Ansprachen von Scholz und Steinmeier: Mission Märchenonkel

Ansprachen von Scholz und Steinmeier: Mission Märchenonkel

Ansprachen von Scholz und Steinmeier: Mission Märchenonkel

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Kanzler und Bundespräsident haben versucht, mit wohldosierten SPD-Phrasen die für viele Bürger gefährliche Mischung aus grüner Politik (Krieg) und gelber Politik (soziale Kürzungen) abzuschirmen. Einmal mehr wurde auch das sattsam gebrauchte Motiv von den höheren Gewalten bemüht, die einfach so Krisen „auslösen“. Es ist aussichtslos: In Sachsen könnte die SPD bei drei Prozent landen. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Angesichts der „multiplen Krisen“, die die Bundesregierung selber für Land und Bürger geschaffen hat, war die Neujahrsansprache von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Beleidigung der Intelligenz für die meisten Bürger. Nimmt man zusätzlich noch die Weihnachtsansprache von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Bezugspunkt, so lässt sich sagen: Zwei Märchenonkel schirmen mit wohldosierten SPD-Phrasen die für viele Bürger gefährliche Mischung aus grün-gelber Politik ab, einer Mischung aus Krieg (grün) und sozialen Kürzungen (gelb). Es sind auch führende Sozialdemokraten, die mit ihrer Rhetorik dafür sorgen, dass ein Geist von neoliberaler Militarisierung und sozialer Kürzung sich 2024 noch besser entfalten kann.

Verarmung und Kriegsgefahr

Denn eines scheint klar: Das nächste Jahr wird viele Bürger zum einen ärmer machen und die soziale Schere noch weiter öffnen. Zum anderen wird die fortgesetzte aggressive Haltung gegen Russland einen dauerhaften Frieden in Europa noch unwahrscheinlicher machen und die Bürger dadurch in noch größere Gefahr bringen.

Verglichen mit einigen mittlerweile als skrupellose Ideologen erscheinenden Politikern von den Grünen und der FDP unterstelle ich einigen Politikern der SPD noch immer ein relatives Maß an Verantwortungsgefühl – umso härter ist die Desillusionierung, wenn man noch einer solchen naiven Betrachtung anhängt.

Beide Probleme (Verarmung und Kriegsgefahr) ließen sich umgehend lindern: mit diplomatischen Vorstößen der Bundesregierung in Richtung Russland – am Ende von (sicherlich schwierigen) Verhandlungen könnte ein europäischer Friedensplan unter Einbeziehung Russlands, mit einer neutralen (nicht der EU oder der NATO angehörenden) Ukraine und im Idealfall mit Deutschland als Brücke zwischen den USA und Russland entstehen.

Warum Deutschland sich außerdem umgehend wieder um russische Energie bemühen sollte, weil bezogen auf die Verteuerungen hierzulande „alles andere nur Theater“ und ein Doktern an Symptomen ist, haben wir kürzlich hier beschrieben. Eine Einigung auf diesem Gebiet scheint noch immer möglich, denn der russische Präsident Wladimir Putin hat in jüngerer Vergangenheit mehrmals verlautbart, dass der Bezug russischer Energie vor allem eine Entscheidung der deutschen Seite sei.

Schuld sind höhere Gewalten

Auch Scholz nutzt in seiner Neujahrsansprache das von der Ampelregierung sattsam gebrauchte Motiv der höheren Gewalten, die einfach so entstehen und auf die die Bundesregierung reagieren muss:

„Wenn ich im Land unterwegs bin, sagen mir gerade auch viele Ältere: ›So geballt, so Schlag auf Schlag habe ich das alles noch niemals erlebt.‹ Kaum war Corona halbwegs vorbei, brach Russland mitten in Europa einen unerbittlichen Krieg vom Zaun. Kurz darauf dreht uns der russische Präsident den Gashahn ab.“

Auf den letzten Satz soll hier näher eingegangen werden, weil er zentral für die Beurteilung der aktuellen Situation ist und er aber meiner Meinung nach nicht haltbar ist. Auf die Frage, ob „Putin uns den Gashahn abgedreht hat“, ist Thomas Röper kürzlich hier eingegangen: Demnach hat die Regierung Scholz der betriebsbereiten und mit Gas befüllten Pipelines von Nord Stream 2 am 22. Februar 2022, also noch vor Beginn der russischen Invasion, die Genehmigung verweigert. Es seien zudem die Sanktionen westlicher Länder gewesen, die dann im Sommer 2022 die vertragsgemäße Wartung der Turbinen von Nord Stream 1 verhindert hätten, was zuerst zu einer Reduzierung und dann zu einer Einstellung des Gasflusses durch die Pipelines von Nord Stream 1 geführt hätte. Russland habe danach angeboten, stattdessen Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, denn deren Turbinen sind aus russischer Produktion, mit der Pipeline hätte es die Probleme, die es mit der Wartung von Nord Stream 1 gegeben hat, nicht gegeben.

