Auschwitz-Gedenken gegen Russland missbraucht: „Eine Informations-Aggression gegen die Geschichte“

Auschwitz-Gedenken gegen Russland missbraucht: „Eine Informations-Aggression gegen die Geschichte“

Auschwitz-Gedenken gegen Russland missbraucht: „Eine Informations-Aggression gegen die Geschichte“

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Das Auschwitz-Gedenken wurde von vielen Medien für antirussische Verzerrungen benutzt. Auch aus der Politik kommen fatale Signale, etwa in einer EU-Erklärung. Russland will mit einer Info-Offensive antworten. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das Konzentrationslager Auschwitz wurde von der Roten Armee der Sowjetunion befreit. Gegen diesen eindeutigen historischen Fakt läuft aktuell eine Kampagne: Ganz offen werden von zahlreichen „westlichen“ Medien und Politikern diese unter größten Opfern errungenen Verdienste der Sowjetunion verschwiegen oder gar angezweifelt.

Lügen über die Vergangenheit, um die Zukunft zu „sichern“?

Versuche, die Geschichte im jeweils eigenen Sinne umzuschreiben, sind kein neues Phänomen. Was Medienkonsumenten aber aktuell erleben müssen, hat eine neue Qualität. Die Dreistigkeit der versuchten Geschichtsfälschungen – Beispiele folgen weiter unten im Text – lassen an den Satz von George Orwell aus seinem Roman 1984 denken:

„Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.“

Das ist mutmaßlich eine Motivation der historischen Verzerrungen: das Zielen auf die Zukunft. Denn die aktuellen Leugnungen der Leistungen der Roten Armee sind schnell zu enttarnen. Vielen Zeitgenossen sind die Opfer und die Errungenschaften der Sowjetunion im Kampf gegen den Faschismus noch sehr präsent. Diesem Klientel gegenüber sind die Versuche der antirussischen Geschichtsrevision nicht allzu erfolgsversprechend. Junge Generationen jedoch könnten für die Lügen empfänglicher sein.

„Eine echte Informations-Aggression gegen die Geschichte.“

Das vermutet auch das russische Außenministerium, dass sich in einer aktuellen Erklärung in die Debatte einschaltet (Original unter diesem Link, deutsche Übersetzung unter diesem Link) :

„Wahrscheinlich wollen sie Generationen heranziehen, die eine ganz andere Geschichte kennen und glauben werden. Es wird darin keinen Platz für die glorreichen Siege der Roten Armee geben, für die Niederlage der zahlenmäßig überlegenen Armee der Faschisten oder für die Opfer des sowjetischen Volkes hinter der Front.“

Die Erklärung geht außerdem auf die aktuell massiv gesteigerte Dynamik in der Geschichtsfälschung ein:

„In den letzten Tagen gab es viele Aussagen und Kommentare, sie waren absurd in ihrer Form und manchmal geradezu inhaltlich verrückt, aus denen eine enttäuschende Schlussfolgerung gezogen werden kann. Die Praxis, die Geschichte umzuschreiben, skrupellos und systematisch eine alternative Version der Ursachen, des Verlaufs und der Folgen der größten Tragödie des 20. Jahrhunderts zu verbreiten, hat entschieden an Dynamik gewonnen. (…) Es ist eine echte Informations-Aggression gegen die Geschichte.“

„Die Alliierten haben Auschwitz befreit“

Hier folgen einige Beispiele für diese „Informations-Aggressionen“ aus den vergangenen Tagen. Die Liste der Verzerrungen der Geschichte hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit – möglicherweise sind unseren Lesern noch weitere Beispiele aufgefallen. Auf den polnisch-russischen Konflikt der letzten Tage soll hier nicht näher eingegangen werden, er wird etwa im Freitag in diesem Artikel geschildert. Einige der hier präsentierten Meldungen wurden später korrigiert, aber die Wirkung wurde zunächst erzielt.

