„Das zeigt uns das Ausmaß der Anstrengungen, die die Kriegstreiber unternehmen“

„Das zeigt uns das Ausmaß der Anstrengungen, die die Kriegstreiber unternehmen“

„Das zeigt uns das Ausmaß der Anstrengungen, die die Kriegstreiber unternehmen“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Wir sehen einen „Vorgriff auf die Militarisierung der Gesellschaft, die Übertragung der militärischen Kommando-Struktur in den zivilen Alltag“ – das sagt Klaus-Jürgen Bruder im Interview mit den NachDenkSeiten. Der Psychoanalytiker zieht Parallelen zwischen der Coronazeit und dem politischen Großvorhaben Kriegstüchtigkeit. „Die Kriegstreiber setzen“, so sagt er, „auf die Mechanismen“, die auch unter Corona Anwendung fanden. Es gehe unter anderem darum, die Menschen auf das „nackte Leben“ zu reduzieren. An die jungen Menschen richtet Bruder den Appell: „Sagt NEIN! Nein zur Aufforderung, andere Menschen, die man noch nicht einmal kennt und von denen man nicht gekannt wird, zu töten.“ Das Gespräch führte Marcus Klöckner.

Marcus Klöckner: Herr Bruder, die Politik will Deutschland kriegstüchtig machen. Ihr neues Buch trägt den Titel „Die Militarisierung der Gesellschaft. Von der Glückssüchtigkeit zur Kriegsbereitschaft“. Was passiert in Sachen Militarisierung in unserer Gesellschaft?

Klaus-Jürgen Bruder: Das neue Buch, von dem Sie sprechen, ist das Gemeinschaftswerk der Referentinnen und Referenten des Kongresses über Krieg und Frieden, den die Neue Gesellschaft für Psychologie im Frühjahr diesen Jahres veranstaltet hat. Wir haben uns über die Militarisierung der Gesellschaft ausgetauscht und diskutiert.

Was in Deutschland passiert, ist für Sie also eine Militarisierung?

Man kann es nicht anders als Militarisierung nennen, wenn eine ganze Gesellschaft, alle ihre Einrichtungen, Diskussionen und Veranstaltungen nach militärischen Gesichtspunkten und Zielen ausgerichtet werden. Es gibt keine Einrichtung, sei es eine Schule, Krankenhaus oder psychologische Praxis, die nicht ihren möglichen Beitrag zur „Kriegstüchtigkeit“ nachzuweisen versucht. Es gibt keine Diskussion, ohne das Menetekel der russischen Bedrohung aufzurufen.

Das zeigt uns das Ausmaß der Anstrengungen, die die Kriegstreiber unternehmen, unternehmen müssen, denn ihr Ziel ist eine totale Umwandlung einer bürgerlichen Gesellschaft, die sie nur als Glückssüchtige wahrnehmen konnten, in eine Gesellschaft von kampfentschlossenen Kriegern.

Welche psychologischen Mechanismen sind hier am Wirken?

Die Kriegstreiber setzen auf die Mechanismen, die wir aus der Corona-Inszenierung bereits kennen: Ihr Vorgehen bestand darin, die Grundlagen zu zerstören, auf denen die Orientierung im Alltag der Menschen funktioniert. Damit werden die Menschen der bisher selbstverständlichen Sicherheit ihrer Gewohnheiten beraubt, sie werden reduziert auf das „nackte Leben“ (Agamben), auf das von Ratten, dem Lieblingstier der Behavioristen. An die Stelle der Gewohnheiten werden neue Vorschriften und Anweisungen gesetzt, die „ohne Nachfrage“ / ohne Widerspruch (Wieler) zu befolgen sind: ein Vorgriff bereits auf die Militarisierung der Gesellschaft, die Übertragung der militärischen Kommando-Struktur in den zivilen Alltag.

Was ist dabei entscheidend?

