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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Finanznetzwerk; Landesbanken doch nicht die schlimmsten; Schattenmänner der Wirtschaft; Ltd.&Co. fehlt Mitbestimmung; Gute Arbeit; Gewerkschaft in der Krise; zwei Mindestlöhne; Leiharbeit; europäische Wirtschaftsregierung; Pharma-Dschungel; Selbstentmachtung bei der Bahn; noch mehr Lügen über Asse; das Schlechte schönreden; Kinderarbeit in Ghana; die neuen Herren von Venetien und Piemont; Todesstrafe; die Staatsmännische; Volker Pispers Augenwischerei. (KR/WL)

  1. Finanzlobby – da kriegen wir die Krise!
  2. Rettungsmaßnahmen kamen überwiegend Privatbanken zugute
  3. Die Schattenmänner der deutschen Wirtschaft
  4. Ltd. & Co. KG fehlt die Mitbestimmung
  5. Gute Arbeit – geht das?
  6. Gewerkschaften
  7. Arbeitsmarktforscher Bosch: „Ich bin für zwei Mindestlöhne“
  8. DGB: Regierungsbericht verharmlost Probleme der Leiharbeit
  9. Preiskampf und Dumpinglöhne – Wie soll da Fortbildung funktionieren?
  10. Teure Maultaschen
  11. Europäische Wirtschaftsregierung und Koordinierung der Lohnpolitik
  12. Der Pharma-Dschungel
  13. Billigflieger Germanias Größenwahn
  14. Deutsche Bahn: Ausverkaufsrat
  15. Atommülllager Asse: Noch mehr Lügen
  16. Lernen, das Schlechte schönzureden
  17. Kinderarbeit in Ghana: Wo unser Computermüll landet
  18. Italien: Die neuen Herren von Venetien und Piemont
  19. Todesstrafe gegen Opposition
  20. Die Staatsmännische
  21. Zu guter Letzt: Volker Pispers: Augenwischen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Finanzlobby – da kriegen wir die Krise!
    Erstaunlicherweise profitiert der Finanzsektor dennoch auch in der Krise. Milliarden fließen in die Rettungen von Banken, während die öffentliche Verschuldung explodiert. Wie kann es sein, dass sich die Interessen der Finanzbranche auf Kosten der Allgemeinheit durchsetzen? Der Grund liegt auf der Hand, wird aber kaum diskutiert: Die Politik ist aufs Engste mit der Finanzwirtschaft verflochten, die sie eigentlich regulieren sollte.
    Die offensichtlichste Form der Verflechtung sind die fliegenden Personalwechsel zwischen Politik, Aufsichtsbehörden und Banken. Gerade ist mit Andreas Dombret ein Investmentbanker in den Vorstand der Deutschen Bundesbank berufen worden. Sie wird in Zukunft die Hoheit über die deutsche Bankenaufsicht haben.
    Umgekehrt heuerte die Deutsche Bank 2008 die obersten Bankenaufseher der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) an. Axel Nawrath ließ die Drehtür gleich um 360 Grad kreisen: Er wechselte vom Finanzministerium zur Deutschen Börse und zurück.
    Bereits vor der Krise schrieb die Finanzwirtschaft an Gesetzen mit, die manch hochspekulatives Geschäft erst ermöglichten: Eine Mitarbeiterin des Lobbyverbandes der Investmentbranche BVI hatte 2003 ihren eigenen Schreibtisch im Finanzministerium und half dort, Hedgefonds in Deutschland den Weg zu ebnen. Auch diverse Banken und die Deutsche Börse liehen in den vergangenen Jahren Mitarbeiter an das Ministerium aus.
    Quelle: FR
  2. Rettungsmaßnahmen kamen überwiegend Privatbanken zugute
    Ungefähr 80 Prozent der Rettungsbeihilfen des Bundes sind bisher an Privatbanken einschließlich der ”Hypo Real Estate“ und der Deutschen Industriebank (IKB) gegangen. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/1056) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (17/762) weiter mitteilt, erhielten Landesbanken wie die BayernLB und die HSH 20 Prozent der Rettungsbeihilfen. Bei den Rekapitalisierungsmaßnahmen betrug der Anteil der Privatbanken sogar 90 Prozent. 10 Prozent kamen der WestLB zugute.
    Wie es in der Antwort weiter heißt, soll der Finanzsektor an den Kosten der Rettungsmaßnahmen beteiligt werden. „Wegen der Ausweichmöglichkeiten der Finanzmarktakteure auf andere Marktplätze sollte eine Lösung international abgestimmt werden“, schreibt die Bundesregierung. In Schweden sei bereits eine Sonderabgabe für Finanzinstitute mit der Bezeichnung „Stabilitätsabgabe“ eingeführt worden, in den USA sei die Einführung einer „Verantwortungsabgabe“ geplant. Die Bundesregierung will ihrerseits Maßnahmen ergreifen, „die sich in den internationalen Kontext einpassen“.
    Quelle 1: Deutscher Bundestag
    Quelle 2: Antwort der Bundesregierung [PDF – 122 KB]

