Patrik Baab antwortet dem MDR

Patrik Baab antwortet dem MDR

Patrik Baab antwortet dem MDR

Ein Artikel von Patrik Baab

Um eine Veranstaltung mit dem Journalisten Patrik Baab in Kamenz ist eine Diskussion entbrannt. In diesem Zusammenhang hat Baab einen Offenen Brief an den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) verfasst, in dem er vom Sender gestellte Fragen beantwortet. Wir veröffentlichen diesen Brief hier im Wortlaut. Von Redaktion.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

In diesem Tweet ist die Ankündigung der Veranstaltung zu lesen, um die es geht:

Hier folgt der Brief von Patrik Baab an den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) vom 4. November 2023:

Herrn
Xxxx Xxxx
Mitteldeutscher Rundfunk

Ihre Anfrage vom 03.11.23 16:00

Sehr geehrter Herr Xxxx,

Zu den Fragen in Ihrer Mail vom 03.11.23 um 16:00 nehme ich gerne Stellung.

1. Was sagen zur Kritik von Frau Wendland, das (sic!) sie geschichtsrevisionistische Mythen über den Ukraine-Krieg reproduzieren?

Alle Darstellungen in meinem Buch „Auf beiden Seiten der Front. Meine Reisen in die Ukraine“ befinden sich in Einklang mit dem internationalen Forschungsstand. Sie beruhen auf eingehender Recherche sowohl auf ukrainischer als auch auf Seiten der russisch besetzten Gebiete und folgen der journalistischen Handwerksregel, beide Seiten zu hören. Meine Recherche-Ergebnisse habe ich umfangreich mit Quellen und Fachliteratur belegt. Ich verweise auf den Anmerkungsapparat. Frau Dr. Wendland ist als Expertin für den Konflikt im Donbass und den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Russischen Föderation in der Ukraine bislang nicht hervorgetreten. Ihre Einlassungen folgen offenbar der ukrainischen Propaganda. Eigenständige Recherchen im Kriegsgebiet hat sie nicht durchgeführt. Ihre Einschätzungen hat sie – anders als ich – fernab der Gefahrenzone am Schreibtisch entworfen.

2. Vor einigen Tagen sprachen Sie während einer Buchlesung in Berlin. Etwa bei 1:00:10 zitieren sie die Politikwissenschaftlerin Nina Chruschtschowa und stimmt (sic!) ihrer Einschätzung zu. Zitat: „Amerikaner haben Putin in eine Falle gelockt. Und der Blödmann ist reingetappt. Und ich glaube, das war so.” In Reden hat Wladimir Putin immer wieder die Unabhängigkeit und Staatlichkeit der Ukraine bezweifelt (Beispielsweise in seiner Rede vom 23.2.2022: „Es ist anzumerken, dass die Ukraine eigentlich nie stabile Traditionen echter Staatlichkeit hatte“). Auch in anderen seiner Texte deuteten sich seine imperialistische Pläne an. Können sie mir erklären, warum sie Putin und seine Gefolgsleute nicht als die vordergründigen Aggressoren im Ukraine-Krieg betrachten?

Dr. Nina Chruschtschowa ist Professorin für Internationale Politik an der New School in New York. Sie ist amerikanische Staatsbürgerin und Urenkelin von Nikita Chruschtschow. Als einer der wenigen US-Experten kennt sie Putin persönlich. Hier ihre vollständige Aussage:

Der Krieg in der Ukraine ist ein perfekter Krieg für die USA, weil ein weißes Land gegen ein anderes weißes Land kämpft. Der Bösewicht kämpft gegen eine Demokratie. Und diese Demokratie hat mit Wolodimir Selenski einen Hauptdarsteller, der seine Rolle wunderschön spielt.“ – „Sei behaupten also, dass die USA diesen Krieg provoziert haben?“ – „Absolut. Aber es ist eine freie Welt, und Putin wählte seine Rolle als Bösewicht selbst und griff die Ukraine an. Dafür sind nicht die USA verantwortlich, Putin trägt zu 100 Prozent die Schuld… Diese permanente Diskussion war eine Falle, und dieser Idiot tappte hinein.“ (Chruschtschowa, Nina: Ich hasse es, Putin und meinen Großvater im selben Satz zu nennen.“ In: Tagesanzeiger v. 07. Oktober 2022)

