Was steckt hinter den steigenden Zahlen bei politisch motivierter Kriminalität?

Was steckt hinter den steigenden Zahlen bei politisch motivierter Kriminalität?

Was steckt hinter den steigenden Zahlen bei politisch motivierter Kriminalität?

Karsten Montag
Ein Artikel von Karsten Montag

Staatlich gefördertes Denunziantentum, extremer Anstieg der politisch motivierten Kriminalität oder verbesserte Verfolgung von Straftaten im Internet aufgrund staatlicher Meldestellen? Die Präsentation der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität durch Innenminister Dobrindt und BKA-Chef Münch wirft bei näherem Hinsehen einige Fragen auf. Werden die vermeintlich gestiegenen Fallzahlen letztendlich politisch instrumentalisiert, um eine weitreichendere Überwachung im Internet und im öffentlichen Raum durchzusetzen? Oder wird damit am Ende sogar die Bekämpfung der politischen Opposition gerechtfertigt? Von Karsten Montag.

Am 20. Mai stellte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) zur politisch motivierten Kriminalität (PMK) vor. Die PMK sei 2024 „extrem“ auf über 84.000 Fälle angestiegen. Es handele sich um einen Höchststand. Die Entwicklung unterstreiche „einmal mehr den dringenden Bedarf einer gemeinsamen Sicherheitsoffensive von Bund und Ländern“. Dobrindt verdeutlichte den Anstieg mithilfe eines Diagramms, in dem die Anzahl der politisch motivierten Straftaten seit 2015 dargestellt wird.

Abbildung 1: Entwicklung der politisch motivierten Kriminalität, Datenquelle: Bundeskriminalamt

„Einige Besonderheiten“, die jedoch nicht zur Relativierung beitragen sollen, hätten zu diesem Anstieg beigetragen, erläuterte der Innenminister. So hätten im Jahr 2024 die Europawahl, drei Landtagswahlen und neun Kommunalwahlen stattgefunden. Dies würde jedoch nicht im Ansatz die Gesamtsteigerung erklären, denn diese sei getrieben durch die „Polarisierung“ der Gesellschaft.

Im Jahr 2024 sei die „PMK rechts“ der größte Phänomenbereich gewesen. Deswegen werde man „den Kampf gegen den Rechtsextremismus und von rechts motivierten Straftaten“ weiter fortsetzen. Auch die „PMK links“ sei nach wie vor „sehr ausgeprägt“. Daher werde die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern „eine Strategie zur konsequenten Verfolgung und Bekämpfung linksextremistisch motivierter Straftaten und Strukturen“ entwickeln. Auch im Bereich der religiösen und ausländischen Ideologie der PMK habe es einen „erheblichen“ Anstieg gegeben, der sich größtenteils aus dem Nahostkonflikt und dem „Terror der Hamas“ erkläre. „Größte Sorgen“ würde jedoch der steigende Antisemitismus auslösen.

Gegen die Phänomene der politisch motivierten Kriminalität wolle die Bundesregierung mit einer „Doppelstrategie“ vorgehen. Einerseits soll die Polizei „mehr Kompetenzen“ erhalten, insbesondere hinsichtlich der IP-Adressenspeicherung und der Videoüberwachung. Andererseits soll die Mindeststrafe für tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte von drei auf sechs Monate angehoben werden. Zudem sei Dobrindt „sehr“ für eine „Regelausweisung“ bei Verurteilung zur Freiheitsstrafe wegen antisemitisch motivierter Straftaten. BKA-Präsident Holger Münch machte zusätzlich darauf aufmerksam, dass der Anstieg der PMK 2024 im Vergleich zum Vorjahr 40 Prozent oder 24.000 Fälle betrage. Das sei ein Ausdruck der „zunehmenden Radikalisierung und Polarisierung“ sowie ein „Angriff auf die Demokratie“. Ohne Zahlen zu nennen, wies Münch zudem auf „hybride“ Angriffe russischer Geheimdienste hin und sprach in diesem Kontext von einer „Zeitenwende“ in der inneren Sicherheit.

