Fünf Jahre Maidan – Fünf Jahre Manipulation

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Vor fünf Jahren begann der „Maidan-Aufstand“, der in den mutmaßlichen Putsch gegen die ukrainische Regierung mündete. Der undemokratische und mutmaßlich illegale Akt wurde von großen deutschen Medien stark gefördert. Anlässlich des Maidan-„Jubiläums“ könnten sich die medial Verantwortlichen nun eigentlich mit ihren „Erfolgen“ in der Ukraine brüsten – schließlich waren sie die „Sieger“ des Konflikts. Doch die Redakteure distanzieren sich lieber von den eigenen (Un-)Taten. Von Tobias Riegel.

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Stellen Sie sich vor, Sie feiern Jubiläum – und niemand gratuliert. So geht es dieser Tage den militanten „Oppositionellen“, die 2013/2014 in der Ukraine die Regierung des Viktor Janukowitsch gestürzt haben. Der Beginn des sogenannten Maidan-Aufstands, der von zahlreichen seriösen Beobachtern aufgrund starker Indizien als mutmaßlicher Putsch eingeordnet wird, jährt sich diesen Mittwoch zum fünften Mal. Das wäre für viele deutsche Medien und Politiker eigentlich eine gute Gelegenheit, einen Sieg zu feiern: Schließlich haben zahlreiche einflussreiche Redakteure und Parlamentarier ab 2013 Seit’ an Seit’ mit der ukrainischen „Zivilgesellschaft“ für „westliche Werte“ und den Sturz des gewählten Präsidenten gekämpft. Nun könnten sie stolz Bilanz ziehen und die Früchte dieses Kampfes präsentieren. Allein: Diese Bilanz ist desaströs.

Aus diesem Grund erleben wir statt stolzer Präsentation eines „heilenden“ westlichen Einflusses in der Ukraine aktuell das Gegenteil: Das große mediale Schweigen, das sofort nach dem mutmaßlich paramilitärisch organisierten Sturz Janukowitschs eingesetzt hat, wird auch am fünften Maidan-„Jubiläum“ fortgesetzt. Der fatale und dramatische Abwärtsstrudel, der die Ukraine nach dem Umsturz erfasst hat, wird medial schon seit Jahren nicht angemessen protokolliert. Da alle großen deutschen Medien an der Kampagne für den Maidan beteiligt waren, gibt es keine starke mediale Stimme, die dieses Protokoll einfordern und die Mit-Verantwortlichkeit der Redakteure skandalisieren könnte.

Mediale Maidan-Unterstützer ducken sich heute weg

Da man das „Jubiläum“ des einst selbst als heldenhaft bezeichneten Kampfes aber nicht ganz übergehen kann, erleben wir dieser Tage ein verdruckstes mediales Wegducken vor der selbstgeschaffenen Realität in der Ukraine. Die mediale Distanzierung erfolgt in zwei Ausprägungen: Die eine beschreibt den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verfall der Ukraine wie ein selbstständiges Naturschauspiel, mit dem man nichts zu tun habe. So bezeichnet ein von zahlreichen Medien übernommener Beitrag der Nachrichtenagentur „dpa“ die Ukraine als „die offene Wunde in Europa“ – ohne zu thematisieren, dass es westliche Politiker und Medien waren, die halfen, diese Wunde zu reißen.

Dieser Strategie folgen zahlreiche weitere Privatmedien, die einst den mutmaßlichen Putsch stark angefeuert haben: Es wird zwar knapp und unkonkret von allgemeinen Missständen berichtet. Dass Kritiker des mutmaßlichen Putsches genau diese Defizite vorausgesagt haben und dafür von großen Medien als russische Agenten verleumdet wurden, fällt natürlich unter den Tisch. Immerhin: Die „Süddeutsche Zeitung“ kritisiert etwa die „die Korruption“ und die „Reformmüdigkeit“ im Land. Auch wenn die Zeitung diese Defizite verzerrend unter anderem mit einer russischen „Besetzung“ der Krim begründet und man gar nicht wissen möchte, welche „Reformen“ sich die Redakteure für das Land erhoffen.

Maidan: Der kitschige Medien-Mythos lebt

Die andere Strategie tut so, als sei der Maidan-Aufstand nicht mittlerweile diskreditiert. Sie knüpft einfach an die Heldengeschichten an, die man schon 2013 verbreitet hat. Diese Taktik wird exemplarisch für viele Medien etwa vom „Deutschlandfunk“ praktiziert, wobei aber die massive Unterstützung auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für einen blutigen Umsturz verschämt verschwiegen wird. In einem infamen Beitrag wiederholt Gesine Dornblüth kritiklos den „Gründungsmythos“ des Maidan und dessen kitschige Vokabeln: „Zunächst kamen vor allem junge Leute. Am 30. November versuchten Sonderkräfte des Innenministeriums, so genannte Berkut-Einheiten, die Proteste mit Gewalt aufzulösen. Sie gingen dabei äußerst brutal vor. Daraufhin schlossen sich auch ältere Leute der Menge an. Aus dem ‚Euromaidan‘ wurde die ‚Revolution der Würde‘.“ Die schlimme Abwärtsspirale, in der sich die Ukraine seit dem Umsturz befindet, wird hier verwässert, angebliche Hoffnungsschimmer werden überbetont: „Seitdem hat sich in der Ukraine viel verändert. Nicht nur zum Besseren – doch die Zivilgesellschaft ist aktiver geworden.“