    Anmerkung WL: Bei allen Forderungen nach konkreten Maßnahmen verweist die Bundesregierung auf die internationale Ebene und verschiebt politisches Handeln damit auf den „Sankt Nimmerleins-Tag“. Bei allen konkreten Fragen, etwa inwieweit mit der Rettung der IKB Forderungen der Deutschen Bank gesichert wurden, beruft sich die Bundesregierung auf Verschwiegenheitspflichten.
    Im Übrigen wird doch ständig behauptet, die Landesbanken seien viel schlimmer als die privaten.

  3. Die Schattenmänner der deutschen Wirtschaft
    In beinahe allen Machtkämpfen heimischer Unternehmen mischen PR-Profis mit. Im Hintergrund versuchen sie, die Öffentlichkeit zu beeinflussen – mit teils fragwürdigen Methoden. Ein Blick in eine verschlossene Szene.
    Quelle: FTD
  4. Ltd. & Co. KG fehlt die Mitbestimmung
    Von 17 auf 37: Die Zahl der in Deutschland ansässigen größeren Unternehmen mit ausländischer Rechtsform wächst. Ihre Beschäftigten müssen bislang auf Mitbestimmungsrechte verzichten.
    Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, eine Rechtsform des europäischen Auslands zu führen. Für US-Unternehmen regelt ein deutsch-amerikanischer Freundschaftsvertrag aus den 50er-Jahren Entsprechendes. So ist der deutsche Zweig der französischen Bank Cortal Consors Teil einer Société Anonyme (S.A.). Und die Berater der einflussreichen Consultantfirma McKinsey arbeiten auch in der deutschen Niederlassung unter dem Dach einer Incorporated.
    Egal, welche Motive hinter der Wahl der Unternehmensform stehen: Für die Beschäftigten bedeutet der rechtliche Sonderstatus weniger Partizipationsrechte. In der Praxis fallen Unternehmen in ausländischer Rechtsform aus dem deutschen Mitbestimmungsgesetz von 1976 heraus. Während in einer deutschen AG oder GmbH mit mehr als 2.000 Mitarbeitern die Arbeitnehmer die Hälfte der Aufsichtsräte stellen, haben sie beispielsweise in einer Limited keinen Anspruch auf Repräsentanz. Auch das Drittelbeteiligungsgesetz für Unternehmen mit 500 bis 2.000 Beschäftigten greift nicht.
    Quelle: Böckler Impuls 05/2010
  5. Gute Arbeit – geht das?
    Ausgabe 02/2010 mit Beiträgen u.a. von Friedhelm Hengsbach „Gute Arbeit – nicht unter finanzkapitalistischen Verhältnissen“; Ottmar Schreiner „Sozial ist, was gute Arbeit schafft“; Klaus Pickshaus/Hans-Jürgen Urban „Gesundheit und Gute Arbeit als Krisenopfer“ etc.
    Quelle: Denk-doch-mal.de
  6. Aus Politik und Zeitgeschichte: Gewerkschaften
    Mit dem Übergang vom wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus zum Finanzmarkt-Kapitalismus setzte ein Einflussverlust der Gewerkschaften ein. Die Auflösung der Industriearbeiterschaft wie auch die Globalisierung und Differenzierung der Arbeitswelten führten zur Erosion der personellen, politischen und sozioökonomischen Grundlagen gewerkschaftlichen Handelns. Die Folge war nicht nur eine Abnahme ihrer Organisationsmacht und ein Bedeutungsverlust des Flächentarifvertrags. Auch die Stellung der Gewerkschaften als korporatistische Funktionseliten und damit als Teil des Elitekanons der Industriegesellschaft erfuhr eine Schwächung.
    Es gilt, die Rolle der Gewerkschaften, ihr Selbstverständnis und ihre Organisationsprozesse neu zu denken. Die Dynamik in den innergewerkschaftlichen Diskussionen um eine Revitalisierung deutet an, dass sie sich dieser gesellschaftlichen Herausforderung stellen und die Debatten um eine Demokratisierung der Wirtschaft und damit der Gesellschaft insgesamt wieder mitbestimmen wollen. Inhalt (u.a.):

