Der US-amerikanische Professor für Politikwissenschaft und Wirtschaftsgeschichte Steve Ellner setzt sich in seinem aktuellen Beitrag mit dem am letzten Wochenende auch auf den NachDenkSeiten veröffentlichten Artikel „Kapitalismus und Autoritarismus im Venezuela von Maduro“ des US-Soziologen Gabriel Hetland auseinander und wirft diesem unter anderem eine grob vereinfachende Darstellung der Maduro-Regierung vor, die viele politische und wirtschaftliche Aspekte außer Acht lasse.
Gabriel Hetlands Artikel „Kapitalismus und Autoritarismus in Maduros Venezuela”, veröffentlicht im englischen Original im New Labor Forum sowie im Links International Journal of Socialist Renewal (und in der deutschen Fassung auf Amerika21 und den NachDenkSeiten) vermittelt ein einseitiges und aus dem Kontext gerissenes Bild von Venezuela unter Präsident Nicolás Maduro.
Nach Hetlands Auffassung weist die Regierung Maduro praktisch keine positiven Eigenschaften auf. Er bezieht sich zustimmend auf die Behauptung der schärfsten Kritiker Maduros aus der Linken, dass seine Regierung und die rechte Opposition „zwei Seiten einer Medaille” seien.
Eine ernsthafte Untersuchung der Lage Venezuelas unter Maduro muss jedoch die Auswirkungen der von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen in ihre Analyse einbeziehen und darf diese nicht nur am Rande erwähnen. Der von Washington orchestrierte Wirtschaftskrieg hat die Wirksamkeit potenziell sinnvoller politischer Maßnahmen Maduros erheblich untergraben. Diese Maßnahmen als Beweis für Inkompetenz abzutun – oder sie, wie Hetland, ganz zu ignorieren – ist irreführend.
Vielmehr müssen die negativen Auswirkungen der Wechselwirkung zwischen der Politik der venezolanischen Regierung und den Aggressionen Washingtons im Mittelpunkt der Analyse stehen. Hetlands Schwarz-Weiß-Malerei wird der komplexen und in vielerlei Hinsicht einzigartigen Erfahrung des Chavismus nicht gerecht. Eine differenziertere und kritische Betrachtung ist unerlässlich, wenn wir die notwendigen Lehren aus dem sich entwickelnden politischen Prozess des Landes ziehen wollen.
Krieg gegen Venezuela
Zunächst einmal können Regierungen wie die Venezuelas (oder Kubas) nicht mit denselben Kriterien bewertet werden wie progressive Regierungen wie die von Brasilien unter Luiz Inácio Lula da Silva und Dilma Rousseff oder die von Argentinien unter den Kirchners (Néstor und Cristina). Die illegalen und halblegalen Maßnahmen Washingtons und der rechten Opposition Venezuelas waren fast seit Beginn der Präsidentschaft von Hugo Chávez im Jahr 1999 zahlreich und unerbittlich. Unter Maduro wurden sie in vielerlei Hinsicht noch verschärft.
Dazu gehören: vereitelte Putschversuche, Attentatsversuche, darunter einer mit Drohnen[1], die Anerkennung von selbsternannten „Übergangsregierungen”, offene Aufrufe hochrangiger US-Beamter an venezolanische Militärs, sich einzuschalten, Invasionen paramilitärischer Kräfte aus Kolumbien, verdeckte und öffentliche internationale Kampagnen zur Isolierung Venezuelas, ausländische Finanzhilfen für Oppositionsgruppen in einem Umfang, der weit über das für Nachbarländer hinausgeht, sowie weit verbreitete und anhaltende Straßengewalt mit dem Ziel eines Regime Change und umfassende sekundäre Sanktionen, um Unternehmen und Regierungen weltweit unter Druck zu setzen, Handelsbeziehungen mit Venezuela zu vermeiden, was einem De-facto-Embargo gleichkommt. All diese Maßnahmen sind umfassend dokumentiert.[2]
Das gesamte Ausmaß des Krieges gegen Venezuela muss ins Bild gerückt werden. Doch die Leser von Hetland bleiben im Unklaren darüber, womit die Regierung Maduro konfrontiert ist. Die Auswirkungen des Krieges gegen Venezuela sind weit mehr als nur eine Frage von akademischem Interesse. Sie sind ein wesentliches Element in der Debatte darüber, ob die Präsidentschaft Maduros als völliger Misserfolg betrachtet werden sollte, eine Ansicht, die von der Rechten und Teilen der Linken, darunter auch Hetland, vertreten wird.
