Die US-Außenpolitik ist ein grausamer Sport

Die US-Außenpolitik ist ein grausamer Sport

Die US-Außenpolitik ist ein grausamer Sport

Diana Johnstone
Ein Artikel von Diana Johnstone

Die Bärenhatz ist seit langem verboten, da menschenunwürdig. Und doch wird davon heute täglich eine Spielart in gigantischem internationalen Ausmaß praktiziert, die sich gegen ganze Nationen richtet. Diese Beobachtung macht die US-amerikanische Journalistin Diana Johnstone in ihrem Artikel vom 23. Februar. Zu Zeiten von Königin Elisabeth der Ersten ergötzte man sich in britischen Königskreisen am Anblick scharfer Hunde, die einen gefangenen Bären bis aufs Blut quälten. Der Bär hatte niemandem etwas angetan, aber man hatte die Hunde darauf abgerichtet, das gefangene Tier zu reizen und es zur Gegenwehr aufzustacheln. Die Zuschauer hatten ihre wahre Freude daran, wenn das Blut der aufgebrachten Tiere floss. Übersetzung: Susanne Hofmann.

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Die US-Außenpolitik ist ein grausamer Sport
von Diana Johnstone

Diese grausame Praxis ist seit langer Zeit als inhuman verboten.
Und doch wird heute täglich eine Spielart der Bärenhatz in gigantischem internationalen Ausmaß praktiziert, die sich gegen ganze Nationen richtet. Diese Praxis nennt man US-amerikanische Außenpolitik. Sie wurde zum Zeitvertreib des absurden internationalen Sportclubs namens NATO.

Die Führungskräfte der Vereinigten Staaten haben – sicher in ihrer Arroganz als die „unverzichtbare Nation“ – für andere Länder nicht mehr Respekt als die Elisabethaner für die Tiere, die sie quälten. Die Hatz wird bewusst und sorgfältig geplant.

Als Beweis verweise ich auf einen Bericht der RAND Corporation an den Stabschef der US-Armee aus dem Jahr 2019 mit dem Titel „Extending Russia“ („Russland überdehnen“). Die RAND-Studie selbst ist relativ zurückhaltend in ihren Empfehlungen und warnt davor, dass viele perfide Tricks nicht funktionieren könnten. Ich betrachte es jedoch als skandalös, dass dieser Bericht überhaupt existiert – nicht so sehr seines Inhalts wegen, sondern weil er zeigt, wofür das Pentagon seine Top-Intellektuellen bezahlt: Methoden zu ersinnen, um andere Nationen in Schwierigkeiten zu verwickeln, die die US-Führungskräfte dann auszunutzen hoffen.

Die offizielle Linie der USA besagt, dass der Kreml Europa durch seinen aggressiven Expansionismus bedroht. Wenn die Strategen aber unter sich sind, klingt die Story ganz anders. Ihr Ziel ist es, Sanktionen, Propaganda und andere Maßnahmen zu benutzen, um Russland zu provozieren, genau diese Art negativer Maßnahmen („Over-Extension“ – „Überdehnung“) zu ergreifen, die die USA zum Schaden Russlands ausnutzen können.

Die RAND-Studie erklärt ihre Ziele:

„Wir untersuchen eine Reihe gewaltfreier Maßnahmen, die Russlands Schwachstellen und Ängste ausnutzen könnten, um Russlands Militär und Wirtschaft sowie das Ansehen des Regimes im eigenen Land und im Ausland zu beinträchtigen. Die Schritte, die wir dafür in Betracht ziehen, zielen nicht in erster Linie auf Verteidigung und Abschreckung, wenngleich sie auch zu beidem beitragen könnten. Vielmehr sind diese Schritte als Elemente einer Kampagne gedacht, mit dem Ziel, den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen, Russland zu einem Konkurrenzkampf in Bereichen oder Regionen zu drängen, in denen die Vereinigten Staaten einen Wettbewerbsvorteil haben, und Russland dazu zu bringen, sich militärisch oder wirtschaftlich zu überdehnen, oder dafür zu sorgen, dass das Regime im eigenen Land und/oder international an Ansehen und Einfluss verliert.“

Offensichtlich halten US-Führungskreise dies für „normales“ Verhalten, genauso wie Hänseleien für den Schulhofrüpel und Lockspitzeleinsätze für korrupte FBI-Agenten normal sind.

Die Beschreibung passt genau auf die US-Operationen in der Ukraine, die darauf abzielen, „Russlands Schwachstellen und Ängste auszunutzen“, indem man ein feindliches Militärbündnis vor seiner Haustür in Stellung bringt und dann Russlands vollkommen vorhersehbare Reaktionen als grundlose Aggression beschreibt. Diplomatie beinhaltet, die Position der Gegenseite zu verstehen. Doch die verbale Bärenhatz setzt die totale Weigerung, den anderen zu verstehen, und die ständige bewusste Fehlinterpretation jeder Äußerung oder Aktion der anderen Seite voraus.