Entscheidend ist, dass sich das auf der Ebene des öffentlichen Diskurses abspielt, der allerdings als Diskurs der Macht organisiert ist und begriffen werden muss. Es ist die Macht, in deren Besitz sich die Medien befinden, sie gibt die Themen und die Art und Weise ihrer Präsentation vor, indem sie die Journalisten auswählt und die fördert, die ihre Meinung am besten vertreten. Sie wendet alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel auf, das Entstehen eines Gegendiskurses zu verhindern. Und solange der Diskurs der Macht unwidersprochen herrscht, kann die Macht ihre Herrschaft diskursiv ausüben.

Die Parallelen zu Corona sind gegeben, oder?

Natürlich. Auch das Corona-Regime begann auf der Ebene des Diskurses: mit einer Behauptung, der einer Bedrohung durch ein tödliches Virus. Die Behauptung wurde mit nichts anderem „bewiesen“ als mit den Mitteln des Diskurses selbst: mit Bildern – von Särgen in Lastwagenkolonnen. Die Bilder, die die Behauptung belegen, beweisen sollten, wurden selbst mit Behauptungen „bewiesen“: in den Särgen lägen Tote, die an „Corona“ verstorben seien. Wir kennen das inzwischen zur Genüge. Ich wollte nur auf die Konstruktion verweisen, mit der ein Ereignis diskursiv hergestellt wird und wurde, in diesem Fall eine Bedrohung.

Und: Die Behauptung der Bedrohung (einer Gefahr) wird verstärkt durch das Angebot, den Vorschlag einer Lösung, eines Schutzes: Maske vor Mund und Nase, Abstand gegenüber den Mitmenschen, schließlich: durch Impfung. Auch dieser Vorschlag bleibt auf der diskursiven Ebene, der Ebene der Behauptung – seine Wirkung: die Bekräftigung, Verstärkung der vorangegangenen ursprünglichen Behauptung.

Was macht allein die Behauptung, dass eine Bedrohung vorherrsche, mit Menschen?

Bereits als Behauptung versetzt die Bedrohung jeden in einen Alarmzustand, in dem er für jede „Information“ bereit ist. Die „stärkste“ wird sich – bei der Mehrheit – durchsetzen, d.h. die „Information“, die die Macht vorgibt, wird am bereitwilligsten angenommen.

Hier zeigt sich der „Heimvorteil“ der Macht, die Beschaffenheit der Beziehung, die die Bevölkerung bereits vor dem Moment der „Warnung vor der Gefahr“ zur Macht hatte: eine Frage der Loyalität. („Massenloyalität“, Brückner)

Hier liegt die Chance (für die Macht), ihre Waffen zu zeigen: Sie kann sich erlauben, das zivile Regiment zu verlassen, und mit Anweisungen operieren: Die Empfehlungen zum Schutz vor der Gefahr können als Forderung ausgegeben werden. Es wird der Macht sogar „abgenommen“, wenn sie zu Drohungen greift. Auch hier verlässt sie nicht die diskursive Ebene. Und: Die Forderung verstärkt, bekräftigt die „Richtigkeit“ der vorangegangenen Behauptung. Wieder haben wir den rückwirkenden Zirkel der Verstärkung der Behauptung durch die nachfolgende Behauptung. (Gesetz der „Nachträglichkeit“, Freud)

Und: Das Verlassen der diskursiven Ebene kann sie (die Macht) der Bevölkerung selbst überlassen. Wenn sie die Maske vor Mund und Nase ziehen, Abstand zum Mitmenschen halten, dann erfüllten sie nicht nur die Forderung der Macht, vielmehr überzeugen sie sich selbst von der Notwendigkeit, das zu tun, und beweisen damit die Gefahr, die ursprünglich lediglich in Gestalt einer Behauptung die Bühne betreten hatte.

Und mit dieser Selbstüberzeugung haben sie sich zum Parteigänger gemacht.

Was heißt das: Die Leute haben sich zum Parteigänger gemacht“?