Russland habe die Energieversorgung Europas ganz und gar nicht eingestellt, so der Artikel, denn es würde noch immer russisches Gas durch die ukrainische Pipeline nach Österreich und russisches Gas durch Turkish Stream nach Südosteuropa bis nach Ungarn fließen. Außerdem wurde die EU zum größten Abnehmer von russischem Flüssiggas, von dem über Belgien sehr viel in Deutschland ankomme. Zu alldem komme noch die Frage nach der zerstörten Pipeline Nord Stream 2 und dem Urheber.

Der wirkungslose Wirtschaftskrieg gegen Russland – und damit gegen die eigenen Bürger hierzulande – wurde von der Bundesregierung vom Zaun gebrochen. Im Sinne der Bürger müsste das umgehend beendet werden.

Wirtschaftskrieg als Ursache der Misere

Wie gerade beschrieben: Die Ursache der Verteuerung könnte entschärft werden. Doch auch wenn man sich dem verweigert und sich wie die Regierung nur auf die Linderung der Symptome der selber angerichteten Krise konzentriert, sind die dafür angekündigten Schritte zu kritisieren. Das Portal Lokalkompass schreibt zu den Ansprachen von Scholz und Steinmeier und zur sozialen Frage:

„In diesem Jahr bei den feierlichen Ansprachen hörten wir kein Sterbenswort zur ungerechten Armuts- und Reichtums-Verteilung in diesem Land mit Verdoppelung der Zahl der Tafelbesucher und der Obdachlosen. Und das, obwohl die Regierung selber die Einkommens- und Vermögensungleichheit in ihren turnusmäßigen „Armutsberichten“ regelmäßig offenlegt, aber dann stets zu den Akten legt. Kein Wort zur drastisch steigenden Zahl der Armutsrentner in diesem Land mit absehbarer Altersarmut, bei zugleich unbezahlbaren Pflegekosten und fehlenden Seniorenwohnungen. Doch alles wird gut, denn „Löhne und Renten steigen und die Inflation sinkt“, verkündet Kanzler Scholz stolz.“

Die Welt beschreibt in diesem Artikel, „warum Normalverdiener 2024 unterm Strich weniger Geld haben: Viele Menschen verdienen im neuen Jahr unterm Strich mehr. Das Plus wird allerdings durch steigende CO2-Preise und die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Gas und in der Gastronomie aufgezehrt. Betroffen sind vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen.“

Auch das Sanktionsregime für Arbeitssuchende wird in skandalöser Weise verschärft – von einem SPD-Minister: Nach den Plänen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sollen Menschen, die sich Jobangeboten „immer wieder verweigern“ würden, für bis zu zwei Monate gar kein Bürgergeld mehr erhalten. Der Staat soll ihnen vorübergehend nur noch die Kosten für Unterkunft und Heizung zahlen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden.

Nicht mal mehr scheinbarer Optimismus

Auf keinen der in diesem Text beschriebenen Punkte gehen Kanzler oder Bundespräsident angemessen ein. Sie schaffen es nicht mal mehr, mit rhetorischen Künsten von der Misere abzulenken und einen wenigstens scheinbaren Optimismus zu entfachen. Scholz’ (bestenfalls) nichtssagendes Fazit lautet:

„Wenn wir uns das klarmachen, wenn wir uns gegenseitig mit diesem Respekt begegnen, dann brauchen wir keine Angst zu haben vor der Zukunft, dann kann das Jahr 2024 ein gutes Jahr werden für unser Land, auch wenn manches anders kommt, als wir uns das heute, am Vorabend dieses neuen Jahres, vorstellen.“

Laut Medienberichten gab es bei der letzten „Sonntagsfrage“ in Sachsen folgende Ergebnisse: CDU 30 Prozent, SPD 3 Prozent, Grüne 8 Prozent, FDP 1 Prozent, AfD 37 Prozent, Linke 7 Prozent.

Dieses Ergebnis für die SPD ist niederschmetternd, aber auch folgerichtig, weil sie die Politik der Ampel mitträgt. Tragisch an dieser Umfrage ist zusätzlich, dass sie das Fehlen einer echten Opposition illustriert. Die CDU etwa würde an der realen Politik wenig ändern – ihre Rolle als Opposition im irrelevanten „Kulturkampf“ scheint sie aber für viele Bürger bereits attraktiv zu machen. Es ist allerhöchste Zeit für eine neue politische Kraft, die eine solche Alternative darstellt.

Titelbild: Lucky Business / shutterstock.com

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