Die Überlegungen, dass es sich gerade nicht, wie die NATO-Propaganda uns weismachen will, um einen „unprovozierten“ Angriffskrieg handelt, sondern dass die USA und die NATO den Krieg in der Ukraine provoziert haben, sind Teil der internationalen fachlichen Diskussion und bilden den Stand politikwissenschaftlicher Forschungen ab. Dies macht aus einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg keine Friedensmission. Hier beispielhaft die Äußerungen einiger Experten für die Genese des Krieges in der Ukraine:

Prof. Jeffrey Sachs von der Columbia University in New York, Sonderberater des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Berater des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank, der OECD, der WTO und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen sowie Regierungsberater in Bolivien, Polen, Jugoslawien und Russland: „Der Krieg in der Ukraine ist der Höhepunkt des 30 Jahre alten Projekts der US-Neokonservativen. Die Biden-Administration ist voll besetzt mit denselben Neocons, die sich stark gemacht haben für die vom Zaun gebrochenen amerikanischen Kriege in Serbien (1999), Afghanistan (2001), Irak (2003), Syrien (2011) und Libyen (2011) und die alles taten, den russischen Überfall auf die Ukraine zu provozieren. Die Bilanz der Neocons ist ein vollständiges Desaster. Dennoch hat sich Biden mit Neocons umgeben. In der Folge lenkt Biden die Ukraine, die Vereinigten Staaten und die Europäische Union in ein weiteres Debakel. Wenn Europa noch einen Rest Verstand besitzt, wird es sich lossagen von diesen außenpolitischen Katastrophen Amerikas.“ (Jeffrey D. Sachs: Ukraine is the latest Neocon Disaster. In: OtherNews v. am 27. Juni 2022.)

Prof. John J. Mearsheimer, Experte für internationale Politik an der Universität Chicago: „The United States and its European allies share most of the responsability for this crisis. The taproot of the trouble is NATO enlargement, the central element of a larger strategy to move Ukraine out of Russia’s orbit and integrate it into the West. At the same time, the EU’s expansion eastward and the West’s backing of the pro-democracy movement in Ukraine – beginning with the Orange Revolution in 2004 – were critical elements, too. Since the mid-1990s, Russian leaders have adamantly opposed NATO enlargement and in recent years, they have made it clear that they would not stand by while their strategically important neighbor turned into a Western bastion. For Putin, the illegal overthrow of Ukraine’s democratically elected and pro-Russian president – which he rightly labeled a ‘coup’ – was the final straw.” (Mearsheimer, John J.: Why the Ukraine Crisis is the West’s Fault. In: Foreign Affairs Vol. 93, No. 5 (September/October 2014), pp. 77 – 85)

Prof. Robert H. Wade (Experte für globale Wirtschaftspolitik an der London School of Economics) sieht eine „long-standing US strategy for regime change in Moscow, with Ukraine as the pivot. On one hand, send sufficient military and other equipment to Ukraine to sink Russian military in a quagmire. On the other hand, impose severe, far-reaching sanctions on Russia so as to cause major disruption to the Russian elite and a major contraction of living conditions for the Russian middle-class. The combination should last long enough for Russians to rise up to overthrow Putin and install a Yeltsin-like President more sympathetic to the West. But this weapons-plus-sanctions strategy needed a cause. Putin’s invasion was the required casus belli. It in no way excuses Russia’s invasion and its despicable tactics to say that the Kremlin fell into a US and Nato trap.” (blogs.lse.ac.uk)

Jacques Baud, ehemaliger Geheimdienst-Analyst der Schweizer Armee und ehemaliger OSZE-Beobachter im Donbass: „Les États-Unis cherchaient depuis longtemps un moyen de provoquer une attaque de la Russie contre l’Ukraine.” (Baud, Jacques: Opération Z. Paris: Max Milo 2022, S. 12)

Die Reihe der Zitate könnte beliebig fortgesetzt werden.

In Ihren Fragen zeigt sich, wie es der Soziologe Pierre Bourdieu ausgedrückt hat, „dass Journalisten manchmal gefährlich sind: Da sie nicht immer wirklich gebildet sind, wundern sie sich über Dinge, die nicht sehr verwunderlich sind, und über Staunenswertes wundern sie sich nicht… Die Journalisten tragen eine spezielle ‚Brille‘, mit der sie bestimmte Dinge sehen, andere nicht, und mit der sie die Dinge, die sie sehen, auf bestimmte Weise sehen. Das Auswahlprinzip ist die Suche nach dem Sensationellen, Spektakulären.“ (Bourdieu, Pierre: Über das Fernsehen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1998, S. 25, 61) Deshalb erscheint es mir klug, sich zunächst in die Geschichte des Konflikts im Donbass und der Ukraine einzuarbeiten.