Diese Sichtweise erkennt die Vielschichtigkeit der Aggression gegen Venezuela nicht an und reduziert sie auf die Verhängung von Sanktionen, die für die wirtschaftlichen Probleme des Landes nicht mehr – und in vielen Fällen sogar weit weniger – verantwortlich gemacht werden als Maduros Fehler und angebliche Inkompetenz. Diese Kritik an Maduro verkennt die verheerenden Auswirkungen des Krieges gegen Venezuela, vor allem angesichts der Tatsache, dass Maduros Fehler in vielen Fällen Überreaktionen auf von Washington gelenkten Provokationen waren.
Darüber hinaus hat Washington systematisch jede Initiative der Maduro-Regierung zur Bewältigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes konterkariert. Als sie beispielsweise als Reaktion auf den starken Rückgang der Ölpreise versuchte, ihre Auslandsschulden neu zu verhandeln, verbot US-Präsident Donald Trump im August 2017 den Handel mit venezolanischen Anleihen auf US-Märkten. Maduro reagierte dann auf Washingtons Maßnahmen gegen die venezolanische Ölindustrie[3] mit Goldausfuhren, doch Trump erließ 2018 eine Executive Order, die den Kauf von venezolanischem Gold verbot.
Gleichzeitig führte die Maduro-Regierung eine Kryptowährung, den Petro, ein, um das von den USA kontrollierte SWIFT-System zu umgehen, das zahlreiche Banken dazu veranlasst hatte, Transaktionen mit Venezuela zu vermeiden – was Maduro als finanzielle „Blockade” bezeichnete. Trump reagierte mit einer weiteren Verordnung, die die Verwendung von Petros unter US-Gerichtsbarkeit verbot.
Nun hat die zweite Trump-Regierung die Verlängerung der „Lizenzen” verweigert, die die Biden-Regierung Chevron und anderen Unternehmen für ihre Aktivitäten in Venezuela erteilt hatte, und das gerade zu einem Zeitpunkt, als die Ölindustrie des Landes eine langsame, aber stetige Erholung der Produktion verzeichnete. Maduro hatte die Ölpolitik reformiert, um die Erteilung dieser Lizenzen zu erleichtern.
Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie Washington die Initiativen Venezuelas vereitelte. Sie verdeutlichen, wie begrenzt Maduros Optionen waren, und werfen die allgemeine Frage auf, welche Optionen überhaupt zur Verfügung standen.
Fortschritte und Zugeständnisse
Sicherlich sollte Maduros Annäherung an den Privatsektor – von Hetland als „interbourgeoiser Pakt” bezeichnet, an dem traditionelle Wirtschaftsinteressen (vereint im Unternehmerverband Fedecámaras) und der aufstrebende Wirtschaftssektor (abwertend als „Boliburguesía” bezeichnet) beteiligt sind – diskutiert werden. Meiner Meinung nach sollte sich die Diskussion jedoch auf die konkreten Bedingungen dieser Allianzen konzentrieren und nicht darauf, ob solche Allianzen unter den gegenwärtigen Umständen gerechtfertigt sind.
Die Behauptung, Maduro betreibe den Ausverkauf, ist einer offenen, dogmenfreien Debatte über diese Frage nicht förderlich. Hetland räumt ein, dass die vorherrschenden Bedingungen es Maduro nicht ermöglichten, eine „sozialistische Transformation” voranzutreiben, wie sie von einigen weiter links stehenden Gruppen befürwortet wird.[4] Wenn er jedoch Bündnisse mit dem Privatsektor ablehnt, stellt sich die Frage: Welche Vorgehensweise befürwortet er?
