Leserbriefe zu „Ukraine-Krieg – Was ist eigentlich das Ziel des Westens?

Ein Artikel von:

Jens Berger vertritt hier die These, wonach ein Ende des Ukraine-Krieges „nicht nur nicht in Sicht, sondern wahrscheinlich vom Westen auch gar nicht gewollt“ sei. Jede Verlängerung des Krieges würde das Leid der Zivilbevölkerung vergrößern. Waffenlieferungen würden das Leid noch weiter vermehren. Die Washington Post habe über Pläne der US-Regierung berichtet, „die Ukraine zu einem neuen Afghanistan für Russland zu machen“. Deutschland sei in diese Strategie eingebunden. Abschließend wird u.a. gefordert zu erkennen, dass „der Westen“ nicht homogen sei, Deutschland und Frankreich sich „von den USA und deren Vasallen in Osteuropa emanzipieren“ sowie „auf Russland zugehen und als ehrlicher Makler einen dauerhaften Frieden verhandeln“ müssten. Zahlreiche Leserinnen und Leser haben uns dazu gemailt. Danke. Hier eine Auswahl der Leserbriefe. Zusammengestellt von Christian Reimann.


1. Leserbrief

Guten Tag, Herr Berger,

was jetzt unmittelbar zu geschehen hätte, nämlich zu verhandeln und zu deeskalieren, das sehe ich ziemlich genau so. Realpolitisch geschieht das Gegenteil: Völlig Durchgeknallte wie Merz fordern heute den Einstieg der NATO in den Krieg. Das sind die Gewählten, die Schaden vom deutschen Volk abwenden sollen!? Man glaubt es nicht. Ich würde noch zwei Fragen anschließen wollen: Was sind die deutschen Interessen bei dieser ganzen Angelegenheit jenseits der offenbaren “Hinterlist einer lichtscheuen Politik (Kant)? Dafür finde ich keine Erklärung, zumal unsere Wirtschaft durch diese Chose auf Sinkflug gehen wird. (Im Osten ist das bereits der Fall, was manche obsessive Russophobie erklärt. Siehe dazu auch die heutige aufklärende Analyse von Flassbeck). Die zweite Frage lautet: Warum bringt uns gerade eine politische Konstellation unter der Beteiligung von Spezialdemokratie und grünen Bellizisten zum zweiten Mal sicherheitspolitisch ins Fiasko? Das scheint mir kein Zufall mehr zu sein. Wenn Emporkömmlinge Weltpolitik spielen wollen – ganz schlecht!

In diesem Sinne grüße ich Sie
hgg


2. Leserbrief

Lieber Herr Berger,
 
ich meine, dass Sie sich irren, wenn Sie schreiben, dass “der russische Bär in eine Falle getappt sei”. Putin-Russland agiert aufgrund von Weltmachtambitionen und latenter Angst vor einem “Regime-Change”. Die immer intensivere Unterstützung der Ukraine durch den “Westen” machte aus dieser Sicht eine Intervention unausweichlich. Um eine Wiederholung der politischen Entwicklung in der Ukraine seit 2014 zukünftig auszuschließen, wird es Putin-Russland nicht ausreichen, die Ukraine zu “neutralisieren”. Die USA wollen dies aber auch nicht, weil sie sich als Sieger des Kalten Krieges betrachten und nach dem Wiederaufstieg Russlands in den letzten 15 Jahren dieses nun endgültig zur Strecke bringen wollen.

Leider ist die Ukraine dumm genug, ihr Land zum Schlachtfeld zwischen Russland und den USA zu machen. Uns stehen also lange Jahre einer offenen Konfrontation bevor, die (theoretisch) frühestens nach den nächsten Präsidentenwahlen in den USA oder nach einem Ableben von Putin enden kann. Im Übrigen hat Deutschland keinen entscheidenden Einfluss, weil es nicht unabhängig ist; und schließlich hat Bundeskanzler Scholz bei weitem nicht das außenpolitische Format eines Bismarck.
 
