Bundesregierung kann nicht sagen, was „Bundeswehr soll stärkste Armee Europas werden“ konkret bedeutet

Bundesregierung kann nicht sagen, was „Bundeswehr soll stärkste Armee Europas werden“ konkret bedeutet

Bundesregierung kann nicht sagen, was „Bundeswehr soll stärkste Armee Europas werden“ konkret bedeutet

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Auf der aktuellen Bundespressekonferenz am 23. Juli hatte Regierungssprecher Stefan Kornelius noch einmal den deutschen Anspruch betont, im Verlauf der nächsten Jahre die konventionell stärkste Armee Europas aufzubauen. Die NachDenkSeiten wollten vor dem Hintergrund dieser Ausführungen wissen, was denn für die Bundesregierung der Referenzpunkt für dieses Vorhaben sei. Welche bereits existierende europäische Armee, schließlich gehören ja auch Russland und Türkei zumindest in Teilen zu Europa, will die Bundesregierung denn in Mannstärke und Ausrüstung übertrumpfen? Von Florian Warweg.

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 23. Juli 2025

Vize-Regierungssprecher Kornelius:
Der zweite Kabinettspunkt, den ich ansprechen möchte, bezieht sich auf den Entwurf eines Gesetzes zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr sowie AVV-Vergabe öffentlicher Aufträge der Bundeswehr. Die Bundeswehr soll konventionell zur stärksten Armee Europas werden, und das schnell. Das hat der Bundeskanzler zuletzt am Freitag betont. Deswegen muss die Vergabe öffentlicher Aufträge zur Deckung der Bedürfnisse der Bundeswehr deutlich erleichtert und beschleunigt werden. Aus diesem Grund hat das Kabinett heute den Entwurf eines Gesetzes zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr beschlossen. Der Entwurf wurde von der Bundeswirtschaftsministerin und dem Bundesverteidigungsminister gemeinsam vorgelegt – Doppelkopf im Bundeskabinett.

Frage Warweg
Herr Kornelius, Sie hatten jetzt bei der Vorstellung des Kabinettsthemas noch einmal den deutschen Anspruch betont, die konventionell stärkste Armee Europas aufzubauen. Da würde mich interessieren: Was ist denn der Referenzpunkt im Kabinett? Auch Russland und die Türkei gehören zumindest teilweise zu Europa. An welcher bereits existierenden europäischen Armee orientiert sich denn da die Bundesregierung?

Kornelius
Der Bundeskanzler hat diese Feststellung getroffen, dass die Bundeswehr perspektivisch zur konventionell stärksten Armee Europas werden soll. Wir wissen schon, dass dieses Ziel ambitioniert ist, dass es nicht über Nacht zu erreichen ist, dass es sehr großer Anstrengungen bedarf. Einen Referenzpunkt gibt es dafür nicht. Es ist sicherlich nicht der Referenzpunkt der russischen Armee, sondern der Referenzpunkt ist der Vergleich mit unseren europäischen Partnern.

Zusatzfrage Warweg
Im NATO-Vergleich gibt die NATO bereits jetzt das Zehnfache für Rüstungsausgaben aus wie etwa Russland; bei der Hardware sieht es ähnlich aus. In fast allen Bereichen – egal ob Panzer, Flugzeuge, Kriegsschiffe – hat die NATO bereits jetzt einen quantitativ signifikanten Vorteil. Da würde mich interessieren: Gab es denn bei der Kabinettssitzung auch kritische Stimmen, etwa aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die diese massive Ressourcenkonzentration in Aufrüstung hinterfragt haben?

Kornelius
Es gab keine kritischen Stimmen, die das hinterfragt haben, weil das Bundeskabinett nach wie vor Kenntnis davon hat, dass Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt und die europäischen Bündnispartner dies nicht tun.

Frage Jung (jung & naiv)
Herr Kornelius, auf welchem Platz der konventionell stärksten Armeen Europas ist denn die Bundeswehr aktuell, damit wir einen Referenzrahmen haben?

Kornelius
Wir führen keine Hitlisten.

Zusatzfrage Jung
Aber wenn Sie der deutschen und europäischen Öffentlichkeit sagen, Sie wollen die konventionell stärkste Armee werden, das heißt Platz eins – – –

Kornelius
Das ist ja perspektivisch gedacht. Sie können gerne in Vergleichszahlen gehen, aber ich werde jetzt hier keine Ranglisten erstellen.

Zusatzfrage Jung
Was heißt denn das? Die meisten Soldaten, die meisten Panzer, die meisten Flugzeugträger?

Kornelius
Das heißt, die konventionell stärkste Armee in Europa. Eine konventionelle Streitkraft ist klar definiert.

Frage Jung
Konventionell heißt ja ohne biologische, chemische oder atomare Waffen. Laut Definition, die Sie mir gerade an die Hand gereicht haben, heißt das: die meisten Soldaten, die meisten Panzer, Artillerie, Flugzeuge und Schiffe. Ist das korrekt? Die Bundeswehr hat ja zum Beispiel keine Flugzeuge und Helikopterträger wie die Briten. Das heißt, da müssen wir mehr haben als die Briten. – Ich will Sie nur verstehen.

Kornelius
Und was ist jetzt Ihre Frage?

Zusatz Jung
Weil Sie mich zur Definition der konventionell stärksten Armee hingeführt haben: Das heißt, die meisten Soldaten, die meisten Panzer, die meisten Flugzeugträger?

Kornelius
Herr Jung, Sie müssen sich das nicht vorstellen wie in einem Quartettspiel, wer am weitesten fliegt oder am meisten schießt oder die meisten Bomben trägt, sondern eine konventionelle Streitkraft ermisst sich aus der Addition vieler Dinge. Es gibt keinen Faktor dafür. Sie können aber schon ermessen, ob eine Armee abwehrfähig und verteidigungsfähig ist.

Wir wissen, dass die Bundeswehr momentan Nachholbedarf hat; der wird durch dieses Gesetz nun deutlich verbessert. Das erleichtert, dass die Bundeswehr schlagkräftiger wird, und das trägt zur konventionellen Stärkung bei.

Wie gesagt, es ist kein Quartett. Wir machen hier nicht einen Panzerkettenvergleich, sondern es ist die Addition verschiedener Kampffähigkeiten und Abwehrfähigkeiten, die die Bundeswehr hat. Das hat mit Waffentechnologie zu tun, es hat aber auch mit technologischen Fähigkeiten jenseits der unmittelbaren Kampfkraft zu tun, es hat mit der Personalzahl zu tun. Am Ende werden wir eine Bilanz ziehen, und dann werden wir, glaube ich, feststellen, dass es sich um das handelt, was die Bundesregierung anstrebt, nämlich die konventionell stärkste Armee in Europa zu bauen.

Zusatzfrage Jung
Ich bezog mich nur darauf, dass Sie mich auf die Definition verwiesen haben, und die habe ich Ihnen jetzt entgegengehalten.

Kornelius
Ich danke Ihnen dafür.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 23.07.2025

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