Klimapolitik paradox: LNG-Gas aus den USA ist bis zu dreimal so klimaschädlich wie Kohle

Klimapolitik paradox: LNG-Gas aus den USA ist bis zu dreimal so klimaschädlich wie Kohle

Klimapolitik paradox: LNG-Gas aus den USA ist bis zu dreimal so klimaschädlich wie Kohle

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Erdgas ist die große Brückentechnologie der deutschen Energiewende und der geplante Ausstieg aus der Kohle ist nur möglich, wenn man die wegfallenden Kohlekraftwerke zum großen Teil durch Gaskraftwerke ersetzt. Als Folge der deutschen Sanktionen gegen Russland kommt das Gas dafür zu einem großen Teil als LNG, also Flüssiggas, mit Tankern aus den USA. Das ist nicht nur ein ökonomisches Problem, da die US-Importe rund sechs- bis siebenmal so teuer wie russisches Pipelinegas sind, sondern konterkariert auch die Klimapolitik der Bundesregierung. Eine aktuelle Studie von Forschern der angesehenen Cornell-Universität kommt zum Ergebnis, dass das amerikanische Fracking-Gas, das als LNG exportiert wird, mindestens genauso klimaschädlich wie Kohle und unter den realen Bedingungen, unter denen es in den USA gefördert wird, sogar dreimal so klimaschädlich ist. Nur in Deutschland scheint dies niemanden zu interessieren, da diese Schäden in „unserer“ Klimabilanz nicht auftauchen. Von Jens Berger.

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Dass die Förderung von Fracking-Gas äußerst klimaschädlich ist, ist beileibe keine neue Erkenntnis. Bereits 2011 machte der amerikanische Biochemiker Robert W. Howarth in einem Aufsatz in der wohl angesehensten Fachzeitschrift für Naturwissenschaften, dem britischen Nature, darauf aufmerksam. Die aktuelle Studie, die freundlicherweise von der Neuen Osnabrücker Zeitung, die dazu auch einen Artikel brachte, veröffentlicht wurde, ist von eben jenem Robert W. Howarth. Die Methodik ist dieselbe, die er bereits vor zwölf Jahren in seiner „Nature-Studie“ anwandte, die Daten sind jedoch neuer.

Warum kommt Howarth zu so vernichtenden Werten für einen Energieträger, den die Bundesregierung als klimafreundlich ansieht? Dazu muss man zunächst einmal wissen, wie die Bundesregierung überhaupt zu ihrer Klimabilanz kommt. Wie die Bundesregierung in der letzten Woche auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Christian Leye hin einräumen musste, tauchen in ihrer Klimabilanz lediglich die Klimaemissionen auf, die in Deutschland anfallen. „Vorgelagerte Emissionen, die z.B. auf dem Weg nach Deutschland anfallen, werden hiervon nicht erfasst“, so der Wortlaut der Antwort. Das ist natürlich gerade bei Fracking-Gas, das mit hohem Energieaufwand verflüssigt wird, um dann in Tankern rund um die halbe Welt nach Deutschland verschifft zu werden, eine geradezu groteske Bilanzierung.

Howarths Studie zeigt, dass ein Großteil der klimaschädlichen Emissionen bei diesem Energieträger bereits in Form von Methangas beim Fracking selbst anfällt. Zwischen 3,6 Prozent und 7,9 Prozent des geförderten Gases entweicht bei dieser Fördermethode ungenutzt in die Atmosphäre und da Methan als Treibhausgas um ein Vielfaches gefährlicher ist als CO2, ist dies ein sehr großes Problem. Hinzu kommen nennenswerte Emissionen bei der Verarbeitung und natürlich beim Transport, wo vor allem bei älteren, mit Schweröl angetriebenen Tankern signifikante Emissionen anfallen. Bei seiner „Lebenszyklusbewertung“ von Fracking-Gas kommt Howarth so auf das Ergebnis, dass Fracking-Gas, das als LNG exportiert wird, im allerbesten Falle genauso klimaschädlich wie die Verstromung von Kohle und im schlimmsten Fall sogar dreimal so klimaschädlich sei. Dummerweise ist die derzeitige Förderung in den USA technisch derart rückständig, dass der schlimmste Fall die Rechengröße ist. Und an dieser Stelle sei selbstverständlich erwähnt, dass es hier nicht nur um das Klima, sondern auch um den Umweltschutz geht. Fracking gehört hier zu den umweltschädlichsten Fördermethoden von Energieträgern.