    • Niedergang oder Comeback der Gewerkschaften – Essay (Hans-Jürgen Urban)
    • Zukunft der Sozialpartnerschaft in Deutschland – Essay (Rainer Huke)
    • Arbeitsbeziehungen und gewerkschaftliche Organisation im Wandel (Klaus Tenfelde)
    • Krise und strategische Neuorientierung der Gewerkschaften (Ulrich Brinkmann / Oliver Nachtwey)
    • Die Gewerkschaften im Fünf-Parteien-System der Bundesrepublik (Anne Seibring)
    • Perspektiven des gewerkschaftlichen Kerngeschäfts: Zur Reichweite der Tarifpolitik in Europa (Thorsten Schulten)
    • Gewerkschaften zwischen struktureller Europäisierung und sozialpolitischer Stagnation (Jürgen Mittag)

    Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte 13-14/2010

  7. Arbeitsmarktforscher Bosch: „Ich bin für zwei Mindestlöhne“
    Zunächst eher unbemerkt hat sich seit Mitte der 90er Jahre ein Niedriglohnsektor entwickelt, der eigentlich erst um 2004 durch die Wissenschaft entdeckt worden ist. Im Unterschied zu anderen westeuropäischen Ländern ist bei uns der Niedriglohnsektor explosionsartig gewachsen, ohne dass wir bisher ein Ende sehen können. In anderen Ländern hingegen ziehen die Lohnsysteme Bremsen ein. Der Niedriglohnsektor etwa in den Niederlanden, Frankreich oder Dänemark stabilisiert sich auf sehr niedrigem Niveau.
    75 Prozent der gering Bezahlten sind gut qualifizierte Beschäftigte. Das unterscheidet den Niedriglohnsektor in Deutschland auch von dem anderer Länder, weil wir eine sehr gut qualifizierte Erwerbsbevölkerung haben…
    In den meisten Niedriglohnbereichen haben wir überhaupt keine Tarife, die ins Rutschen gebracht werden können…
    Ein Problem könnte in der Tat dort bestehen, wo die Gewerkschaften sehr gut organisiert sind. Ich bin deshalb auch ein Anhänger von zwei Mindestlöhnen, wie das die Franzosen, die Belgier, die Niederländer, die Italiener und auch die Spanier machen. Nämlich einen gesetzlichen Mindestlohn als untere Auffanglinie und zusätzlich eine Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen. Das heißt, wenn man in Bereichen mit guten Tarifverträgen arbeitet, muss man auch nach diesen bezahlt werden. So kann das Abrutschen verhindert werden…
    Wir brauchen dazu einen Mindestlohn, damit wir nicht mit öffentlichen Mitteln, über Hartz-IV-Gelder, die Niedriglöhne auch noch subventionieren. Wir stecken etwa 9,3 Milliarden Euro jährlich in solche Subventionen der schlechtesten Unternehmen in Deutschland. Zudem muss die Leiharbeit neu gestaltet werden. Leiharbeiter müssen die gleiche Entlohnung bekommen wie normale Beschäftigte. Das ist eigentlich üblich in anderen Ländern. Vor allem muss in der Arbeitsmarktpolitik wieder viel mehr Wert auf eine zweite Chance gelegt werden, auf eine längerfristige Qualifizierung mit echtem Abschluss. Insbesondere, weil wir in den nächsten Jahren Fachkräftemangel haben werden. Die Umschulungen in einen Beruf mit einem Abschluss sind praktisch abgeschafft worden. Arbeitsmarktpolitik darf nicht nur Druck ausüben, sondern muss auch mehr Chancen bieten.
    Quelle: Badische Zeitung
  8. DGB: Regierungsbericht verharmlost Probleme der Leiharbeit
    Am 13.01.2010 hat die Bundesregierung mit halbjährlicher Verspätung den 11. Bericht über Erfahrungen mit der Arbeitnehmerüberlassung beschlossen, am Freitag (26.03.2010) wurde er im Bundestag debattiert. …Dieser 11. Bericht der Bundesregierung thematisiert die sozialen und beschäftigungspolitischen Probleme der Leiharbeit nur völlig unzureichend und blendet wichtige Fakten ganz oder weitgehend aus.
    So wird im Regierungsbericht zu diesem Kapitel lediglich darauf hingewiesen, dass mit der Deregulierung des AÜG „zusätzliche dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen und insoweit Arbeitslosigkeit abgebaut werden (sollte)“. (S. 65)
    Im IAB-Bericht wird differenziert nach der vorherigen Arbeitsmarktnähe der Leiharbeitskräfte hierzu ausgeführt: „Knapp 12 Prozent der vorher regulär Beschäftigten ist nach der Leiharbeit weder regulär noch in der Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt und mehr als die Hälfte des (untersuchten) 180-Tages-Zeitraumes arbeitslos gemeldet.“ (S. 84) Bezüglich des Brückeneffektes für eher Langzeitarbeitslose schreibt das IAB, dass „fast jeder Vierte (24 Prozent) sich auch nach dem Zwischenstopp in der Arbeitnehmerüberlassung in der Arbeitslosigkeit wieder (findet).“ (S. 85) Eine reguläre Beschäftigung zu finden, gelingt nach zwei Jahren nur etwa 8 Prozent der Arbeitslosen…
    Der Wegfall der Höchstüberlassungsdauer hat zu vermehrten Gründungen von so genannten reinen Personalführungsgesellschaften großer Firmen geführt…Zweck dieser Gesellschaften ist die Senkung von Personalkosten durch die Anwendung von Zeitarbeitstarifverträgen…
    Mit der Aufhebung des sog. Synchronisationsverbots werden von Verleihbetrieben Möglichkeiten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes hinsichtlich „versteckter“ einsatzbezogener Befristungen voll ausgeschöpft. Das Arbeitgeberrisiko der befristeten Verleih- bzw. Einsatzmöglichkeiten wird auch durch wiederholte unbefristete Einstellungen/Kündigungen oder zum Teil auch mit (nicht zulässigen) Befristungen auf den Zeitarbeiternehmer abgewälzt.“ (S. 17)…
    Jede achte Leiharbeitskraft mit sozialversichertem Job muss bereits Hartz IV beziehen.
    Das durchschnittliche sozialversicherungspflichtige Monatsentgelt von Helfern in der Zeitarbeit lag rund 45 % unter dem von Helfern in anderen Branchen. Auch bei qualifizierten Tätigkeiten, wie z. B. Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufen, lag die monatliche Entgeltlücke bei rund 35 %.
    Quelle: DGB Arbeitsmarkt aktuell 04/2010
  9. Preiskampf und Dumpinglöhne – Wie soll da Fortbildung funktionieren?
    Fortbildungsmaßnahmen gelten als entscheidendes Mittel zur Qualifizierung von Arbeitslosen. report MÜNCHEN-Recherchen zeigen: Zahllose Ausbilder sind selbst in prekären Arbeitsverhältnissen oder werden mit Niedriglöhnen abgespeist.
    Quelle: Das Erste, report München