Weder Dobrindt noch Münch wiesen in ihrer Präsentation darauf hin, was der eigentliche Grund für die Steigerung der PMK hauptsächlich war. Erst auf Nachfragen von Journalisten äußerte der BKA-Präsident, dass man einen „sehr starken Anstieg“ bei den „Straftaten über das Internet“ verzeichnet habe. Das „Dunkelfeld“ werde dabei kleiner. Allein 3.000 Fälle mehr seien über die „zentrale Meldestelle für Internetkriminalität“ gelaufen, „die gerne auch in der Statistik“ landeten. Diese Andeutungen geben zumindest einen Hinweis darauf, was die hohen Fallzahlen tatsächlich ausgelöst hat.

Straftaten im Internet und Sachbeschädigungen Hauptauslöser der hohen Zahlen

Eine genauere Untersuchung der PMK-Statistik fördert zutage, dass die Anzahl der politisch motivierten Gewalttaten in den letzten 14 Jahren zwischen 2.400 und 4.400 Fällen pro Jahr schwankte – mit dem Höhepunkt im Jahr 2015.

Abbildung 2: Politisch motivierte Kriminalität, ausgewählte Phänomenbereiche, Datenquelle: Bundeskriminalamt

Deutliche Steigerungen gab es hingegen bei Straftaten im Internet sowie bei Sachbeschädigungen. Unter strafrechtliche Gewalt fallen laut der Polizei Brandenburg Körperverletzungen, Bedrohungen, Nötigungen, Erpressungen, Raubdelikte, Beleidigungen und Mobbing. Unter politisch motivierte Straftaten im Internet fallen Bedrohung, Beleidigung, Cybergrooming, Cyberstalking, Doxxing, Erpressung, Nötigung, üble Nachrede, Verletzung der Ehre, Verleumdung und Volksverhetzung. Zu politisch motivierten Sachbeschädigungen zählen laut einer Information der Polizei Chemnitz das „Aufbringen von Aufklebern, Schmierereien, Graffiti und Parolen an Sachen, die sich in fremden [sic] Eigentum befinden“.

Da es bei den Gewalttaten und den Straftaten im Internet Überschneidungen gibt und in der PMK-Statistik Mehrfachnennungen möglich sind, ist davon auszugehen, dass die Steigerung im Bereich Internet ausschließlich auf Straftaten beruht, die nicht als Gewalttaten gewertet werden. Es stellt sich daher die zentrale Frage, ob es tatsächlich zu einer Steigerung der politisch motivierten Kriminalität gekommen ist oder ob es einfach nur mehr Anzeigen gibt. Diese Frage lässt sich anhand der Daten nicht beantworten. Trotzdem ist beides möglich, und das Betreiben und die Förderung von Meldeportalen im Netz deuten darauf hin, dass eine Steigerung der Anzeigen durchaus staatlich gewollt ist.

Erinnerungen an Corona werden wach

Kritiker der Corona-Maßnahmen wiesen während der Corona-Krise darauf hin, dass man mit einer willkürlichen Steigerung der Corona-Tests von Menschen ohne Symptome die politisch festgelegte Grenze einer gewissen Anzahl von Infizierten je 100.000 Einwohner erreichen konnte, ohne dass eine echte Gefahrenlage vorlag. Berechnungen des Mathematikers Klaus Pfaffelmoser zufolge reichte ab einer Anzahl von 2.500 Tests je 100.000 Einwohnern allein die Anzahl der falsch positiv Getesteten aus, um auf 35 Infizierte pro 100.000 Einwohner zu kommen. Dies war zum damaligen Zeitpunkt die Grenze, ab der rigorose Maßnahmen verordnet wurden. Selbst der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn gab zu, dass ohne ein Ende der Tests die „Pandemie“ nie aufhören würde.

Zwar kann man die Meldung politisch motivierter Kriminalität im Netz oder in Form von Sachbeschädigungen nicht wie die Durchführung von Corona-Tests anordnen. Doch die Politik kann eine Agenda setzen, welche die Bevölkerung beispielsweise für den Phänomenbereich „Hasskriminalität“ sensibilisiert, sowie ein entsprechendes Beschwerdemanagement in den sozialen Netzwerken anordnen und zusätzliche Meldestellen betreiben und fördern. Die politisch motivierte Kriminalität überschneidet sich größtenteils mit der Hasskriminalität. 2015 setzte der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine solche Agenda, indem er die Einrichtung einer „Task Force“ zur Bekämpfung der Hasskriminalität in sozialen Netzwerken ankündigte. Zwei Jahre später verabschiedete der Deutsche Bundestag das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Damit verpflichtete der Gesetzgeber die Betreiber sozialer Netzwerke, ein Beschwerdemanagement einzurichten und Nachrichten, die den Kriterien der Hasskriminalität entsprechen, zu löschen und darüber Berichte anzufertigen.