Um es zusammenzufassen: Wenn Deutschland plant, „klimaneutral“ zu werden, geht es dabei um eine rein statistische Rechengröße, die nur die Emissionen in Deutschland, aber nicht die Emission erfasst, die bei der Förderung, Produktion, Verarbeitung und dem Transport entstehen. Das macht klimapolitisch natürlich gar keinen Sinn, da es der Atmosphäre herzlich egal ist, ob die CO2- und Methanemission nun in Texas oder Castrop-Rauxel entstehen. Die Bundesregierung rechnet sich ihre Energiewende schön und reduziert dabei nicht etwa die klimarelevanten Emissionen, sondern steigert sie.

Wieder einmal kommt der Energiepolitik dabei die Außen- und Sicherheitspolitik in die Quere. Das westsibirische Erdgas, mit dem Deutschland bis vor kurzem über Pipelines versorgt wurde, hat eine ungleich bessere Klimabilanz über sämtliche Schritte im Lebenszyklus hinweg. Aber man führt ja lieber einen Wirtschaftskrieg gegen Russland, als das Klima zu schützen.

Hätten wir ein funktionierendes Mediensystem, wäre der Aufschrei groß. Doch was geschieht stattdessen? Der SPIEGEL erklärt die Studie in einem kostenpflichtigen Artikel kurzerhand für falsch.

„Rechtspopulisten von der AfD sind von jeher gegen LNG-Importe aber für »heimische Kohle«. Haben sie am Ende damit recht? Die Antwort ist ein klares Nein.“
Quelle: DER SPIEGEL

Na klar, wer die Verstromung von Fracking-Gas kritisiert, muss natürlich ein „Rechtspopulist von der AfD“ sein. Geht es auch noch dümmer?

Um die Studie zu entwerten, zitiert man einen „Energieexperten“ eines Instituts, das auf der Payroll der Bundesregierung steht und Fracking-Gas wenig überraschend anders bewertet. Man verweist auch darauf, dass Howarths Studie ja noch im Peer-Review sei und seine Methodik womöglich „übertrieben“ und „ungenau“ sei. Auch das ist zumindest erstaunlich, nutzt Howarth doch dieselbe Methodik, die er in der Vorgänger-Studie nutzte, die von Nature veröffentlicht wurde – das größtmögliche Qualitätszeugnis für eine naturwissenschaftliche Studie.

Man kennt es aus der Coronazeit. Studien, die dem Regierungsnarrativ widersprechen, werden ignoriert oder als „falsch“ bezeichnet. Getreu dem Pippi-Langstrumpf-Motto machen Bundesregierung und einige große Medien sich die Welt einmal mehr so, wie sie ihnen gefällt. Das ist im konkreten Fall umso grotesker, da der Klimawandel ja sowohl von der Bundesregierung als auch ebenjenen Medien sonst immer als das größte Menschheitsproblem überhaupt bezeichnet wird. Aber ja, wenn es darum geht, Russland, wie es unsere intelligenzabstinente Außenministerin so schön formuliert hat, „zu ruinieren“, dann steht der Klimaschutz dafür natürlich hintenan. Der ersaufende Eisbär und die Freitagskinder, die Angst vor dem Hitzetod haben, werden das sicher verstehen.

Titelbild: LHBLLC/shutterstock.com

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