    Anmerkung unseres Lesers V.W.: Natürlich können diese “prekären” Löhne der BA angelastet werden, wenn, wie in dem TV-Betrag ausgeführt, der Angebotspreis das alles entscheidende Kriterium für die Auftragserteilung ist. Ist im Prinzip genau dasselbe Problem wie bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge und auch absolut keine Ausnahme, sondern eher die Regel.

  10. Teure Maultaschen
    Ob ein Pfandbon über 1,50 Euro, ob eine Frikadelle vom Büfett oder eben fünf Maultaschen aus den Essensresten eines Seniorenheims, in jedem Fall wurden langjährige Arbeitnehmer fristlos gekündigt und die Gerichte sahen dies als rechtmäßig an. Bis nun das Landesarbeitsgericht Freiburg den Fall der Maultaschen in zweiter Instanz verhandelte und den Parteien einen Vergleich vorschlug. Die Frau und ihr Arbeitgeber einigten sich am Dienstag darauf, dass die 58-Jährige eine ordentliche Kündigung zum Jahresende 2009 sowie 25.000 Euro Sozialabfindung erhält. Für die Monate zwischen der fristlosen und der ordentlichen Kündigung erhält sie zudem rückwirkend Lohnfortzahlung oder 17.500 Euro. Damit wurde ein Urteil der ersten Instanz aufgehoben. Der Richter sagte, der Diebstahl der Maultaschen sei zwar unbestritten. Aber “die Klägerin hat dem Unternehmen dadurch keinen wirtschaftlichen Schaden zugefügt”.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Warum das Essen eines für den Müll vorgesehenen Essensrests eine Form von Diebstahl darstellt, entzieht allerdings sich immer noch meinem Verständnis. Und das nicht nur angesichts der Tatsache, dass eine Steuerhinterziehung in Höhe von einer halben Milliarde, wie unlängst berichtet, ohne Konsequenzen bleibt. Nur weil der Betreffende wegen diverser Steuerdaten-CDs Schiss bekommen hat und sich selbst anzeigte.