Hae-Joo Chang


3. Leserbrief

Lieber Jens Berger,

die Überlegungen zu dem Krieg in der Ukraine, dem was eigentlich auf realistischer Basis für die Menschen dort und auch für die angreifenden russischen Soldaten am besten wäre, kann ich nur zustimmen und ist mir aus der Seele gesprochen. Diese Menschen werden zermalmt von auf der einen Seite den Interessen der USA sowie Europas unter der Führung Deutschlands, Russland zu schwächen, um es besser händelbar zu machen für die jeweiligen Interessen.
Den USA und der von ihr dominierten NATO ist es immer noch ein Dorn im Auge, dass Russland immer noch die Möglichkeit hat, eine ernsthafte Bedrohungslage für ihr Land zu sein durch das Atompotenzial, das sie von der SU geerbt hat. Dieses Potenzial wird durch Einkreisung und Vorrücken der verschiedenen Waffensysteme auf bisherige Ländern des Warschauer Paktes zunehmend wertlos gemacht und für die USA rückt die Möglichkeit eines Krieges mit jedem Schritt näher.
Europa hat sich von Frankreich und Deutschland aus aufgemacht, diesen Kontinent zu dominieren. Da passt ein ökonomisch starkes und militärisch potentes Russland nicht in die Konzeption. Das sind die ‘eigentlichen’ Interessen von Deutschland und Europa. In diesem Sinne widerspreche ich auch der Beurteilung der Lage durch dich.

Diese Interessenslage findet leider in dem ‘Freiheitswillen’ der Ukrainischen Regierung einen willigen, das eigenes Volk und die dort lebenden Menschen verheizenden Kämpfer im Interesse der Mächte USA und Europa. Insofern stimme ich dir wieder zu.
Leider sind nicht nur die Regierung, sondern auch ein großer Teil der ukrainischen Menschen bereit, sich vor diesen Karren der Regierung als auch des Westens spannen zu lassen. Sie (und auch viele russische Soldaten) sterben in diesem Krieg, der von westlicher Seite dazu dient, Russland ökonomisch und politisch zu schwächen. Russland sieht sich als Weltmacht herausgefordert in seiner Bedeutung und will sich dieses Näherrücken der NATO nicht länger gefallen lassen.

Das ist der Zustand unserer ach so geliebten freien kapitalistischen Welt. Die kann man nicht dadurch verbessern, indem man sich auf eine Seite dieser Feinde schlägt, sondern man muss die Grundlage dafür angehen, die in der Existenz der von Nationalstaaten gewaltmäßig organisierten kapitalistischen Ökonomie besteht.

Insofern widerspreche ich deiner “falschen” Solidarität, weil nämlich dieses Sterben tatsächlich auch im Sinne von Uschis und Olafs Europa stattfindet.

H.M. O.


4. Leserbrief

Einige Gedanken zum Artikel von Jens Berger:

Ukraine-Krieg – Was ist eigentlich das Ziel des Westens?

Den USA geht es um die Erhaltung der seit dem Untergang der Sowjetunion unipolaren Welt mit ihnen als alleiniger Führungsmacht. Daneben gibt es nur noch Vasallenstaaten. Rußland geht es um eine neue (mindestens) bipolare Weltordnung in der es (vielleicht zusammen mit China) einen der Pole repräsentiert. Aus russischer Sicht sind die USA zur Zeit schwach. Sie haben ihre Kräfte in den letzten Kriegen verschlissen. Innenpolitisch sind die Schwierigkeiten nicht zu übersehen. Der Präsident sitzt auf seinem Stuhl auf Abruf.

Primär geht es Rußland nicht um die „abtrünnigen“ Volksrepubliken oder die Nazi-Ukraine schlechthin, sondern es geht ums Ganze. Rußland will zurück auf die Bühne der Weltmächte. Deshalb wird es die Aktion bis zum Schluß durchziehen. Es hat den Anschein, daß sie ihr Vorgehen bis ins Detail – auch was die Sanktionen betrifft – geplant haben. Die USA werden keinen einzigen Soldaten in der Ukraine opfern, d.h. auch keinen NATO-Soldaten. Sie allein bestimmen, wer dorthin geht und nicht der NATO-Oberbefehlshaber oder gar der Bundeskanzler. Deshalb wird es auch nicht zum großen Krieg kommen. Getreu der USA-Doktrin muß eine Annäherung zwischen Deutschland und Rußland unbedingt verhindert werden, sonst büßen sie mit Sicherheit ihre Vorherrschaft ein. Der Ukraine-Konflikt liefert dafür die geeignete Basis: Das Verhältnis zwischen Rußland und Deutschland wird auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte beschädigt. Deutschland und die EU müssen die Drecksarbeit für die USA erledigen und manche aus dem rechten Lager hoffen im Stillen noch ein paar Ergebnisse des II. Weltkrieges revidieren zu können. Ganz gleich, wie die Krise ausgeht, die USA haben nach ihrer Sichtweise jetzt schon gewonnen. Die Ukraine haben sie bereits abgeschrieben. Die Brücken zwischen Deutschland und Rußland sind nahezu alle abgebrochen.

