Am Samstag fand am Brandenburger Tor auf dem Platz des 18. März in Berlin eine Friedendemonstration der Initiative „Welt in Frieden“ statt, die NachDenkSeiten hatten darüber berichtet. Noch nie habe ich ein derartig hohes Niveau an Redebeiträgen auf einer Friedenskundgebung erlebt, politisch, journalistisch, kulturell, einhergehend mit tiefer Menschlichkeit und Empathie. Diverse Veröffentlichungen in den Leitmedien sollten deshalb dringend in einigen Aspekten korrigiert werden. Hier folgen persönliche Eindrücke der Veranstaltung von Ala Goldbrunner.
Unter dem Motto „Stoppt den Völkermord in Gaza! Keine Waffen in Kriegsgebiete! Frieden statt Wettrüsten!“ riefen am vergangenen Samstag Sahra Wagenknecht, Dieter Hallervorden, Gabriele Krone-Schmalz, Stimmen aus den USA und Israel und Künstler zu einer Friedenskundgebung auf. Sie forderten einen sofortigen Stopp der Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, vor allem nach Israel und in die Ukraine, die Abkehr vom Wettrüsten und Militarisierung, die Einhaltung internationalen Rechts, stattdessen das Wiederbeleben von Diplomatie und Erarbeitung von nachhaltigem Frieden.
Die Veranstalter schätzten die Teilnehmerzahl auf 20.000, die Polizei sprach von 12.000. Tatsache war, dass auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor die Demonstranten durch die meines Erachtens unsinnige Absperrung, die die Polizei direkt am Beginn der Straße des 17. Juni errichtet hatte, dicht zusammengedrängt wurden. Es war nirgendwo ein Durchkommen, nicht nur für Ältere und Teilnehmer mit Handicap eine herausfordernde Situation.
Die Teilnehmerstruktur war breit gefächert: Mit den Musikern BAUSA und Massiv waren endlich jüngere und neue Redner auf einer Friedensveranstaltung, wodurch auch deutlich mehr jüngere Demonstranten anwesend waren. Nicht nur der thematische Schwerpunkt ‚Gaza’, sondern auch der Rapper Massiv, der selbst ein palästinensischer Flüchtling ist, zogen viele Demonstranten mit Wurzeln aus anderen Nationen an.
Unterschiedlichste Friedensbündnisse und politische Gruppierungen waren da: natürlich das BSW mit der Initiatorin Sahra Wagenknecht, zahlreiche Palästinaflaggen, NachDenkSeiten-Gesprächskreise, Opas und Omas für den Frieden und viele andere Seit’ an Seit’ mit der ‚Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA e. V.)’, diversen religiösen Gruppierungen, ‚Junge Welt‘‚ attac Berlin, BDS, Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) u.v.a. sichtete ich im Meer der Fahnen mit der Friedenstaube. Die so oft beobachtete Spaltung der Friedensbewegung scheint endlich aufzubrechen. Viele kamen auch auf die Gefahr hin, dass sie als „wilde Mischung“ von „Wagenknechts Querfront-Fest“ bezeichnet wurden.
Wirklich beeindruckend war das ungewöhnlich hohe Niveau der Redebeiträge, es lohnt sich, jeden einzelnen anzuhören! Die Positionen der Protagonisten sind den NachDenkSeiten-Lesern bekannt, weshalb ich nicht detailliert darauf eingehen werde, sondern auf die Videomitschnitte der Beiträge verweise.
Eröffnet wurde die Veranstaltung vom Moderator Daniel Aminati (Min. 22:30 bis 35:00). Per Video aus Tel Aviv zugeschaltet war der Soziologe und Historiker Moshe Zuckermann (Min. 35:52 bis 43:12). Ebenfalls auf Video gesendet wurde das Gedicht „Gaza Gaza“, vorgetragen von Dieter Hallervorden (Min. 56:10 bis 59:36). Es war derartig ergreifend, dass auf dem Platz Totenstille herrschte – die NachDenkSeiten-Leserschaft möge mir diese „kitschige“ Formulierung verzeihen, aber anders lässt sich die Atmosphäre nicht beschreiben. Im Anschluss kam der Altmeister des Kabaretts selbst auf die Bühne. Seine Rede (Min. 1:00:00 bis 1:08:00) war kraftvoll, schnörkellos und voller Humor.
Roger Waters (Min. 1:08:00 bis 1:22:00), Mitbegründer von Pink Floyd, der sich seit Beginn seiner Karriere politisch äußert, sich für die Freilassung von Julian Assange und nun für die Befreiung Palästinas einsetzt, war das nächste „Schwergewicht“ aus der Kulturszene, dessen wortgewaltige Videobotschaft das Publikum mitriss. Sahra Wagenknecht (Min. 1:23:00 bis 1:38:30) überzeugte mit fundierten Analysen der Konflikte in der Ukraine, Palästina und der verfehlten Politik der deutschen Bundesregierung, der EU und USA. Sie forderte den Stopp von Waffenlieferungen an Israel und die Ukraine, die Aufnahme von diplomatischen Verhandlungen auf Augenhöhe und ein Ende des ungehemmten Aufrüstens weltweit. Nur so könne ein dauerhafter Frieden erreicht werden.
Mit Jeffrey Sachs (Min. 1:50:00 bis 1:56:50) kam eine kritische und kompetente amerikanische Stimme per Videobotschaft zu Wort. Gabriele Krone-Schmalz (Min. 1:57:00 bis 2:14:40) arbeitete in ihrer scharfen Analyse die Ursachen des Ukraine-Krieges, die daraus folgenden Reaktionen Russlands heraus und zeigte Alternativen auf, wie man diesen Konflikt beenden könnte. Zum Gaza-Krieg äußerte sie sich nicht vor ihrem „beruflichen Hintergrund“, sondern als Mensch und mündige Bürgerin. Sie rief in diesem Zusammenhang die Teilnehmer auf, zu jeder Zeit und an jedem Ort ihre Stimme für Gewaltfreiheit und Frieden zu erheben.
Der Rapper Massiv (Min. 2:15:00 bis 2:28:20), dessen Eltern mit ihm aus Palästina geflohen sind, beschrieb sehr eindringlich, was es für Menschen bedeutet, im Frieden leben zu dürfen, weshalb es wichtig sei, für Frieden zu kämpfen. Mit dem Musiker BAUSA (Min. 2:29:00 bis 2:35:50) kam ein Vertreter der jüngeren Generation zu Wort. Er erntete frenetischen Applaus für seinen mutigen, klaren Appell für Frieden.
Inhaltlich zusammenfassen lassen sich die Redebeiträge folgendermaßen: Frieden kann es nur geben mit fundierter Kenntnis der Vorgeschichte, sachlicher (nicht ideologischer) Analyse dessen, um daraus Handlungen abzuleiten, die zu echtem, nachhaltigem Frieden führen: auf politischer Ebene Diplomatie auf Augenhöhe, Einhaltung des internationalen Rechts, auf der menschlichen Ebene Empathie für alle Protagonisten.
Wie bereits in der Anmoderation angekündigt worden war, wollte man eine Atmosphäre gegen Hass, Gewalt und für Frieden schaffen, mit Musik und Poesie Mut und Kraft geben und Empathie wecken. Das ist den Veranstaltern in vollem Umfang gelungen. Diese mutigen, klugen, vernünftigen Stimmen fehlen in Politik, Medien, Kultur und Gesellschaft. Ich wünsche mir viel mehr davon!
Titelbild: privat