  11. Europäische Wirtschaftsregierung und Koordinierung der Lohnpolitik – Krise der Eurozone verlangt Strukturreformen
    • Die Griechenlandkrise des Euro hat eine längst fällige Debatte über die Strukturmängel der europäischen Wirtschaftspolitik und die Ungleichgewichte im innereuropäischen Handel ausgelöst. Es ist an der Zeit, die Defizite der WWU-Konstruktion des Maastrichter Vertrages zu heilen.
    • Die Eurozone braucht eine Europäische Wirtschaftsregierung mit einer Europäisierung der Haushaltskompetenz, um eine effektive Fiskalpolitik betreiben zu können und eine Überschuldung der Mitgliedstaaten grundsätzlich verhindern zu können.
    • Die Eurozone braucht eine europäische Koordinierung der nationalen Lohnpolitiken, um eine Verzerrung der Wettbewerbsverhältnisse und große Ungleichgewichte im innereuropäischen Handel mit einseitigen Gewinnern und Verlierern vermeiden zu können. Zu diesem Zweck ist darüber hinaus auch eine Koordinierung der europäischen Sozial- und Steuerpolitiken erforderlich.
    • Durch mehr Kooperation zwischen der EU und Griechenland hätte die Zuspitzung der Griechenlandkrise vermieden werden können. Jetzt wird dem Land eine überharte Austeritätspolitik abverlangt, die weder aus ökonomischen noch aus sozialen Gründen sinnvoll.

    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung Internationale Politikanalyse [PDF – 130 KB]

  12. Der Pharma-Dschungel
    1. Rabatt-Handel
      Seit 2007 aber verfügten die Kassen über ein „marktwirtschaftliches Instrument“. Es trägt den Namen Rabattverträge und bedeutet, dass die Kassen nun bei sogenannten Nachahmerpräparaten auf Biegen und Brechen verhandeln. Am Ende erhalten ihre Versicherten nur noch die wirkstoffgleiche Arznei des jeweils günstigsten Herstellers. Dieses „Erfolgsmodell“ werde allein dem AOK-System bis Ende 2010 eine Milliarde Euro gespart haben, sagte Hermann am Dienstag in Berlin. Wer daran etwas ändern wolle, lege „die Axt“ an ein über die Maßen wirksames Kostensteuerungsmittel. Den 24 Millionen AOK-Versicherten blieben dadurch fürs erste Zusatzbeiträge erspart. Adressat der Warnung ist die schwarz- gelbe Koalition, die in ihren „Eckpunkten“ zur Arzneimittelversorgung angekündigt hat, die Rabattverträge mit Blick auf die nicht zum Zuge kommenden Firmen hin ein wenig auszuhöhlen. So sollen gesetzlich Versicherte künftig auch wieder nichtrabattierte Arznei erhalten, sofern sie dafür einen Aufpreis zahlen. Diese Möglichkeit verunsichere nicht nur die Patienten, kritisierte Hermann. Man ermuntere damit auch die Hersteller, statt auf niedrigere Preise lieber „wieder auf die Beeinflussung der Apotheker zu setzen“.
      Quelle: Tagesspiegel
    2. Dubiose Nebentätigkeit: Pillen vom Arzt
      Der Arzt soll heilen und nicht verkaufen – so sagt es die Berufsordnung. Dabei geht es nicht zuletzt um Vertrauen. Denn kein Patient soll befürchten müssen, seine Diagnose bekomme er nur, damit der Arzt ihm anschließend die dazu passenden Pillen verkaufen kann. Derartige Geschäfte sind den Medizinern deshalb gesetzlich untersagt.
      Doch immer mehr findige Ärzte umgehen dieses Gebot.
      Quelle: NDR
    3. Pharma-Lobby droht Rösler mit Job-Kahlschlag
      Gesundheitsminister Philipp Rösler hat die Pharmaindustrie mit seinem Sparplan in helle Aufregung versetzt: Der FDP-Politiker will den Konzernen bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr abringen, unter anderem mit Zwangsrabatten für Arzneimittel. Nun holt die Branche zum Gegenschlag aus – und droht unverhohlen mit Arbeitsplatzabbau.
      Quelle: Welt

      Anmerkung Martin Betzwieser: Das war eigentlich nicht anders zu erwarten. Und damit dürfte das Thema erledigt sein. Aber den Versuch war es wert, um von den negativen Reaktionen auf die Pläne zum Einheitsbeitrag abzulenken. Und es scheint zu wirken; von den gesetzlichen Krankenkassen bekam der Minister Applaus.

