Generation Yuppies – Wechsel ohne Wandel in der FDP

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Am Wahlabend des 27. Septembers 2009 noch als Held in der Parteigeschichte der FDP gefeiert, wurde Guido Westerwelle kaum eineinhalb Jahre danach von seiner Partei gefeuert. Er habe „eine Entscheidung getroffen“, er werde sich auf dem nächsten Parteitag am 13. Mai in Rostock nicht erneut zur Wiederwahl als Parteivorsitzender stellen.
Nach einem Rekordergebnis der FDP von 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl, kam der Absturz des Selbstdarstellers. Es gab noch einen kleinen Hoffnungsschimmer von 6,6 Prozent in Hamburg, aber bei unter 5 Prozent in Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz und nur knapp über 5 Prozent im „Stammland der Liberalen“, in Baden-Württemberg, sind 10 Jahre Parteivorsitz von Westerwelle weggeschmolzen wie der Schnee von gestern. Wolfgang Lieb

So nah liegen „Hosianna“ und „Kreuzige ihn“ in einer Partei beieinander, die nichts mehr anderes zu bieten hat als platte Werbesprüche: „Freibier für alle“ in Form von Steuersenkungen (natürlich für die Besserverdienenden), eine Kopfpauschale verkauft als „Gesundheitsprämie“ oder ein „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ hinter dem nicht mehr steht als die Rückerstattung von Parteispendern aus der Hotelbranche mit Steuermilliarden.
Eine Partei, die unter Westerwelle zu nichts anderem verkommen ist, als die Interessen der sie finanzierenden Klientel populistisch in verlogene Phrasen wie „Leistung muss sich wieder lohnen“ oder „spätrömische Dekadenz“ zu verpacken.

Westerwelle war auch bei seinen ihn umgebenden „Parteifreunden“ nie beliebt, aber als er nun selbst im Amt des traditionell mit hoher Popularität verbundenen Außenministers zum unbeliebtesten Politiker Deutschlands abstürzte, da entpuppten sich die von Westerwelle auf ihre Posten Beförderten als „Heckenschützen“.

In der Werbebranche gilt die Altersgruppe der 19 bis 49-Jährigen als die wichtigste Zielgruppe. In einer Partei die ausschließlich noch vom Showbusiness und Marketing lebt, ist eben ein fast fünfzigjähriger Westerwelle kein Werbeträger mehr. Da man schon inhaltlich und konzeptionell nichts Neues anzubieten hat, muss also ein Generationswechsel her. Wie mit einem Bildbearbeitungsprogramm sollen die Köpfe ausgetauscht und verjüngt werden. Es drängt die Generation jener an die Spitze, die die FDP gemessen an dem Auslaufmodell Westerwelle wieder zu einer „jungen Partei“ machen wollen, die aber bisher nicht mehr bewiesen haben, als dass sie das Public-Relation-Deutsch von sich selbst überschätzenden Modernisierern beherrschen. Yuppies (young urban professionals) eben, karrierebewusste Egoisten die auf die nächste (Wahl-)Blase spekulieren.

Westerwelle hat seinen Rückzug (allerdings nur aus dem Amt des FDP-Vorsitzenden) mit eben jenem Generationswechsel begründet. Damit hat er klar gemacht, dass für ihn, die Einzige in der aktuellen FDP-Führungsriege, die wenigstens noch an die liberale Tradition einer Bürger-„Rechts“Partei erinnernde Justizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, mit ihren 60 Jahren nicht als Nachfolgerin in Frage kommt.

Der 66-Jährige FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hat seine politische Restlaufzeit mit seinem – ausnahmsweise einmal ehrlichen – Eingeständnis, dass das Atomkraft-Moratorium nur ein Wahlkampfmanöver sei, selbst verkürzt.

Eine Zwischengeneration der Vierzigjährigen hatte der Allein- und Selbstdarsteller Westerwelle ohnehin nicht hochkommen lassen.

Da einer aus der jungen Garde der heutigen Königsmörder, Daniel Bahr (35), sich offenbar nicht traut, kommen als Nachfolger nur noch der Generalsekretär der FDP, Christian Lindner (32) oder der Gesundheitsminister Philipp Rösler (38) für den Generationswechsel in Frage.

