Patrik Baab: „Eine Pressekampagne mit dem Ziel der Meinungslenkung und Zensur“

Patrik Baab: „Eine Pressekampagne mit dem Ziel der Meinungslenkung und Zensur“

Patrik Baab: „Eine Pressekampagne mit dem Ziel der Meinungslenkung und Zensur“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Die Mainstream-Presse arbeitet nach dem Motto: Wir liefern die Kriegspropaganda, die Ukrainer liefern die Leichen. Dies zeigt den ganzen Zynismus und den Realitätsverlust der deutschen Medien.“ Das sagt Patrik Baab im Interview mit den NachDenkSeiten. Der Autor, der aufgrund seines Buches „Auf beiden Seiten der Front – meine Reisen in die Ukraine“ massiv angegriffen wird, äußert sich auch zu seinen Erfahrungen in der Stadt Kamenz. Dort wurde der Oberbürgermeister im Vorfeld einer geplanten Veranstaltung mit Baab unter Druck gesetzt – doch der Stadtherr blieb standhaft und die Lesung konnte stattfinden. Ein Interview unter anderem über „skandalisierende Reporter“ und den „Angriff auf die öffentliche Meinung“. Von Marcus Klöckner.

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Herr Baab, im Vorfeld Ihrer Lesung in Kamenz gab es von einigen reichlich Kritik und Stimmungsmache. Der Oberbürgermeister hat sich im Sinne der Meinungsfreiheit durchgesetzt. Dann kam der Auftritt und für Sie gab es stehenden Applaus vor einem ausverkauften Haus. Wie haben Sie den Abend erlebt?

Das Stadttheater Kamenz war bis auf den letzten Platz ausverkauft. 300 Gäste waren gekommen, Lesung und Diskussion wurden per Video-Leinwand ins Foyer übertragen für jene, die keinen Platz mehr erhalten konnten. Oberbürgermeister Roland Dantz hat souverän durch den Abend geführt. Meine ersten Worte waren: „Danke, dass Sie alle da sind. Ihre Anwesenheit macht aus diesem Abend mehr als einen Theaterbesuch. Sie ist ein Signal. Es lautet: Wir lassen uns von skandalisierenden Reportern und Denunzianten nicht einschüchtern!“ Da gab es schon den ersten Szenenapplaus.

Und dann, wie ging es weiter?

Wir haben in der Diskussion mit manchen Propaganda-Lügen aufgeräumt, es kamen mindestens 25 Fragen aus dem Publikum. Am Ende stehende Ovationen und vierfachen Applaus. Beim Signieren bedankten sich die Kamenzer für meine Arbeit, wollten mir die Hand schütteln, eine Dame schenkte mir einen selbstgebackenen Weihnachtsstollen.

Ziehen Sie aus diesem Abend eine Lehre?

Kamenz hat zwei Dinge gezeigt: Die von der Presse veröffentlichte Meinung steht der öffentlichen Meinung der Bevölkerung diametral gegenüber. Zweitens lebt Kamenz den Geist des großen Aufklärers Gotthold Ephraim Lessing, der dort 1729 geboren wurde, und von dem sich die Propaganda-Presse offenbar verabschiedet hat. Oberbürgermeister Roland Dantz, der die Stadt seit 20 Jahren führt, und viele Kamenzer, die ich kennenlernen durfte, zeigen, wie demokratische Öffentlichkeit funktioniert.

Für unsere Leser nochmal erklärt: Was waren denn die Vorwürfe gegen Sie im Vorfeld? Und: Wer hat Sie erhoben?

Beschwerdeführerinnen waren Dr. Veronika Wendland vom Herder-Institut und Prof. Ricarda Vulpius von der Universität Münster. Zu mir haben sie keinen Kontakt aufgenommen, wie das in Fachkreisen üblich ist. Ihre Schreiben waren an Oberbürgermeister Dantz und die Presse gerichtet. Sie können im digitalen Schaukasten der Stadt Kamenz nachgelesen werden. Ein Blick lohnt sich: Sie entsprechen in Inhalt und Form nicht dem Stil der Nobilität. Auch ein Auftritt von Dr. Wendland in Kamenz, der von der Partei „Die Linke“ organisiert wurde, war fachlich nicht von hoher Güte. Sie hat mich, wie ich höre, mehrfach als Lügner beschimpft.