3. Sprechen sie ukrainisch und/oder russisch? Wie verlief dahingehend ihre Recherchereise für ihr Buch in die Ukraine? Wurden sie von einem Übersetzer begleitet? Wenn ja, war dieser unabhängig oder gehörte er oder sie irgendeiner Organisation an?

Diese Frage zeigt, dass Sie keine Erfahrung in der Auslandsberichterstattung und in der Vorbereitung von Recherchen in Kriegs- und Krisengebieten haben. Seit 1997 war ich dagegen für den Norddeutschen Rundfunk und die ARD in Großbritannien, Skandinavien, Polen, dem Baltikum, dem Kosovo, Afghanistan und unzählige Male in der Russischen Föderation tätig. Für meine Bücher habe ich zudem in den Vereinigten Staaten, Frankreich und der Schweiz recherchiert.

Insbesondere habe ich mich eingehend mit politischen Missständen in Putins Russland auseinandergesetzt. Meine Filme „Brauner Terror“ über militanten russischen Neonazismus, „Gefährliche Fracht auf der Ostsee“ über illegalen Ölhandel der Russischen Föderation, „EU-Pässe aus Russland“ über den illegalen Erwerb von EU-Identitäten oder „Das Russenkind“ über die – bis dato noch geheimen – wahren Gründe für den Untergang der „Kursk“ in der Barentssee im Jahr 2000 beruhen auf eigenständigen Recherchen vor Ort, die mich zweimal in Konflikt mit dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB gebracht haben. Auch bei meiner Arbeit im Kosovo in den Jahren 1999, 2000 und 2001 war ich erheblichen persönlichen Risiken ausgesetzt (Beschuss, Minenfelder). Ich hatte also Gelegenheit zum Üben.

Die Auswahl des Kamerateams, der Begleiter und Übersetzer, der Helfer vor Ort folgt fachlichen Kriterien wie absolute Verlässlichkeit, Sach– und Ortskenntnis, Belastbarkeit und Nervenstärke und hat mit der Zugehörigkeit zu Organisationen gleich welcher Art nichts zu tun. Wenn Sie in Sachsen mit einem Kamerateam losfahren, dann fragen Sie auch nicht, welches Parteibuch der Kameramann hat. Wichtig ist, dass er seine Arbeit macht. Im Übrigen reichen – anders als meine Kenntnisse des Paschtun oder des Albanischen – meine Russischkenntnisse aus, um einzuschätzen, ob der Übersetzer seine Arbeit korrekt gemacht hat.

Da Ihre Fragen darauf hindeuten, dass Sie hier eine Art Kontaktschuld konstruieren wollen, um meine Arbeit in ein schlechtes Licht zu rücken und mir eine Nähe zu Kreml-Propaganda zu unterstellen, möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Ich nehme von niemandem Weisungen entgegen. Ich fälle meine Entscheidungen in eigener Verantwortung und bin finanziell völlig unabhängig. Das unterscheidet mich von Ihnen, der Sie als Mitarbeiter des MDR gegenüber Ihren Vorgesetzten weisungsgebunden sind.

Was die Konstruktion von Kontaktschuld betrifft, so ist das Prinzip simpel: Zunächst wird ein Gegner definiert. Dann wird die Zielperson dem gegnerischen Lager zugeordnet. Es handelt sich also nicht um eine Argumentation in der Sache, sondern ad hominem. Solche Konstrukte, mit denen nicht zur Person oder zur Sache recherchiert wird, sondern politisch verdächtige Dritte auf die Zielperson abfärben sollen, stellen klassische Pseudoargumente dar und sind zur journalistischen, wissenschaftlichen oder juristischen Beweisführung ungeeignet, weil sie nicht auf Tatsachen beruhen (Agora-Initiative: Das Handbuch der öffentlichen Meinung. Erlangen 2020, S. 12.