Nun können sie, selbst überzeugt, diejenigen bekämpfen, die es noch nicht sind. Es bedarf nur eines kleinen Winks mit dem Zaunpfahl: Diffamierungen, Unterstellungen, Verdrehungen der Realität müssen mit nichts belegt werden, allein dass die Gemeinten anderer Meinung sind, genügt.

Mit dem Übergang auf die Handlungsebene ist der point of no return erreicht. Alle Bemühungen um Aufklärung, Veröffentlichung geheim gehaltener Dokumente oder Statistiken (über Todeszahlen aufgrund der Anweisungen, Impftote) schaffen es nicht, die einmal auf der Handlungsebene eingenommene Position rückgängig zu machen.

Die Corona-Inszenierung war die Generalprobe für die jetzt laufende Kriegsmobilisierung der Bevölkerung. Wieder die Behauptungen, die die Bevölkerung in Alarmzustand versetzen sollen (der Russe macht in der Ukraine nicht halt, er kommt, um Deutschland zu besetzen), das einzige Angebot der Rettung, die Kriegsvorbereitung, Aufrüstung, Vorbereitung der Bevölkerung, sich selbst im Krieg zu engagieren.

Längst scheint, wie es der US-amerikanische Soziologie Charles Wright Mills einmal formulierte, die Metaphysik des Militärischen übernommen zu haben. Das Feindbild ist ausgemacht, die falschen Prämissen sind gesetzt. Die Logik des Feindbilddenkens, des Hoch- und Aufrüstens bestimmt die Entscheidungen. Wie sehen Sie das?

Die „Metaphysik des Militärischen“ ist zunächst das, was die Kriegstreiber der Bevölkerung einpauken wollen. Ob sie damit Erfolg haben werden, ist durchaus noch offen. Die Ergebnisse von Meinungsumfragen sind durchaus zweideutig: Der unterstellten „Notwendigkeit der Verteidigung“ stimmt die Mehrheit zu, der Frage, ob sie selbst an die Front gehen würden, beantworten nur etwa 20 Prozent der Befragten mit „Ja“!

Wie erklären Sie sich dann das Verhalten aufseiten der einzelnen Bürger? Wir sehen Passivität, Lethargie, Desinteresse, aber auch Ignoranz, Verleugnung. Was ist Ihre Beobachtung?

Passivität, Desinteresse, Verleugnung sind alles keine Begeisterung. Aber Begeisterung brauchen die Kriegstreiber. Begeisterung für den Krieg, dafür, tatsächlich zu tun, was die Kriegstreiber von der Bevölkerung fordern und mit ihren großmäuligen Versprechen nur behaupten, in die eigene Überzeugung übernehmen.

Von Passivität, Desinteresse, Ignoranz usw. zu sprechen, verfehlt letztlich die Psychologie der Bevölkerung. Eher handelt es sich um Resignation oder auch Realismus, realistische Einschätzung der Situation. „Wir haben es nicht geschafft, die anderen sitzen am längeren Hebel.“ Die Bevölkerung war 2020 ff. in weiten Teilen alles andere als passiv oder ignorant, im Gegenteil, sie war hellwach. Sie hat nicht hingenommen, was ihr zugemutet worden war an intellektuellen und moralischen Ungeheuerlichkeiten. Sie protestierte, und sie wurde von denen im Stich gelassen, die sich bisher immer als die Vertreter der Interessen der Bevölkerung behauptet hatten: die Gewerkschaften, die Kirchen, die mit linken Wahlversprechen popularisierenden Parteien.

Und sie sehen: Das ist jetzt bei der Kriegsdrohung, der Vorbereitung jenes unvorstellbaren zynischen Mordens, nicht viel anders: Bis zur Linkspartei hin gilt Putin als Verbrecher, der einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen hat, gegen den jede Art von militärischem Eingreifen als „Verteidigung“ gerechtfertigt ist, selbst die irrsinnigste Aufrüstung.