Zusätzlich wurden Meldestellen eingerichtet, mithilfe derer Hasskriminalität im Internet schnell und ohne hohe formale Hürden gemeldet werden können. Hierzu gehören:

  • REspect!, Betreiber: Jugendstiftung Baden-Württemberg im Demokratiezentrum Baden-Württemberg in Kooperation mit der Bayerischen Staatsregierung (gefördert durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg, durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales), eingerichtet 2017,
  • HessenGegenHetze, Betreiber: Hessisches Innenministerium, eingerichtet 2020,
  • MeldeHelden-App, Betreiber: HateAid gGmbH (gefördert unter anderem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von Campact e. V. und vom Bundesministerium für Justiz), eingerichtet: 2020.

Nur ein Bruchteil der Meldungen ist strafrechtlich relevant

Die von den Meldestellen bereitgestellten Daten zu Meldungen von Hasskriminalität zeigen, dass sie für den überwiegenden Teil der Fallzahlen politisch motivierter Kriminalität im Internet verantwortlich sind. Die von der Meldestelle REspect! an die Strafverfolgungsbehörden übermittelten Meldungen entsprechen allein 56 Prozent der in der PMK-Auswertung für 2024 angegebenen strafrechtlich relevanten Fälle im Phänomenbereich Internet.

Abbildung 3: Meldungen zu Hetze im Netz über die Meldestelle REspect!, Datenquelle: REspect!

Auch das etwas dürftigere Datenmaterial der Meldestelle HessenGegenHetze deutet darauf hin, dass sie maßgeblich zur Steigerung der Fälle der politisch motivierten Kriminalität beigetragen hat.

Abbildung 4: Meldungen zu Hetze im Netz über die Meldestelle HessenGegenHetze, Datenquelle: HessenGegenHetze

Neben der Möglichkeit, Hasspostings im Internet über die genannten Meldestellen anzuzeigen, besteht zudem die Möglichkeit einer Online-Anzeige bei der Polizei. Hierüber können auch Sachbeschädigungen angezeigt werden.

Aus den Daten der Meldestellen wird ein weiterer, besorgniserregender Umstand deutlich. Von allen gemeldeten Fällen von Hasskriminalität waren nur 28 Prozent (REspect!) beziehungsweise 18 Prozent (HessenGegenHetze) strafrechtlich relevant. Das bedeutet, dass die Mehrheit derjenigen, die vermeintliche Straftaten im Internet melden, den Unterschied zwischen Aussagen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, und Aussagen, die strafrechtlich relevant sind, offensichtlich nicht kennt. Auch bei denjenigen, die letztendlich mit ihrem Posting eine Straftat begangen haben, muss man annehmen, dass dies nicht bewusst geschah. Es herrscht also allgemein ein großes Unwissen darüber, was Hasskriminalität überhaupt ist.

Bevor eine Regierung mit staatlich geförderten Mitteln gegen die eigenen Bürger vorgeht, wäre zu erwarten gewesen, dass sie zunächst mit einer breiten Aufklärungskampagne darüber informiert, mit welchen konkreten Aussagen die Linie von der Meinungsfreiheit zur Straftat überschritten wird. Das sollte zumindest auch im Eigeninteresse erfolgen, um die Bearbeitung einer Flut von Fehlmeldungen zu vermeiden und potenzielle Täter über ihre möglichen Straftaten aufzuklären. Doch selbst die Meldeformulare der beiden staatlich geförderten Meldestellen REspect! und HessenGegenHetze enthalten keinerlei Hinweise oder konkrete Beispiele dafür, was von der Meinungsfreiheit gedeckt und was strafrechtlich relevant ist. Es bleibt dem Gefühl oder der subjektiven Ansicht der Meldenden überlassen, was sie zur Meldung bringen.

