Kommt Trump zurück?

Kommt Trump zurück?

Kommt Trump zurück?

Udo Brandes
Ein Artikel von Udo Brandes

Wer meinte, mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden würden sich die Verhältnisse in den USA verbessern und die internationale Lage sich beruhigen: Der liegt falsch, meint Conrad Schuhler. Der Ökonom hat ein Buch über „Das neue Amerika des Joseph R. Biden“ geschrieben. Seine Einschätzung: Joe Biden sei kein „Middle Class Joe“, wie er sich selbst gerne nenne, sondern ein „Super Rich Joe“. Deshalb wird er seine Wähler enttäuschen. Und das könne Folgen haben: Trump habe wegen der unzureichenden Politik Bidens gute Chancen auf eine Rückkehr ins Weiße Haus. Udo Brandes hat das Buch für die NachDenkSeiten gelesen.

In den Medien findet man immer wieder die Erzählung, dass Trump vor allem der Kandidat der abstiegsbedrohten weißen Arbeiterklasse und der Armen sei, die sich von ihm eine Verbesserung ihrer materiellen Lage und mehr soziale Anerkennung erhofften. Die empirischen Daten allerdings zeichnen ein anderes Bild. Schuhler kommt bei der Auswertung der Wahlanalysen zu folgendem Ergebnis:

„Mit sinkendem Einkommen wird der Anteil der Biden-Wähler größer. Bei einem Jahreseinkommen von über 100.000 Dollar ist Trump der eindeutige Sieger (54% gegenüber 42% für Biden in dieser Wählerkategorie; UB). Je reicher, desto eher wählen die Reichen – eindeutig besser ausgebildet, eindeutig die Teilhaber am urbanen Lebensstil – den Proll im Weißen Haus, der sich als Anti-Establishment-Krieger und Anführer der Abgehängten ausgibt. Das spricht einerseits für das materielle Verständnis dieser Schicht (der Reichen; UB) für Politik: Humanität nur, soweit die sich nicht profitmindernd auswirken würde. Andererseits indiziert es den Widerstand dieser Klasse gegen jede Art von Sozialdemokratisierung, die von der Politik versucht würde. Je mehr Geld man hat, um so eher verlieren diese Schichten offenbar die Scheu davor, mit Casino-Betreibern und bekennenden Frauenschändern wie Trump für reaktionäre Politik zu sorgen“ (S. 14).

Schuhler kommt zu dem Ergebnis, dass Biden bei einer Politik, die entschieden auf Reformen hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit dringt, mit der Unterstützung der Armen und der schlechter Bezahlten rechnen kann. Die Wählerbasis der Demokraten seien die Bezieher von weniger als 100.000 Dollar Jahreseinkommen (51% in der Kategorie „50.000 bis 100.000 Dollar“; 55 % in der Kategorie „weniger als 50.000 Dollar“). Drei von fünf Wählern würden bei Steuererhöhungen für Reiche und Konzerne hinter Biden stehen. Schuhlers Schlussfolgerung daraus:

„Es geht mithin weniger darum, die republikanische Senatsfraktion unter Mitch McConnel zum Einverständnis mit Regierungsprogrammen zu bringen, als viel mehr darum, eine vorhandene Vielzahl an Bürgern ohne großes Einkommen und Vermögen für die Sozialprogramme zu mobilisieren“ (S. 14) .

Wir sind Kapitalisten. So sieht’s aus“

Das ist einerseits richtig. Das Vorbild dafür war Roosevelt mit seiner Politik des New Deals. Aber wie Schuhler in Kapitel 6 selber schreibt: Biden ist kein Roosevelt. Er will nicht wirklich etwas ändern und die gesellschaftlichen Verhältnisse antasten. Auch mit Biden bleiben die Reichen in den USA reich und die Armen arm. Deshalb ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Bidens Billionen-Investitionsprogramm nach Schuhlers Auffassung zwar grundsätzlich an den richtigen Stellen ansetzt, aber bei weitem nicht ausreicht. Biden bleibe mit den von ihm geplanten zwei Billionen Dollar an Investionen für die Modernisierung der maroden Infrastruktur und die Schaffung neuer Arbeitsplätze weit hinter seinen Versprechen im Wahlkampf zurück.

„Bevor er in das Weiße Haus einzog, hielt er mindestens das Doppelte an Investitionen und sozialen Leistungen für unerlässlich“ (S.88).

