Eine besondere Minute bei MDR-KULTUR – die Moderatorin: Wir brauchen neue Antikriegslieder

Eine besondere Minute bei MDR-KULTUR – die Moderatorin: Wir brauchen neue Antikriegslieder

Eine besondere Minute bei MDR-KULTUR – die Moderatorin: Wir brauchen neue Antikriegslieder

Ein Artikel von Frank Blenz

Es ist am letzten Donnerstag passiert, exakt 16:39 Uhr: Das Nachmittagsprogramm von „MDR-Kultur“ läuft, ich fahre gen Heimat. Die Moderatorin schenkt mir als Zuhörer einen wundervollen Moment der Hoffnung, als sie seufzend „tja“ ausruft, bevor sie kurz und deutlich Bezug zu einer Nachricht über den allgegenwärtigen Rüstungswahnsinn nimmt und einen wichtigen Auftrag erteilt – an die Musiker, die Texter, die Komponisten. Von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Moderatorin fassungslos über das NATO-Paket von großem Ausmaß

Ein Lied war in der Sendung „MDR-Kultur“ am Nachmittag verklungen. Die Moderatorin setzte zu einer kurzen Ansage für den nächsten Song an. Sie hob geradezu seufzend –nicht auf-, sondern durchatmend – zu einem „tja“ an. Und dann:

Brauchen wir eigentlich wieder mehr Antikriegslieder? Gerade heute, nachdem bekannt wurde, dass die NATO nun ein neues militärisches Paket schnüren will – von großem Ausmaß, wie es hieß. Und das von europäischen Steuern.

Wie viele der Steuerzahler finden es eigentlich gut, dass ihre Mittel für Kriegsszenarien verwandt werden?

Tja,
Kate Bush kann hier was zu liefern: „Army Dreamers“,
aber ich glaub´, wir brauchen mehr neue Antikriegslieder.“

(Quelle: MDR)

Eine Minute Radio, die mich geradezu glücklich machte und (etwas) Hoffnung weckte

Das Lied von Kate Bush beginnt, „Army Dreamers“, ich drehe die Lautstärke des Autoradios lauter, ein poetisches Werk voller Tiefe und Anklage über die Sinnlosigkeit des Militärischen ertönt. Die Aufnahme von Bush, ihre glockenklare Stimme dringt bis ins Herz. Auch das Video, welches ich – nebenbei erzählt – bei Ankunft daheim sogleich anschaue, wirkt auf mich eindringlich, ja grandios.

Noch im Auto sitzend, freue ich mich über die Worte der Sprecherin des MDR – und das gerade umso mehr, als solche Momente, solche Ansagen, solche Gedanken, solche Forderungen in diesen Zeiten unserer in die Knie gehenden Zivilgesellschaft so selten zu vernehmen sind. Stattdessen dürfen Minister noch mehr Soldaten fordern, beschließen mächtige Militärs in Brüssel Pakete, die den Menschen Europas und der Nachbarschaft mitnichten dienen werden, so sehr auch von Verteidigung und Werten die Rede ist. Und alles wird durch die Medien abgesegnet. Ich verneige mich geradezu, dass es auch anders geht: Die MDR-Moderatorin packt in wenigen Worten alles zusammen, was zu sagen ist. Ihr gelingt es, unwiderstehlich Fragen zu stellen und eine schlichte wie geniale Idee zu äußern, gegen den allgegenwärtigen Aufrüstungswahn aktiv zu werden. Im wahrsten Wortsinn entwaffnend fordert sie auf, neue, ja neue Antikriegslieder zu schreiben und dann den Protest in die Welt hinauszusingen.

Wo seid Ihr – Popmusiker, Rocker, Punker, Liedermacher?

Ich kenne viele Lieder, die den Frieden, das einfache Leben, die Sehnsüchte der Menschen zum Thema haben. Viele Künstler sind auch durchaus in diesen Tagen, Wochen, Monaten mit ihren Programmen unterwegs, die das eine oder andere Friedenslied beinhalten. Und doch vermisse ich – vielleicht so wie die Moderatorin aus dem Radio – heftige, wütende Aufschreie, Aktionen, Proteste, Festivals und, und, und, um der außer Rand und Band geratenen politischen Klasse, den folgenden und beherrschenden Medien Einhalt zu gebieten: ihnen die offene Hand entgegenzuhalten und zu sagen: Stopp! Schluss mit dem Irrsinn!

Der Mann, der nicht aufrüttelt, sondern Rutte heißt und aalglatt agiert wie seinesgleichen

Ich sehe heute auf Fotos einen Mann, der der Chef der NATO ist. Der Mann lächelt, er sieht aus wie aus einem Herren-Magazin: bestgekleidet, fein frisiert, glatt rasiert und makellos eingecremt. Dieser Mann hat das NATO-Paket verkündet, er hat es unnachgiebig und gierig mit durchgesetzt. Ich höre im Radio, diesmal in den Nachrichten, dass die NATO ihr Paket sogar geheimhalten möchte – wegen des Überraschungseffekts gegenüber dem Feind, der zudem unverhohlen namentlich benannt wird. Kein Wort der Hoffnung, der Entspannung ist zu hören aus Brüssel.

