Neuer Katastrophen-Ratgeber für deutsche Haushalte – Bundesamt will selbst einen Krieg nicht mehr ausschließen

Neuer Katastrophen-Ratgeber für deutsche Haushalte – Bundesamt will selbst einen Krieg nicht mehr ausschließen

Neuer Katastrophen-Ratgeber für deutsche Haushalte – Bundesamt will selbst einen Krieg nicht mehr ausschließen

Ein Artikel von Frank Blenz

Die Regierung denkt mit. Sie hat einen neuen Ratgeber „Vorsorgen für Krisen und Katastrophen“ veröffentlicht, der Empfehlungen für Vorbereitungen und Handlungen in Notsituationen beinhaltet. Der Clou darin: Checklisten, damit der brave Bürger abhaken kann, was er im Haus hat und was er womöglich noch braucht in der Not. Der Aktionismus wird begründet, dass selbst ein Krieg nicht mehr ausgeschlossen zu sein scheint wie noch vor einigen Jahren. Wenn etwas passiert, sei es besser, vorbereitet zu sein, so die Ansage. Die Broschüre bzw. Internet-Präsentation des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ist aber nicht hilfreich, sondern nur ein weiterer Beitrag im Kriegsertüchtigungswahn. Von Maßnahmen, damit ein Krieg gar nicht erst droht, kein Wort. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.

Wenn etwas passiert, ist es besser, vorbereitet zu sein – noch besser aber ist …

Das Herz wurde mir warm, als ich das illustrierende Bildchen zum neuen Ratgeber „Vorsorgen für Krisen und Katastrophen“ 2025 sah: eine idyllische Familienszene – Vater, Mutter, Kind und noch dazu eine Katze. Schön. Papa hockt mit einem vollen Warenkorb da, reicht dem Kind eine Sache nach der anderen, das Kind ordnet diese ins Regal. Mama hält eine Checkliste in der Hand und den Daumen hoch – fein gemacht. Tja, Vorbereitung zahlt sich aus, lernen wir. Die Krise kann kommen, wir meistern sie. Textbegleitend zum Bildchen heißt es:

Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt.

Dennoch erleben wir, dass auch in Deutschland Krisen unsere gewohnten alltäglichen Abläufe stören. Extreme Wetterereignisse nehmen zu.

Durch Cyberattacken, Desinformation oder Sabotage finden Angriffe auf Infrastrukturen, Meinungsbildung und Zusammenhalt statt.

Selbst ein Krieg scheint nicht mehr so ausgeschlossen zu sein wie noch vor einigen Jahren.

Wenn etwas passiert, ist es besser, vorbereitet zu sein.

Quelle: BBK

Eingangs wird noch von Wetterereignissen gesprochen. Doch schnell geht es, Butter bei die Fische, um das eigentliche Anliegen der neuen Publikation. Die wehrhafte Erziehung. Denn das Böse bedroht unsere gewohnten alltäglichen Abläufe, wird dem Leser sanft eingebläut. Das ist mit gesundem Misstrauen betrachtet verstörend. Dieser neue Ratgeber dient in Wahrheit schließlich nur als Propagandamittel, unseren gewohnten Alltag und uns Bürger auf den gewünschten Krisenmodus zu justieren. Aus Gründen, die ohne Belege aufgezählt werden: Unsere Infrastrukturen, die Meinungsbildung und unser Zusammenhalt seien Ziele.

Mir schwirren in dem Zusammenhang noch immer Drohnen um die Ohren. Sie schwirren um uns, den zusammenhaltenden Einheitsdeutschen, die alle an einem Strang ziehen, komme, was da wolle. Der Krieg, noch im Konjunktiv benannt, werde über unser Deutschland, eines der sichersten Länder, kommen. Wir sind da nur die Opfer, wir hätten daran gar keinen Anteil, wenn es zum Waffengang käme. Und das, obwohl Deutschland mit einem der größten Rüstungshaushalte der führenden Länder unseres Planeten ausgestattet ist und sehr, sehr fleißig im Handel damit ist …

Dass es – zurück zum Ratgeber des BBK – besser sein soll, für den Kriegsfall statt drei Tage lieber zehn Tage Vorrat parat zu haben, wie vorgeschlagen, erschließt sich mir nicht. Anderes Handeln wäre doch vielleicht besser. Mir fällt Friedenstüchtigkeit statt Kriegstüchtigkeit ein.

Nebenbei: Mir fällt auf, dass die Autoren des Ratgebers feige (oder gerissen) sind. Sie umschiffen die Adressierung des Feindes, sie meiden die Namensnennung des Bösen, das unser liebes, werteorientiertes und sicheres Deutschland bedroht. Selbstkritik: Fehlanzeige.