Damit verlässt sie das Feld der Fachdiskussion und begibt sich auf die Ebene der Diffamierung. Vielleicht wäre hier erstmal ein Benimmkurs angezeigt. Dass sich die beiden Damen aufführen wie der frühere ukrainische Botschafter Melnyk in TV-Runden, wundert mich nicht.

Wie erklären Sie sich die harte Kritik?

Es gibt meines Erachtens einen klaren Interessenbezug: Beide gehören der deutsch-ukrainischen Historischen Kommission an, die vom DAAD, also weitgehend vom Staat, finanziert wird. Wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing’. Dr. Wendland ist mit einem Ukrainer verheiratet, dessen Bruder nach meinen Informationen der Rada in Kiew angehört. Man darf vermuten, dass sie vorgeschickt wurden.

Die deutsch-ukrainische Historische Kommission hat auch schon in anderen Fällen pro-ukrainische und geschichtsrevisionistische Kampagnen gestartet. In der Sache bestreiten Dr. Wendland und Prof. Vulpius, dass 2014 auf dem Maidan ein von den USA orchestrierter Putsch stattgefunden hat, dass in der Folge zwischen 2014 und 2021 in der Ostukraine ein Bürgerkrieg gegen die russischstämmige Bevölkerung geführt wurde und dass es sich beim Krieg in der Ukraine um einen Stellvertreterkrieg handelt. Alle drei Behauptungen sind schlicht durch die Fakten widerlegt. Aber der aktuelle Forschungsstand, beispielsweise Nikolai N. Petros Studie „The Tragedy of Ukraine“ von 2023, scheint sie nicht zu interessieren. Das zeigt: Es geht nicht darum, was wir belegen können, es geht um Propaganda.

Auch Medien sind an Sie im Vorfeld der Veranstaltung herangetreten. Wie waren diese Kontaktaufnahmen ausgerichtet? Was ist Ihnen an den Fragen aufgefallen?

Der Redakteur der Sächsischen Zeitung Torsten Hilscher hat breit über die Vorwürfe berichtet. An mich herangetreten ist er nicht. Damit hat er die journalistische Handwerksregel „et audiatur altera pars“, auch die andere Seite soll gehört werden, missachtet. MDR-Redakteur Martin Dietrich hat angefragt und ich habe seine Fragen auch beantwortet. Da ich an seinen Fragen ablesen konnte, dass es ihm vor allem darum ging, seine Vorurteile zu bestätigen, habe ich meine Antwort auf den NachDenkSeiten veröffentlicht und die Qualität seiner Arbeit im Overton-Magazin unter der Überschrift kommentiert: „Lügen durch Weglassen“. Ausgewogene Berichterstattung bedeutet nach Lehrbuch, alle wesentlichen Aspekte eines Themas zu bringen. Dies hat er nicht getan und damit das Objektivitätsgebot aus dem MDR-Staatsvertag verletzt.

Auch 3sat ist an Sie herangetreten.

Ja, mit einer ähnlichen Masche. Hier haben wir zunächst Dreharbeiten im Theater verwehrt, da zu befürchten stand, dass sich niemand mehr zu Wort meldet. Die Fragen habe ich schriftlich beantwortet. Dann versuchte er noch, von den NachDenkSeiten einen Video-Mitschnitt aus einem meiner Vorträge zu bekommen, offensichtlich im irrigen Glauben, dies komme bei mir nicht an. Hier geht es erkennbar darum, meine Aussagen als Kreml-Propaganda darzustellen. Leute wie Fugmann können meine Quellen allein schon deshalb nicht prüfen, weil sie selbst vor Ort keine haben und den Forschungsstand nicht kennen. Alles, was ihren Suppenteller-Horizont übersteigt, stellen sie als „Verschwörungstheorie“ hin.

