Eine Künstlerfamilie, die Zöllner, ruft auf: Wir sollten es probieren

Eine Künstlerfamilie, die Zöllner, ruft auf: Wir sollten es probieren

Eine Künstlerfamilie, die Zöllner, ruft auf: Wir sollten es probieren

Ein Artikel von Frank Blenz

Hört, hört! Neue Musikproduktionen bekannter Bands und Solisten werden üblicherweise mit viel Tamtam in die Öffentlichkeit gehoben, dem Kommerz gemäß eben. Bei dem folgenden Werk ist es anders. Der Chef und Namensgeber der vor allem im Osten der Republik sehr bekannten Berliner Band „Die Zöllner“, Dirk Zöllner, hat aktuell ein Video veröffentlicht, welches eine Botschaft des Nachdenkens, eine Aufforderung zu Zivilcourage verbreiten soll. Nebenbei, es ist ein bemerkenswertes Familienprojekt: Vater, Tochter und Sohn interpretieren den Song „Wir sollten es probieren – Neue Wege 2.0“. Von Frank Blenz.

Radiosender haben kritische Songs eher nicht im Programm

Das Video „Wir sollten es probieren“ der Familie Zöllner – Vater Dirk Zöllner, Tochter Rubini Zöllner und Sohn Egon Werler – in Zusammenarbeit mit den Musikern von „Die Zöllner“ und deren gesamter Produktionscrew verdient Aufmerksamkeit! Der kraftvolle Song, die Produktion ist ein inniger Aufruf. Im Grunde geht es um Zivilcourage, um Mündigkeit, um Mut und gesundes Misstrauen von uns Bürgern, welches die Künstler singend darbieten. Dem Song, ihren Machern gebührt Lob und ja, Verneigung, denn solcherart Stücke sind im Musikalltag doch eher die Ausnahme, landauf landab hört man in Radiosendern wenig Songs mit kritischen Inhalten. Dabei wären unbequeme, ehrliche, aufrichtige Debattenbeiträge wichtig – gerade jetzt.

Mutige Songs versus Opportunismus und Angepasstsein

Es braucht mehr Lieder im Stil der Zöllner, Texte, Wortmeldungen aus der Künstlergilde, die unbequem, mutig, ehrlich, offen und zupackend sind, lyrische und metaphernreiche Reime sind ebenfalls willkommen. Doch seien wir ehrlich: Der Opportunismus, die Gleichgültigkeit, das Angepasstsein haben auch in der Branche der Musiker und Produzenten Konjunktur. Es hat wohl damit zu tun, dass Künstler in den vergangenen Jahren gemerkt haben, dass sie eher nicht systemrelevant sind. Dass wir Bürger uns jedoch ebenfalls duckmäuserisch und angepasst verhalten, steht in keiner Gebrauchsanweisung für Staatsbürger. Und ja, Künstler sind auch Bürger.

Zöllner: Wir sollten es probieren, uns nicht zu arrangieren

Dirk Zöllner weiß das. Er ist ein bekanntermaßen engagierter Musiker, Texter, Freigeist, der sich stets viele Gedanken über ein besseres Leben macht, stets Friedensabsichten, Love and Peace und ehrliche Herzensgüte verbreitet und sich regelmäßig darüber äußert, wie die Spirale von noch mehr Eskalation weg von einem friedlichen Leben zu bremsen sei. Zöllner schlägt im Lied vor: Wir sollten es probieren, uns nicht zu arrangieren. Das bedeutet, zugegeben, sich vom bequemen Debattensofa zu erheben, die Komfortzone zu verlassen und sich nicht hinter dem resignierenden Spruch „Es bringt doch eh nichts“ zu verstecken. Als Autor für die NachDenkSeiten pflichte ich Dirk Zöllner bei und sage: Danke, lieber Dirk, danke, liebe Familie Zöllner, so muss es laufen.

Video mit dokumentarischen Szenen und ungestelzter Spielfreude

Dirk Zöllners Song in der neuen Version tönt als ein grooviger, satter Song in die Ohren, versehen mit einem Text, welcher behutsam wie klar und deutlich um die Ecke kommt. Das Stück liest sich so: Mensch, seid Bürger, seid offen, seid selbstständig! Die Macher des Clips verwenden dokumentarisch kurze Szenen aus der harten Realität unserer Welt, Not, Elend, der Abschuss einer Rakete sind zu sehen. Vater, Tochter, Sohn Zöllner stehen in einem imaginären TV-Studio vor einer Erdkugel – ganz so, wie wir Bürger es tagtäglich bei all den abgehobenen, selbstgefälligen, deutungshoheitigen Nachrichten-Sendungen sehen. NachDenkSeiten behandelt und kritisiert diese Arroganz der Medien oft und immer wieder. Zöllner schlägt eine Gegenreaktion vor: Sich nicht mit dieser Soße, diesen „Inhalten“ arrangieren, sich nicht jeden Dreck ansehen, sich nicht in denselben Kreisen drehen und sich nicht auf „Schwarz-Weiß“-Programmieren lassen.