Pseudo-Argumente wie die Herstellung von Kontaktschuld zielen darauf ab, alle, die sich dem kollektiven Prozess oder dem herrschenden Meinungsklima nicht beugen, auszugrenzen und aus dem Debattenraum auszuschließen. Ihr Ziel ist gerade nicht der herrschaftsfreie demokratische Diskurs. Vielmehr zielen sie darauf ab, ein Bekenntnis zu einer Partei oder einer Auffassung zu erzwingen und den Vorrang von Bekenntnissen vor Erkenntnissen durchzusetzen. Es handelt sich damit um eine zentrale Diskursfigur der Gegenaufklärung. Kontaktschuld-Vorwürfe sind direkt anschlussfähig an die Kollektivhaftung i.S. des nationalsozialistischen Sippenhaft-Paragrafen.

4. Wie kam es dazu, dass sie im Stadttheater auftreten sollen? Gab es eine Einladung vonseiten der Stadtverwaltung?

Oberbürgermeister Roland Dantz hat nach eigenen Angaben mein Buch gelesen. Dort ist auch dokumentiert, wie eine von t-online ausgelöste Denunziations- und Diffamierungskampagne auf der Basis mangelhafter Recherche und vorsätzlicher Falschdarstellungen dazu geführt hat, dass sachfremde Akademiker zweier Hochschulen aus Angst vor schlechter Presse im vorauseilenden Gehorsam meine Lehraufträge gekündigt haben. Dagegen bin ich juristisch vorgegangen. Das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat die Kündigung der Universität Kiel für unrechtmäßig erklärt und mit Verweis auf Art. 5 GG festgestellt, dass ein Journalist nicht dafür gekündigt werden darf, dass er seine Arbeit macht. Die Universität Kiel hat auf den Instanzenzug verzichtet, somit ist das Urteil rechtskräftig.

Die Stadt Kamenz hat sich mit der Reihe „Im Dialog“ vorgenommen, insbesondere jene einzuladen, die an anderer Stelle diffamiert, ausgegrenzt und beruflich beschädigt werden. Denn Demokratie heißt, auch solche Positionen in der Arena der Öffentlichkeit zu Wort kommen zu lassen, die einem nicht gefallen. Anders als jene, die mit öffentlichen Kampagnen wie Frau Dr. Wendland darauf abzielen, bestimmte Positionen oder Gruppen in den Mittelpunkt zu stellen und eine höhere Anerkennung dieser Positionen oder Gruppen durchzusetzen, bemüht sich die Stadt Kamenz damit in vorbildlicher Weise, die Meinungsvielfalt und damit die demokratische Willensbildung zu stärken. Dies entspricht im Übrigen auch dem Programmauftrag des MDR.

5. Wer war für den Ankündigungstext auf der Homepage des Stadttheaters verantwortlich? Wurde dies von einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung verfasst, oder kam der Text von ihnen selbst? Wurde dieser Text vom Stadttheater vor der Veröffentlichung in irgendeiner Art und Weise abgenommen?

Diese Frage richten Sie bitte an die Stadt Kamenz. Die Vorlage für den Ankündigungstext stammt von mir. Anders, als es Frau Dr. Wendland darstellt, befindet er sich in allen Punkten im Einklang mit dem internationalen Forschungsstand. Mit den Quellen und der einschlägigen Fachliteratur habe ich mich eingehend befasst. Davon unberührt ist das Recht von Frau Dr. Wendland auf freie Meinungsäußerung.

Zu den drei Punkten ihrer Kritik:

Putsch auf dem Maidan:
Was den Putsch auf dem Maidan im Winter 2013/14 betrifft, so stehen die im Buch erwähnten Zeugenaussagen im Einklang mit der Fachliteratur. Dabei ist durchaus geklärt, dass die Schüsse aus den Gebäuden des Rechten Sektors kamen. Bitte lesen Sie dazu die Seiten 149-166 und folgen Sie den Fußnoten, die der Verlag ins Internet gestellt hat.

