Blick aus dem Libanon: Der Plan von Trump und Netanjahu bedeutet ein zweites Kosovo für Gaza

Blick aus dem Libanon: Der Plan von Trump und Netanjahu bedeutet ein zweites Kosovo für Gaza

Blick aus dem Libanon: Der Plan von Trump und Netanjahu bedeutet ein zweites Kosovo für Gaza

Ein Artikel von Yahya Dbouk

Donald Trumps sogenannter Plan für Gaza ist keine Vereinbarung für den Frieden. Es handelt sich um einen unverbindlichen Rahmen, der vage und an Bedingungen geknüpft ist und eher darauf abzielt, den Konflikt zu verwalten als ihn zu lösen. Ohne Verpflichtungen, Zeitpläne oder Garantien räumt er den Interessen Tel Avivs Vorrang ein, während den Palästinensern kaum mehr als unverbindliche Versprechungen für den Wiederaufbau und künftige Verhandlungen bleiben. Von Yahya Dbouk.

Der Vorschlag, der als diplomatischer Rahmen für Nachkriegsvereinbarungen präsentiert wird, dient zwei Zielen der USA: das Image Washingtons im Ausland aufzupolieren und auf den wachsenden Druck zu reagieren, einen Krieg zu beenden, in dem die israelische Besatzung ihre erklärten Ziele nicht erreicht hat.

Doch nichts in dem Plan verpflichtet Israel, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, sich aus dem Gazastreifen zurückzuziehen, die Siedlungen einzustellen oder sich zur Aufhebung der Blockade zu verpflichten. Die Umsetzung hängt vollständig von US-amerikanischem Druck ab, der mit den politischen Veränderungen in Washington und dem Nachlassen der Medienaufmerksamkeit wahrscheinlich schwächer werden wird.

Benjamin Netanjahu hat dem Plan unter unmittelbarem Druck der USA zugestimmt. Zuvor hatte er vor der UNO erklärt, dass „uns ein palästinensischer Staat nicht aufgezwungen werden kann“. Seine plötzliche Zustimmung zu einem vagen Schritt in Richtung „palästinensischer Selbstverwaltung“ und einem Quasi-Staat spiegelt einen taktischen Rückzieher wider, um eine Konfrontation mit Trump zu vermeiden.

Dieser Schritt hat seine Koalition erschüttert und die Aussicht auf vorgezogene Neuwahlen erhöht, die für die rechtsextremen Politiker Itamar Ben Gvir und Bezalel Smotrich verheerend sein könnten. Ihre Ziele – die Ausrottung der Hamas, die Vertreibung der Bevölkerung aus dem Gazastreifen und die Errichtung dauerhafter Siedlungen – gehen weit über das hinaus, was der Plan vorsieht. Netanjahu sieht sich nun wachsendem Druck sowohl aus Washington als auch aus seiner Koalition ausgesetzt, sodass der Zusammenbruch seiner Regierung nur noch eine Frage des Zeitpunkts ist.

Die palästinensische Seite begegnet dem Plan mit tiefem Misstrauen. Die Hamas betrachtet ihn als verschleierte Kapitulation, bei der israelische Gefangene im Austausch gegen vage, nicht einforderbare Versprechen über einen Rückzug, den Wiederaufbau und eine Lockerung der Blockade freigelassen werden sollen.

Die Palästinensische Autonomiebehörde, einst als Vertreterin der Palästinenser in internationalen Verhandlungen anerkannt, wird heute ins Abseits gedrängt und gedemütigt. Der Plan überträgt die Verwaltung von Gaza an ein internationales Gremium unter Leitung des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair, assistiert von nicht gewählten palästinensischen Technokraten ohne echte Legitimität vor Ort.

Dem Vorschlag fehlt es an operativen Grundlagen. Er enthält keinen Mechanismus, um den Wiederaufbau zu finanzieren, keine festen Zusagen für den Einsatz internationaler Streitkräfte, nicht einmal einen Mechanismus, um die Hamas zu entwaffnen oder die Bewegung daran zu hindern, sich wieder zu bewaffnen, keinen politischen Prozess, der Gaza mit dem Westjordanland verbindet und keinen umfassenden Fahrplan für eine dauerhafte Lösung.

In der Praxis wartet jede Seite darauf, dass die andere ablehnt, während sie öffentlich eine bedingte Zustimmung signalisiert, um die Schuld für das Scheitern abzuwälzen.

Die Hamas besteht auf Garantien für den Wiederaufbau und die Aufhebung der Blockade, riskiert jedoch, jeglichen Einfluss zu verlieren, wenn sie ihre Gefangenen freilässt. Von Israel ist zu erwarten, dass es unbegrenzte Sicherheitsgarantien, die Beseitigung der Hamas-Führer, ein Vetorecht gegenüber den Übergangsverwaltern und die Freiheit zu militärischen Aktionen ohne Aufsicht fordert.

Die arabischen Staaten werden wahrscheinlich auf Distanz bleiben, sofern sie nicht von Washington unter Druck gesetzt werden. Selbst dann würden sie ihre Beteiligung an die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde knüpfen, wie symbolisch auch immer. Ihre Rolle, wenn sie überhaupt eine spielen, wird dem Diktat der USA untergeordnet bleiben.

Was dabei herauskommt, ist kein Fahrplan zum Frieden, sondern ein fragiler Rahmen für endlose Verhandlungen. Das Schlachtfeld verlagert sich von direkten militärischen Konfrontationen zu dunklen politischen Manövern, bei denen die israelische Besatzungsmacht am Verhandlungstisch das zu erreichen versucht, was sie mit Gewalt nicht erreichen konnte.

Für die Palästinenser ist die Gefahr existenziell: Selbst wenn ein Abkommen unterzeichnet wird, läuft Gaza Gefahr, ein zweites Kosovo zu werden – seine Sache begraben unter unbefristeter internationaler Treuhandschaft, Korruption und ausländischer Leitung, während das palästinensische Nationalprojekt zu einer hohlen „neuen Entität” ohne Souveränität reduziert wird.

Der Beitrag erschien im Original auf Al-Akhbar. Übersetzung: Marta Andujo.

Über den Autor: Yahya Dbouk ist ein libanesischer Journalist, der für das Medium Al-Akhbar (Die Nachrichten) schreibt.

Titelbild: Joshua Sukoff /Shutterstock

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