Das Böse aus deutscher Sicht hat aber einen Namen: der Russe. Zum Glück wartet der noch

Bis 2029 ist noch etwas Zeit. Bedrohung hin, Bedrohung her. Erst dann marschiert der Russe bei uns ein. (Der ist der Böse, das Böse! Nur Mut, es auszusprechen!) Laut Planspielen und Vorhersagen tankt der sich gleich weiter bis zum Atlantik durch, sagen kompetente Politiker und Medienprofis (die Experten, die für uns alles, wie es sich gehört, „einordnen“). Darauf vorbereitet zu sein, wenn der Russe hier ist, heißt, dass wir wie in allen Lebensbereichen auch in den Bevölkerungsschutz investieren müssen. Hilft ja nix. Der zuständige Innenminister Alexander Dobrindt mahnte bei der Vorstellung des Kriegszeiten-Ratgebers, dass Vorsorge jeden Einzelnen zuhause angehen würde. Und ganz weise: „Kluge Vorbereitung kann Leben retten“, so der Minister. Vorsorge? Leben retten?

Dem Minister kommt nicht in den Sinn, dass Vorsorge einen anderen Sinn haben muss

Beim Wort Vorsorge komme ich auf das Wort Prävention. Wenn ich nicht rauche, bekomme ich keine Raucherlunge. Das ist dann Prävention. Wenn wir (also unsere besorgten, vorsorgenden Politiker) mit dem Russen wieder reden würden und wir uns nach Jahren im Streit nach und nach annäherten, dann würde auch 2029 ein friedliches Jahr und Deutschland weiter ein sicheres Land bleiben, oder nicht? Prävention. Vorsorge.

Was wäre, wenn: Doch statt Dialog „Vorsorge“ auf Kriegsertüchtigungsart

Die gefährliche wie falsche aktuelle Stoßrichtung des verordneten Denkens, Sagens und Handelns mündet in einer trotzigen wie gefährlichen Frage der Entscheidungsträger: Wo kämen wir hin, wenn wir mit dem Bösen redeten? Ich sage, wie wäre es damit: Wir kämen dahin, eine Befriedung zu erreichen, angefangen mit einer Handreichung, mit einem Dialog. Mit dem Ziel, dass man nach und nach beruhigt sagen kann: Deutschland ist sicher, Europa ist sicher, Russland ist sicher (und dabei gar nicht böse) – dank einer verantwortungsvollen, friedlichen, einander zugewandten Politik. Ganz im Sinne, dass wir gute Nachbarn sein wollen. Ich glaube, das hat mal Willy Brandt gesagt.

Was würde dann aus all den Patronen, Bomben, Waffen, Panzern, U-Booten, Kampffliegern? Was würde aus der Strategie, Auto-, Eisenbahnwaggon-, Stahl- oder Chemie-Fabriken in militärische Produktionsstätten umzunutzen? Was würde aus erzieherischen Maßnahmen in Schulen, Medien, PR-Kampagnen, aus Kirchenempfehlungen hin zu mehr und mehr Wehrhaftigkeit?

Stimmt. Das alles würde dann nicht gebraucht werden, mit Rüstung und Angst würde weit weniger zu verdienen sein. Deutschland sollte die Ausgaben für Verteidigung herunterschrauben. Wir könnten unser somit sicherer werdendes Land und die alltäglichen Abläufe mit den freiwerdenden Mitteln stärken. Dazu gehörte auch eine hilfreiche Handhabe für Katastrophen. Der vom Innenminister gefeierte Ratgeber „Vorsorgen für Krisen und Katastrophen“ wäre ein wirklich zu unserem Alltag gehörender. Die Broschüre würde im Zusammenhang mit einer friedlichen, den Menschen zugewandten Politik erstellt. Wir hätten mit ihr ein begleitendes Hilfsmittel, um auf Krisen fern von Krieg, auf Wetterunbilden vorbereitet zu sein. Mit Vorräten in der Vorratskammer, die wir nicht bräuchten, um nach Bombeneinschlägen durchzuhalten oder uns, im Keller hockend, wenigstens für kurze Zeit vor der atomar verstrahlten Umgebung zu schützen.

Der Minister denkt wie viele Nutznießer der realen Hysterie anders. Der Krieg kommt und basta. Und die allgegenwärtigen aggressiven „Gegenmaßnahmen“ werden als Vorsorge (!) deklariert. Dabei sind es die ursächlichen Maßnahmen für einen Krieg. Ein Eskalationsschraubenfestival, welch Wahnsinn. Das Handeln der Politik verwandelt das zivilisatorische Leben in ein militarisiertes.

Die kleine Familie liest brav im Ratgeber, der Vater ordert die Überlebensware, das Kind schichtet sie ins Regal, die Mutter hakt auf der Checkliste ab. Dobrindt zur Freude. Wachsamkeit, Aufmerksamkeit, Wehrhaftigkeit. Der junge Vater hat den Marschbefehl in der Tasche. Mutter wird das Radio immer anhaben, um auf dem neuesten Informationsstand zu sein. Das Kind wird die Mutter fragen: Warum tut uns das der Russe an?

Das Wort Vorsorge wird tagtäglich missbraucht. Aufrüstung, Vorratskammerbefüllung, eine unsägliche, vielfältig offene oder subtile Mobilmachung der Menschen, ihrer Gedanken, ihrer Herzen – das Ganze wird als Vorsorge bis hinein in einen Ratgeber des BBK verkauft und soll sogar Leben retten helfen. Nein. Nochmal: Erst gar keinen Krieg heraufbeschwören, rettet Menschenleben.

Titelbild: Shutterstock / Yoguru