  13. Germanias Größenwahn
    Die Billigfluggesellschaft rechtfertigt die Zerschlagung gewerkschaftlicher Strukturen. Fristlose Kündigung für sechs Piloten nach Wahl in Tarifkommission. Vereinigung Cockpit: »Grober Angriff auf Koalitionsfreiheit«.
    Quelle: Junge Welt
  14. Deutsche Bahn: Ausverkaufsrat
    Die Bundesregierung verzichtet auf die Mehrheit der ihr zustehenden Mandate im Bahn-Aufsichtsrat. Die werden von Privatindustriellen eingenommen. Von den zehn Mandaten, die der Kapitalseite im Aufsichtsrat zustehen, entfallen nur vier Mandate auf Personen, die – so auch die offizielle Leserart – als »Vertreter des Bundes« gelten. Sechs Aufsichtsratsmandate wurden an Lobbyisten spezifischer Unternehmen vergeben. Schließlich gibt es den neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Utz-Hellmuth Felcht. Der Vorsitzende ist in paritätisch besetzten Aufsichtsräten– wie im Fall der Bahn – der entscheidende Mann, da er in strittigen Fällen über zwei Stimmen verfügt. Im Hauptjob ist Felcht Managing Director der Private Equity Gesellschaft One Equity Partners (OEP), einer Tochter von JP Morgan, der zweitgrößten US-Bank. Bundesverkehrsminister Ramsauer betonte (Süddeutsche Zeitung vom 11. März), Felcht sei »ein exzellenter Kenner des Börsengeschehens«, was in Hinblick auf den nach wie vor »politisch gewünschten Börsengang mittel- und langfristig wichtig« sei.
    Quelle: Junge Welt
  15. Atommülllager Asse: Noch mehr Lügen
    Der Exbetreiber hat Informationen über Zuflüsse in das Bergwerk Asse unterdrückt. Auch das Bundesforschungsministerium unter Rüttgers soll am Vertuschen beteiligt gewesen sein.
    Quelle: TAZ
  16. Lernen, das Schlechte schönzureden
    Am Bodensee soll eine Professur für »Reformkommunikation« eingerichtet werden
    Reformkommunikation, das ist, was das wissenschaftliche Ordnungsgefüge anbelangt, ungefähr so, als wenn man innerhalb der Veterinärmedizin noch eine Professur für das Schweineschlachten ansiedelt. Und das, was bei der »Reformkommunikation« geschlachtet werden soll, ist der mündige Bürger. Denn wie man ihm das Fell über die Ohren zieht und er dabei noch immer meint, das sei zu seinem Besten, das ist der Gegenstand der »Reformkommunikation«.
    Wer genauer wissen will, was es mit diesem Begriff auf sich hat, der kann sich zum Beispiel in einem »Diskussionspapier« der als äußerst reformfreudig bekannten Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel: »Politische Reformkommunikation. Veränderungsprozesse überzeugend vermitteln«, informieren. Dort konstatiert man zunächst den Ist-Zustand und der fällt für die Politiker nicht besonders schmeichelhaft aus: Eine Mehrheit der Bürger ist unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie, das Vertrauen in die Regierung schwindet.
    Schlechte Noten also für die herrschende politische Klasse. Wo so das Volk gegen ihre Volksvertreter grummelt, sieht die »Reformkommunikation« ihre Stunde gekommen.
    Quelle: Neues Deutschland

    Dazu noch einmal zu Erinnerung:

    OECD: Die politische Machbarkeit von staatlichen Sparmaßnahmen
    After this description of risky measures, we can now recommend many measures which cause no political difficulty. To reduce the fiscal deficit, very substantial cuts in public investment or the trimming of operating expenditure involve no political risk. If operating expenditure is trimmed, the quantity of service should not be reduced, even if the quality has to suffer. For example, operating credits for schools or universities may be reduced, but it would be dangerous to restrict the number of students. Families will react violently if children are refused admission, but not to a gradual reduction in the quality of the education given, and the school can progressively and for particular purposes obtain a contribution from the families, or eliminate a given activity.
    (“Wenn Betriebsmittel beschnitten werden, sollte die Quantität der Dienstleistung nicht verringert werden, selbst wenn die Qualität leiden muss. Zum Beispiel können Betriebsmittel für Schulen oder Universitäten verringert werden, aber es wäre gefährlich, die Zahl der Studenten zu reduzieren. Familien werden heftig reagieren, wenn die Aufnahme der Kinder abgelehnt wird – aber nicht bei einer schrittweisen Reduzierung der Qualität der gegebenen Ausbildung, und die Schule kann für bestimmte Zwecke nach und nach einen Beitrag erhalten.“)
    Quelle: OECD [PDF – 131 KB]

