Ein Land im Rüstungswahn – aber niemand sagt, woher das Geld dafür kommen soll

Ein Land im Rüstungswahn – aber niemand sagt, woher das Geld dafür kommen soll

Ein Land im Rüstungswahn – aber niemand sagt, woher das Geld dafür kommen soll

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Kanzler Scholz hat sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz noch einmal festgelegt. Sobald das 100 Milliarden Euro schwere „Sondervermögen“ für die Aufrüstung ausgegeben ist, wird Deutschland das berühmte „Zwei-Prozent-Ziel“ einhalten und damit seine Rüstungsausgaben gegenüber heute de facto verdoppeln. Dass Deutschland künftig mehr Geld als Russland in die Aufrüstung stecken soll, ist bei den im Bundestag in Fraktionsstärke vertretenen Parteien unumstritten. Woher dieses Geld kommen wird, ist zurzeit jedoch noch offen. Es wird wohl auf Kürzungen in anderen Bereichen hinauslaufen, die das Land bislang in dieser Größenordnung noch nicht gesehen hat. Von Jens Berger.

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Aktuell beträgt der reguläre Rüstungsetat aus dem Bundeshaushalt 52 Milliarden Euro. Das 100-Milliarden-Sondervermögen, das Kanzler Scholz in seiner „Zeitenwende-Rede“ auf den Weg brachte, wird nach aktuellen Schätzungen 2027 aufgebraucht sein. Will die Bundesregierung das Zwei-Prozent-Ziel umsetzen, müsste sie spätestens ab 2028 jährlich rund 97 Milliarden Euro für Rüstungsausgaben mobilisieren – also fast doppelt so viel, wie es der derzeitige reguläre Rüstungsetat in der Haushaltsplanung vorsieht. Nur zum Vergleich: Das ist eine Lücke, die mehr als doppelt so groß wie der derzeitige Etat für Bildung und Forschung ist. 97 Milliarden Euro – das sind mehr als 2.200 Euro pro Haushalt! Jeder deutsche Haushalt soll demnach ab 2028 mehr als 2.200 Euro Steuern pro Jahr, also fast 200 Euro pro Monat nur für die Rüstung aufbringen. Das ist Wahnsinn.

Russland hatte im Kriegsjahr 2022 übrigens gerade einmal 80 Milliarden Euro in die Rüstung gesteckt. Das kleine Deutschland will also allein fast 20 Prozent mehr für Rüstungsausgaben mobilisieren als der Staat, den Politik und Medien als „unseren großen Feind“ ausgemacht haben. Zum Vergleich: Die Rüstungsausgaben der USA sind übrigens mit rund 800 Milliarden Euro schon heute zehnmal so groß wie die russischen Rüstungsausgaben und mehr als doppelt so groß wie die Rüstungsausgaben von Russland und China zusammen. Es geht hier nicht darum, sich gegen wen auch immer zu „verteidigen“. Wir erleben vielmehr ein groteskes einseitiges Hochrüsten des Westens, das sogar die wahnwitzigen Rüstungsorgien im Kalten Krieg in den Schatten stellt. Auch Deutschland soll – so wollen es CDU, SPD, FDP, Grüne und AfD – bei diesem Hochrüsten mitmachen.

Abseits von der Sinnhaftigkeit dieses Plans – woher soll der Staat eigentlich das Geld dafür nehmen? Eine höhere Besteuerung der Reichen und Wohlhabenden des Landes scheidet ja offenbar aus – dafür gibt es von keiner der genannten rüstungsfreundlichen Parteien eine Mehrheit. Im Gegenteil – CDU, FDP und AfD würden sogar am liebsten die Steuern für Reiche und Wohlhabende senken. Die Grünen und Teile der SPD würden diese Ausgaben am liebsten auf Pump finanzieren – also entweder durch Aussetzen der Schuldenbremse oder durch neue Sondervermögen, die ja nichts anderes als Kredite sind, die jedoch paradoxerweise von den Regelungen der Schuldenbremse ausgenommen sind.