Putin ist weder ein Faschist noch ein Ersatz-Lenin für stehengebliebene Linke. Er ist einfach der Staatschef eines der größten Länder der Welt. Sollte Rußland sein Ziel erreichen, so gäbe es immerhin die Hoffnung, daß die USA in der Welt nicht mehr als der alleinige Herrscher auftreten können. Andernfalls werden sie jeden, der sich ihnen in den Weg stellt, genauso behandeln, wie sie das bisher getan haben.

Dr. Günter Pelzl


5. Leserbrief

Lieber Herr Berger, soeben las ich Ihre Ausführungen zum Ukraine-Krieg.

Dieser Krieg hat mich sehr betroffen und verunsichert.

Ihre klare und streng faktenbasierte Argumentation hat mir das Denken entkrampft, so dass ich mich gestärkt fühle, nun gerade in meinem Umfeld aktiv und mit nötiger Sicherheit das Gespräch zu suchen.

Vielen Dank, Ihr Dr. Gottfried Lobeck


6. Leserbrief

Hallo Herr Berger,
 
insgesamt muss man Ihrer Analyse zustimmen, nur sollte die Frage ehrlicherweise lauten: Was ist eigentlich das Ziel der USA?
 
Den Westen gibt es nicht, es sind nur noch die USA und Ihre Vasallenstaaten. Einzig Frankreich versucht es mit Diplomatie, doch anstatt die Achse Paris-Berlin zu stärken, verfällt der Kanzler der SPD in schlimmste Rhetorik. Bei der SPD sollte man nun die Konsequenzen aus dieser Rede und der katastrophalen Außen- und Friedenspolitik der letzten 30 Jahre ziehen. Die Parteizentrale muss umbenannt und die Statue von Willy Brand aus dem Foyer entfernt werden. Ich spüre Trauer, Wut und Angst wenn ich die letzten Entwicklungen sehe und was aus dem Erbe der Friedenspolitik dieses Politikers gemacht wurde.
 
Aber was ist das Ziel der USA? Nun, der eigentliche Gewinner sind die USA. Wie beschrieben wird Russland geschwächt und die Vasallen rücken noch näher an die USA ran. Das war das kurz- bis mittelfristige Ziel der USA. Mit einem geschwächten Russland kann man sich dem eigentlichen, großen Gegner zuwenden: China. Das ist das Ziel!
 
Dieser Gegner wird als weitaus gefährlicher eingeschätzt und verlang vollkommene Aufmerksamkeit. Da hilft es, wenn Russland geschwächt, beschäftig, isoliert ist. Das Schicksal der Ukraine und alles was mit einem möglichen Konflikt in Europa zu tun hat spielt keine Rolle, solange man von dort keine Probleme zu erwarten hat. China werden sich die USA vornehmen.
 
Die regionalen Verbündeten der USA dort werden nur eine untergeordnete Rolle spielen, wie schon in Europe. Bis auf mögliche lokale Konflikte unter Federführung der USA, die immer gerne weit weg vom Heimatland auf dem Boden anderer Staate ausgeführt werden.
 
Es ist nun überdeutlich, dass die USA eine weltweite Vormachstellung anstreben. Schritt für Schritt werden Konkurrenten und Gegner entfernt. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit bis sich die NATO nach Asien und in den Pazifikraum ausdehnt. Oder USA-treue Bündnisse miteinander verschmelzen. In China wird man die amerikanische Vorgehensweise genau beobachten, analysieren und wahrscheinlich Gegenmaßnahmen ergreifen.
 