Aber auch diese Summe sei nach Auffassung amerikanischer Ökonomen viel zu gering. Mindestens das Zehnfache sei nötig, um wirklich etwas zu verändern (S.68). Biden aber hat schon Probleme, sein reduziertes Programm im Umfang von zwei Billionen Dollar durchzubekommen: Wie die Abstimmung über das große Investitionsprogramm Bidens für Infrastrukturmaßnahmen in Höhe von 550 Milliarden Dollar gezeigt hat (siehe dazu den Bericht der Tagesschau hier), kommt der Widerstand gegen eine sozialere Politik allerdings nicht nur von den Republikanern, sondern auch aus den Reihen der Demokraten selbst. Und das sollte einen nicht verwundern. Die Demokratin Nancy Pelosi, langjährige Fraktionsführerin der Demokraten, heute Sprecherin des Repräsentantenhauses, antwortete 2018 einem Studenten auf seine Frage, ob die Demokraten nicht besser von rechten Wirtschaftsdogmen abrücken sollten: „Wir sind Kapitalisten. So sieht’s aus“. (siehe hier).

Das neue Amerika des Joe Biden ist das alte Amerika

Und der Tenor von Schuhlers Buch ist derselbe: Das neue Amerika des Joe Biden ist das alte Amerika: Eine Gesellschaft mit einer extremen sozialen Ungleichheit, das ein Steuerparadies für die Reichen und Superreichen ist. Dies belegt er sehr schön mit den Einkommens- und Steuerdaten: Der Spizensteuersatz, der in den USA ab 1 Million Dollar berechnet wird, beträgt 39,6% – genauso viel wie unter Trump. Zum Vergleich: Unter Roosevelt lag der Steuersatz für Einkommen ab 1 Million Dollar bei 77%, und ab 10 Millionen Dollar bei 79%. Dazu muss man noch eines wissen: Nach Schuhlers Darstellung existieren die Steuersätze der Reichen nur auf dem Papier. Sie vermeiden Steuerzahlungen mit legalen Tricks:

„Der Trick ist einfach. Um seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren, wird Jeff Bezos (der Amazon-Gründer; UB) nicht seine im Wert himmelhoch gestiegenen Wertpapiere veräußern, er wird vielmehr einen Kredit aufnehmen und die Kreditzinsen sogar als einkommensmildernd von seiner Steuerlast abziehen“ (S.135).

Die Folge ist eine geradezu absurde, im Grunde genommen geradezu perverse Steuer-Ungerechtigkeit:

„Die Millionäre und Millardäre können mit großer Ruhe und Zufriedenheit dem Treiben der Biden-Mannschaft im Weißen Haus zusehen. Statt Middle Class Joe, wie er sich selber gerne nennt, könnte Biden auch Super Rich Joe getauft werden, denn die Superreichen haben am meisten von ihm. Jeff Bezos hat 2020 einen Vermögenszuwachs von 99 Milliarden Dollar erzielt. Seine Steuerquote betrug 0,98 %. Warren Buffet zahlte für den Zuwachs von 24 Milliarden Dollar genau 0,1 % Steuern. Die Gesamtheit der US-Milliardäre hat im letzten Jahr ihr Vermögen von 2,9 Billionen Dollar auf 4,4 Billionen Dollar erhöht und dafür so gut wie keine Steuern gezahlt“ (S.135).

Trump ante portas

Deshalb ist Schuhler der Auffassung, dass Donald Trump noch nicht Geschichte ist:

„Ein wachsender Teil identifiziert sich mit der Wut und Rüpelhaftigkeit eines Typen wie Trump, der offenbar vorhat, wieder in die politische Arena zu steigen. Je größer Armut und Hoffnungslosigkeit sich im großen unteren Bereich der USA ausbreiten und je öfter sie die Devise der progressiven Neoliberalen vernehmen – Respekt ja, aber keine Verbesserung eurer materiellen Lage –, desto mehr werden sich diese Menschen hinter einer rechtsextremen, xenophoben, faschistoiden Figur wie Trump versammeln. Die Gefahr des Faschismus in den USA – der in den Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts mit der Galionsfigur des Atlantikfliegers Charles Lindbergh schon einmal die US-Gesellschaft bedroht hat – ist nicht gebannt. Das Hochjubeln der Reformen Bidens zu Roosevelt’schem Format wird die Enttäuschung über die mageren Resultate umso größer werden lassen“ (S.81).

