Die Allgemeinheit muss für die Schulden der FDP haften und der Aufschrei bleibt aus

Die Allgemeinheit muss für die Schulden der FDP haften und der Aufschrei bleibt aus

Die Allgemeinheit muss für die Schulden der FDP haften und der Aufschrei bleibt aus

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Niemand dürfe auf Kosten der Allgemeinheit leben. Dies ist seit Jahren das sozial- und rentenpolitische Credo der FDP. Für das eigene Handeln gelten diese Grundsätze jedoch offenbar nicht, wie der bizarre Streit um die Schulden der FDP-Fraktion bei einem Rentenversicherer zeigt. Würde man eine Fraktion rechtlich wie ein normales Unternehmen behandeln, hätten sich die FDP-Granden nach Ansicht der Fachzeitschrift Legal Tribune wohl des Bankrotts strafbar gemacht. Da es hier jedoch offenbar eine Gesetzeslücke gibt, muss nun die Allgemeinheit für rund sechs Millionen Euro nie gezahlter Rentenbeiträge der FDP geradestehen. Von Jens Berger.

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Der 27. September 2009 war wohl der bislang schönste Tag im Leben der FDP. Dank eines Ergebnisses von 14,6% konnten die Liberalen mit 93 Abgeordneten in den 17. Bundestag einziehen. Doch die Freude währte nicht lang. War der 27. September 2009 der schönste Tag, dann war der 23. September 2013 wohl der schlimmste Tag im Leben der FDP. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte scheiterten die Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde und zogen damit nicht in den 18. Bundestag ein. Damit löste sich auch die bisherige Bundestagsfraktion der FDP auf und mehr als 100 feste Mitarbeiter der Fraktion mussten entlassen werden. Damit stellte sich jedoch das Problem, wie mit deren an die Arbeitsverhältnisse des Öffentlichen Dienstes angepassten Zusatzversorgung, die seit 2002 als Betriebsrente firmiert, umzugehen ist.

Die Fraktionsmitarbeiter der FDP waren dafür bei der Rheinischen Zusatzversorgungskasse (RZVK) in einem Umlageverfahren versichert – offenbar traut die FDP den von ihr propagierten kapitalgebundenen Altersvorsorgeprodukten selbst nicht über den Weg. Mit der Auflösung der FDP-Fraktion, die nach Parteiengesetz organisatorisch ja strikt von der Partei selbst getrennt sein muss, standen den bereits erworbenen Anwartschaften der Fraktionsmitarbeiter nun aber keine Prämienzahlungen des Arbeitsgebers mehr gegenüber und die alte FDP-Fraktion hatte bar jeder ordentlichen kaufmännischen Sorgfaltspflicht in den letzten zwei Jahren ihrer Existenz die Rücklagen in Höhe von acht Millionen Euro – rechtlich umstritten – verpulvert und es versäumt, Rückstellungen für die Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter zu bilden. So kam es, wie es kommen musste. Die FDP-Fraktion in Liquidation wollte und konnte die ausstehenden Forderungen der Versorgungskasse ihrer Mitarbeiter nicht begleichen. Laut einem Gutachten der RZVK betrug damals die Forderungssumme stolze 5,8 Millionen Euro.

Wäre die FDP-Fraktion ein Unternehmen, hätte man das Verpulvern der Rückstellungen und Rücklagen wohl als Straftat gewertet und der damalige Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle hätte sich zusammen mit den verantwortlichen Fraktionsgeschäftsführern wegen Bankrott (§ 283 StGB) vor Gericht verantworten und auf eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren einstellen müssen. Das rechtliche Wesen einer parlamentarischen Fraktion ist jedoch umstritten und obgleich den Fraktionen eine ordnungsgemäße Buchführung vorgeschrieben ist, die Rückstellungen für drohende Verluste vorschreibt, konnte sich die FDP-Fraktion, die sich seit der Wahlniederlage 2013 in Liquidation befand, bislang ohne rechtliche Folgen aus der Verantwortung stehlen.