Die Strategie des desarrollismo – die in Lateinamerika auf einer Allianz zwischen linksgerichteten Regierungen und Wirtschaftssektoren basiert – könnte in einer akuten Situation wie der, in der sich die Regierung Maduro befindet, eine praktikable nicht-sozialistische Option darstellen. Hetland behauptet, Maduro habe dies „in keiner Weise verfolgt”, er liefert jedoch keine Beweise für diese Behauptung.
Maduro hingegen verkündete in seiner jährlichen Ansprache an die Nation für das Jahr 2025, dass 85 Prozent der in Supermärkten verkauften Lebensmittel nun „Made in Venezuela” seien, was eine Umkehrung der Situation vor zehn Jahren darstellt. Wenn das zutrifft, ist diese Veränderung größtenteils auf eine „strategische Allianz” zwischen landwirtschaftlichen Interessen und der Regierung zurückzuführen, die derzeit durch das Ministerium für Landwirtschaft und das Ministerium für Industrie und nationale Produktion koordiniert wird.
Eine rigorose kritische Analyse würde Maduros Aussagen anerkennen und empirische Beweise vorlegen, um sie zu widerlegen, oder spezifische Mängel bei der Umsetzung des Entwicklungsmodells aufzeigen.
Hetland lässt jedoch vieles außer Acht und versäumt es, bestimmte Positionen der Linken zu hinterfragen, die nicht mit seinen eigenen übereinstimmen.
Er erwähnt beispielsweise nicht die von der Regierung geförderten Kommunen[5], deren Existenz der Auffassung widerspricht, dass Maduro in Wirklichkeit ein Neoliberaler in linker Verkleidung ist. Obwohl Maduro den Kommunen mehrere Jahre lang wenig Beachtung schenkte, hat er ihnen in letzter Zeit neuen Schwung verliehen und 2023 zum „Jahr der Kommunen” erklärt.
Chris Gilbert untersucht diese Wiederbelebung in „Commune or Nothing! Venezuela’s Communal Movement and its Socialist Project” und stützt sich dabei weitgehend auf persönliche Beobachtungen und Interviews im ganzen Land.
Seine Arbeit beleuchtet die Position der kritischen Unterstützung für Maduro, eine Perspektive, die auf dem Gründungskongress der Unión Comunera im März 2022 sichtbar wurde. Dieser Standpunkt wurde von Angel Prado, dem Leiter von El Maizal, der erfolgreichsten Kommune des Landes, die die Veranstaltung ausrichtete, zum Ausdruck gebracht.[6]
Im folgenden Jahr ernannte Maduro Prado zum Minister für Kommunen. Trotz seiner Vorgeschichte voller Konfrontationen mit der venezolanischen Regierung und der Regierungspartei betrachtet Prado den Staat weiterhin als umkämpfte Arena, in der die Überreste des „bürgerlichen Staates” gegen die Kommunen und andere Volkskräfte stehen.
Die Erfahrungen von Prado und den Kommunen stehen in klarem Widerspruch zu Hetlands Interpretation der venezolanischen Regierung unter Maduro. Hetland erwähnt auch keine kritischen Unterstützer unter Schriftstellern und politischen Persönlichkeiten, Venezolanern und Nicht-Venezolanern, sondern bezieht sich ausführlich auf die kürzlich gegründete Gruppe Comunes, die sich aus Linken zusammensetzt, die Chávez unterstützt haben und nun Maduro dämonisieren.
Repression und Kontextualisierung
In ähnlicher Weise berücksichtigt Hetland in seiner Diskussion über die Proteste nach den Präsidentschaftswahlen vom 28. Juli 2024 eine linke Sichtweise nicht, die seiner eigenen entgegensteht. Er schreibt: „Die Regierung reagierte auf die weitgehend friedlichen Proteste mit brutaler Repression und verhaftete rund 2.000 Demonstranten.” Es gibt jedoch eine andere Seite der Geschichte, die von der Linken vertreten wird, auch wenn sich beide Seiten nicht vollständig ausschließen.