An dieser Stelle möchte Ihnen widersprechen. Ich glaube nicht, dass bei dem, worum es geht, „Kriegsbegeisterung“ notwendig ist. Sie wäre zwar sicherlich hilfreich und es wird mit Propaganda versucht, die Bürger aufzuheizen, aber: Letztlich dürfte über die Köpfe hinweg entschieden werden. Für das politische Großprojekt Kriegstüchtigkeit bedarf es einer Bundeswehr, die mitmacht (das tut sie), es bedarf einer staatlichen Struktur, die sich vorbereiten lässt (das ist der Fall), es bedarf der Unterstützung der Funktionseliten (auch das ist zu beobachten), es bedarf genügender Mittel, die greifbar sind (auch das ist der Fall, siehe: eine Billion), es bedarf wenigstens eines gewissen Teils der Bevölkerung, der das Vorhaben mitträgt (auch das ist der Fall), es bedarf einer schwachen politischen Opposition (auch das ist so) und es bedarf eines breiten Bevölkerungsteils, der der Situation – aus welchen Gründen auch immer – nicht entschieden, im demokratischen Sinne, entgegentritt (auch das ist bis jetzt der Fall). An irgendeinem Punkt dieses Konflikts zwischen NATO und Russland kommt es vielleicht so weit, dass die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen gestellt wird – ob es dann Kriegsbegeisterung gibt oder nicht, spielt auch dann nur eine untergeordnete Rolle. Sollte es zu einem realen, heißen Krieg kommen, dann greifen genau die Mechanismen, die sie eben beschrieben haben. Gesellschaften können unter einer „Bedrohungslage“ und „Angst“ sehr schnell neue Normen und eine neue Realität akzeptieren. Oder?

Ja, Ihr Einwand ist sehr ernst zu nehmen! Vielen Dank!

Aber! Sowohl die Stärke der Bataillone der Kriegstreiber als auch die Schwäche der Bevölkerung sind variable Größen, denn sie werden jeweils bestimmt durch Menschen. Und Menschen sind nicht bis ins Letzte kalkulierbar und vorhersagbar, auch nicht sicher manipulierbar. Als Menschen können sie sich gegenseitig beeinflussen, also sogar das Militär ist beeinflussbar durch die Menschen außerhalb des Militärs, man denke nur an die Nelkenrevolution in Portugal, ganz zu schweigen von der Oktoberrevolution; sicher nur von einer starken politischen Opposition.

Wohin wird die Entwicklung führen?

Ich weigere mich, die Wiederholung der Entwicklung, die wir bei der Corona-Inszenierung erlebt haben, zu erwarten. Der Horizont der Zukunft ist durchaus noch offen. Die Perspektive für Aufklärung ist noch nicht verrammelt. Es gibt Handlungsmöglichkeit für eine Opposition in der Unterstützung und vor allem Verteidigung des latenten Widerstands der Bevölkerung. Es lohnt sich.

Haben Sie einen Rat für die jungen Leute?

Sagt NEIN! Nein zur Aufforderung, andere Menschen, die man noch nicht einmal kennt und von denen man nicht gekannt wird, zu töten; nein zur Zerstörung Eurer Lebensperspektive durch das grenzenlose Ausbluten aller Ressourcen in die Kriegsvorbereitung; nein zur Zerstörung der letzten Überreste von Demokratie, also von Humanität durch die Aufhebung der demokratischen Rechte der Bevölkerung, der Gewaltenteilung überhaupt, der Meinungsfreiheit, der Kriminalisierung jeder Opposition, die sich außerhalb des Kriegskonsenses zu bewegen versucht.

Nein zum Krieg!

Herr Bruder, vielen Dank für dieses Gespräch!

Lesetipp: Klaus-Jürgen Bruder, Almuth Bruder-Bezzel, Benjamin Lemke, Conny Stahmer-Weinandy (Hrsg.): Die Militarisierung der Gesellschaft. Von der Glückssüchtigkeit zur Kriegsbereitschaft. Wien 2025, Promedia Verlag, Taschenbuch, 264 Seiten, ISBN 978-3853715550, 24 Euro.

Titelbild: Screenshot KenFM