Bidens außenpolitische Doktrin

Dazu stellt Schuhler mit Bezug auf ein Grundsatzpapier von Bidens Regierung fest:

„Die Biden-Doktrin ist simpel. Es gibt zwei Blöcke, hie die Demokratien, angeführt von Amerika, und dort die Autokratien, angeführt von Leader China und dem ersten Adjutanten Russland. China mit seinem Mangel an Demokratie, wird vom Block der Demokratien, angeführt vom strahlenden Vorbild USA, ein für alle Mal abgehängt (to outplace heißt die Vokabel im offiziellen Dokument). Im Einzelnen wird das noch in viele Richtungen verfeinert, aber der Kern bleibt bestehen. : Zwei Systeme im Kampf um globale Dominaz, ein Sieger, der heißt: der Amerika-Block“ (S.112).

Schuhlers Schlussfolgerungen

Innenpolitisch wird Biden scheitern, weil er überhaupt nicht die Absicht hat, die gesellschaftlichen Machtverhältnisse wirklich zu verbessern. Und das, was er tatsächlich an guten Ansätzen zu bieten hat, wird vermutlich auch scheitern, weil er den sogenannten Filibuster (das Blockieren von Gesetzen durch Dauerreden im Senat) nicht aufheben will und deshalb auf eine Einigung mit den Republikanern angewiesen ist. Deshalb habe Trump durchaus Chancen, wieder ins Weiße Haus zurückkehren zu können. Und man müsse befürchten, dass sich in den USA ein Faschismus entwickle. Die Außenpolitik Bidens sei aggressiv und gefährlich. Denn China sei entschlossen, die ideologische Arroganz des Westens nicht mehr hinzunehmen. Militärische Kollisionen im Pazifik seien an der Tagesordnung. Und „keine Seite kann einen Zwischenfall ausschließen, der in jedem Fall das Zeug zu einem größeren Konflikt in sich trägt“ (S. 148).

Mein Resümee

Stilistisch ist das Buch nicht gerade das große Lesevergnügen. Schuhler benutzt manchmal seltsame Formulierungen („im Widereinander“ USA gegen China; S. 109); sein Satzbau mutet mich an einigen Stellen ebenso seltsam an. Um so klarer und eindeutiger sind seine Urteile. Da scheut Schuhler auch nicht vor einer bisweilen polemischen Sprache zurück (z. B. Formulierungen wie „schwachsinnig“ oder „der Proll im Weißen Haus“). Das Buch enthält auch widersprüchliche Argumentationen. Einerseits befürchtet Schuhler, dass Trump erfolgreich ist und wieder das Präsidentenamt erobert. Andererseits behauptet er, dass die „Moderne“ für Biden arbeite. Darunter versteht er, dass der größer werdende Anteil von College-Absolventen an der Bevölkerung zum Nachteil von Trump sei. Das Chinabild Schuhlers scheint mir etwas rosarot verzerrt zu sein. Er vergleicht den politischen Entscheidungsprozess in China mit denen westlicher Demokratien und verweist darauf, dass die Zielsetzungen und Pläne der Kommunistischen Partei Chinas jeweils jahrelang vorab an der Basis der Partei diskutiert worden seien. Und dies seien immerhin 92 Millionen Mitglieder, also 6,4% der Bevölkerung, während alle im Bundestag vertretenen Parteien zusammen es nur auf 1,35% der Bevölkerung brächten. Und dann fragt er:

„Sind sie deshalb weniger demokratisch als die Verfahren von Parteien, die zu Wahlzwecken Programme aushecken, die marketingmäßig bearbeitet und von Verkaufsprofis an den Mann oder die Frau gebracht werden, um sodann in Koalitionen oder in Absprachen mit dem Gegner im Parlament mehrheitsfähig gemacht zu werden? Nach dem selbstironischen Motto: Wie versprochen, so gebrochen?“ (S. 129).

So sehr ich Schuhlers Frustration in Bezug auf den Zustand unserer Demokratie verstehen kann: Was den Grad der individuellen Freiheit angeht, möchte ich trotz der negativen Entwicklung, die wir insbesondere in Zusammenhang mit der Corona-Politik bei uns in den letzten Jahren erlebt haben, doch lieber in Deutschland als in China leben. Fazit: Schuhlers Buch ist sehr informativ, gespickt mit Zahlen, Daten und Fakten und insofern lesenswert. Und wie die Berichte zu Bidens erstem Amtsjahr belegen: Schuhler hat weitgehend recht mit seinen Einschätzungen Bidens und seiner Politik. Aber wie gesagt: Stilistisch ist sein Buch nicht unbedingt der große Lesegenuss.

Conrad Schuhler: Das neue Amerika des Joseph R. Biden, PapyRossa Verlag 2021, 163 Seiten, 13,90 Euro.

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