Ich war fast 40 Jahre für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig. In dieser Zeit habe ich erlebt, dass vielerorts die Fachredaktionen aufgelöst wurden. Das Ergebnis war, dass statt Fachredakteuren zunehmend Wald-und-Wiesen-Reporter unterwegs sind, die heute die Krokusblüte machen und morgen den Ukraine-Krieg. Da sie wenig wissen, halten sie sich an die herrschenden Vorurteile. Deshalb habe ich kein Vertrauen in die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien. Sie stehen erkennbar unter dem Einfluss der Politik und verbreiten mit Gebührengeldern NATO-Propaganda. Das habe ich Martin Dietrich detailliert nachgewiesen. Die erwähnten Journalisten haben allesamt keine Ahnung von der Ukraine, waren nie vor Ort, Berichterstattung aus Kriegs- und Krisengebieten ist ihnen fremd, ihre fachlichen Kenntnisse reichen nicht sehr tief. Deshalb klammern sie sich an die Linie ihres Blattes, die ja von den Eignern festgelegt wird, und an die redaktionellen Ansagen, dann kriegen sie auch keinen Ärger.

Über die Veranstaltung selbst haben die regionalen Medien dann nicht mehr berichtet.

Wie erklären Sie sich diese Herangehensweise?

Hier handelt es sich in meinen Augen nicht um Berichterstattung, sondern um eine Pressekampagne mit dem Ziel der Meinungslenkung und Zensur. Dies alles war offensichtlich orchestriert. Diese Kampagnen setzen immer bei öffentlichen Institutionen an und versuchen dann die Verantwortlichen zu zwingen, aus Angst vor schlechter Presse oder Druck von oben klein beizugeben. Dies sieht man auch daran, dass ein Dresdner Internet-Troll und FDP-Mitglied, Martin Walther, Denunziationsbriefe an eine Schule in Geilenkirchen geschrieben hat, die auch ans Schulamt und ans Bildungsministerium gingen. Ziel war, die Schule zur Absage meiner Lesung zu zwingen. Dies ist auch gelungen. Dieser Martin Walther beschimpft auf X den sächsischen Ministerpräsidenten Kretzschmer als unzurechnungsfähig und Elon Musk als Drogenkopf – ein Internet-Pöbler. Er gehört der pro-ukrainischen Organisation NAFO an. Aber er erreichte das Gegenteil: Inzwischen habe ich drei Lesungen im Raum Aachen.

Solche Medienkampagnen sind kein Beitrag zur demokratischen Öffentlichkeit mehr, wie das zu Lessings Zeiten noch gegeben war, sondern sie sind ein Angriff auf die öffentliche Meinung mit dem Ziel, staatliche Propaganda durchzusetzen. Insoweit hat die Presse in Deutschland heute die demokratische Funktion verloren, die sie zu Zeiten der Aufklärung und zu Zeiten von Jakob Philipp Siebenpfeiffer noch hatte: gegen die Zensur der Machteliten vorzugehen, auch unter Inkaufnahme persönlicher Risiken, und demokratische Öffentlichkeit als Voraussetzung von Demokratie herzustellen. Heute ist die Presse selbst das wichtigste Zensur-Organ, indem sie machtkritische Positionen aktiv bekämpft. Dem MDR habe ich ins Stammbuch geschrieben: „Lügen durch Weglassen“.

Im Ukraine-Krieg sind die Medien ein zentraler Kriegstreiber geworden. Charakteristisch ist, dass sich alle diese Hetzreporter ausrechnen können, dass sie nie an der Front landen. Dort können dann andere die Kastanien aus dem Feuer holen. Ein halbes Jahr lang hat die Presse den Sieg der Ukrainer in der Sommer-Offensive herbeigelogen, bis Armeechef Walerij Saluschnyj erklären musste, dass die ukrainischen Kräfte feststecken. Die Mainstream-Presse arbeitet nach dem Motto: Wir liefern die Kriegspropaganda, die Ukrainer liefern die Leichen. Dies zeigt den ganzen Zynismus und den Realitätsverlust der deutschen Medien.

Wenn Sie für einen Moment aus Ihrer Rolle des Buchautors, der angegriffen wird, herausschlüpfen und Ihre Position als jemand einnehmen, der ja auch in der Journalistenausbildung tätig war: Was läuft da in den Redaktionen falsch? Und: Wie sollte so eine Anfrage eigentlich aufgebaut sein?

In der Ausbildung bin ich immer noch tätig, nur nicht mehr an jenen Universitäten, die sich mit der NATO-Propaganda gemein machen. Was dazu gehört, ein Interview vernünftig vorzubereiten, habe ich in meinem Buch „Recherchieren“ beschrieben. Das ist Handwerk und kann man lernen. Aber der Journalismus hat ein Zugangs-Problem. Die Ausbildungswege sind lang, meist laufen sie über unbezahlte Praktika und langjährige freie Mitarbeit in prekärer Beschäftigung. Diese Hürde überwinden meist nur Sprösslinge aus betuchten Elternhäusern, also Kinder des gehobenen Bürgertums wie Zahnärzte, leitende Beamte, Oberstudienräte, Unternehmer.

