„Wozu sind Kriege da?“, fragte Sänger Udo Lindenberg einst in einem Lied, das zum pazifistischen Superhit wurde. Lindenberg schuf den Song in einer Zeit, in der die deutsche Friedensbewegung gegen den NATO-Doppelbeschluss 1981 kämpfte. Jetzt 2025 ist aber alles anders, meint Udo und nuschelt in die Mikrofone der etablierten Medien: „Wir müssen uns verteidigen können …“ (mit Hochrüstung). Damit sorgt Udo für Schlagzeilen und Aufmerksamkeit – für sich. Aber eben nicht, weil er sich gegen den Wahnsinn der Aufrüstung ausspricht. Im Gegenteil. Aufrüstung ist für Lindenberg alternativlos. Statt ein neues Friedenslied zu veröffentlichen, freut Lindenberg sich über den Beifall der Trommler für totale Gefechtsbereitschaft. Nebenbei, lieber Udo Lindenberg, die Antwort auf die alte Frage „Wozu?“ ist die gleiche geblieben: Zu nichts sind Kriege da. Aufrüstung auch nicht. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.
Da ist es wieder, das Wort „alternativlos“
„Alternativlos“ ist ein Wort, das jemand ausspricht, der sich keine Gedanken macht; schon gar keine konstruktiven, deeskalierenden. Dessen eskalierende Order lautet: Augen zu und durch. Wer heutzutage das Wort „alternativlos“ vom Stapel lässt, erhält viel Beifall für seine „Konsequenz“, seine kraftvolle, ertüchtigende Haltung in Zeiten des Militarisierungswahns. Eine Alternative zu suchen, sie zu benennen, sich dafür einzusetzen und die heuchlerische Alternativlosigkeit nicht zu akzeptieren? Ach, papperlapapp.
So hält es jetzt auch der Hamburger Musiker Udo Lindenberg, der, ganz Udo Hutkrempe, eitel ins Mikrofon säuselt, dass es keine Alternative gäbe, dass Deutschland (die Entscheidungsträger, die Nutznießer und Folglinge der reaktionären Medienmacher) aufrüstet, was das Zeug hält. Der „Wozu sind Kriege da?“- Interpret und Maler von Friedensbotschaften (ja!) macht jetzt mit, ich ahne den Grund, weil er dazugehören will (und mit seinen Worten: im Boot ist). Die führenden Medien toben. Udo, Klasse, weise, richtig, alternativlos. Derweil verbreitet der Stern jubelnd, was Lindenberg da redet:
„Wir müssen uns verteidigen können und deswegen müssen wir leider sagen: Ist zwar ein Scheiß, hätten wir uns anders gewünscht. Aber wenn es so läuft, dann muss es eben so sein“, sagte der 79-Jährige dem Sender RTL.
Quelle: Stern
Sein Kommentar „ist zwar ein Scheiß“ kann Udo stecken lassen. Und auch dieses Lindenberg’sche „dann muss es eben so sein“.
Lindenberg: Irgendwann wird es schon wieder besser – Einspruch: Warum erst dann?
Was der bellizistische Wahn mit Leuten machen kann, ist beim Hamburger zu beobachten: Kein Widerstand, Misstrauen, Einspruch. Nur Schulterzucken. Warum und wie hätte er es sich denn anders gewünscht als die sinnlose Aufrüstung und Militarisierung der Zivilgesellschaft? Warum engagierte sich Lindenberg nicht, als die ersten Wellen Richtung „Jetzt geht’s los“ mit Feindbildaufbau, Waffenarsenale füllen, Ostflanke stärken rollten? Lindenberg malte zwar Friedenszeichen und forderte den Frieden ein – in der Ukraine, in Gaza. Doch dann blieb er weitgehend still, um nun so schlimm zu reden. Lindenberg ist zum Gefolgsmann der Aufrüstung mutiert, geradezu fatalistisch schwafelt er für mich gefährliches Zeug.
Er steht damit nicht allein. In allen Bereichen der Gesellschaft positionieren sich unentwegt einflussreiche, bekannte Menschen mit gefährlichen Aussagen. Wie Lindenberg suchen sie eitel das Rampenlicht und ernten Beifall. Menschen, die „Nein“ sagen, werden dagegen belächelt, beschimpft, bekämpft, ausgeschlossen. Geradezu schizophren wirken in diesem Kontext Lindenbergs heuchlerische Aussagen wie die in einem Schlagermagazin (ein Unterhaltungsmedium, das mit derlei Formulierungen ebenfalls auf dem Aufrüstungszug springt):
„Wir dürfen doch die nächste Generation nicht hängen lassen. Wir dürfen uns nie daran gewöhnen, dass die Welt mal wieder regiert wird von Schizomaten“, so Lindenberg. Der Musiker will auch weiterhin hoffnungsvoll in die Zukunft blicken: „Irgendwann kommen auch wieder neue Leute mit unseren Idealen und Visionen für die bessere und fairere Welt von morgen.“
Quelle: Schlager
Ich frage mich angesichts solcher Sprüche, ob Lindenberg auch nur eine Journalistenfrage entgegengehalten wurde, die ihn auf seinen Fatalismus, sein Einknicken vor „Schizomaten“ (welche Staatenlenker meint er eigentlich damit?) angesprochen hätte. Was definiert der Sänger mit „unseren Idealen und Visionen“? Der alte Lindenberg hat keine (mehr), sage ich, er lässt die jetzige und die nächste Generation hängen. Und nein, es ist auch nicht so wie die Rheinpfalz schreibt:
Der Musiker Udo Lindenberg ist gegen Krieg. In vielen Liedern geht es darum, in seinen Kunstwerken auch. Und doch findet er, dass es auch gute Gründe für eine Aufrüstung gibt.
