zu wetten. Und auf welcher Basis erfolgte der Sturm? Auf der Einschätzung von einem Dutzend Analysten pro privater Ratingagentur. Es ist der Unterschied einer einzigen Rating-Stufe, der über Wohl und Wehe entscheidet.
    Warum vertraut die EZB immer noch diesen unsicheren Kantonisten und gibt ihnen derart viel Macht? Macht, die demokratisch gewählte Ministerpräsidenten zu Marionetten von Modellrechnungen und Sozialstaatsabbau-Fantasien junger Menschen macht? Die Antwort ist einfach: Weil die Notenbanker feige sind. Sie könnten das selber entscheiden. Das Eurosystem hat zigmal mehr qualifizierte Experten als die Agenturen. Dann müsste um politische Entscheidungen gerungen werden. Das wäre für Griechenland nicht leichter, aber allemal demokratischer – und weniger systemisch.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: In der Tat ist das Szenario von Robert von Heusinger gar nicht so fern. Die EZB hat angesichts der Finanzkrise, was Sicherheiten anbelangt, Sonderkonditionen eingeräumt. Was wird sein, wenn die EZB von den in der Krise gemachten Zugeständnissen wieder abrückt und z.B. schlechter als mit A bewertete griechischen Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit bei der Kreditgewährung an die Banken anerkennt?- Es wäre wirklich interessant zu erfahren, wie die stolze EZB auf die Idee verfiel, die Bewertung von Staatsanleihen unkontrollierten privaten Unternehmen zu überlassen.

  2. Kommunen versinken in Schulden
    Die Haushaltslage bei den Kommunen hat sich bis Ende September deutlich verschlechtert. Das Defizit in den Kassen von Städten und Gemeinden ist in den ersten drei Quartalen dieses Jahres auf bundesweit 6,7 Milliarden Euro angewachsen, meldete das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden. Im entsprechenden Vorjahreszeitraum verzeichneten die Kommunen noch einen Überschuss von 5,6 Milliarden Euro. Grund für die dramatische Verschlechterung der Kassenlage sind rückläufige Steuereinnahmen infolge der Wirtschaftskrise. Vor allem die für die Gemeinden so wichtige Gewerbesteuer brach mit 19,8 Milliarden Euro um 21,5 Prozent ein. Im dritten Quartal ging sie sogar um 36,6 Prozent zurück.
    Quelle: Tagesspiegel
  3. Pläne gegen Schulden: Koalition erwägt höhere Sozialabgaben
    Womöglich müssen die Deutschen bald mehr zur Arbeitslosenversicherung zahlen – der Beitrag könnte von 2,8 Prozent auf 4,5 Prozent steigen. Zur Sanierung des Haushalts sind drakonische Maßnahmen nötig. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hatten Union und FDP bereits bei den Koalitionsverhandlungen darüber diskutiert, den BA-Beitrag von heute 2,8 auf 4,5 Prozent anzuheben. Wegen der neu im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse muss die Regierung die Neuverschuldung um Konjunktureinflüsse bereinigt bis zum Jahr 2016 um insgesamt 60 Milliarden Euro reduzieren. “Das sind Dimensionen, bei denen ein klassisches Sparprogramm nicht mehr ausreicht”, sagte der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, Clemens Fuest, der SZ. Er befürchte deshalb, dass am Ende die Mehrwertsteuer angehoben werden müsse. Im Blick hat die Koalition darüber hinaus den Steuerzuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung, der 2011 ebenfalls fast 16 Milliarden Euro erreichen wird. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Jürgen Koppelin kündigte zudem an, man werde zahlreiche Rüstungsprogramme überprüfen. Nach Einschätzung des Beiratsvorsitzenden Fuest wird die Koalition darüber hinaus zahlreiche Subventionen abbauen müssen. Er nannte als Beispiele die Pendlerpauschale, die steuerliche Absetzbarkeit von Arbeitszimmern, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz sowie Vergünstigungen im Energie-, Umwelt- und Agrarbereich.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Natürlich werden wir Normalbürger die Umverteilungsorgie von Schwarz/Gelb bezahlen müssen. Aber gut ist an dieser Meldung, dass die Planspiele der Koalition anscheinend noch vor den Wahlen in NRW durchsickern. So oft und soviel kann Schwarz/ Gelb gar nicht dementieren, um nicht am Ende als völlig unglaubwürdig dazustehen. Hoffentlich weiß die Opposition mit solchen Vorgaben etwas anzufangen. Vergesst den Baron, na ja nicht ganz, aber stuft ihn herunter, es gibt lohnenswertere Ziele. – Wie bei Afghanistan gehört auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik die Kanzlerin in das Verhör genommen.