Medienmächtige, hört auf mit dem Schwarz-Weiß

Warum präsentieren die Macher der Sender, die wir, wir Bürger, mit unseren Gebühren und darüber hinaus via Steuern mitfinanzieren, fortlaufend und mehrheitlich Inhalte, die über unser aller Köpfe eben einen solchen Eindruck von „Schwarz-Weiß“ anbieten und das Publikum „programmieren“? Nebenbei: Die Kritik gilt den meisten Medien. Die öffentlich-rechtlichen Medien sind umso mehr zur Brust zu nehmen, weil die Macher nicht in einer eigenen Welt agieren, sondern uns Bürgern „gehören“. Inhalte zu generieren, die ihrem Auftrag entsprechen – es wäre leicht, nicht abgehoben zu sein.

Zöllner ist relevant im Osten und im Westen, aber…

Dirk Zöllner agiert emsig und herzlich, bis heute mit wenigen Ausnahmen im Osten des Landes. Dass ihm und seiner Künstlerfamilie bis heute der Westen, konkret Lokale, Clubs, Kulturhäuser usw. verschlossen bleiben – es ist ein Jammer – von wegen deutsche Einheit. Zöllner geht damit souverän um: Dann wird halt von Rostock bis Plauen gespielt – und das erfolgreich.

Eine Lanze für Künstler

Wenn ich schreibe, dass es wenige Beispiele engagierten Ungehorsams und streitbaren Engagements von Künstlern gegen das Establishment, gegen die meinungsführenden Medien usw. usf. gibt, ist das selbstverständlich nicht ganz richtig. Es ist, zugegeben, eine Floskel, die sich leicht wegschreibt. Ich provoziere ein wenig. Vielmehr ziehe ich den Hut vor den vielen Leuten, den Musikern, den Schreibern, den Kabarettisten, den Dichtern und Denkern, die „nicht mitmachen“ und nicht im Mainstream mitschwimmen, weil das bequemer, sicherer, ertragreicher ist. Ich bleibe dabei: Die, die umdrehen und sich stromaufwärts wagen, sie sind noch zu wenig und/oder zu wenig einflussreich.

Die Folge? Brotlose Kunst. Dieser Begriff ist immer schon – auch vor Zeiten der Pandemie – als ironisch, sarkastisch gemeintes Mittel der Geringschätzung gegenüber Kultur- und Kunstschaffenden verwendet worden. In der Pandemie wurde diese Phrase täglich schmerzhaft spürbar, als systemrelevant gelten Menschen der Muse eher nicht. Doch die Künstler sind wichtig, sagen sie, sie begehren auf und machen auf sich aufmerksam – wie beispielsweise der Sänger Zöllner.

Mut und Ohnmacht

Über viele Jahre begleite ich, selbst Musiker und Schreiber und Nachdenkender, den Werdegang von Dirk Zöllner, auf den NachDenkSeiten sind Texte über ihn zu finden. Überaus aktiv schreibt der Sänger in sozialen Medien über sich, offenbart seine Gedanken. Zutiefst humanistisch sind Dirk und seine Familie, seine Leute um ihn herum. Als ich sein Familienlied sah und hörte, war ich überaus berührt. Ja, in kriegerischen Zeiten, wo man sogar richtig Spaß und Top-Gun-Feeling empfindet, wirkt eine solch andere Emotion wahrscheinlich so weicheiig wie das der viel gescholtenen Leichtathleten, die die deutsche Härte vermissen lassen. Nur gut, dass gerade neue Panzer den Osten erreichen und schlagkräftige, nebenwirkungsheftige Munition geliefert werden sollen. Damit dürfen wir uns aber nicht arrangieren.

Der Text zum Lied

Wir sollten es probieren
Uns nicht zu arrangieren.
Wir sollten uns nicht jeden Dreck anseh’n,
Wir können der Versuchung widersteh’n.
Wir sollten es probieren
Uns nicht zu arrangieren.
Nicht immer nur dieselben Kreise dreh’n,
Lasst uns neue Wege geh’n!
Wir sollten es probieren,
Du willst bloß nichts riskier’n, (du willst nichts riskier’n)
Lässt dich hypnotisier’n, (hypnotisier’n)
Dir das Gehirn amputier’n,
Von Leisetretern regier’n (yeah).

Du lässt es einfach passier’n,
Dich auf schwarz-weiß programmier’n,
Dir deinen Glauben diktier’n,
Und ihn als Freiheit servier’n.

Du kannst dich neu orientier’n, (du kannst, du kannst)
Den alten Traum aktivier’n, (du kannst, du kannst)
Die Herzen illuminier’n (du kannst, du kannst)
Und vom Gejammer kurier’n.

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