Schon wieder Hausdurchsuchung wegen „falscher“ Meinung: Diese Einschüchterungen müssen aufhören!

Schon wieder Hausdurchsuchung wegen „falscher“ Meinung: Diese Einschüchterungen müssen aufhören!

Schon wieder Hausdurchsuchung wegen „falscher“ Meinung: Diese Einschüchterungen müssen aufhören!

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Beim Publizisten Norbert Bolz wurde die Wohnung wegen eines offensichtlich satirischen Meinungsbeitrags von der Polizei durchsucht. Diese skandalöse Praxis der Einschüchterung Andersdenkender durch Hausdurchsuchungen nutzt doppelte Standards und sie folgt dem Motto: „Bestrafe Einen, erziehe Hundert“. Das muss aufhören! Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Die Berliner Staatsanwaltschaft geht gegen einen Publizisten vor, dem sie die Verwendung von Parolen der Nationalsozialisten vorwirft, wie etwa die Welt berichtet. Am Donnerstag durchsuchte die Berliner Polizei demnach die Wohnung des Medienwissenschaftlers Norbert Bolz. Hintergrund ist laut Bolz‘ Anwalt Joachim Steinhöfel ein Tweet aus dem Januar 2024, in dem Bolz schrieb:

„Gute Übersetzung von woke: Deutschland erwache!“

Dabei nahm Bolz Bezug auf einen Beitrag der taz mit dem Titel „AfD-Verbot und Höcke-Petition: Deutschland erwacht“. Das englische Wort „woke“ bedeutet „aufgewacht“. Bei „Deutschland erwache“ handelt es sich um eine NSDAP-Parole. Die Staatsanwaltschaft wertet die Verwendung laut Medienberichten als strafbare Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Kurz nach der Veröffentlichung änderte die taz offenbar den Titel ihres Beitrags, der heute mit „Raus aus der Ohnmacht“ überschrieben ist. Eine Abbildung des damaligen – total offensichtlich satirisch gemeinten – Tweets von Bolz findet sich unter diesem Link.

„Erinnert zunehmend an einen autoritären Einschüchterungsstaat“

Nun gibt es scharfe Kritik am Vorgehen der Behörden. Der Staats- und Europarechtler Volker Boehme-Neßler bezeichnete die Hausdurchsuchung laut Medien – inklusive der Beteiligung des Bundeskriminalamts – als unverhältnismäßig und gefährlich für den Rechtsstaat. Der EU-Abgeordnete Fabio De Masi (BSW) schrieb bei X :

Die Hausdurchsuchung beim konservativen Medienwissenschaftler Norbert Bolz für einen erkennbar ironischen Tweet ist nach allen öffentlich bekannten Informationen skandalös, völlig unverhältnismäßig und erinnert zunehmend an einen autoritären Einschüchterungsstaat. Linke sollten gegen solche autoritären Tendenzen die Stimme erheben – und zwar gerade und auch dann wenn sie politisch Andersdenkende treffen! Ich finde das alles nicht mehr normal!

Sogar Grüne sind empört

Anscheinend wurde mit der neuerlichen Hausdurchsuchung wegen eines satirischen Meinungsbeitrags nun der Bogen allzu offensichtlich überspannt oder vielleicht finden grüne Politiker es nun auch einfach taktisch opportun, noch schnell auf den Zug der Empörung aufzuspringen – jedenfalls äußern nun sogar die Grünen Riccarda Lang und Ralf Fücks Kritik an dem Vorgehen gegen Bolz, wie Medien berichten.

Bolz kommentierte den Vorgang auf der Plattform X mit den Worten:

Hausdurchsuchung wegen eines Posts. Junge, nette Polizisten, die mir abschließend den guten Rat gegeben haben, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Das werde ich tun und nur noch über Bäume sprechen.

Schon wieder: „HessenGegenHetze“

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft kam der Hinweis von einer Meldestelle gegen Hetze in Netz, wie Medien berichten. Nach Informationen der Welt erhielt die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) des Bundeskriminalamtes (BKA) bereits am 27. November 2024 eine Meldung der Plattform „HessenGegenHetze“ zu dem Beitrag von Bolz. Laut den Berichten ging auch im sogenannten „Schwachkopf“-Prozess gegen einen bayerischen Rentner, der ein satirisches Meme über Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geteilt hatte, der entscheidende Hinweis von „HessenGegenHetze“ aus.

Kürzlich hatte auch der Politiker Jürgen Todenhöfer berichtet, dass gegen ihn wegen Äußerungen in sozialen Netzwerken ein Beschluss für Hausdurchsuchung, Leibesvisitation und Beschlagnahme vorliege, der aber nicht vollstreckt worden sei, wie Medien berichten.

Doppelte Standards

Ich kann der scharfen Kritik am Vorgehen der Justiz gegen Bolz und andere nur voll beipflichten. Zusätzlich aufreizend sind die doppelten Standards, wenn es um die Nutzung von historischer Nazi-Symbolik und -Sprache geht. Denn diese Nutzung ist keineswegs allen Bürgern verboten – die „Guten“ dürfen durchaus mit Hakenkreuzen usw. Stimmung machen. Im Artikel „Nur die ‘Guten’ dürfen Naziterror relativieren“ haben wir dazu geschrieben:

Ein Politologe, der unwidersprochen AfD und BSW in die Nähe von Parteiflügeln der NSDAP rückt; Ampelpolitiker, die politische Konkurrenten in eine Linie mit Joseph Goebbels stellen; Magazine mit den im Titelbild präsentierten Motiven – und so weiter: Die ‚Guten‘ dürfen den historischen Naziterror unbehelligt relativieren und seine Symbolik ausschlachten. Aber wehe, man zieht ähnliche Vergleiche etwa bezüglich der Corona-Politik.“

„Bestrafe Einen, erziehe Hundert“

Die zunehmende Nutzung des drastischen Mittels der Hausdurchsuchung bei „falschen“ Meinungsäußerungen ist total abzulehnen und muss wieder zurückgefahren werden. Das Ziel dieses Vorgehens ist offensichtlich nicht nur die Einschüchterung der jeweils von Hausdurchsuchungen Betroffenen, sondern es folgt darüber hinaus mutmaßlich dem Motto: „Bestrafe Einen, erziehe Hundert.“

Titelbild: Golden Dayz / Shutterstock

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