Strategieschmiede für das finale Inferno

Strategieschmiede für das finale Inferno

Strategieschmiede für das finale Inferno

Ein Artikel von Bernhard Trautvetter

Noch bis zum 12. Oktober tagt die Strategieschmiede der NATO – das »Joint Air Power Competence Centre« (JAPCC) – in der Messe Essen. Die Veranstaltung findet hinter dem Mantel medialer Nichtbeachtung statt, damit die Militärs ihre unverantwortlichen Pläne ungestört entwickeln und konkretisieren können. Von Bernhard Trautvetter.

Die Militarisierung der Politik, die nicht erst seit der Gründung der Bundeswehr 1955 festzustellen ist, wird von vielen interessierten Seiten betrieben. Da ist neben der Militärlobby in vielen meinungsführenden Medien wie dem Springer-Konzern und der Rüstungsindustrie auch die Arbeit von NATO-Strategieschmieden wie dem Joint Air and Space Power Competence Centre im linksrheinischen Kalkar unweit der niederländischen Grenze. Diese sich gegenseitig ergänzenden Kräfte erinnern an die Warnungen des einstigen US-Präsidenten D.W.Eisenhower im Moment seines Abschieds aus dem Amt vor 61 Jahren: Wir müssen der Ausweitung des „…, Einflusses des militärisch-industriellen Komplexes vorbeugen. Das Potential für einen verheerenden Anstieg der Macht an falschen Stellen besteht ….“.

Vom 10. bis zum 12. Oktober tagt die 2005 in Kalkar am Niederrhein gegründete Strategieschmiede der Nato »Joint Air Power Competence Centre« (JAPCC) in der Messe Essen. Diese Militäreinrichtung ist in einem Komplex wichtiger Einrichtungen der NATO untergebracht, in dem aktuell circa 1.600 Armeeangehörige von den Medien weitgehend unbeachtet vor allem für den High Tech-Luftkrieg arbeiten. Die Ballung der Einrichtungen macht das deutlich: NATO-Luftleitzentrale, 24-Stunden-Gefechtsstand der Bundeswehr, Weltraumlagezentrum, Geo-Informationszentrum und weitere Einrichtungen der Bundeswehr und der NATO.

Dieses Jahr beraten sich die Militärs des JAPCC zeitlich parallel zur Tagung der NATO-Militärminister und des Amtskollegen der ukrainischen Regierung mit weiteren Spitzenpolitikern, mit der Vertretung des NATO-Generalsekretärs und mit Sponsoren aus der Rüstungsindustrie. Darunter befindet sich der weltweit führende Rüstungskonzern, der auch in der Nuklearkriegstechnik die globale Nummer eins ist, also Lockheed Martin, sowie der ebenfalls in der Nuklearrüstung wichtige Konzern Northrop Grumman. Sie treffen sich zum Thema „Verbesserung der … gemeinsamen Luftstreitkräfte – Glaubwürdig, fähig und verfügbar“. Was diese Strategen entwickeln, steht in diametralem Gegensatz zum Friedensgebot des Grundgesetzes und des Völkerrechts.

Dieses Zentrum wandte sich schon 2010 der konkreten Einbeziehung chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer (CBRN) Elemente der Kriegsführung zu – die Überschrift des Jahresberichts von damals lautete (ins Deutsche übersetzt): „Chemische, biologische, radiologische und Nukleare Entwicklungen“.

Den Militärs geht es laut Konferenz-Papieren um Strategien, die ‚glaubwürdig abschrecken‘. Die dafür vorgesehenen Kriegswaffen inklusive „überlegener (!) nuklearer Kapazitäten“ sollen „glaubwürdig, einsatzfähig und verfügbar“ sein.

Damit stehen die Militärs in einer klaren Tradition des Bruchs des Völkerrechts und des Risikos eines finalen Krieges. Diese Strategieschmiede hat am Drohnenkonzept, an der Nuklearstrategie (etwa im Konzept der »Air Land Integration (ALI)« der NATO) sowie an Interventionsprozessen wie dem Irak-Krieg mit ihrer Expertise mitgewirkt.

2014 diagnostizierte das JAPCC in seinen Konferenz-Unterlagen, dass ein dritter großer Krieg in Europa stattfinden kann und dass er entweder im Baltikum, in der Ukraine oder in Georgien entbrennen könne, also in ehemaligen Sowjetrepubliken, die die NATO auf ihrem Aufnahmeplan stehen hat (Manuskript S. 141). Die Antwort auf diese Tatsache sei ein angemessener Mix nuklearer und konventioneller Mittel. Dieses Konzept steht schon für sich genommen gegen das Friedensgebot und gegen das Gebot der Nichtverbreitung von Atomwaffen im Völkerrecht. Und es stellt ein Risiko dar, von dem niemand das Recht hat, es jemals einzugehen: Das Ende der Menschheit in einem finalen Inferno als Resultat eines dritten Weltkrieges.

2015 tagte das JAPCC zum ersten Mal in der Messe Essen. In der Einladung zu ihrer damaligen Jahreskonferenz beklagten die Militärs, dass es »Einheiten« (entities) gebe, die die Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber den „Operationen“ der Militärs verursachen und verstärken. In ihren Tagungsunterlagen beklagten die Strategen, dass US-Präsident G. W. Bush bei seiner Legitimation des – in Wirklichkeit unprovozierten – Angriffskrieges auf Massenvernichtungsmittel des Hussein-Regimes verwiesen habe, die dann aber nirgendwo im Land zu finden waren. Hätte er doch auf Husseins Grausamkeit gesetzt, dann wäre die Unterstützung in der Öffentlichkeit sicher größer gewesen. Dass dieser Krieg völkerrechtswidrig war, spielte für die Militärs keine Rolle.

In den Konferenzunterlagen von 2016 planten die Militärs Kriegshandlungen in chemisch, biologisch und nuklear zerstörten Gebieten. In einer solchen Tradition steht die Konferenz der Strategen diese Woche.

Sie findet hinter dem Mantel medialer Nichtbeachtung statt, damit die Militärs ihre unverantwortlichen Pläne ungestört entwickeln und konkretisieren können.

Die Friedensbewegung informiert seit Jahren über diese friedensgefährdenden Aktivitäten und führt Aktionen in der Öffentlichkeit durch, so auch in der Nähe der Messe Essen während der Konferenz der Strategen und ihrer Unterstützer.

Titelbild: Design Projects / Shutterstock

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