    Kleine Ergänzung WL: Aber an den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für die Hoteliers wird man wohl nicht rangehen. Damit würde man sich noch lächerlicher machen als ohnehin schon.

  4. Rangelei am Rotstift
    Die Einnahmeseite scheint nur dann interessant zu sein, wenn das ohnehin schon Wenige von den Vielen abgeschöpft werden soll. Dass man von wenigen dagegen viel holen könnte, darf keine Rolle spielen. Nicht aus Unkenntnis freilich, sondern mit Absicht: Man dürfe nicht nur einzelne gesellschaftliche Gruppen belasten, warnte ein FDP-Haushälter, ohne Ross und Reiter zu nennen: Privatvermögen, Finanzkapital, Unternehmen.
    Warum nicht? Längst liegen durchgerechnete Vorschläge auf dem Tisch, wie Umverteilung von oben nach unten steuerpolitisch anzupacken ist.
    Quelle: Freitag
  5. Massenfirmensterben in der Autobranche
    2009 sind Hunderte Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht. Am stärksten betroffen: Der Autosektor. Trotz Abwrackprämie mussten hier 330 Prozent mehr Betriebe Insolvenz anmelden als im Vorjahr.
    Quelle: FTD
  6. Lohndrücker raus
    Daimler muss nach Protesten reagieren: Keine Vertragsverlängerung für Reinigungsfirma, die Beschäftigte schikaniert.
    Es ist haarsträubend, was Beschäftigte der in den Stuttgarter Werken des Autobauers Daimler tätigen Reinigungsfirma Klüh zu erzählen haben. Von Beschimpfungen und Schikanen, von nicht gezahltem Lohn und Schmiergeld bei der Verlängerung von Arbeitsverträgen hatten Putzfrauen in den vergangenen Wochen in den Medien berichtet.
    Quelle: Junge Welt
  7. Szene wie im Zombiefilm
    Tennessee Eisenberg wurde von der Polizei erschossen – gegen die Beamten wird keine Anklage erhoben. An der Schilderung der Tat durch die Staatsanwaltschaft bleiben Zweifel.
    Quelle: SZ
  8. Lobbyisten im Umweltministerium: Umweltverband warnt vor Ex-Atommanager
    Der Umweltverband Deutsche Umwelthilfe DUH) hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) aufgefordert, eine umstrittene Personalie in seinem Haus rückgängig zu machen. Dabei geht es um den nach dem Regierungswechsel zu Schwarz-Gelb neu berufenen Leiter der Atomaufsicht des Ministeriums, Gerald Hennenhöfer, der Manager beim Stromkonzern Viag war, einem Eon-Vorläufer.
    Der Umweltverband verweist auf den Paragrafen 20 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Danach dürfe für eine Behörde in einem Verwaltungsverfahren “nicht tätig werden, wer außerhalb seiner amtliche Eigenschaften in der Angelegenheit ein Gutachten abgegeben hat oder sonst tätig geworden ist”. Dieses “Mitwirkungsverbot” sei zeitlich unbegrenzt.
    Quelle: FR
  9. Es ist auch Steinmeiers Krieg
    Was wusste Frank-Walter Steinmeier über die Lage in Afghanistan? Die schlichte Antwort muss lauten: Er hätte in seinem Amt als deutscher Außenminister alles wissen können und hätte alles wissen müssen. Zumindest im Blick auf die politische Verantwortung, die er mit seinem Amtseid bei der Berufung auf sich genommen hat. Nachdem jetzt feststeht, dass einer seiner damaligen Beamten schon unmittelbar nach der Tragödie von Kundus über den Tod von unschuldigen Zivilisten informiert worden ist, Steinmeier jedoch in den ersten Tagen nach dem Luftangriff nur vage von “möglicherweise unschuldigen Opfern” redete, steht auch das Urteil fest: Steinmeier ist seiner politischen Verantwortung nicht gerecht geworden. All das liegt auf einer Linie: Verteidigungsminister Jung wollte die Unterlagen über Kundus nicht lesen, Steinmeier war nicht sehr an verfügbaren Informationen interessiert, das Kanzleramt wollte den Vorgang auf bewährte Weise bewältigen: durch Aussitzen.
