Aktenvermerk zu Cum-Ex: Ermittlungen gegen Scholz eingestellt wegen „Rücksicht“ auf dessen Stellung als Kanzler

Aktenvermerk zu Cum-Ex: Ermittlungen gegen Scholz eingestellt wegen „Rücksicht“ auf dessen Stellung als Kanzler

Aktenvermerk zu Cum-Ex: Ermittlungen gegen Scholz eingestellt wegen „Rücksicht“ auf dessen Stellung als Kanzler

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Die Gleichheit vor dem Gesetz gilt als einer der zentralen Pfeiler eines demokratischen Rechtsstaates und ist im Artikel 3 des Grundgesetzes verankert. Doch ein jetzt öffentlich gewordener Aktenvermerk der Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, der führenden Cum-Ex-Ermittlerin Deutschlands, lässt daran zweifeln, ob dies auch für den amtierenden Kanzler gilt. Unter der Akten-Nummer 213 AR 14/22 ist unter anderem von „Ungereimtheiten in den Aussagen von Olaf Scholz“ die Rede. Darüber hinaus wird dort dargelegt, dass Ermittlungen gegen ihn nicht weitergeführt worden sind unter Verweis auf „mit Rücksicht auf die Stellung“ des deutschen Regierungschefs. Die NachDenkSeiten fragten vor diesem Hintergrund auf der Bundespressekonferenz nach. Von Florian Warweg.

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Der Cum-Ex-Experte Fabio de Masi, der Ende August Strafanzeige gegen den Bundeskanzler „wegen uneidlicher Falschaussage zur Warburg-Affäre“ eingereicht hatte, bezeichnet den Vorgang auf X-Twitter als „eine Bombe“ und führt diese Einordnung auch weiter aus:

„Das ist eine Bombe! Nicht nur ich, auch Deutschlands führende Cum-Ex Staatsanwältin sieht laut einem von Oliver Schröm aufgedeckten 20-seitigen Vermerk eklatante Widersprüche bei Olaf Scholz‘ Erinnerungslücken in der Warburg-Affäre. Sie sah sogar Hinweise von potenzieller „aktiver Einflussnahme“ auf das Steuerverfahren in den Tagebüchern. Ihre Ermittlungen musste sie laut Vermerk unter „Rücksicht auf die Stellung“ von Scholz einstellen. Gleichheit vor dem Gesetz? Mittlerweile wurde sie vom grünen NRW-Justizminister (Benjamin Limbach) trotz Protesten des Generalstaatsanwalts entmachtet!“

Hintergrund ist ein interner Aktenvermerk der Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, der dem STERN vorliegt. Und dieser hat es in sich. Brorhilker gilt als die erfolgreichste Cum-Ex-Ermittlerin in Deutschland. Sie ist seit zehn Jahren an dem Thema dran und hat unter anderem dafür gesorgt, dass die Warburg-Bank zumindest einen Teil der geraubten Steuergelder zurückzahlen musste. Auch brachte sie erstmals Schlüsselzeugen zur Cum-Ex-Affäre zum Reden. Doch Ermittlungen gegen Kanzler Scholz wegen dessen Rolle in der Causa musste sie einstellen. Dank dem Aktenvermerk weiß die bundesdeutsche Öffentlichkeit jetzt auch wieso. Eigentlich galt die Akte zur Rolle von Scholz seit Dezember 2022 als geschlossen. Die Staatsanwaltschaft Köln hatte entschieden, keine Ermittlungen gegen Scholz wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung einzuleiten.

Was allerdings bisher nicht bekannt war: Die Oberstaatsanwaltschaft hatte die Akte zu Scholz, Nummer 213 AR 14/22, im Juli 2023 nochmals öffnen müssen, weil jemandem in der Behörde aufgefallen war, dass nie schriftlich begründet worden war, warum weitere Ermittlungen gegen Scholz nicht zu rechtfertigen seien. Staatsanwältin Brorhilker musste also eine Begründung nachliefern. Beim STERN heißt es dazu.

„Statt eine Erklärung dafür zu liefern, warum ein Anfangsverdacht gegen Scholz fehlte, liest sich das Papier in Teilen wie eine Begründung, warum man eigentlich Ermittlungen hätte vorantreiben sollen. Für den Kanzler ist die Verfügung ein Problem, weil sie nur einen Schluss zulässt: In Köln meinte man, genügend Anhaltspunkte zu haben, um sich die Rolle von Scholz in der Warburg-Affäre noch genauer anzuschauen. Aber das schien trotz aller Indizien gegen den Kanzler nicht erwünscht.“

Den Grund hierfür liefert die jetzt vom Grünen-Justizminister entmachtete Cum-Ex-Chefermittlerin in dem Vermerk gleich mit: „Mit Rücksicht auf die Stellung“ von Scholz als amtierender Kanzler, so die Begründung, „erschien daher ein weiteres Zuwarten (…) nicht länger vertretbar.“

Konkret heißt das: Der (weisungsgebundene) Generalstaatsanwalt hatte ihr eine so enge Frist gesetzt, dass eine Prüfung der Beweise gegen Scholz unmöglich war und das Verfahren eingestellt werden musste. Auch den zwischenzeitlich detailliert belegten Vorwurf, Scholz habe den Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft belogen (die NDS berichteten), darf sie nicht mehr prüfen.

Doch damit nicht genug. Ebenfalls diese Woche beantwortete die Bundesregierung eine Kleine Anfrage der Linksfraktion mit dem Titel „Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz mit Vertretern der Warburg Bank“ (Bundesdrucksache 20/8310)

Befragt zu den eklatanten Widersprüchen von Olaf Scholz in der Angelegenheit erklärte die Bundesregierung lapidar:

„Vorgänge im Zusammenhang mit einem Kalendereintrag zu diesem Treffen sind im Einzelnen nicht mehr rekonstruierbar.”

Vor diesem skizzierten Hintergrund fragten die NachDenkSeiten auf der Bundespressekonferenz nach:

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