Dass die Schuldenbremse als solche kontraproduktiv ist, ist Fakt und steht hier nicht zur Debatte. Nimmt man sie jedoch als normative Kraft des Faktischen als gegeben, so kann man durchaus Ausnahmen rechtfertigen, die als Investition gelten. Diese Ausnahmen wurden und werden beispielsweise für die Kosten der Energiewende, Infrastrukturmaßnahmen oder die Anschubfinanzierung zukunftsträchtiger Wirtschaftsbereiche gemacht. Die Idee dahinter: Mit diesen Investitionen werden künftige Einnahmen generiert, mit denen die Investitionen zurückgezahlt werden. So machen es auch Unternehmen. Dass es Ausnahmen für reguläre Haushaltsposten gibt, ist jedoch weder von der Logik noch von den Gesetzen her erlaubt. Doch was sind Rüstungsausgaben? Investitionen, die künftige Einnahmen generieren? Wohl kaum, außer man verfällt in vormoderne Denkweisen und plant, andere Länder zu überfallen und zu plündern und mit den „Einnahmen“ daraus die Schulden abzubezahlen. Aber das wird ja nicht die Argumentation der Bundesregierung sein.

Umso skurriler ist es, dass sowohl Grüne als auch der progressive Teil der SPD genau so argumentiert. Wohlwissend, dass Rüstungsausgaben aus ökonomischer Sicht keine Investitionen sind, versucht dieser Teil der Ampel sie über Sondervermögen doch irgendwie als Investition zu finanzieren. Dabei fallen dann Ausdrücke wie „Investitionen in unsere Sicherheit“, die jedem klar Denkenden die Kinnlade runterklappen lassen. Dabei sollten Grüne und Teile der SPD wissen: Mit der Schuldenbremse werden diese Mehrausgaben nur möglich sein, wenn man an anderer Stelle kürzt. Und da sowohl Grüne als auch diese Teile der SPD ganz genau wissen, dass eine Rückabwicklung der Schuldenbremse politisch nicht möglich ist – sie würde allein schon an den Ländern scheitern -, gibt es de facto nur zwei Alternativen: Entweder man betreibt ein absurdes Rüstungsprogramm UND kürzt die Kosten dafür an anderer Stelle. Oder man betreibt kein absurdes Rüstungsprogramm. Tertium non datur, eine dritte Alternative gibt es nicht.

FDP, CDU und der andere Teil der SPD haben damit auch kein Problem. Hier steht man voll hinter der Schuldenbremse, will unbedingt ein Rüstungsprogramm finanzieren, drückt sich aber davor, klar zu kommunizieren, welche Ausgaben man kürzen will, um das alles zu finanzieren. Wer diese Parteien und ihre Programme kennt, ahnt jedoch bereits jetzt, dass diese Kürzungen vor allem da vorgenommen werden, wo es „dem kleinen Mann“ wehtun wird. Dass man sich zurzeit mit konkreten Kürzungsplänen zur Refinanzierung des Rüstungsprogramms zurückhält, ist verständlich – es stehen mehrere Wahlen an und auch wenn das Volk durch die Medien kriegsgeil gemacht wurde, ist es mehr als fraglich, ob das gleiche Volk für seine Kriegsgeilheit auch massive Kürzungen hinnehmen wird. Konkrete Kürzungspläne werden wir wohl erst nach der nächsten Bundestagswahl sehen und es ist dabei sogar fraglich, ob dieses Thema im Wahlkampf eine Rolle spielen wird. Wir wissen ja: Kritik an der aberwitzigen Rüstungspolitik ist nicht gerne gesehen und wahrscheinlich sogar irgendwie „rechts“. Das ist jedoch gleich doppelt absurd, da die AfD sogar mehr als zwei Prozent für die Rüstung ausgeben will und ebenfalls Kürzungen – u.a. im Sozialbudget – fordert.

Titelbild: Screencap SAT1

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