Nach den zweitägigen Protesten vom 29. und 30. Juli legte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab umfangreiche Beweise vor, wonach an diesen beiden Tagen Straftäter in Zusammenarbeit mit der venezolanischen Rechten Angriffe auf Symbole des Staates verübt hätten: elf U-Bahn-Anlagen, 28 Metrobusse, 27 Polizeifahrzeuge, 27 Statuen, 57 Bildungseinrichtungen, zehn Einrichtungen des Nationalen Wahlrats und zehn Hauptquartiere der Regierungspartei. Vor Chávez’ Machtübernahme war Saab ein führender Verfechter der Menschenrechte, und seine Anprangerung der von der Opposition angezettelten Gewalt verdient es, ernst genommen zu werden, auch wenn man sie dann zurückweist.
Ein weiteres Beispiel für Hetlands mangelnde Objektivität ist seine Anschuldigung, ich würde die politische Unterdrückung in Venezuela rechtfertigen – eine Behauptung, die er nicht belegt. Angesichts der Schwere dieser Anschuldigung gibt es keine Entschuldigung dafür, sie ohne sorgfältige Prüfung der Fakten zu erheben.
Hetland zitiert meine Verwendung des Ausdrucks „die Samthandschuhe ausziehen” in Bezug auf Maduro: „Auch wenn es bedauerlich sein mag, dass Maduro zu repressiven Maßnahmen gegriffen hat („die Samthandschuhe ausziehen”), ist dies [laut Ellner] mehr oder weniger gerechtfertigt.”
Meine Aussage hatte jedoch eine ganz andere Bedeutung. Tatsächlich habe ich geschrieben: „Einige linke Analysten werfen Maduro vor, die Samthandschuhe ausgezogen zu haben und sich nicht an die Normen der liberalen Demokratie zu halten. In manchen Fällen sind die Kritikpunkte berechtigt, müssen jedoch im Kontext betrachtet werden.”
Kontextualisierung ist nicht gleichbedeutend mit Rechtfertigung. Um ein extremes Beispiel zu nennen: Man könnte darauf hinweisen, dass die Osterweiterung der NATO seit Langem ein Grund zu großer Besorgnis für die russische Führung ist. Diese Aussage bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, die Entscheidung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Invasion der Ukraine zu unterstützen.
Tatsächlich habe ich wichtige Aspekte von Maduros Strategie, „mit harten Bandagen zu kämpfen” und „die Samthandschuhe auszuziehen”, kritisiert. Ich habe die offizielle Anerkennung einer kleinen Splittergruppe der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) durch die Regierung – anstelle der Hauptpartei, der alle wichtigen kommunistischen Führer angehörten – als „Minuspunkt für die Maduro-Regierung” bezeichnet. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass dieselbe Taktik zuvor gegen andere Oppositionsparteien angewendet worden war, was einen „unbestreitbaren Verstoß gegen die Verfassung” darstellt.[7]
Kritische Unterstützung
Hetlands Darstellung meiner Ansichten spiegelt einen breiteren Trend in der linken Berichterstattung wider, der die Diskussion über die venezolanische Regierung polarisiert – Maduro wird entweder verteufelt oder unkritisch betrachtet. Diese Schwarz-Weiß-Malerei lässt wenig Raum für andere Positionen, wie etwa die kritische Unterstützung für Maduro.
Zu Beginn seines Artikels behauptet Hetland, ich würde Maduro verteidigen, aber mit „Vorbehalten”. Dann stellt er die Frage: „Ist Maduro ein antiimperialistischer Revolutionär mit demokratischer Legitimität?”
Allein schon die Art und Weise, wie er die Frage formuliert, schließt eine differenzierte Analyse aus. Anstatt die „Vorbehalte” zu benennen, versucht Hetland, meine zentralen Argumente zu widerlegen, indem er die Maduro-Regierung als arbeiterfeindlich und korrupt bezeichnet.
Zu den „Vorbehalten” in meinen Schriften über Venezuela, die er ignoriert, gehört meine Kritik an Maduro – und in geringerem Maße auch an Chávez –, dass sie es versäumt haben, günstige Momente zu nutzen, um den Transformationsprozess zu vertiefen und der Korruption entscheidende Schläge zu versetzen.[8]
Hetland täte gut daran, seine Scheuklappen abzulegen und Mao Zedongs Text „Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volk” zu lesen, um den Unterschied zwischen „sekundären” und „antagonistischen Widersprüchen” zu verstehen.