Diese Nachwuchskräfte sind mit einem goldenen Löffel im Mund großgeworden, soziale Not kennen sie aus eigenem Erleben nicht. Das gehobene Bürgertum bevölkert die Redaktionen. Deshalb treten in ihrer Themenauswahl auch Probleme wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Obdachlosigkeit in den Hintergrund. Den Krieg beurteilen sie meist nach dem Wert der Rüstungsaktien, die sie von ihren Eltern einmal erben werden. Aber den Menschen erzählen sie: Wir müssen den armen Ukrainern gegen den bösen Putin helfen. Hätten sie nur 48 Stunden an der Front verbracht, würden sie den Mund halten. Die Schreibtisch-Perspektive bietet lediglich ein unzureichendes, wenn nicht gar verfälschtes Bild der Wirklichkeit.

Sie sind seit mehr als 40 Jahren Journalist, haben Zeitung, Radio, Fernsehen, Online gemacht. Was hat sich in der Kriegs-Berichterstattung verändert?

In drei völkerrechtswidrigen Angriffskriegen – Serbien und Kosovo 1999 bei der KFOR, in Afghanistan 2002 bei der ISAF und im Krieg in der Ukraine bei den Organisatoren im Donbass – habe ich an Pressekonferenzen und Briefings der Besatzungsbehörden teilgenommen. Dabei habe ich auch selbst das Wort ergriffen und meine Eindrücke erläutert, beispielsweise mit Blick auf die Minenlage, die Gefahren von Feuereinwirkung an bereisten Orten oder die Stimmung in der Bevölkerung. An Pressekonferenzen teilzunehmen, Informationen auszutauschen, auch über die Stimmung in der Bevölkerung, ist in einem Kriegsgebiet eine Überlebensfrage.

Deshalb rede ich auch mit Russen. Als Journalist rede ich ständig mit Menschen, die anderer Herkunft oder anderer Meinung sind. Das ist Kern meiner Arbeit. Damit mache ich mich nicht mit ihnen gemein. So werden Informationen recherchiert. Peter Scholl-Latour hat im Vietnamkrieg 1973 auf der Seite des Vietkongs gedreht. Niemand hat ihm vorgehalten, er verbreite kommunistische Propaganda. Im Ersten Golfkrieg hatte die ARD mit Christoph Maria Fröhder einen ausgezeichneten Reporter in Bagdad, war also auf beiden Seiten der Front vertreten. Niemand hat ihm nachgesagt, er betreibe das Geschäft eines Diktators. Heute hat die ARD keine Berichterstatter im Donbass, kennt also die Lage auf der russischen Seite vor Ort nicht aus eigener Betrachtung. Dies leistet einer Anlehnung an ukrainische Propaganda Vorschub.

Neu ist, dass Schreibtischbewohner in Redaktionen und Akademien, die von der Berichterstattung aus Kriegs- und Krisengebieten und den betroffenen Ländern keine Ahnung haben und sich ausrechnen können, dass sie selbst nie an der Front landen, aus der Komfortzone heraus Reportern im Kriegsgebiet in den Rücken fallen und sie damit zusätzlichen Gefahren aussetzen. Dies zeigt, in welchem Maß im heutigen Journalismus ethische Maßstäbe missachtet werden, wie weit sich die Berichterstattung von der Realitätsprobe vor Ort hin zum postfaktischen Skandalisieren verschoben hat und wie tief die Berichterstattung der Mainstream-Medien, auch der öffentlich-rechtlichen, in das Propagandasystem der NATO verstrickt ist.

Für nicht wenige Journalisten scheint es primär um Empörung und Hetze zu gehen. Was ihren Beruf ausmachen sollte, nämlich „Wahrheiten“, die vonseiten der Herrschenden kommen, wahrlich kritisch zu hinterfragen, wollen oder können sie nicht. Wie sehen Sie das?