Leider waren Diplomatie, vertrauensbildende Maßnahmen, miteinander Reden und aufeinander zugehen Ideen von gestern. Ich denke nicht, dass ich pessimistisch sondern eher objektiv bin und die Entwicklungen auch so beurteile. Leider führt das dazu, dass ich für die Zukunft eher schwarzsehe. Es wird nicht friedlicher werden in der Welt.
 
Mit freundlichen Grüßen
J. Willing


7. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktion der Nachdenkseiten,

vielen Dank für die wirklich tollen Artikel, die Sie als Redaktion regelmäßig liefert.

Ganz besonders hat mich der Artikel von Jens Berger” Ukraine-Krieg – Was ist eigentlich das Ziel des Westens?” angesprochen, der sehr wertvolle, aktuelle wie auch essentielle Informationen, aber auch Handlungsempfehlungen für unsere westlichen und v.a. auch deutschen Politiker ableitet.
Dieser Artikel ist darüber hinaus sehr gründlich und genau recherchiert und bringt die relevanten Fakten auf den Tisch.

Ich wünschte mir, dass unsere verantwortlichen Politiker aus diesem Text wenigstens die eine oder andere Handlungsempfehlung umsetzen würden.

Bitte leitet ihn allen Entscheidungsträger in Berlin zu, mit der eindringlichen Bitte, sich mit seinen Inhalten ernst- und gewissenhaft auseinander zu setzen.
(wenn das nicht eh von der Redaktion vorgesehen ist!)

Vielen Dank!!

Mit freundlichen Grüßen
Harald Meier


8. Leserbrief

Lieber Herr Berger, liebes Team der Nachdenkseiten,

vielen Dank für Ihre Analyse, die auf jeden Fall realistischer ist als das, was sonst so durch die Medien geistert. Dennoch halte ich es für möglich, dass Ihre Überlegungen zu kurz greifen.

Warum haben Scholz und Macron es nicht geschafft, Selenski dazu zu bringen, Minsk 2 umzusetzen?

Warum durfte Selensky mit der Aufkündigung des Budapester Memorandums drohen, ohne damit den kleinsten Widerspruch vernehmen zu müssen?

Könnte es mit den Fortschritten zusammenhängen, die bei der Belt and Road Initiative Chinas,  mit der Schanghai Organisation für Zusammenarbeit und RCEP in letzter Zeit erreicht wurden? Die Kooperation der europäischen und insbesondere der deutschen Industrie mit Asien wurde geschäftlich interessant und verspricht bessere Profite als in den im Niedergang befindlichen USA. Mit einem Krieg in der Ukraine wird Europa auf absehbare Zeit an die USA gebunden. Zaghafte Versuche Frankreichs und Deutschland auszubrechen sind beendet. Nimmt man diesen Hintergrund einmal an, hat das eine ganze Reihe von Konsequenzen für Überlegungen zum Warum.

Wir erinnern uns an die stete Zunahme der der Intensität und Vehemenz der Warnungen von Seiten der USA über eine bevorstehende Invasion Russlands in der Ukraine. Mir fällt an dieser Stelle die Rede George Friedmans beim Chicago Council on Global Affairs am 4. Februar 2015 (www.youtube.com/watch?v=QeLu_yyz3tc). Bei 58:40 min spricht er zur Rolle der USA im ersten Golfkrieg zwischen Irak und Iran, auf die Rolle Deutschlands  geht er bei 01:08:14 ein. Auch die Studie der RAND Corporation „Overextending and Unbalancing Russia – Assessing the Impact of Cost-Imposing Options” von 2019 lässt vermuten, dass die USA nicht ganz unbeteiligt sind. Das ist auch nicht sehr verwunderlich. Die USA sind die großen Gewinner in der gegenwärtigen Situation.

Mit freundlichem Gruß
Andreas Holländer


9. Leserbrief

Russland sei in eine Falle getappt. Dazu stellen sich mir ein paar Fragen:

Warum ist Russland nicht aktiv an der Westgrenze der Ukraine?

In jedem Krieg wird doch sofort versucht, den Nachschub des Gegners zu verhindern.
Was ist das für eine Taktik – sind die Russen dumm oder doch cleverer als man hier denkt?
Könnte es nicht auch sein, dass auch Deutschland in eine Falle getappt ist?
Lieferung von Waffen zum Kampf gegen Russland ist doch de facto eine Kriegserklärung gegen Russland?