    Anmerkung WL: An diesen inzwischen aus dem Netz entfernten offiziellen Ratschlag der OECD (aus dem Jahr 1996), wie man am reibungslosesten staatliche Sparprogramm umsetzen kann, sollte man sich immer erinnern. Er erleichtert das Verständnis für die Strategie der Neoliberalen nicht nur im Bildungswesen.

  17. Kinderarbeit in Ghana: Wo unser Computermüll landet
    Clap-Chef-Fotograf Alexander von Speti ist gerade für eine Fotoreportage nach Ghana gereist. Er hat dort beeindruckende, – bedrückende – Bilder gesammelt. Computermüll landet in unserer Wegwerfgesellschaft in der Regel auf dem Sondermüll. Alexander von Spreti zeichnet nun am Beispiel Ghana den Weg nach, was mit unseren Alt-Rechnern geschieht. Die Rechner werden allesamt ausgeschlachtet, das wertvolle und begehrte Kupfer gesammelt und anschließend zusammen mit Autoreifen verbrannt, damit das Kupfer von der Plastikummantelung getrennt werden kann.
    Die Arbeit wird dabei ausschließlich von Kindern und Jugendlichen verrichtet, die Gesundheit ruiniert, von den Folgen für die Natur und somit den Menschen, die nicht mittelbar vom Ausschlachten des Computermülls leben, ganz zu schweigen.
    Quelle: F!XMBR
  18. Italien: Die neuen Herren von Venetien und Piemont
    Italiens Regionalwahlen waren ein Triumphzug für die Lega Nord – sie stellt nun in zwei der reichsten Landesteile die Regionalpräsidenten. Luca Zaia lehrt jetzt sogar Berlusconi das Fürchten und machte die Lega zur stärksten Partei – mit fast zehn Prozent Vorsprung vor dessen “Volk der Freiheit” (PdL). Während in anderen Regionen noch gezählt wurde, knallten in Venetien die Sektkorken. Mehr als 60 Prozent hatten Zaia ihre Stimme gegeben.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Und wieder stellt sich bei Italien die Frage, warum reagiert das Land so anders als z.B. in Frankreich. Warum ist die Linke Italiens keine Alternative zu Berlusconi? Leider bietet die Zersplitterung der Linken auch keine ausreichende Erklärung. So hart das ist, der Sieg in den Regionalwahlen gehört den Rechten, der extremen Rechtem um Umberto Bossi, der Lega Nord. Viele Arbeiter im Fiatland rund um Turin, im Piemont, sowie in der Lombardei mit der Wirtschaftsmetropole Mailand sind auf die chauvinistischen Sprüche von Bossi hereingefallen: Die Überfremdung Italiens, die Alimentierung des gefräßigen Südens usw. Etliche mögen von Berlusconi enttäuscht sein, die geringere Wahlbeteiligung und die Stimmverluste von Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PDL) sprechen dafür, aber profitiert hat nicht die Linke, sondern die extreme Rechte. Insofern liegt Italien dann doch wieder im europäischen Trend, dem Erstarken der Rechten.
    Wohin kann man als politisch korrekter Italienfahrer in diesem Sommer seinen Urlaub verbringen? Wer nicht die Regionen mit seiner Abwesenheit bestrafen möchte, kann sich hier über das politische Spektrum in seinen Lieblingsorten informieren.