Quelle: Rheinpfalz
Im Artikel der Rheinpfalz steht kein einziger Satz zu oder über „Gründe“, noch dazu über so genannte „gute“ …
Lindenberg liest NachDenkSeiten … sicher nicht
Vor einiger Zeit schrieb ich im Artikel über einen für mich schönen wie bemerkenswerten Vorgang im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Eine Moderatorin hatte (ganz im Unterschied zur gängigen politischen Stoßrichtung) sich Gedanken zum Thema Aufrüstungskurs gemacht und eine besondere Frage gestellt, bevor sie das nächste Lied anmoderierte:
„Brauchen wir eigentlich wieder mehr Antikriegslieder? Gerade heute, nachdem bekannt wurde, dass die NATO nun ein neues militärisches Paket schnüren will – von großem Ausmaß, wie es hieß. Und das von europäischen Steuern. Wie viele der Steuerzahler finden es eigentlich gut, dass ihre Mittel für Kriegsszenarien verwandt werden?
Tja,
Kate Bush kann hier was zu liefern: „Army Dreamers“,
aber ich glaub´, wir brauchen mehr neue Antikriegslieder.“ …
Udo Lindenberg wird weder die Sendung gehört haben noch NachDenkSeiten gelesen. Ich hätte mich sehr gefreut, wäre von Udo statt seines Alternativlos-Gelabers ein neues Lied für den Frieden gekommen, in dem er in seinem schnoddrigen Stil textet, dass er, Mann eh, die viel zu viele Kohle für Panzer und Raketen und Drohnengelump lieber für Spielplätze, für die Liebe, für das Leben ausgeben würde. Und dass er, der Udo, nach Moskau und nach Brüssel mit dem Sonderzug wie einst nach Pankow fahren würde. Und nach Washington schippert er mit ‘nem Boot so groß wie die Aida. Direkt vors Weiße Haus. Wir sind doch keine Feinde, wir reichen uns die Hand. Oder nicht?
In meinem Text zur MDR-Moderatorin schrieb ich, dass ich viele Lieder, die den Frieden, das einfache Leben, die Sehnsüchte der Menschen zum Thema haben, kenne. Viele Künstler sind auch durchaus in diesen Tagen, Wochen, Monaten mit ihren Programmen unterwegs, die das eine oder andere Friedenslied beinhalten. Und doch vermisse ich – vielleicht so wie die Moderatorin aus dem Radio – heftige, wütende Aufschreie, Aktionen, Proteste, Festivals und, und, und, um der außer Rand und Band geratenen politischen Klasse, den folgenden und beherrschenden Medien Einhalt zu gebieten: ihnen die offene Hand entgegenzuhalten und zu sagen: Stopp! Schluss mit dem Irrsinn!
Bei dem „Außer Rand und Band geraten“-Sein mischt auch Udo Lindenberg mit, der sich bei einem Eierlikör sicher über die große Resonanz der Öffentlichkeit über seine Einlassungen, seine Trostlosigkeit freut. Zwischenfrage: Wäre diese Öffentlichkeit, die publizistische Reichweite der Meinungsbildung ebenso üppig ausgefallen, hätte Lindenberg das Folgende ins Mikrofon genuschelt?: „Eh, ihr Politiker und Schreiberlinge, was soll der ganze Scheiß? Haltet ein, macht ma langsam, seid gechillt und schließt mit Euch, mit uns und mit der Welt Frieden! Wir brauchen den ganzen Waffenpanzerbombenmist nicht. Euer Udo.“
So was kommt von so was, lieber Udo
Weil aber Udo Lindenberg (wie viele andere Treiber der unsäglichen Entwicklung), statt Frieden zu fordern, sagt: „Ist zwar ein Scheiß, hätten wir uns anders gewünscht. Aber wenn es so läuft, dann muss es eben so sein”, ist dieses „es“ auch so. Tag für Tag werden neue Bausteine gelegt, die das Mosaik eines schlimmen Szenarios bilden: Land, Kontinente, unser blauer Planet in großer Gefahr.
Was folgt? So was kommt von so was, dachte ich bei einem aktuellen Tagesspiegel-Artikel. Weil gegen diesen Irrsinn nicht agiert wird, sondern wie Udo es hält, weggeschaut und „es ist halt so“ gesagt wird, trauen sich solche schreibenden Macher aus ihren Löchern: Im Tagesspiegel ist ein Bild mit einem gewaltigen Atompilz zu sehen, der Autor verklickert Einlassungen wie schlichte Haushaltstipps: „Dinge, die man im Fall eines Atomschlags wissen sollte“. Und weil eben Schizomaten am Werk sind, braucht es nicht zu wundern, dass dann auch diese dumme Schlagzeile zu lesen ist: „Strahlung nimmt schneller ab, als viele denken: Fünf Dinge, die Sie im Fall eines Atomschlags wissen sollten.“
Quelle: Tagesspiegel
So was kommt von so was, lieber Udo. Die Schizomaten sind da, ja, aber sie dürfen nicht bis in eine vage „bessere Zukunft“ so weitermachen wie jetzt! Gemeint ist die herrschende Politikerklasse Europas/ der USA (und ihr folgende Medien), die von Verteidigung, Sicherheit, Demokratie reden. Doch sie legen Rüstungsprogramme auf, die Produzenten und Aktienbesitzer jubeln. Eskalationen werden am Laufen gehalten, diplomatische Lösungen beiseite geschoben.
Und nein, atomare Strahlung nimmt nicht schneller wieder ab, als viele denken. Wozu sind Kriege da?, fragte einst Udo Lindenberg. Damals wie heute heißt die Antwort: Für nix Gutes. Und Aufrüstung auch nicht.
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