So kann man es auch sehen – Deutschland befindet sich im Krieg gegen Russland.
Wenn die Russen das so sehen, dann kommt es nicht gut.

Lorenz Rawyler


10. Leserbrief

Sehr geehrtes Nachdenkseiten-Team,
 
auf folgenden Aspekt Ihres Artikels möchte ich eine alternative Sichtweise anbieten. Sie schreiben:
„Deutschland und Frankreich können kein Interesse an einem „neuen Afghanistan“ vor der eigenen Haustür haben und sollten auch an einer neuen Hochrüstungsspirale und einem „Eisernen Vorhang“, der Mittel- und Osteuropa dauerhaft trennt, kein Interesse haben.“
 
Wie kommen sie darauf, das D und F kein Interesse an einem neuen Afghanistan für Russland haben könnten? Was spricht für und was spricht gegen Ihre Annahme?
 
Zuerst das dafür:

  • Krieg, Leid und Elend will kein Mensch
  • Massen an Flüchtlingen aus der Ukraine belasten die anderen Länder Europas
  • Diplomatie mindert Spannungen und sollte Vorrang haben
  • Europa ist von Energielieferungen aus Russland abhängig
  • Hochrüstung kostet viel Geld und bindet viele Ressourcen

 
Nun das dagegen:

  • Vladimir Putin könnte Innenpolitisch durch einen solchen Krieg abdanken müssen. Eine Marionette könnte bereits warten und Rohstoffe zu Ramschpreisen gen Westen liefern.
  • Waffenexporte und eine Aufrüstung belebt die Rüstungsindustrie und schafft Arbeitsplätze

 
Wenn ich mir das Für und Wider so anschaue, kann ich mir folgendes Szenario vorstellen:

Die USA wollen einen Regime-Change in Russland (Putin soll weg) erreichen um eine Marionette a la Jelzin zu installieren und versprechen ihren Vasallen in Europa russische Energie zu Ramschpreisen, wenn Sie bei der Sache mitmachen. Aufgrund der hohen Abhängigkeit von russischen Rohstoffen und dem glaube an die Durchsetzungskraft der USA (Jelzin hat gezeigt, dass das funktioniert) spielen alle Europäer mit. Enormes Leid der Ukrainer wird von der Politik in Kauf genommen und von der westlichen Öffentlichkeit mit Demonstrationen in Fastnachtskostümen und mit Lichterketten beantwortet. Ende komplett offen. Von extrem verteuerten Energielieferungen von Seiten Russlands bis zum Sturz von Putin und Gas zum Ramschpreis ist alles drin. Maximales Risiko bei maximalen Gewinnchancen. Bedeutung von Moral und Werten in diesem Spiel der USA und des Westens: 0 %.
 
Was meinen  Sie? Realistisch oder doch nur Fantasie?
 
MfG
Rainer


11. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

Ich möchte vorwegschicken: In wesentlichen Teilen stimme ich mit Ihnen überein: Falsche Solidarität, Verhandlungen, Deeskalation, Gefahr eines Dauerkrieges, Dominanz der USA-Interessen.

Aber doch möchte ich eine Kritik anmelden. In Ihrem jüngsten Beitrag scheint es mir eine verkürztes Denken zu geben.