Bürgerkrieg in der Ostukraine:
Der Bürgerkrieg im Donbass ab März 2014 geht nicht auf eine russische Intervention, sondern auf die Maidan-Morde und die tätlichen Übergriffe ukrainischer Faschisten und Ultranationalisten zurück. In der Folge hatten sich v.a. im Donbass Selbstverteidigungskomitees und Milizen gebildet, zu denen Einheiten der ukrainischen Armee überliefen. Die ersten 52 russischen Kämpfer unter Führung des russischen Monarchisten und Ex-FSB-Offiziers Igor Girkin erreichten Slaviansk in der Nacht vom 11. auf den 12. April 2014. Ungeklärt ist, ob er vom Kreml geschickt wurde oder auf eigene Faust handelte. Da sich Girkin in der Folge häufig als Kritiker des Kremls positionierte und heute im Gefängnis sitzt, ist davon auszugehen, dass er in eigener Verantwortung tätig wurde. Anders verhält es sich mit den Wagner-Söldnern: Mitte April wurden sie unter Führung von Oberst Dmitri Utkin in den Donbass verlegt. Wagner wurde am 1. Mai 2014 in Donezk gegründet. Da es sich bei der Gründung des Wagner-Vorläufers „Slawisches Korps” um eine Initiative des russischen Verteidigungsministeriums handelte, gehe ich davon aus, dass sie entsendet wurden – als Reaktion auf die Verlegung von Söldnern der US-Firma Academi zur Unterstützung der ukrainischen Kräfte im Donbass bereits Mitte März 2014. Folgen Sie der Darstellung in meinem Buch, insbesondere auf den Seiten 167-185, und den entsprechenden Fußnoten.

Stellvertreterkrieg zwischen Russland und der NATO:
Die Überlegung, dass es sich beim Ukraine-Krieg um einen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland handelt, entspricht ebenfalls dem internationalen Forschungsstand und kann durch Zitate aus der Politik gut belegt werden. Hier wieder eine Auswahl:

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am 26. April 2022: „Wir wollen Russland in dem Ausmaß geschwächt sehen, dass es die Art von Dingen, die es mit dem Einmarsch in die Ukraine getan hat, nicht mehr machen kann.“ (stern.de)

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock: „Wir führen einen Krieg gegen Russland.“ (bild.de)

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg: „Es ist wichtig, dass die Ukraine gewinnt. Denn wenn Putin gewinnt, wäre das nicht nur eine große Niederlage für die Ukraine, sondern auch eine Niederlage für uns alle.“ (just-now.news)

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Die Ukrainer kämpfen also um ihr Überleben, aber sie kämpfen auch für globale Werte. Es ist nicht nur ein Krieg, den Russland gegen die Ukraine entfesselt hat. Es ist ein Krieg gegen unsere Werte; es ist ein Krieg gegen die auf Regeln basierende internationale Ordnung.“ (ec.europa.eu)

Hier einige Stellungnahmen aus der internationalen Politikwissenschaft, in denen ebenfalls von einem Stellvertreterkrieg ausgegangen wird:

David Ignatius, White House correspondent der Washington Post: „The first instruction that Secretary of State Antony Blinken got from President Biden was to ‘reset’ America’s alliances and partnerships abroad so that the United States could deal with the challenges ahead. That strategy would prove decisive in combating Russia’s aggression against Ukraine.” (Ignatius, David: Secret Planning kept White House a step ahead of Russia. In: Washington Post v. 27. Mai 2022, politicalwire.com )
Prof. Dr. Richard Sakwa, Experte für russische und europäische Politik an der Universität Kent: „During the Cold War the main protagonists, the USA and the USSR, avoided direct confrontation and instead fought a number of proxy wars in Africa, Afghanistan and elsewhere. In the new era of the cold peace the Ukraine crisis became one of these proxy wars.” (Sakwa, Richard: Frontline Ukraine. Crisis in the Borderlands, London u. New York: I.B.Tauris 2016, S. 180 )
Prof. Dr. Alfred de Zayas, Völkerrechtler an der Geneva School of Diplomacy and International Relations und ehem. UN-Mandatsträger: „Die USA werden den Proxy-War ‚bis zum letzten Ukrainer führen‘… USA, EU und Nato wollten nur eins: ‚Regime Change‘ in Russland. ‚Putin muss weg‘, so hieß es im Weißen Haus. Die Nachkriegsordnung wurde bereits durch die Nato in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Syrien und Libyen zerstört. Gewiss, aus dem Ukraine-Krieg wird eine neue Weltordnung entstehen… Die neue Weltordnung wird nicht mehr vom Westen bestimmt. Auch die Chinesen, Inder und Russen werden mitspielen.“ (overton-magazin.de )