Die unklare Abgrenzung zur Straffälligkeit öffentlich getätigter Aussagen wird dadurch verstärkt, dass an Beleidigung und Volksverhetzung grenzende Äußerungen und Gesten von selbst ernannten Komikern wie Sarah Bosetti (Blinddarm-Vergleich) oder Jan Böhmermann (Stinkefinger gegen Ungeimpfte) in letzter Konsequenz von der Kunstfreiheit gedeckt sind – ein Kriterium, das auf Aussagen von Privatpersonen nicht zutrifft. Diese Unklarheit, gepaart mit der konsequenten Verfolgung von potenziell strafbewehrten Äußerungen, könnte durchaus Methode haben. Ein Ziel könnte sein, die Nutzer sozialer Netzwerke so weit einzuschüchtern, dass sie eine vorsorgliche Selbstzensur betreiben – insbesondere bei Aussagen, die sich gegen die Interessen der etablierten Parteien wenden.

Es entsteht der Eindruck, dass die Regierungen von Bund und Ländern mit ihrem Vorgehen eine möglichst hohe Anzahl an Hasskriminalitätsfällen ermitteln wollen. Dabei scheuen sie auch nicht davor zurück, ein Denunziantentum unterhalb der Grenze strafrechtlich relevanter Aussagen zu fördern. Was im Film „Muxmäuschenstill“ aus dem Jahr 2004 mit der fiktiven Webseite „www.denunziant.com“ noch satirisch überhöht dargestellt wurde, ist mittlerweile – mit staatlicher Unterstützung – Realität geworden. Zumindest deutet der Name der App „MeldeHelden“ darauf hin, dass die Meldung eines vermeintlichen Vergehens, das aber womöglich keines ist, generell etwas moralisch Gutes ist und nicht etwa zu einem Klima der Angst vor Denunziation und ständiger Vorverurteilung durch die Mitmenschen führen kann.

Anzahl der von der Polizei registrierten Fälle von Hasskriminalität erscheint im internationalen Vergleich unplausibel

Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man die Anzahl der registrierten Fälle von Hasskriminalität im internationalen Vergleich betrachtet. Die von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bereitgestellten Daten zeigen ein sehr uneinheitliches Bild.

Abbildung 5: Von der Polizei registrierte Hasskriminalität im Jahr 2023, Anzahl Fälle je 100.000 Einwohner, Datenquelle: Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

Demnach hat es laut der jeweiligen Statistik der Polizei in Großbritannien 2023 mehr als zehnmal mehr Fälle von Hasskriminalität gegeben als in Deutschland, und in Deutschland wiederum 20-mal mehr Fälle als in Griechenland, der Slowakei, Tschechien oder Ungarn. Ein derartiger Unterschied innerhalb Europas erscheint vollkommen unplausibel.

Welchen Einfluss eine Änderung der Gesetzeslage auf die polizeilich erfasste Hasskriminalität haben könnte, zeigt das Beispiel Österreich. Dort trat am 1. Januar 2021 das Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz (HiNBG) in Kraft. Darin findet sich unter anderem die Regelung, dass Privatkläger von der „Kostenersatzpflicht für Verfahrenskosten bei Strafverfahren“ wegen „übler Nachrede“, „Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung“ und „Beleidigung“, die im „Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems“ begangen wurden, gesetzlich befreit werden. Die Anzahl der jährlichen Fälle polizeilich registrierter Hasskriminalität ist in Österreich zwischen 2020 und 2021 um 3.400 Prozent anstiegen.

Abbildung 6: Von der Polizei registrierte Hasskriminalität in Österreich, Datenquelle: Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

Auch eine derartige Steigerung innerhalb nur eines Jahres erscheint vollkommen unplausibel.

Das Internet verzeiht keine Entgleisungen

Viele der Straftaten, die unter den Bereich Hasskriminalität oder politisch motivierte Kriminalität fallen, bleiben im physischen Alltag höchstwahrscheinlich ungesühnt. Sie passieren nicht selten im Affekt. Es fehlt wahrscheinlich häufig an Zeugen, an der eindeutigen Identität des Täters oder an der Motivation der Opfer, gegen einen Aggressor vorzugehen. Das ist im Internet anders. In sozialen Netzwerken ist schon anhand der im Profil hinterlegten Daten die Identität des Urhebers festzustellen. Falls nicht, kann sie über die IP-Adresse ermittelt werden. Zeugen braucht es nicht, da die schriftlichen Aussagen als Beweis ausreichen. Selbst wenn ein Nutzer sein Posting nach einer Meldung gelöscht hat, dürfte es in der Datenbank des Betreibers des sozialen Netzwerks noch vorhanden sein. Denjenigen, die Straftaten im Internet begehen, sollte bewusst sein, dass sie rechtlich verfolgt werden.