In meinem Verständnis fehlt etwas an der Kritik und Verurteilung Russlands auf den Nachdenkseiten (und anderen Portalen): Einerseits stellen Sie den Völkerrechtsbruch Russland heraus („verbrecherisch“), stellen aber auch fest, dass der Westen und die Ukraine über Jahre provozierten, Sicherheitsgarantien für Russland verweigerten. Sie stellen auch fest, dass von ukrainischem Boden Raketen auf Russland abgeschossen werden könnten, vielleicht sogar Atomraketen, wenn es nach dem ukrainischen Präsidenten ginge (seine Rede auf der Münchner „Sicherheits“Konferenz). Auch wird anerkannt, dass die russischstämmige Bevölkerung schon seit vielen Jahren enormem Druck ausgesetzt sei, Rechtsextremisten und Faschisten die Bevölkerung terrorisierten. Andererseits aber heißt es, als Russland zur militärischen Tat schreitet, »der russische Bär [sei] in die Falle getappt«. Falls Russland in eine Falle getappt sein sollte, dann ist es auch eine des Völkerrechts; denn wie kann es sein, dass der Westen alles unterlässt, was Bestandteil eines zivilen Umgangs der Völker zu sein hätte: Einander Zuhören als Zeichen des Respekts. Ausgleich von Interessen. Acht (!) hat Russland gebeten und gebettelt plus Jahre davor in den bekannten Putinreden. Das Weghören des Westens ist enorm: Die Anerkennung einer Putschregierung, Missachtung des Minsker Abkommens, Duldung der ethnischen Verfolgung und Missachtung russischstämmiger Menschen. Falls das alles völkerrechtlich nicht zu fassen sein sollte, dann stimmt doch etwas mit dem Völkerrecht nicht. Dabei gibt es doch sogar in einem Abkommen den Passus, dass keine Vereinbarungen zwischen Staaten getroffen werden dürfen, die die Sicherheit eines anderen beeintärchtigen …

Was tut Herr Berger, wenn auf seinem Nachbargrundstück feindseliges Inventar aufgebaut wird, wenn man anfängt, in seinem Vorgarten Leitungen zu verlegen, die geeignet sind, sein Haus zu beschädigen und die Bewohner umzubringen? Anders gefragt: Was hätte Russland tun können und sollen, wenn doch nachweislich (Autoren wie Jens Berger ja auch zeigen) der Westen nie bereit war, über Sicherheitsgarantien auch nur zu reden? Sie, die Autoren, müssten doch zeigen, wo Russland Möglichkeiten ausgelassen hat. Dieser Nachweis fehlt. Damit ist aber doch hinfällig (bis zum Beweis des Gegenteils), dass Russland in eine Falle getappt sei. Kann sein, dass es am Ende so kommt. Aber vorher sollten Herr Berger und andere doch bitte erklären, was Russland hätte tun können. Raketen zulassen, die eine Bedrohung sein könnten? (Was sollten sie sonst sein?) Die Einkreisung unkommentiert lassen? Putin zum Jelzin machen? Ich bin gespannt auf eine Antwort.

Mit freundlichen Grüßen, Jürgen Mietz


12. Leserbrief

Liebe NDS, lieber Jens Berger, 1. wenn wir von den USA reden, sollten wir nicht vom Westen reden, und umgekehrt. 2. wir haben nicht das Recht, geschichtslos vom 24.Februar 03.00h an zu ueberlegen, was. Los ist und was zu tun ist. Der Krieg hat 2014 mit dem raschen Vormarsch der nationalistischen Verbände in die russischsprachigen Gebiete, die Waehlerbasis der Partei der Regionen der Ukraine und ihres Praesidenten Janukowitsch, begonnen. Nie ging es dabei ums Ueberzeugen, immer ums Niederwerfen und Einschüchtern. Die Einwohner von Mariupol, Slawjansk und Kramatorsk hatten sich ebenso wie die in Lugansk, Gorlowka oder Donezk demokratisch gegen die Maidan-Ukraine entschieden, welche die regionale Gleichsetzung des Russischen wieder abschaffte – sie wurden militaerisch bezwungen, ihre Kämpfer zum Rückzug nach Lugansk und Donezk gezwungen. Dort kam es nach beseitigen Vorstoessen der Ukrainer bis zur Staatsgrenzen zum Stellungskrieg, der nun 8 Jahre andauert, länger als jeder andere jemals. In diesen 8 Jahren sind 14.000 Menschen, grossenteils Zivilisten auf der “russischen Seite” des Konflikts, ums Leben gekommen. BEIDE SEITEN STIMMTEN DARIN ÜBEREIN, DASS DAS NICHT SO WEITER GEHEN KÖNNE. Das ukrainische Parlament beauftragte die Regierung, den Donbass und die Krim zurueckerobern! Rund 130.000 Mann wurden vor den beiden separatistischen Volksrepubliken zusammengezogen. Ab 17. Februar verstärkte die ukrainische Armee von Tag zu Tag den Beschuss, und die Volksrepubliken meldeten Angriffsvorbereitungen; die Ukraine verlangte Tausende Minensuchgeraete von Deutschland! Niemand, der eine verminte Stellung verteidigen will, braucht solche Geräte!