Glaubt man den journalistischen Auguren im Berliner Regierungsviertel, dann läuft die Nachfolge wohl auf Rösler zu. Lindner als bisheriger getreuer Pimpf (ursprüngliche Bedeutung: „kleiner Furz“) von Westerwelle, würde wohl allzu schnell davon eingeholt, dass er als Generalsekretär der FDP für den Absturz dieser Partei mindestens genauso verantwortlich ist wie Westerwelle. Außer der Tatsache, dass er freie Reden halten kann – was ihn schon zum Liebling der Journaille machte – hat er nun wirklich keinerlei praktischen Tätigkeitsnachweis für eine politische Führungsaufgabe vorzuweisen. Und viel mehr als die Kampfparolen der Marktradikalen „Ungleichheit ist besser“ oder „Der Staat ist ein teuerer Schwächling“ hätte er auch nicht zu verkaufen. Sein Blitzschwenk, die acht stillgelegten Atommeiler nicht mehr ans Netz gehen zu lassen, kann man getrost genauso als Kandidatenkür abhaken, wie das Wahlkampfmanöver der schwarz-gelben Regierung mit dem Atomkraft-Moratorium. Dazu muss man nur einmal seine Lobeshymne auf das „Energiekonzept“ der Bundesregierung vom Herbst letzten Jahres nachlesen.

Bleibt also Philipp Rösler. Er war schon in seiner Zeit als Partei- und Fraktionsvorsitzender in Niedersachsen als Mobbing-Fachmann aufgefallen und wendet diese Expertise nun gegen Westerwelle. Der Kabinetts-Youngster wurde zu Beginn seiner Amtszeit als Gesundheitsminister von den Medien – schon wegen seiner Biografie als vietnamesisches Adoptionskind – wie ein Genie gefeiert. Er hat aber – entgegen der FDP-Phrase „Mehr Netto vom Brutto“ – den allgemeinen Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung angehoben und dazuhin die solidarische Finanzierung aufgehoben, indem er den Anteil der Arbeitgeber am Krankenversicherungsbeitrag auf 7,3 Prozent eingefroren und alle künftigen Beitragssteigerungen sowie die Zusatzbeiträge (die „Rösler-Prämie“)allein den Arbeitnehmern aufgehalst hat. Er ließ ganz im Sinne der Klientelpolitik der FDP das Preisdiktat der Pharmawirtschaft unangetastet und ist den Formulierungsvorschlägen der Pharmalobby gefolgt, dass künftig nicht die Pharmaunternehmen den Zusatznutzen eines neuen Medikaments beweisen müssen, sondern umgekehrt die Zulassungsbehörde. Er hat die Apothekerlobby davon „befreit“, dass sie künftig rabattierte Arzneimittel anbieten müssen, sondern weiter die für sie profitableren Markenprodukte verkaufen können. Er hat einen Spitzenmanager des Verbandes der Privaten Krankenversicherungen zum Leiter seiner Grundsatzabteilung im Ministerium gemacht. Er hat den pharmakritischen Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen entlassen. Er hat dafür gesorgt, dass die Einnahmen von Ärzten, Krankenhäusern und der Pharmaindustrie weiter angestiegen sind. Er liebäugelt mit dem Gedanken, dass die Patienten künftig das Arzthonorar vorstrecken sollen. Er will eine privat finanzierte, kapitalgedeckte Zusatzversicherung als Ergänzung zur bestehenden Pflegeversicherung auf den Weg zu bringen.

Rösler der seine politische Zukunft an den Erfolg eines Umbaus des Gesundheitssystems knüpfen wollte, bleibt also voll auf der Linie der FDP: Durch seine knallharte Klientelpolitik haben Apotheker, Ärzte und Pharmaindustrie gewonnen – die Verlierer sind die Kassenpatienten.

Alle diese „Erfolge“ weisen ihn offenbar als Nachfolger von Guido Westerwelle aus. Es wird ein Wechsel ohne Wandel. Die FDP wird mit Rösler an der Spitze eine käufliche Klientelpartei bleiben. Dieser „Markenkern“ der FDP wird nicht angetastet.

Dass die FDP politisch korrupt ist, das haben zum Glück die Menschen erkannt. Nicht etwa Westerwelles Person, sondern dieses Image der Käuflichkeit hat ihren Absturz verursacht. Röslers bisherige Klientelpolitik wird diesen Eindruck in der Bevölkerung nicht korrigieren können. Seine dann von ihm geführte Partei wird schon bei den nächsten Wahlen weitere Denkzettel verpasst bekommen, da mögen noch so viele Spendengelder fließen.

Was bleiben wird, das ist ein von seiner eigenen Partei nicht mehr tragbarer deutscher Außenminister.

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