Ein empfehlenswerter Artikel auf „infosperber.ch” fasst einige der Angriffe gegen die seriöse Geschichtsschreibung zusammen. Dort wird auch eine bedenkliche Erklärung der EU-Kommission thematisiert. In der EU-Erklärung heißt es:

„Vor 75 Jahren haben die Alliierten das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit.“

Wie zum Hohn ist diese Erklärung, die fälschlich „den Alliierten“ gleichermaßen das Verdienst der Befreiung zuschreibt, mit einem Zitat von Elie Wiesel überschrieben: „Die Toten zu vergessen, würde bedeuten, sie ein zweites Mal umzubringen.“ Der Artikel von „infosperber“ weist auch darauf hin, dass beim Gedenken an die Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee weder Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier noch US-Vize-Präsident Mike Pence konkret die Soldaten der Roten Armee erwähnt hätten.

Ein infamer ARD-Kommentar, der der russischen Seite vorwirft, in Israel eine „Privatparty“ gefeiert zu haben, wurde auf den NachDenkSeiten in diesem Artikel bereits thematisiert. In dem Zusammenhang sei noch (beispielhaft auch für andere Medien) auf einen Artikel im „Tagesspiegel“ hingewiesen, in dem unterstellt wird, die Sowjetunion müsse als Befreier erst „inszeniert“ werden:

“Putin inszeniert die Sowjetunion als Befreier.“

Das russische Außenministerium weist zudem auf fragwürdige Äußerungen des ukrainischen Präsidenten hin:

„Ich möchte Ihnen sagen, dass vor diesem Hintergrund auch die Aussagen des ukrainischen Präsidenten Selensky, der die Rolle der UdSSR und des Dritten Reiches bei der „Entfesselung des Zweiten Weltkriegs“ auf eine Stufe gestellt hat, was „den Nazis erlaubt hat, die Tötungsmaschine des Holocaust anzuwerfen“, gesehen werden muss.
Das alles ist eine reale, schleichende Bedrohung.“

„Vor 75 Jahren befreiten amerikanische Soldaten das Lager Auschwitz-Birkenau“

Und der „Spiegel“ hat zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz gar geschrieben, US-Truppen hätten das Konzentrationslager befreit. Das wurde später korrigiert:

Ähnlich ist die US-Botschaft in Dänemark vorgegangen und hat zum Jahrestag der Auschwitz-Befreiung auf Dänisch (zunächst) getwittert: „Heute ist Internationaler Holocaust-Gedenktag. Vor 75 Jahren befreiten amerikanische Soldaten das Lager Auschwitz-Birkenau.“

Info-Offensive gegen historische Fake News

Dieses Vorgehen, infame Falschmeldungen „aus Versehen“ zu veröffentlichen und sie erst verzögert zu korrigieren, beschreibt das russische Außenministerium so:

„Die sogenannten „Fehler“, die die amerikanische Botschaft in Dänemark und die respektierte deutsche Wochenzeitung Spiegel auf ihren Social-Media-Seiten gemacht haben, die an die Befreiung von Auschwitz durch „amerikanische Truppen“ erinnerten, sind alle Glieder ein und derselben Kette. Diese Meldungen werden gelesen, werden repostet, sollen sich im Netz reproduzieren. Die dann folgende Entschuldigung müssen sie mit ihrem Gewissen ausmachen. Aber das Publikum wird mit solchen Fälschungen gefüttert.“

Dieser Hinweis macht auch deutlich, dass hier Medien und Politiker mit Fake News arbeiten, die das Thema Fake News ansonsten über Gebühr ausschlachten.

Russland hat angekündigt, auf die Versuche der Umschreibung der Geschichte mit einer Info-Offensive antworten zu wollen. Das wird etwa in russischen Nachrichtensendungen näher betrachtet (Original unter diesem Link, deutsche Übersetzung unter diesem Link. Auch diese Informationen der russischen Seite sollten natürlich nicht ohne Prüfung distanzlos übernommen werden.

Titelbild: igorstevanovic / Shutterstock