Mexiko lässt Richter direkt von der Bevölkerung wählen: Basisdemokratie oder populistische Gefahr?

Mexiko lässt Richter direkt von der Bevölkerung wählen: Basisdemokratie oder populistische Gefahr?

Mexiko lässt Richter direkt von der Bevölkerung wählen: Basisdemokratie oder populistische Gefahr?

Ein Artikel von amerika21

Die mexikanische Regierung hat die Kritik der US-dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) an der jüngst abgehaltenen Volkswahl von Richtern am Obersten Gerichtshof und regionalen Gerichten entschieden zurückgewiesen. In einer offiziellen Mitteilung bezeichnete das Außenministerium die Einschätzungen der Wahlbeobachtungsmission der OAS als unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten. Die Direktwahl von Richtern erfolgt im Rahmen einer breit angelegten Justizreform. Von Katharina Hempfing.

In einem bislang beispiellosen Verfahren wurde die Zusammensetzung des Obersten Gerichtshofs sowie weiterer Bundesgerichte durch die Bevölkerung direkt gewählt. Die Volkswahl war Teil der von der Regierung unter Präsident Andrés Manuel López Obrador angestoßenen Justizreform. Nach dem Wahlsieg der neuen Präsidentin Claudia Sheinbaum, ebenfalls von der Partei Bewegung Nationaler Erneuerung (Morena), wurde die Reform nun in einem ersten Schritt umgesetzt.

Nach Angaben des Nationalen Wahlinstituts (INE) hat sich bei der Wahl für den Obersten Gerichtshof (SCJN) der indigene Anwalt Hugo Aguilar Ortiz aus dem Bundesstaat Oaxaca mit rund 5,3 Prozent der Stimmen an die Spitze gesetzt. Aguilar, der sich selbst als Vertreter einer basisdemokratischen Justiz versteht, erhielt laut INE mehr als 3,28 Millionen Stimmen.

Insgesamt zeichnete sich eine große Beteiligung und ein deutlicher Stimmenvorsprung für Kandidaten mit wenig formellen Laufbahnen, aber breiter sozialer Unterstützung ab. Wie La Jornada berichtet, haben fast 60 Prozent der Gewählten keinen traditionellen Werdegang innerhalb der Justiz.

Die OAS sieht dabei insbesondere die Gefahr, dass Richter unter politischen Einfluss geraten könnten, wenn sie durch Wahlkampf und populistische Mechanismen um ihr Amt konkurrieren müssen. Mexiko wies diese Befürchtung entschieden zurück. Die Wahl von Richtern sei eine demokratische Maßnahme, die auf mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht im Justizwesen abziele, so das Außenministerium. Das derzeitige Justizsystem bedürfe tiefgreifender Reformen, um gerechter und zugänglicher zu werden.

Trotz der internationalen Kritik hält Mexiko an seinem Reformkurs fest. In der Mitteilung des Außenministeriums heißt es abschließend:

„Mexiko wird seine politischen und institutionellen Modelle im Einklang mit den Prinzipien seiner Verfassung und seiner demokratischen Überzeugungen gestalten – ohne externe Einmischung.”

Die Wahlbeteiligung lag laut der Analyseplattform Agenda Estado de Derecho unterhalb der Beteiligung an den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, was teils auf geringe Bekanntheit der Kandidierenden, teils auf ein diffuses Verständnis der Wähler über die Aufgaben von Richtern zurückgeführt wird. Dennoch sei der Wahltag insgesamt ruhig verlaufen, so die OAS in ihrem Bericht, der keine schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe feststellte.

Zum ersten Mal in der Geschichte Mexikos haben die Bürger mehrere wichtige Positionen im mexikanischen Rechtssystem direkt gewählt, darunter neun Richter für den Obersten Gerichtshof, die Richter des Obersten Wahlgerichtes, 15 Posten der regionalen Wahlgerichte, fünf Posten für das Justizgericht, 464 Posten der Gerichtshöfe und 386 Posten der Distriktgerichte sowie 4.362 lokale Ämter.

Titelbild: Shutterstock / Pixel Short

Dieser Artikel erschien zuerst auf Amerika21.

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