    Quelle: Stern
  10. Allgemeinmediziner kritisiert einseitige Impfstoffverträge “zum Nachteil der Länder”: Das Ganze ist eine Farce“
    Bei der Entscheidung über die Vergabe von Impfstoffen gegen die Schweinegrippe hat die Pharmaindustrie zu viel Macht gehabt, findet Michael Kochen. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin fordert deshalb den Aufbau einer staatlichen Impfstoffindustrie auf europäischer Ebene:
    „Sie brauchen nur zurückzugehen zum Beschluss der Weltgesundheitsorganisation im Juni dieses Jahres. Da saßen alle relevanten Impfstoffhersteller mit am Entscheidungstisch, als die Pandemie ausgerufen worden ist. Auch die Beratergremien nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, auch an anderer Stelle sind durchsetzt mit Leuten, die mit den Impfstoffherstellern durchaus monetäre Verträge haben, und diese Interessenskonflikte – das kann man zum Beispiel an der ständigen Impfkommission absehen: Da sind 16 Mitglieder – nur 4 haben keine solche Interessenskonflikte. Wenn man all diese Beratergremien durchgeht, dann sieht man, dass das eine erhebliche Rolle gespielt haben muss.“
    Quelle 1: Deutschlandradio Kultur (Text)
    Quelle 2: Deutschlandradio Kultur (Audio-Podcast)
  11. Ethik-Steuer, “um Austritte zu bremsen”
    Der Ökonom Ulrich Blum schlägt eine Ethiksteuer vor, “um die Austrittswelle aus der Kirche bremsen”. Konfessionslose bezeichnen das als “dreisten Vorschlag”, die Hintergründe als “Weihnachtsmärchen”.
    Quelle: TAZ
  12. Deutsche geben Schwarz-Gelb schlechte Noten
    Zwei Monate nach Amtsantritt ist eine Mehrheit der Deutschen unzufrieden mit er neuen Regierung: Nur jeder 20. bewertet ihre Arbeit als gut, ein Viertel hingegen für unzureichend. Selbst Anhänger von Union und FDP haben einiges an der Politik der Bundesregierung auszusetzen.
    Quelle: Handelsblatt
  13. Vielleicht wird 2010 ein Obama-Jahr
    Die zum Schluss zu einem würdelosen Geschacher um Stimmen und Eitelkeiten verkommene Debatte hat tiefe Risse bei den Demokraten offen gelegt. Das jetzt wahrscheinliche Ergebnis – Krankenschutz für mindestens 30 Millionen Menschen, die ihn bislang nicht haben – könnte sich trotz vieler fauler Kompromisse sehen lassen. Ob Obama seiner Partei nach dem Kraftakt einer Gesundheitsreform, gegen die Blockadepolitik der Republikaner und vor der Kongresswahl im Herbst 2010 weitere Großprojekte abringen kann, steht dahin.
    Quelle: FR
  14. Die trostlose Heimat des Hampelmanns
    Pädagogisch bewusste Eltern schenken ihren Kindern Holzspielzeug statt Plastikware. Doch das Naturprodukt stammt meist aus chinesischer Akkordarbeit – ohne Arbeitsschutz und zu Minimallöhnen. Ein Besuch in Yunhe, wo fast alle internationalen Marken produzieren lassen.
    Quelle: Saarbrücker Zeitung
  15. Zu guter Letzt: Mitternachtsspitzen – Wilfried Schmickler´s Weihnachtsansprache
    Quelle 1: WDR – Mitternachtsspitzen

    Und dazu noch Jürgen Beckers Interview mit der Kanzlerin
    Quelle 2: WDR – Mitternachtsspitzen

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