Das ist doch logisch

Das ist doch logisch

Das ist doch logisch

André Tautenhahn
Ein Artikel von André Tautenhahn

Es gibt natürlich einen Grund, warum der Russe erst im Jahr 2029 angreift und nicht früher. Vorher klappt das schließlich mit der Aufrüstung nicht. Geld steht zwar inzwischen in Hülle und Fülle zur Verfügung – der Kanzler und sein Verteidigungsminister laufen in Washington sogar mit offenem Portemonnaie herum und erzählen, sie kaufen alles – das Beschaffungsproblem ist damit aber noch lange nicht gelöst, wie sich nun herausstellt. Es gibt keine zusätzlichen Kapazitäten in der Rüstungsindustrie und zudem lange Lieferfristen. Deshalb greift der Russe erst 2029 an. Das ist doch logisch. Eine Glosse von André Tautenhahn.

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Wer kann eigentlich Patriot-Flugabwehrsysteme an die Ukraine liefern? Diese Frage stellte sich, nachdem die deutschen Speerspitzen im Auftrag der NATO mit dem US-Präsidenten eine Vereinbarung trafen, dass der US-Stellvertreterkrieg in der Ukraine künftig weiter mit US-Waffen geführt werden darf, die aber die Europäer bezahlen. Die Ukraine liegt schließlich in Europa. Darauf wies auch der NATO-Generalsekretär Mark Rutte hin: „Herr Präsident, lieber Donald, das ist wirklich eine große Sache. Wirklich eine große Sache. Sie wollen, dass die Ukraine sich weiter verteidigen kann, aber Sie wollen auch, dass die Europäer dafür bezahlen. Was vollkommen logisch ist.“

An die Logik des Westens hat sich der Russe zu halten. Es ergibt ja auch keinen Sinn, in den Krieg zu ziehen, wenn man dafür noch gar nicht bereit ist. Das sollen mal schön die tapferen Ukrainer übernehmen. So wie das die Russen mit ihrer Kriegswirtschaft machen, geht das hierzulande natürlich nicht. So geben laut einer Umfrage der Strategieberatung Horváth unter 73 Vorständen und Experten der deutschen Verteidigungsindustrie gut zwei Drittel der Befragten an, es werde mehr als eine Dekade dauern, die deutschen Streitkräfte zu modernisieren. Der Russe kann also nicht früher angreifen. Das ist doch logisch.

Die Rüstungsindustrie zweifelt an sich selbst. Auch das ist logisch, weil sich die politisch erwünschte Kriegstüchtigkeit nur schwerlich mit den wirtschaftlichen Interessen der Konzerne in Einklang bringen lässt. Die Branche befindet sich gerade wegen des Krieges in der Ukraine im Wandel. Statt teurer Panzer sind beispielsweise günstigere Drohnen gefragt, da die viel effektiver auf dem Schlachtfeld operieren. Entsprechend drängen Start-ups mit neuen Technologien auf den Markt und bedrohen die Platzhirsche mit ihren milliardenschweren Produktkatalogen. Die sind wiederum gezwungen zu reagieren und ihrerseits das Marktsegment durch Kooperationen zu besetzen, wollen aber nicht auf Umsatz und Rendite verzichten. So dürften aus schon jetzt verfügbaren günstigen Alternativen vor allem teure Waffensysteme werden, nach langer Entwicklungszeit versteht sich.

Doch auch die klassischen Bestellungen funktionieren nicht. Wer sich noch erinnern kann, wird wissen, dass der Beginn der „Zeitenwende“ nun schon ein wenig zurückliegt, dreieinhalb Jahre, also so lange, wie der Krieg in der Ukraine bereits andauert. Damals legte die Bundesregierung unter Olaf Scholz das erste 100-Milliarden-Sondervermögen auf. Die Gelder sind längst verplant und davon beispielsweise viele neue Panzer bestellt worden. Doch geliefert ist bislang wenig. Begründung: Die Lieferungen verlaufen schleppend, da viele Systeme komplex sind und lange Produktionszeiten haben. Das ist, man ahnt es schon, eine eher vorgeschobene Begründung, weshalb in diesen Tagen das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht worden ist. Damit soll es gelingen, „von der Manufakturarbeit zur industriellen Fertigung“ zu kommen.

Ein schöner Vergleich, weil da der Vorwurf mitschwingt, dass der schleppende Aufbau von Produktionskapazitäten nicht nur an komplizierten Vergabekriterien liegen könne. Der zuständige Minister verteidigt hingegen die Industrie, auf die er bei der Umsetzung seines Plans zur Herstellung der Kriegstüchtigkeit angewiesen ist. Die Branche habe das Ruder längst herumgerissen und sei dabei, die Produktionskapazitäten hochzufahren. Doch das gehe eben nicht von heute auf morgen. Und genau deshalb muss der Russe mit seinem Angriff halt noch warten. Erst wenn Deutschland die konventionell stärkste Armee Europas aufgebaut hat, kann es losgehen. Bis dahin müssen eben Wortungetüme wie Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz, vielleicht noch ergänzt um den Zusatz „Entwurf“, für die nötige Abschreckung sorgen. Das ist doch logisch.

Titelbild: Grok – Das Titelfoto ist ein mit künstlicher Intelligenz erstelltes Symbolbild.

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