Jacques Baud, Ex-Militäranalyst des Schweizer Geheimdienstes und OSZE-Beobachter im Donbass: „Depuis longtemps, les Américains avaient le projet d’isoler la Russie et de la mettre au ban de la communauté internationale… À cette fin, i’idée était de pousser la Russie à s’engager dans un conflit avec l’Ukraine, afin d’y adosser uns rhétorique suffisamment puissante pour inciter la communauté internationale à imposer des sanctions. Certes, l’Ukraine souffrirait de cette situation mais, en échange de la défaite russe, on lui offrirait son entrée dans l’OTAN.“ Baud, Jacques: Opération Z. Paris 2022, S. 335)

Der französische Historiker Emmanuel Todd vom Institut national d’études démographiques INED in Paris: „C’est la réalité, la Troisième Guerre mondiale a commencé… il est évident que le conflit, en passant d’une guerre territoriale limitée à un affrontement économique global, entre l’ensemble de l’Occident d’une part et la Russie adossée à la Chine d’autre part, est devenu une guerre mondiale… Nous fournissont des armes quand meme. Nous tuons des Russes, meme si nous ne nous exposons pas nous-memes. Mail il reste vrai que nous, Européens, sommes surtout engages économiquement. Nous sentons d’ailleurs venir notre veritable entrée en guerre par l’inflation et les pénuries.” (Todd, Emmanuel: “La Troisième Guerre mondiale a commencé. In: Le Figaro v. 12.01.2023, lefigaro.fr)

6. Frau Wendland schlägt am Ende ihres offenen Briefs vor, dass es (sic!) im Stadttheater eine Veranstaltung mit ukrainischen Menschen organisiert werden sollte, die eine andere Perspektive einnimmt. Was sagen Sie zu dem Vorschlag? Würden Sie eine solche Veranstaltung unterstützen?

Den erwähnten Offenen Brief hat mir Frau Dr. Wendland nicht zur Kenntnis gegeben. Mir liegt ein Schreiben von Frau Dr. Wendland an den Oberbürgermeister der Stadt Kamenz, Roland Dantz, vor. Vor diesem Hintergrund frage ich mich, warum sich Frau Dr. Wendland nicht direkt an mich wendet, wenn sie ein fachliches Anliegen hat. Hier darf man vermuten, dass sie vorgeschickt wurde, um eine Kampagne gegen die geplante Veranstaltung zu entfachen, bei der die Presse als williges Werkzeug eingespannt wird.

Mit Einlassungen wie „Geschichtsklitterung” und „Falschaussagen” verlässt Frau Dr. Wendland das Terrain akademischen Streits und begibt sich auf das Feld der Diffamierung. Dies zeigt, dass es ihr offenbar nicht um eine fachliche Debatte, sondern um Ausgrenzung geht. Damit handelt sie genauso antidemokratisch wie jene, die meinen Lehrauftrag gekündigt haben.

Der überhebliche Ton, den Frau Dr. Wendland in ihrem Schreiben wählt, verweist darauf, dass sie Andersdenkende nicht als gleichwertige Gesprächspartner betrachtet, sondern sich über sie erheben will. Damit versucht sie, ein Über- und Unterordnungsverhältnis herzustellen, welches eine Diskussion auf Augenhöhe und in gegenseitigem Respekt von vornherein ausschließt.

Frau Dr. Wendland ist bislang als Rechercheurin im ukrainischen Kriegsgebiet noch nicht weiter aufgefallen. Damit gewinnt sie ihre Erkenntnisse im Wesentlichen am Schreibtisch oder in Studierstuben. Innerhalb dieses zivilisatorischen Schonraums lässt sich eine Realitätsprobe aber nicht machen. Denn dazu muss man sich – wie ich es getan habe – der Realität im Kriegsgebiet aussetzen und eben genau dort recherchieren, wo sich die Realität in aller Grausamkeit zeigt. Die Schreibtisch-Perspektive bietet lediglich ein verkürztes, wenn nicht gar verfälschtes Bild der Wirklichkeit.

Ich unterstütze alle Bemühungen, die im Sinne des Art 5 GG und der dort geregelten Meinungs- und Informationsfreiheit zur Meinungsbildung der Menschen in Deutschland beitragen. Insbesondere unterstütze ich die Bemühungen von Oberbürgermeister Roland Dantz, jene zu Wort kommen zu lassen, die inzwischen auch von Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diffamiert, ausgegrenzt und beruflich beschädigt werden. Zur Ausgestaltung der Meinungs- und Informationsfreiheit leiste ich persönlich meinen Teil, indem ich nach bestem Wissen und Gewissen recherchiere, dem Grundsatz „et audiatur altera pars“ folge und beide Seiten höre, wo immer möglich den Schreibtisch verlasse und vor Ort die Realitätsprobe mache sowie meine Recherche-Ergebnisse mit dem Forschungsstand und ausgewiesenen Experten abgleiche. Meine Arbeitsmethoden habe ich in einem Lehrbuch ausgeführt (Baab, Patrik: Recherchieren. Ein Werkzeugkasten zur Kritik der herrschenden Meinung. Frankfurt a.M.: Westend 2022).