Meiner Ansicht nach waren etwa die Spannungen zwischen Maduro und der PCV ursprünglich „sekundärer” Natur, und Maduros Sektierertum trug zum endgültigen Bruch bei, der nun eindeutig nicht mehr zu beheben ist.[9]
Das Versäumnis von Analysten (und politischen Akteuren im Fall von Maduro und der PCV), die Bedeutung von Nuancen zu erkennen und Maos Prinzip von Feinden und Verbündeten zu verinnerlichen, behindert eine ernsthafte Diskussion und Debatte. Dies wiederum führt zu Fehlern und einer verpassten Gelegenheit, wertvolle Lehren aus mehr als einem Vierteljahrhundert chavistischer Regierung zu ziehen.
Zusammenfassend: Die Fehler und Mängel der Maduro-Regierung können nicht unter den Teppich gekehrt oder gerechtfertigt werden, sie müssen aber dennoch im Kontext verstanden werden. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Intensität der imperialistischen Aggression und der Fähigkeit einer Regierung, die sich für echten Wandel einsetzt, ihre sozialen, politischen und wirtschaftlichen Ziele zu erreichen.
Chávez erkannte schon früh in seiner Regierungszeit, dass Allianzen mit Wirtschaftssektoren notwendig waren, um die Aggressionen innerer und äußerer Feinde auszugleichen. Was allen innerhalb der Bewegung hätte klar sein müssen, war, dass solche Allianzen der Korruption Vorschub leisteten und Druck von Verbündeten erzeugen würden, den Veränderungsprozess zu stoppen oder umzukehren.
Seitdem ist Kritik, die die negativen Aspekte der Politik der venezolanischen Regierung aufzeigt und politische Möglichkeiten definiert, unverzichtbar. Kritiker müssen aber auch anerkennen, dass die Herausforderungen, vor denen Maduro steht, in vielerlei Hinsicht größer sind als die, denen Chávez gegenüberstand, zumindest in den Jahren nach den Versuchen eines Regime Change 2002/03. Dazu gehörten der Einbruch der Ölpreise (seit 2015), Obamas Dekret von 2015 (das eine Eskalation der Feindseligkeit aus Washington signalisierte) und das Nachlassen der Begeisterung in der Bevölkerung, das in Zeiten langer Opfer und Entbehrungen unvermeidlich ist.
In diesem Kontext wurden schwerwiegende Fehler begangen. Aufgrund der extremen Polarisierung, die die chavistische Ära geprägt hat, musste der Kampf um die Korrektur dieser Fehler jedoch aus den Reihen der Bewegung selbst kommen, also von der Regierungspartei und ihren Verbündeten. In einem entspannteren politischen Umfeld wäre dies nicht unbedingt der Fall gewesen.
Jeder frontale, undifferenzierte Angriff auf die Regierung aus linker Perspektive, insbesondere wenn er die Schwere der aktuellen Herausforderungen verkennt, wird letztlich kontraproduktiv sein.
Über den Autor: Steve Ellner ist Mitherausgeber von Latin American Perspectives und emeritierter Professor für Politikwissenschaft und Wirtschaftsgeschichte an der Universidad de Oriente in Venezuela, wo er über 40 Jahre lang lebte. Sein neuestes Buch ist das von ihm mit herausgegebene Werk Latin American Social Movements and Progressive Governments: Creative Tensions Between Resistance and Convergence.
Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21.
Titelbild: Shutterstock / StringerAL
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[«2] Zu den relativ aktuellen Büchern, die den Krieg gegen Venezuela dokumentieren, gehören: Joe Emersberger und Justin Podur, „Extraordinary Threat: The U.S. Empire, the Media, and Twenty Years of Coup Attempts in Venezuela” (New York: Monthly Review Press, 2021); Anya Parampil, „Corporate Coup: Venezuela and the End of US Empire” (New York: OR Books, 2024); Timothy M. Gill, „Encountering US Empire in Socialist Venezuela: The Legacy of Race, Neocolonialism and Democracy Promotion (Pittsburgh: University of Pittsburgh Press, 2022); Alan MacLeod, „Bad News from Venezuela: Twenty Years of Fake News and Misreporting” (New York, Routledge: 2018).