Schuld daran ist auch die Rheinische Zusatzversorgungskasse, die es auf Rat ihrer Anwälte hin unterlassen hat, die FDP-Fraktion rechtlich zu belangen. Aufgrund der nicht vorhanden Geldmittel der liquidierten Fraktion sei die Forderung unabhängig von deren rechtlicher Durchsetzbarkeit schlicht nicht realisierbar. Es ist sicherlich nur ein Zufall, dass der für die Abwicklung zuständige RZVK-Geschäftsbereichsleiter Zusatzversorgung offenbar ein langjähriges FDP-Mitglied ist. So kam es, dass die RZVK ihre Forderungen an die FDP ganz einfach verjähren ließ und nun die übrigen 340.000 RZVK-Versicherten den Fehlbetrag querfinanzieren müssen. Die Aufsicht der RZVK obliegt übrigens paradoxerweise nicht der BaFin oder dem Bundesfinanzministerium, sondern dem nordrhein-westfälischen Heimatministerium, das vom Koalitionspartner der FDP geführt wird.

Um die Lücke zu schließen, kürzte die RZVK zum Jahreswechsel die Ansprüche von rund 21.500 Versicherten um bis zu 25%, die sich für eine kapitalgedeckte Zusatzrente entschieden haben. Anders als beim Umlagesystem gibt es bei kapitalgedeckten Systemen einen „freiwilligen“ Anteil der Versicherer, der bei prekären finanziellen Engpässen auch schon mal gestrichen werden kann. Wäre es für die Geschädigten nicht so bitter traurig, man müsste an dieser Stelle schallend lachen – die FDP, die stets kapitalgedeckte Altersvorsorgemodelle propagiert und umlagefinanzierte Modelle verteufelt, entzieht sich mit einem rechtlich fragwürdigen Trick den Forderungen des Umlagesystems und sorgt so dafür, dass ein schlechter abgesichertes kapitalgedecktes Modell zusammenbricht. „Besser“ könnte man die Ruchlosigkeit der FDP und die Konstruktionsfehler einer kapitalgedeckten Altersvorsorge wohl kaum demonstrieren. Die ehemaligen Fraktionsmitarbeiter der FDP können nur heilfroh sein, dass die Partei ihrem eigenen Geschwätz zur Altersvorsorge keinen Glauben schenkt.

Erstaunlich mag es auf den ersten Blick sein, dass die alten Gläubiger der FDP-Fraktion leer ausgehen, obgleich die FDP doch seit 2017 wieder im Bundestag vertreten ist. Hier gibt es jedoch eine zweite Gesetzeslücke. Die aktuelle FDP-Fraktion ist rechtlich gesehen eine neue juristische Person, die nicht die Rechtsnachfolge der alten FDP-Fraktion angetreten hat und daher auch weder zivil- noch strafrechtlich für die Taten der alten FDP-Fraktion rechenschaftspflichtig ist. Die RZVK kann sich mit ihrer Forderung also nur an die alte FDP-Fraktion in Liquidation wenden, bei der es jedoch anscheinend nichts zu holen gibt. Zeitgleich greift die neue FDP-Fraktion ihren Teil von den 115 Millionen Euro jährlich ab, die die Bundestagsfraktionen vom Steuerzahler bekommen.

Man kann nur hoffen, dass der Wähler seine eigenen Schlüsse aus diesem Skandal zieht und einer Partei, bei der ordentliche kaufmännische Buchführung offenbar genauso wie Anstand und Moral ein Fremdwort ist, künftig ihre Stimme verweigert. Und wenn demnächst ein Maulheld der FDP mal wieder über Menschen herzieht, die seiner Meinung nach auf Kosten der Allgemeinheit leben, dann erinnern Sie ihn doch einfach mal daran, wer in diesem Staat tatsächlich auf Kosten der Allgemeinheit lebt.

Titelbild: Mattis Kaminer/shutterstock.com

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