„Wir müssen offensiv gehen“ – ehemaliger ranghöchster deutscher NATO-General bei diskretem Treffen in Düsseldorf

„Wir müssen offensiv gehen“ – ehemaliger ranghöchster deutscher NATO-General bei diskretem Treffen in Düsseldorf

„Wir müssen offensiv gehen“ – ehemaliger ranghöchster deutscher NATO-General bei diskretem Treffen in Düsseldorf

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Die Deutschen – „strukturelle Pazifisten“. Das muss sich ändern – findet zumindest Joschka Fischer. Der ehemalige Außenminister hat sich auf einem diskreten Forum in Düsseldorf zu Wort gemeldet. Die WELT berichtet über das Treffen des „Mittelstand Defense Forum“. Was dort gesagt wurde, hat es in sich. Hinter den Kulissen gibt es Kräfte, die massiv Aufrüstung, Militarismus und den Kurs der Konfrontationspolitik forcieren. Unter anderem sprach der ehemals ranghöchste deutsche NATO-General und sagte: „Die NATO ist kein defensives Verteidigungsbündnis (…). Wir müssen offensiv gehen.“ Ein Überblick zu der Veranstaltung. Von Marcus Klöckner.

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Da hat man den Deutschen nach den verheerenden Erfahrungen aus dem 1. und 2. Weltkrieg die Kriegstreiberei abgewöhnt und nun das! Da steht immerhin ein ehemaliger Bundesaußenminister auf der Bühne, bezeichnet die Deutschen als „strukturelle Pazifisten“ und schiebt hinterher: Damals sei die Entscheidung richtig gewesen, aber heute sei es angebracht, sie zu „revidieren“. So berichtet es die WELT in einem längeren Artikel über ein diskretes Treffen des „Mittelstand Defense Forum“ im Saal des Düsseldorfer Industrieclubs. Fischer, der sich 1999 für den Einsatz der NATO im Kosovo aussprach, war eingeladen, um eine Abschlussrede für die „Initiative Mission 2044“ zu halten. Die WELT führt aus:

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unterstützt die Initiative. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wird später am Abend mit Gästen persönlich zusammentreffen. Es geht um Aufrüstung, Abschreckung, Autonomie. Die Initiative „Mission 2044“ will Politik, Privatinvestoren, Wissenschaftler, Unternehmer und Entscheider gerade aus dem mittelständischen Bereich miteinander vernetzen. Die Jahreszahl im Namen soll symbolisieren, dass es um ein langfristiges Anliegen handelt, so beschreibt es Markus Federle von Tholus Capital, der für die Initiative spricht.

Auch wer nicht vor Ort an dem Treffen teilgenommen hat, kann leicht erahnen: Da muss der Geruch von Militarismus in der Luft gelegen haben. „Die knapp 150 Plätze sind besetzt, die Luft ist schnell stickig“, schreibt das Springer-Blatt.

Wer glaubt, dass die Worte Fischers der unrühmliche Höhepunkt eines Treffens waren, anhand dessen abgelesen werden kann, wie sich der als „Zeitenwende“ proklamierte militärische Umbau Deutschlands in den Köpfen der Wirtschaft vollzieht, muss sich eines Besseren belehren lassen. Fischers Worte haben lediglich den bereits zuvor gesetzten Ausrufezeichen ein weiteres hinzugefügt. Schließlich: Beim Thema Aufrüstung, Kampf und Krieg tummeln sich auf den Innen- und Außenbühnen der Republik längst zahlreiche Akteure, die sich permanent gegenseitig in ihrem Feindbilddenken übertrumpfen.

„Die Friedensdividende der 1990er-Jahre ist aufgebraucht“, sagt Nathaniel Liminski, der Chef der Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen. Das erklärte Ziel, so schreibt die WELT, sei der „Aufbau einer echten europäischen Militärmacht“.