Nun sind Fragen der Kernenergie nicht mein Recherchefeld. Deshalb verzichte ich gerne auf einschlägige Einlassungen. Allerdings fällt mir unangenehm auf, wie Frau Dr. Wendland als Befürworterin der Kernenergie mit Andersdenkenden umgeht. Dabei wählt sie offenbar gerne Nazi-Analogien. Sie schreibt: „Die Hoffnung auf die Reichswindkraft-durch-Freude-Programme, auf Solarsiedler (…) als Träger einer neuen deutschen Autarkie haben sich eine nach der anderen erledigt.“ Die „deutschen Kriegs… tschuldigung Klimaziele“ seien hinfällig. Ein Staatssekretär säße, so Wendland, mit der „Zyankalikapsel in der Backentasche“ im „Keller des Bundeswirtschaftsministeriums“ und wird „vom Reichswindtag“ träumend mit Adolf Hitler verglichen. Der „Endsieg über diese ganze jüdische Physik“ stünde bevor. (Joeres, Annika: Die Seitenwechslerin. In: Zeit Online v. 31. März 2022) Wenn dies ein „Satiretext“ gewesen sein sollte, fehlt mir dazu der nötige Humor.

Frau Dr. Wendland hat die Energie-Ökonomin Dr. Claudia Kemfert vom DIW in Berlin – nach deren Angaben – mit Hitlers Propaganda-Regisseurin verglichen und bezeichnete sie als „Leni Riefenstahl der Energiewende“. Weil der Artikel den Grundsätzen wissenschaftlicher Redlichkeit zutiefst widersprochen habe, wollte Dr. Kemfert Wendlands Arbeitgeber in Kenntnis setzen. Doch dann sei der Beitrag auf ruhrkultour.de im Netz nicht mehr auffindbar gewesen. Allerdings findet sich noch ein Tweet, in dem Ruhrkultour auf den Artikel und genau diesen Vergleich verweist.

Der Rundfunk-Staatsvertrag über den MDR will, so die Präambel, „den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat und seine Institutionen stärken, in den drei mitteldeutschen Ländern die kulturelle Vielfalt und Identität fördern sowie zum demokratischen Dialog, zur Sicherung der Meinungsvielfalt und Erhalt der Lebensgrundlagen und des Friedens beitragen“ Dort heißt es in § 8, Absatz 3: „Alle Informationsangebote (Nachrichten und Berichte) sind gewissenhaft zu recherchieren und wahrheitsgetreu und sachlich zu halten. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Die Redakteurinnen oder die Redakteure sind bei der Auswahl und Verbreitung der Nachrichten zur Objektivität und Überparteilichkeit verpflichtet. Kommentare sind deutlich von Nachrichten zu trennen und unter Nennung der Verfasserin oder des Verfassers als persönliche Stellungnahme zu kennzeichnen. Sie haben dem Gebot journalistischer Fairness zu entsprechen.“

Ich bin sehr gespannt, wie Sie diesem Programmauftrag, den ich in vollem Umfang unterstütze, gerecht werden wollen und was von meinen Ausführungen in Ihrer Berichterstattung übrigbleibt.

Es liegt nun an Ihnen, zu entscheiden, ob Sie sich zum willigen Werkzeug von Propaganda machen oder im Wege der Recherche zu eigenständigen Ergebnissen gelangen wollen. Für den Fall, dass Sie ihre gewiss reichhaltige Erfahrung durch einen Besuch im Kriegsgebiet erweitern möchten, werde ich Sie jedenfalls nicht hindern.

Dieses Schreiben erreicht Sie noch einmal per Einschreiben, denn ich behalte mir vor, unseren Gedankenaustausch in meine publizistische Tätigkeit einzubeziehen und dort zu dokumentieren.

Mit freundlichen Grüßen

Patrik Baab

Titelbild: wellphoto/shutterstock und Westend Verlag

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