Es sollte jedem Nutzer des Internets klar sein, dass es eine vollkommene Anonymität im Netz nicht gibt. Mit einem stetigen Anwachsen der Zahl von Überwachungskameras, deren Bilder mit immer genauerer Software automatisch ausgewertet werden, wird auch eine Anonymität im physischen Raum immer unwahrscheinlicher. Zudem sind in den letzten Jahren einige Gesetze, die einen Einfluss auf die Anzahl der Hasskriminalitätsfälle haben, in Deutschland verschärft worden. Darunter fallen die „Belohnung und Billigung von Straftaten“ sowie „gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“. Die technischen Möglichkeiten erhöhen zwar die Aufklärungsrate von Straftaten, erzeugen jedoch auch ein Gefühl der ständigen Überwachung und damit eine subjektiv empfundene Einschränkung der Freiheit.

Verdacht auf politische Instrumentalisierung der Hasskriminalität

Aus Sicht der Opfer ist eine angemessene Verfolgung strafrechtlich relevanter Taten auf den ersten Blick durchaus begrüßenswert. Doch allein die Tatsache, dass Innenminister Dobrindt und BKA-Präsident Münch in ihren Präsentationen der PMK-Auswertung nicht darauf hingewiesen haben, dass die deutliche Steigerung der Fallzahlen auf Delikten beruht, die größtenteils im Internet begangen und über das Internet gemeldet wurden, macht stutzig. Denn sie erzeugen damit den Eindruck, als hätte sich die Gefahrenlage verschärft. Dabei kann es durchaus sein, dass die Anzahl der Delikte erst durch die staatlich geförderten Meldestellen, das Agenda-Setting der Regierung und die erhöhte Sensibilität in der Bevölkerung sichtbar geworden ist.

Mit dem Verweis auf eine gesteigerte Gefahrenlage lassen sich politische Forderungen leichter und schneller durchsetzen als nach gründlicher sachlicher Prüfung. Das wurde in der Finanzkrise, in der Corona-Krise und beim Krieg in der Ukraine deutlich. Mit dem Argument, dass man schnell auf eine Gefahrenlage reagieren musste, lässt sich zudem eine nachträgliche Aufarbeitung nachweislich falscher Entscheidungen wirksam verhindern. Auch bei den Zahlen der politisch motivierten Kriminalität geht es neben der angemessenen Verfolgung von Straftaten auch um andere Ziele: um die Kontrolle der öffentlichen Meinung, um eine verstärkte Überwachung im Internet sowie im öffentlichen Raum, um eine Verschärfung des Strafrechts, um eine Einschränkung des Asyl- und Aufenthaltsrechts sowie letztendlich um die Bekämpfung politischer Gegner.

Doch nicht der immer größere Zuspruch zu den nicht etablierten Oppositionsparteien, der auffälligerweise mit der Steigerung der politisch motivierten Kriminalität einhergeht, ist das Problem, sondern eine Politik der etablierten Parteien, die von den Wählern abgelehnt wird. Dobrindt machte dies aus seiner Sichtweise in der Präsentation der PMK-Statistik auch deutlich. Er sprach von einem „politischen Wettbewerb“. Man solle die Parteien „an den Rändern“ mit „guter Politik“ „wegregieren“, anstatt sie „juristisch zu verbieten“. Der Erfolg des Wegregierens werde „der Größere sein“. Allerdings ist seine Aussage mehrdeutig. Denn anstatt die Wünsche der Wähler umzusetzen, könnte „Wegregieren“ auch bedeuten, alle unlauteren Mittel, die einer Regierung zur Verfügung stehen, anzuwenden, um die Konkurrenz kleinzuhalten. Ein solches Mittel wäre beispielsweise, der politischen Opposition allein die „Polarisierung“ der Gesellschaft und damit die Verursachung der gesteigerten Kriminalität zur Last zu legen, anstatt die Polarisierung als Folge einer von breiten Gesellschaftsteilen nicht erwünschten Politik aufzufassen.

Titelbild: Tero Vesalainen/shutterstock.com