Doch wer hat dieses „Ziel“, von dem Liminski spricht, überhaupt „erklärt“? Aber vor allem: Dass die Bürger der Bundesrepublik überhaupt dieses Ziel verfolgen wollen, darf angezweifelt werden. Nach Liminskis Worten müsse aber auch „über nukleare Abschreckung“ nachgedacht werden und der aufstrebende Wirtschaftsbereich der Verteidigungsindustrie sei „kein Pfui-Bereich“ mehr, so die WELT, die anmerkt: „Damit setzt der Christdemokrat den Tenor beim Forum.“

Dass die Waffen und Menschenvernichtungsgeräte des politisch hoch im Kurs stehenden „Verteidigungsbereichs“ nach wie vor dazu geeignet sind, Menschen zu töten, zu zerfetzen, grausamste Schäden an Land und Gesellschaft anzurichten, dürfte eine Anmerkung sein, die bei dem Forums-Treffen nicht zum „Tenor“ gepasst hätte. Sehr gut passen stattdessen aber Grüne, die im Industrieclub grünes Licht für die geistig-militärische Zeitenwende geben.

Mona Neubaur, grüne Landwirtschaftsministerin, sagt laut WELT, Nordrhein-Westfalen wolle als bevölkerungsreichstes Bundesland eine führende Rolle in Sachen Rüstung und Resilienz einnehmen. Nach den Worten der Ministerin ist die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie „kein Fremdkörper unserer Wirtschaft“, sondern „Ausdruck unserer neuen Realität“. Außerdem: Die angeblich neue Bedrohungslage müsse „akzeptiert werden“. Und eine Aussage, die nicht fehlen darf: „(…) wir müssen uns auf einen Ernstfall vorbereiten.“ Die gesamte Gesellschaft ist nach den Worten der Grünen betroffen. Die Politikerin spricht von einem „vollumfassenden Kulturwandel“, so die WELT.

Gut, dass niemand auf der Bühne stand, der der Dame gesagt hat, dass erstens wir überhaupt nichts müssen und zweitens die angeblich neue Realität ein Fantasieprodukt ist – zum schweren Nachteil Deutschlands und seiner Bürger.

Gefällig flankiert die WELT die weiteren Ausführungen der Ministerin. „Dass eine Grüne so spricht, zeigt, wie weit sich die Erkenntnis, dass Europa wehrfähig werden muss, im politischen Raum durchgesetzt hat.“ Der intellektuell weitreichende Begriff „Erkenntnis“ verkommt in diesen Ausführungen zur geistigen Schlacke. Doch es geht noch weiter und wird noch schlimmer:

Noch drastischer formuliert es im Publikum Christian Badia, bis vor Kurzem ranghöchster deutscher NATO-General, wohin der Westen hinkommen müsse: „Die Nato ist kein defensives Verteidigungsbündnis und hat nur defensive Waffen. Wir müssen offensiv gehen.“ Man müsse zu einer „Abschreckung unterhalb der Schwelle des Nuklearen“ kommen. Darauf müsse man die Gesellschaft vorbereiten. Man müsse gegenüber Russland ein „Dilemma schaffen“. Russland dürfe gar nicht mehr auf die Idee kommen, zu überlegen, ob es angreifen wolle.

Steht hier wirklich: „Die NATO ist kein Verteidigungsbündnis“? Ja, so steht es geschrieben. Genauso wie die Aussage: „Wir müssen offensiv gehen.“ Wie genau diese Zeilen zu verstehen sind, ist aus den zitierten Stellen nicht ersichtlich und unterliegt der Interpretation. Doch wie auch die Aussagen interpretiert werden: Sie werden nicht besser.

Der WELT-Bericht ist jedoch wertvoll. Er zeigt, wie im kleinen, diskreten Rahmen gedacht und was wie auf welche Weise gesagt wird. Es gilt, sich vor Augen zu halten: Wir sehen nur einen Ausschnitt von einem Treffen dieser Art.

Titelbild: Prometheus72/shuttestock.com

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