[«3] Die Fachzeitschriften wiesen eindeutig darauf hin, dass die Verordnung vom August 2017 „auf die venezolanische Ölindustrie abzielte”. Im selben Jahr wies The Economist darauf hin, dass der Ölsektor „unter Produktionseinschränkungen gelitten” habe, und prognostizierte, dass die Maduro-Regierung nicht über 2019 hinaus an der Macht bleiben werde. Damals erkannte Hetland selbst die verheerenden Auswirkungen der Maßnahmen Washingtons auf die venezolanische Wirtschaft. Er schrieb: „Über die Unterstützung der radikalen Opposition hinaus haben die Maßnahmen der USA die Krise in Venezuela direkt verschärft. Die USA haben amerikanische und europäische Banken unter Druck gesetzt, Geschäfte mit Venezuela zu vermeiden, wodurch Venezuela die dringend benötigten Finanzmittel entzogen wurden … Die US-Sanktionen (die zunehmend von anderen Ländern unterstützt werden) haben die Krise ebenfalls verschärft.” Die Frage nach den negativen Auswirkungen der Maßnahmen Washingtons gegen Venezuela zwischen Obamas Exekutivverordnung von 2015 – in der Venezuela als “Bedrohung” für die nationale Sicherheit der USA erklärt wurde – und der vom August 2017 ist wichtig. Die gängige Position der venezolanischen Rechten, die auch von einigen Analysten der Linken unterstützt wird, lautet, dass die Wirtschaftskrise des Landes bereits vor den wichtigsten US-Sanktionen vom Januar 2019 bestand, die darauf abzielten, die venezolanischen Ölexporte lahmzulegen. Diese Behauptung entlastet die USA von der Verantwortung für die Not der venezolanischen Bevölkerung und schiebt die Schuld vollständig auf die fehlgeleitete Politik Maduros und die Korruption. Doch selbst John Bolton räumte ein, dass die US-Sanktionen unter Trump darauf abzielten, „die Produktion des staatlichen Ölmonopols so weit wie möglich zu drosseln”, um zu versuchen, „das Maduro-Regime zu stürzen”. Hetland, „The Promise and Perils of Radical Left Populism: The Case of Venezuela”, Journal of World Systems Research. Band 24, Nr. 2, 2018, S. 289; The Economist Intelligence Unit, „Country Forecast Venezuela November 2017 Updater. Country Forecast, Venezuela”. New York, November 2017.
[«4] Steve Ellner, „Objective Conditions in Venezuela: Maduro’s Defensive Strategy and Contradictions Among the People”, Science and Society, Band 87, Nr. 3, S. 389.
[«5] Anm.d.Red.: Die Kommunen (Comunas) sind Zusammenschlüsse mehrerer Consejos Comunales auf lokaler Ebene. Die Consejos Comunales (Kommunale Räte) sind eine Struktur der Selbstverwaltung in den Gemeinden. Gewählte Nachbarschaftsvertreter sind zur Planung und Haushaltsgestaltung in lokalpolitischen Angelegenheiten berechtigt und betreiben Gemeinschaftsproduktion. Sie sind seit 2010 bzw. 2006 gesetzlich verankert, haben Verfassungsrang und sollen die Grundlage für den Kommunalen Staat bilden. Ziel ist die Selbstregierung des Volkes und die Überwindung des bürgerlichen Staates. Chávez bezeichnete die Kommunen als „Keimzelle für den Aufbau des Sozialismus”.
[«6] Chris Gilbert, „Commune or Nothing! Venezuela’s Communal Movement and its Socialist Project” (New York: Monthly Review Press, 2023), S. 126–139.
[«7] Ellner, „Maduro and Machado Play Hardball”. NACLA: Report on the Americas, Frühjahr 2024, S. 9, 11.
[«8] Ellner, „Class Strategies in Chavista Venezuela: Pragmatic and Populist Policies in a Broader Context”, in Ellner (Hrsg.), Latin America’s Pink Tide: Breakthroughs and Shortcomings (Lanhan, MD: Rowman and Littlefield, 2020), S. 180–184.
[«9] Ellner, „Objective Conditions in Venezuela,” pp. 401-402, 408, 410.