  19. Todesstrafe gegen Opposition
    Die Zahl ist atemberaubend. Im Jahr 2009 sind nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International weltweit 714 Gefangene hingerichtet worden. Im Vorjahr führte Amnesty noch 2390 Hingerichtete in seiner Statistik. Doch ganz so sensationell war der Erfolg dann doch nicht. Denn die Organisation nahm kurzerhand die Hinrichtungen in China aus der Statistik. Oliver Hendrich von Amnesty International wirft der chinesischen Regierung vor, die Zahl der Hinrichtungen „wie ein Staatsgeheimnis“ zu behandeln. Die öffentlich zugänglichen Informationen darüber in China „erfassen nicht das wahre Ausmaß“, sagt er. Amnesty International schätzt allerdings, dass in China jedes Jahr tausende Menschen hingerichtet und ebenfalls tausende zum Tode verurteilt werden. Zudem würden in China auch Oppositionelle hingerichtet, „um sie zum Schweigen zu bringen“, heißt es im aktuellen Bericht zum Stand der Todesstrafe weltweit.
    Diesen Vorwurf macht Amnesty International nicht nur China sondern auch dem Iran und dem Sudan. Der Iran steht hinter China mit mindestens 388 Hinrichtungen an der Spitze der neuen Statistik. Davon fanden mindestens 112 in den acht Wochen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl statt, heißt es in dem Jahresbericht. Über die Zahl der Todesurteile gab es dagegen keine gesicherten Informationen. Im Iran sind 2009 auch fünf Jugendliche hingerichtet worden.
    In den USA sind weitere 52 Gefangene mit der Giftspritze oder dem elektrischen Stuhl exekutiert worden. Im vergangenen Jahr wurden dort wiederum 106 Menschen zum Tode verurteilt. Die meisten Hinrichtungen fanden mit 24 erneut im Bundesstaat Texas statt. Allerdings gibt es selbst in den USA Bewegung. Vor einem guten Jahr hat Nebraska die Todesstrafe abgeschafft, 2007 ist sie in New Jersey aus dem Strafrecht gestrichen worden. Amnesty-Geschäftsführerin Monika Lüke sieht einen Trend weg von der Todesstrafe. Immerhin haben 95 Staaten der Welt die Todesstrafe komplett abgeschafft, neun Staaten sehen sie nur noch für außergewöhnlich schwere Straftaten wie etwa Kriegsverbrechen vor. Weitere 35 Staaten haben die Todesstrafe zwar noch in ihren Gesetzbüchern stehen, wenden sie aber nicht mehr an. 58 Staaten halten weiter an der Todesstrafe fest.
    Quelle 1: Tagesspiegel
    Quelle 2: Amnesty

    Anmerkung Orlando Pascheit: Dass die USA immer noch in der Liste der Staaten aufgeführt wird, die die Todesstrafe beibehalten haben und anwenden, muss denjenigen verstören, der an eine Form von westlicher Wertegemeinschaft glaubt.

  20. Die Staatsmännische
    Innenpolitisch mit drögem Blick, verdöst in Stellungnahmen, häufig benebelt in der Debatte, blüht Angela Merkel immer dann auf, wenn sie die deutschen Grenzen überwunden hat. Das heißt, sie blüht nicht unbedingt selbst auf: sie wird blühend gemacht. Auf internationalem Parkett wird aus der innenpolitischen Schlaftablette mit Pagenschnitt, eine stahlharte, unbarmherzige Staatsfrau, die unerbitterlich ihren überstaatlichen Nimbus als iron lady speist. Man macht sie zur Retterin von Klimakonferenzen, zur europäischen Wohlstandswahrerin, zur unnachgiebigen Nein-Sagerin, zum defensor fidei des wirtschaftlichen Europa – das Schlafpulver mit Richtlinienkompetenz, es wird verbrämt, wird umgeschrieben und mit passenden Bildern unterstrichen. Im Inlande vor Müdigkeit nuschelnd, liest sie im Ausland mit erhobener Stimme Leviten, deutelt mit dem Finger, putzt herunter, bleibt entschieden und strikt, weicht kaum einen Zentimeter zurück. Eine aufgehende, energische Person, die in dieser Weise innerhalb Deutschlands unbekannt ist. (…) Eine Ikonographie entsteht, in der Merkel zur eisernen Kanzlerin gemeißelt wird. Dabei ist jene Merkel, deren Schädel auf dem Rumpf des ollen Bismarck montiert ist, nur der Gipfel der Geschmacklosigkeit. Was anhand der Montage unabweisbar wird, findet sich auch in den meisten Fotos, die die internationale Merkel abbilden. Die mater patriae, erhaben und voll Einsatzwille für die Interessen ihres Volkes – das ist die Ikonologie einer innenpolitischen Nachtwächterin, die außerhalb der Grenzen aufgeweckter wirken soll, als sie es je war.
    Quelle: ad sinistram
  21. Zu guter Letzt: Volker Pispers: Augenwischen (30.03.10)
    Quelle: WDR

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