Nur knapp an einer glatten Unwahrheit schrammt der Beitrag beim Thema der nicht aufgeklärten Sniper-Schüsse vorbei: „Mehr als 100 Demonstranten bezahlten den Einsatz für eine gerechte Gesellschaft mit dem Leben. Das war im Februar 2014, als die Proteste nach mehr als drei Monaten friedlicher Aktion eskalierten und Scharfschützen dutzende Bürger erschossen.“ Zudem wird in dem Beitrag niemand von der stark attackierten russischen Seite zitiert – dafür wird aber der skandalumwobene Arsenij Jazenjuk als ganz normaler Politiker eingeführt: „Er hatte die Unterstützung vieler Maidan-Anhänger und machte sich mit großem Reformeifer ans Werk.“

Sniper, Massaker von Odessa, Ausverkauf, Krieg gegen den Donbass

In Bezug auf die Ukraine wurde und wird auch von den anderen großen Medien kein seriöser Standard eingehalten: Die Sniper-Angriffe, das Massaker von Odessa, der von der Ukraine und eben nicht von Russland begonnene Krieg („Anti-Terror-Einsatz“) im Donbass, der Ausverkauf der Bodenschätze und Industriebetriebe ans Ausland – die deutschen Medien sind auf diesem Auge fast blind. Und selbst die sonst gern mythisch überhöhte Pressefreiheit scheint es in der Ukraine nicht wert zu sein, verteidigt zu werden.

Die massive und zugegebene Einmischung des Westens in der Ukraine kommt dieser Tage wieder ins Gedächtnis, auch anlässlich der medialen Aufregung um eine ausländische Spende an die AfD. Diese Spende ist dubios und die Praxis ist zu Recht verboten. Doch wie kann man gleichzeitig dulden, dass Milliarden US-Dollar an umstürzlerische Gruppen in der Ukraine geflossen sind? Wie kann man diese ganz offene und massive ausländische Einmischung akzeptieren, gleichzeitig aber eine weitgehend unbewiesene russische Einmischung in den USA hysterisch skandalisieren?

Die mutmaßliche Putsch-Regierung wurde am Leben erhalten

Die Liste der Heucheleien könnte fortgesetzt werden: So ist „der Westen“ nicht nur mitverantwortlich für den mutmaßlichen Putsch in Kiew. Sondern auch dafür, dass das Regime und sein Krieg gegen den Donbass seither am Leben gehalten werden – mit immer neuen Milliarden, während etwa Griechenland zur gleichen Zeit finanziell ausgehungert wurde. All das im Hinterkopf, fragt man sich, was eigentlich prägende mediale Maidan-Unterstützer denken, wenn sie heute auf die zerrüttete Ukraine, also auch auf „ihr Werk“ schauen? Dass sich etwa Golineh Atai noch ganz wohl fühlte in ihrer Rolle als distanzloser Maidan-Fan, selbst nachdem der Pulverdampf verflogen war, zeigte sie in diesem entlarvenden Interview:

Dabei war der nationalistische und paramilitärische Charakter des Maidan von Beginn an unübersehbar. Das kann man etwa gut in der Dokumentation „Maidan“ von Sergej Losnitza beobachten. Obwohl der Film eigentlich als Pro-Maidan-Propaganda gedacht ist, zeigt er zweierlei: Zum einen wie paramilitärische mutmaßliche Ex-Soldaten die praktische Organisation des Geschehens scheinbar fest in der Hand hatten. Zum anderen, dass auch viele der „normalen“ Demonstranten auf dem Platz von einem giftigen Nationalismus erfasst waren und nicht zögerten, in nationalistische oder gar faschistische Kampflosungen einzustimmen.

Bei uns „Terroristen“ – im Ausland „Freiheitskämpfer“

Die zum großen Teil geopolitisch instrumentalisierten Demonstranten vom Maidan sollen hier nicht pauschal diffamiert werden. Interessant ist aber einmal mehr die mediale Betrachtung: Im Vergleich zu großen Teilen dieser Maidan-Demonstranten erscheint Pegida wie ein gemäßigtes Kaffeekränzchen. Einmal mehr gilt: Von den durch deutsche Medien verherrlichten „Freiheitskämpfern“ des Auslands würden hierzulande viele im Gefängnis sitzen. Geht es nach einigen deutschen Redakteuren, sollen aber andere Länder militante Umstürzler umarmen – etwa in Syrien oder Venezuela. Der Maidan-Mythos weist ohnehin starke Parallelen zum medialen Syrien-Mythos auf: Hier wie dort wurde angeblich eine Gruppe Studenten von der Polizei malträtiert, worauf „das Volk“ sich entschlossen habe „aufzustehen“.

Der verschämte mediale Umgang mit dem Maidan hat noch einen weiteren Grund. Indem der mutmaßliche Putsch als Vorbedingung der Sezession der Krim verschwiegen wird, kann man den Mythos von der „besetzten“ oder „annektierten“ Krim fortführen. Die Berichterstattung ist also auch Paradebeispiel für die Propaganda-Technik der Verkürzung, die Albrecht Müller hier analysiert.

Ukraine als heilsamer Schock – und als Impuls für die Medienkritik

Der Maidan war nicht nur für die Ukraine ein dramatischer Zeitenwechsel – die Vorgänge waren Startschuss für eine massive, Europa vergiftende Radikalisierung der Medien-Propaganda vor allem gegen Russland. Der Schock über die gleichförmige und verzerrende Berichterstattung zum Maidan war für Medienkonsumenten schmerzhaft, aber auch heilsam. So war es einerseits für viele Bürger geradezu traumatisch, sich (endlich) radikal von „ihren“ Medien lösen zu müssen. Andererseits hat die Medienkritik und auch die Medienkompetenz seit 2013 nochmals einen erheblichen Schub erfahren.

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