In dieser Situation erst, auch durch Kommunisten und Ultranationalisten in der Duma unter Druck gesetzt, gab nach einer Woche tagtäglich zunehmenden Beschlusses von Donezk, Lugansk, Gorlowka, Hinweisen auf Angriffsvorbereitungen usw. Putin die Anerkennung der 2 VR sowie die Berücksichtigung ihres Wunsches nach gemeinsamen Abwehr des bevorstehenden Angriffs bekannt!

  1. Der Angriff war voelkerrechtswidrig m. E. genau so wie die 7jaehrige Nichteinhaltung des UN-Sicherheitsratsbeschlusses ueber “Minsk II” durch Kiew, militaerisch natuerlich verheerend – mit grosser Ähnlichkeit zum israelischen Praeventivschlag am 6.Juni 1967 gegen Ägypten und Syrien. Nicht weniger, aber auch nicht mehr!
  2. “Der Westen” will (eigentlich)ganz Verschiedenes: insofern ist die Frage so sinnlos wie etwa eine, was die Staaten Europas 1812 oder 1941 wollten – sie hatten sich doch alle der angriffslustigen Grossmacht untergeordnet und ihre eigenen Interessen bzw. Ziele geopfert und “sangen nun im Chore”. Die USA wollen jetzt keinen grossen (Atonwaffen-) Krieg, wohl aber ein russisches “Afghanistan Nr. 2” – einen Kampf bis zum letzten Blutstropfen des letzten ukrainischen Soldaten oder Partisanen (in Galizien und Wolynien – im erst 1939 sowjetisierten Westen der Ukraine- leben die Traditionen des antisowjetischen, antirussischen und antipolnischen Widerstandes fort, dort ja liegt auch die Waehlerbasis der Swoboda-Partei). Hierbei soll Russland auch dadurch geschwächt werden, dass seine Verbindungen zu EU- und anderen westlichen Laendern Europas zerstört werden, was sich gerade abzeichnet. Diese beiderseitigen vorteilhaften Beziehungen zu verteidigen, im eigenen ökonomischen und friedenspolitischen Interesse, gelingt offenbar nicht. M. a. W. :Die Befreiung des übrigen Europas von der US-amerikanischen Dominanz gelingt offenbar nicht.
  3. Wir Linken in Westeuropa sollten diesen Plan vereiteln, indem wir einen sofortigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen fordern auf der Basis (a) der ukrainischen Abtretung der Krim an Russland, (b) des Rueckzugs der Ukraine aus dem gesamten Gebiet des Donbass, also der beiden Oblasti Lugansk und Donezk in ihren traditionellen Grenzen, (c) der Foederalisierung der Ukraine nach dem Modell Belgiens, mit einem Teilstaat, in dem das Russische amtliche Regionalsprache ist, (d) der immerwaehrenden Neutralität der Ukraine, (e) der Abrüstung und des Verzicht auf neuerliche ABC-und speziell Kernwaffen durch Kiew, (F) der Auflösung der faschistoiden Freiwilligenbataillone und der daraus nach dem Putsch gebildeten Nationalgarde (“Nazgwardija” ).
  4. Bedauerlicherweise kann, wer diese ganz vernünftigen Ziele vertritt, bei einer Weigerung Kiews nicht fuer einen einseitigen Abzug der russischen “Okkupanten” sein, den “der Westen” ja auch gar nicht will, wenn er – d. h. die USA – ein russisches Afghanistan will.
    Das kann Putin aber vermeiden, wenn er den Vormarsch an der früheren kaiserlich-oesterreichishen Grenze von 1914 abbricht. Oder an der früheren polnischen Ostgrenze von 1922-39 (Ich frage mich, wieso so viele Diplomaten jetzt nach Lemberg/Lwiw gehen…)

Es gibt also eine Loesung, die weder in der völligen Zerschlagung der Ukraine besteht noch in einer militaerischen Niederlage Russlands, die nur in einem West-Ost- Atomwaffen Krieg denkbar ist. MAN MUSS NUR WOLLEN – BISHER WOLLTE DER WESTEN NICHT!

Wer noch andere Lösungsvorschläge hat, sollte sie hier darlegen!

VOLKER WIRTH


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