Seit 9. Oktober 2025 kann die größte Tankstellenkette Serbiens keine Kartenzahlungen mehr über Visa, American Express oder Mastercard annehmen. Es ist die Folge eines beispiellosen Akts der Erpressung, die das Land US-gefügig machen soll. Und Brüssel hakt nach. Von Hannes Hofbauer.
Gegen das, was sich im serbischen Energiesektor anbahnt, sind die seit Monaten anhaltenden Proteste in den Straßen ein leicht handhabbares Hindernis für die Regierung von Aleksandar Vučić. Wie stark oder schwach die studentischen Demonstrationen auch vom Ausland unterstützt oder angestachelt wurden, jetzt schaltet Washington auf volle Attacke. Am 9. Oktober verhängte Donald Trump Sanktionen gegen den Energiekonzern „Naftna Industrija Srbije“ (NIS). Zeitgleich drosselte Kroatien die Zufuhr von Erdöl aus der Adria-Pipeline Janaf, die vom Tiefseehafen Omišalj aus das Binnenland Serbien mit dem wichtigsten Energieträger versorgt.
Die US-Sanktionen gegen NIS zielen auf Russland. Das war Vučić bereits vor gut einem Jahr klar, als der damalige US-Präsident Joe Biden die Zwangsmaßnahme androhte. Ihm war die Mehrheitsbeteiligung von Gazprom an dem serbischen Energieriesen ein Dorn im Auge. Über zwei Tochtergesellschaften hält der russische Konzern 56,2 Prozent von NIS. Das durfte nicht sein.
Entweder ihr schmeißt die Russen raus oder wir drehen euch den Ölhahn ab und sperren US-amerikanische Kreditkarten. So lautete die aus Mafia-Kreisen bekannte Geschäftspraxis der Amerikaner. Vučić erbat bei Donald Trump eine 9-monatige Bedenkzeit, die jetzt zu Ende gegangen ist, ohne dass Serbien die Anteile von Gazprom losgeworden ist. Eine Nationalisierung lehnte die serbische Regierung – bisher – ab, weil man damit Moskau vor den Kopf stoßen würde. Und ein Kauf der Gazprom-Anteile war für Serbien offensichtlich zu teuer.
Zuletzt setzte Washington eine 45-tägige Frist, um den russischen Mehrheitseigentümer rauszuwerfen. Jetzt steht den Serben entweder ein kalter Winter bevor oder eine Unterordnung unter die Vorgaben aus Washington. Dem Vernehmen nach bemüht sich der kroatische Ölkonzern INA um die Anteile von Gazprom. Unter dem herrschenden Druck könnten diese billig zu haben sein, jedoch nur dann, wenn Moskau bereit ist, sie zu verkaufen.
Von der Leyen hakt nach
Wenige Tage nach dem US-amerikanischen Paukenschlag gegen die russisch-serbische Energiepartnerschaft taucht EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 15. Oktober in Belgrad auf und mimt die verlässliche Partnerin, auf die Vučić in schweren Zeiten zählen kann. Ihre Drohungen verpackt sie in „Angebote“. Das klingt dann in der offiziellen Erklärung, die an Vučić gerichtet ist, folgendermaßen:
„Das Angebot, der EU beizutreten, ist eine Chance. Es ist ein Versprechen von Frieden. Von Wohlstand. Und von Solidarität. Besonders in Krisenzeiten. Sie haben das miterlebt. Nehmen Sie die Energiekrise von 2022. Sie wurde ausgelöst durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und hatte verheerende Auswirkungen auf unseren gesamten Kontinent. Aber wir haben die Krise gemeinsam gemeistert. Die EU hat für unsere Partnerländer im Westbalkan dieselben Solidaritätsmaßnahmen ergriffen wie für ihre eigenen Mitgliedsstaaten. Genau das heißt es, ein verlässlicher Partner zu sein. Sie können auch weiterhin auf uns zählen. Wir verbinden Serbien mit dem Energiemarkt der EU. So wird wirklich garantiert, dass serbische Familien im Winter sicher sind und es warm haben. (…) Wir nutzen die Marktmacht, die wir gemeinsam haben, um bessere Energiepreise zu sichern.“
Dann kommt sie zum Kern der Sache:
„Zweitens müssen wir uns im Bereich der Außenpolitik stärker abstimmen, auch in Bezug auf Sanktionen gegen Russland. (…) Wir wollen auf Serbien als verlässlichen Partner zählen.“[1]
Klartext auch von Brüssel: Entweder ihr macht bei den EU-Sanktionen gegen Russland voll mit oder wir lassen euch im Winter frieren. Kroatien ist bei dieser Erpressung als williger Partner mit an Bord. Ohne Adria-Zugang kein Erdöl.
Im Mai 1992 hatte der UN-Sicherheitsrat eine Vollblockade gegen Serbien und Montenegro verhängt. Damit sollte Präsident Slobodan Milošević in die Knie und Serbien mit einer willigen Regierung auf Westkurs gebracht werden. Das hat damals nicht funktioniert. Ob ein heute wirtschaftlich geschwächtes Serbien dem transatlantischen Druck standhalten kann, hängt nicht zuletzt auch von Russland ab, das verglichen mit 1992 eine stärkere Position einnimmt.
Von Hannes Hofbauer ist zum Thema erschienen: „Im Wirtschaftskrieg. Die Sanktionspolitik des Westens und ihre Folgen. Das Beispiel Russland“ (Promedia Verlag, Wien).
Titelbild: Motortion Films / Shutterstock
Serbiens organisierte Unordnung
Der Kampf um die Ostsee: Wie der Westen Russland den Meerzugang sperren will