Ja, es geht um Affekt-Ökonomie. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu schreibt, „dass Journalisten manchmal gefährlich sind: Da sie nicht immer wirklich gebildet sind, wundern sie sich über Dinge, die nicht sehr verwunderlich sind, und über Staunenswertes wundern sie sich nicht. … Die Journalisten tragen eine spezielle ‚Brille‘, mit der sie bestimmte Dinge sehen, andere nicht, und mit der sie die Dinge, die sie sehen, auf bestimmte Weise sehen. Das Auswahlprinzip ist die Suche nach dem Sensationellen, Spektakulären.“ Sie personalisieren, skandalisieren, denunzieren, statt im Wege der Recherche den Dingen auf den Grund zu gehen.

Recherchen kosten Zeit und Geld. Personalisieren, Skandalisieren und Denunzieren ermöglicht aber der Presse, relativ schnell die Aufmerksamkeit der Nutzer zu binden, Klickzahlen oder Quoten hochzutreiben, damit die Werbe-Erlöse zu steigern und den Kunden oder der Politik noch einen Gefallen zu tun. Dabei werden wesentliche Sachfragen ausgeblendet und das Publikum tendenziell fehlinformiert. Dennoch fällt diese Monetarisierung von Ressentiments auf fruchtbaren Boden. Denn in allen, vom Neoliberalismus zerfurchten Gesellschaften herrscht eine ungeheure Wut. Das wissen die Machteliten, die ja mit ihren Sozial- und Rentenkürzungen, Entlassungen und Privatisierungen für diese Wut verantwortlich sind. Deshalb streben sie danach, den Zorn der Menschen von sich selbst abzulenken und Ersatzziele zu adressieren. Man nennt dies Aggressionsverschiebung.

Dafür brauchen sie wiederum die Medien. Sie orchestrieren diese Umlenkung der Wut. Dazu dämonisieren sie die Russen, Putin, Flüchtlinge, Minderheiten. So gelingt es, die Menschen zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen. Das Ganze ist eine Methode der Herrschafts-Sicherung. Gleichzeitig lässt sich damit Geld verdienen und von den wahren Problemen ablenken. So bewegen wir uns hin zu einer Gesellschaft bedingter Reflexe. Heute betreiben die Mainstream-Medien das Geschäft der Gegen-Aufklärung.

Der Oberbürgermeister der Stadt Kamenz ist standhaft geblieben. Er hat sich von dem Wind im Vorfeld nicht aus der Ruhe bringen lassen. Können andere Funktionsträger, kann die Öffentlichkeit etwas aus den Vorgängen in Kamenz lernen?

Ja, da können sich andere eine Scheibe dran abschneiden. Roland Dantz ist ein erfahrener, gestandener Mann, ein gelernter Ingenieur, der sich unter seinen Bürgern bewegt wie ein Fisch im Wasser und den so leicht nichts umwirft. Deshalb haben Bürger der Stadt Kamenz den sächsischen Ministerpräsidenten Kretzschmer in einem persönlichen Brief gebeten, die Amtszeit von Roland Dantz über die Rentengrenze hinaus zu verlängern. Für seine Stadt hat er viel getan, auch wenn das Geld knapp ist. Irgendwie hat er es geschafft, 3,7 Mio. Euro für einen Um- und Ausbau des Lessing-Museums zusammenzubekommen. Der Neubau wird auch wieder ein Lernort für Schulen und Universitäten sein.

Roland Dantz gibt ein Beispiel für Zivilcourage, demokratischen Bürgersinn und Verfassungs-Patriotismus. Es ist spürbar, dass er sich damit im Einklang mit den Bürgern befindet. Denn im Osten ist man viel sensibler als im Westen, was Bevormundung und Propaganda betrifft. Das hat man schon einmal zu SED-Zeiten gehabt und braucht man nicht nochmal. Auch deshalb war unser Abend im Stadttheater so gut besucht. Die kritische, sachliche Diskussion hat mich sehr gefreut, sie hat sich wohltuend unterschieden von der Presse- und Denunzianten-Hysterie. Deshalb komme ich gerne wieder.

Titelbild: wellphoto / Shutterstock

Lesetipps:

Patrik Baab: Auf beiden Seiten der Front: Meine Reisen in die Ukraine. Fifty-Fifty. 9. Oktober 2023. 256 Seiten. 24 Euro.

Patrik Baab: Recherchieren – Ein Werkzeugkasten zur Kritik der herrschenden Meinung. Westend. 28. Februar 2022. 272 Seiten. 20 Euro