Leute wie Rutte landen nicht im Heldengrab

Das Lied von Kate Bush höre ich noch mal, sehe das Video. Die Geschichte handelt nicht von Generälen oder Spitzenpolitikern wie dem Mann von der NATO, sie handelt vom Scheitern, vom Sterben, von Blumen auf dem Heldengrab, nicht mal 20 Jahre alt wurde der Sohn der trauernden Mutter. Der kleine Soldat, der „Armeeträumer“, konnte nicht Politiker oder ein Großkopferter werden, er zog die Uniform an. Ich lese unter dem Video einen Kommentar, der ein kurzer Lebensbericht eines Soldaten ist, so zutreffend, wie Kate Bush in ihrem Liedtext schreibt:

Vier Jahre beim Militär haben mir gezeigt, dass die große Mehrheit meiner Kameraden dem Militär beitrat, weil sie aus armen, zerrütteten Familien stammten, sich ohne militärische Hilfe keine höhere Bildung leisten konnten oder einfach aus ihren Städten und Dörfern weg wollten, in denen es für sie keine Zukunft gab. Nur sehr wenige traten dem Militär bei, weil sie den Dienst als ihre patriotische Pflicht empfanden.“

Bis zu neuen Liedern hier eine Liedliste alter Songs

Nun wird es eine Weile dauern, bis ganz sicher Künstler neue Lieder schaffen werden. Vielleicht sind sie auch schon dabei. Von einigen weiß ich, dass sie sich die Finger wund spielen auf der Gitarre, sich heiser singen zum Protest gegen den militaristischen Wahnsinn.

Für alle die inzwischen dennoch schon drauflossingen und aufbegehren wollen, habe ich im weltweiten Netz eine Liedliste gefunden, auf der viele bekannte Stücke zu finden sind. Singt Leute, singt!

  1. Another brick in the wall (Text und Musik: Roger Waters)
  2. Anstelle Krieg zu führen (Text: Theodor Ziegler: Musik: Spiritual)
  3. Bella Ciao (deutscher Text: Horst Berner, Musik: 19. Jh., unbekannt)
  4. Blowin‘ in the wind (Text und Musik: Bob Dylan)
  5. Das Lied von der Moldau (Text: Bert Brecht, Musik: Hanns Eisler)
  6. Das weiche Wasser (Text: Dieter Dehm; Musik: H. Sanders)
  7. Der Deserteur (Boris Vian, deutscher Text: Gerd Semmer, Melodie: Harold Berg)
  8. Die Waffen nieder (Text und Musik: Reinhard Mey)
  9. Dona, Dona (Text: Sheldon Secunda; Musik: Sholom Secunda)
  10. Es ist an der Zeit (Text: Hannes Wader, Musik Eric Bogle)
  11. Freunde, dass der Mandelzweig (Text: Schalom Ben-Chorin, Melodie: Fritz Baltruweit)
  12. Frieden (Michael Kunze)
  13. Frieden geht (Text und Melodie: Theodor Ziegler)
  14. Frieden schaffen – ohne Waffen (Text: Volker von Törne; Musik: Michael Heimbach)
  15. Give peace a chance (Text und Musik: John Lennon und Paul McCartney)
  16. Grenzen (Text und Musik: Dota Kehr)
  17. Heal the World (Text und Musik: Michael Jackson)
  18. Hewenu shalom elejchem (Kanon aus Israel)
  19. If I had a Hammer (Text: Lee Hays; Musik: Pete Seeger)
  20. Imagine (Text und Musik: John Lennon)
  21. In den Kasernen (Text: Herta Koch, Musik: Gerard Philippe)
  22. In Flanders Fields (Text: John McCrae; Musik: John Jacobson and Roger Emerson)
  23. I’ve got peace like a river (Text: Henry O. Millsby; Musik: Spiritual)
  24. Jeder Teil dieser Erde (Kanon) (Text: Seattle; Musik: S. Vesper)
  25. Joe Hill (Text: Alfred Hayes; Musik: Earl Robinson)
  26. Lebenslaute-Kanon (Text und Musik: J. Zenner)
  27. 99 Luftballons (Text: Carlo Karges; Musik: Uwe Fahrenkrog-Petersen)
  28. Nach dieser Erde (Kanon) (Text: Don McLean; Musik: Philip Hayes; deutsch: Gerd Kern)
  29. Oh Freedom (Text und Musik: Spiritual)
  30. Peace train (Text und Musik: Cat Stevens/Yusuf Islam)
  31. Platz do! (Text und Musik: Neurosenheimer)
  32. Sag mir, wo die Blumen sind (Text und Musik: Pete Seeger, deutsch: Max Colpet)
  33. Sind so kleine Hände (Text und Musik: Bettina Wegner)
  34. Sollt in Frieden leben (Text und Musik: Hanns Eisler)
  35. Streets of London (Text und Musik: Ralph McTell)
  36. The universal soldier (Text und Musik: Buffy Sainte-Marie; deutsch: Max Colpet)
  37. Traum vom Frieden (Text und Musik: Ed McCurdy; deutsche Übersetzung: Hannes Wader)
  38. Und wenn es nur ein Zeichen ist (Text und Musik: Fritz Baltruweit)
  39. Unser Marsch ist eine gute Sache (Text und Musik: Hannes Stütz)
  40. We shall overcome (Text und Musik: Traditional)
  41. Wind of change (Text und Musik: Klaus Meine)
  42. Wir sind die Moorsoldaten (Text: Joh. Esser und Wolfgang Langhoff; Musik: Rudi Goguel)
  43. Wozu sind Kriege da? (Text und Musik: Udo Lindenberg)

(Quelle: Friedensdekade)

Titelbild: Antonio Guillem/shutterstock.com

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