Wirklich perfide ist, dass, während man den russischen Bären andauernd beschuldigt, Expansionspolitik zu betreiben, die gesamte Politik ja darauf abzielt, ihn genau dazu zu bringen! Denn dann können wir Sanktionen verhängen, das Pentagon-Budget noch weiter erhöhen und die Schlinge der NATO-Schutzgelderpressung noch enger um unsere kostbaren europäischen „Verbündeten“ ziehen.

Eine Generation lang haben russische Staatschefs außerordentliche Anstrengungen unternommen, eine friedliche Partnerschaft mit „dem Westen“ aufzubauen, der in der Europäischen Union und vor allem in der NATO institutionalisiert ist. Sie glaubten wirklich daran, dass das Ende des künstlichen Kalten Krieges eine friedliebende europäische Nachbarschaft hervorbringen könnte. Doch arrogante US-Führungskräfte lehnten es ab, entgegen des Rats ihrer besten Experten, Russland als die große Nation zu behandeln, die es ist, und zogen es vor, das Land wie den schikanierten Bären in einem Zirkus zu behandeln.

Die Expansion der NATO war eine Form der Bärenhatz, eindeutig ein Mittel, um einen potentiellen Freund in einen Feind zu verwandeln. Für diesen Weg haben sich der frühere US-Präsident Bill Clinton und die nachfolgenden Regierungen entschieden. Moskau hatte die Unabhängigkeit früherer Mitglieder der Sowjetunion akzeptiert. Die Bärenhatz bestand darin, Moskau fortwährend zu bezichtigen, es plane die gewaltsame Wiedereinverleibung dieser Länder.

Russlands Grenzland

Das Wort Ukraine bedeutet Grenzgebiet, im Wesentlichen das Grenzgebiet zwischen Russland und den Gebieten im Westen, die zeitweilig zu Polen, Litauen oder dem Habsburger Reich gehörten. Als Teil der UdSSR wurde die Ukraine um große Teile Russlands und dieser westlichen Gebiete erweitert. Die Geschichte hat an beiden Enden zwei stark gegensätzliche Identitäten geschaffen, mit dem Ergebnis, dass die unabhängige Ukraine, die erst 1991 entstand, von Anfang an tief gespalten war. Und von Anfang an haben es Washingtons Strategien, im Bunde mit einer großen, hyperaktiven, anti-kommunistischen, anti-russischen Diaspora in den USA und Kanada, darauf angelegt, die Bitternis der ukrainischen Spaltungen dazu zu benutzen, zunächst die UdSSR und dann Russland zu schwächen. Milliarden von Dollar wurden in „die Stärkung der Demokratie“ investiert: Man brachte also die pro-westliche Westukraine gegen die semi-russische Ostukraine in Stellung.

Der 2014 von den USA unterstützte Putsch hat Präsident Viktor Janukowitsch, der auf die solide Unterstützung der Ostukraine zählen konnte, gestürzt und pro-westliche Kräfte an die Macht gebracht, die dazu entschlossen waren, die Ukraine in die NATO zu führen und die Russland immer unverhohlener zum Hauptfeind erklärten. Damit verbunden war die Aussicht, einmal den größten russischen Marinestützpunkt in Sewastopol auf der Halbinsel Krim zu erobern.

Da die Bevölkerung auf der Krim nie ein Teil der Ukraine sein wollte, wurde die Gefahr durch ein Referendum abgewendet, in dem sich die überwältigende Mehrheit der Krimbewohner für eine Wiedereingliederung in Russland aussprach, von dem sie durch eine autokratische Entscheidung von Chruschtschow im Jahr 1954 abgetrennt worden war. Westliche Propagandisten verurteilten diesen Akt der Selbstbestimmung als „russische Invasion“, die ein russisches militärisches Eroberungsprogramm ankündige – eine Phantasie, die weder durch Fakten noch durch eine Motivation gestützt war.

Entsetzt über den Putsch, der den Präsidenten stürzte, den sie gewählt hatten, und über die Nationalisten, die damit drohten, die russische Sprache, die sie sprachen, zu verbieten, erklärten die Menschen in den östlichen Provinzen Donezk und Lugansk ihre Unabhängigkeit.

Russland unterstützte diesen Schritt nicht, sondern setzte sich stattdessen für das Minsker Abkommen ein, das im Februar 2015 unterzeichnet und durch eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates bestätigt wurde. Im Kern geht es in der Vereinbarung darum, die territoriale Integrität der Ukraine durch einen Prozess der Föderalisierung zu erhalten, bei dem die abtrünnigen Republiken zurückkehren würden und im Gegenzug ihre lokale Autonomie erhalten.

Das Minsker Abkommen unternahm einige Schritte, um die interne ukrainische Krise zu beenden. Erstens sollte die Ukraine sofort, im März 2015, ein Gesetz verabschieden, das den östlichen Regionen Selbstverwaltung gewährt. Als nächstes würde Kiew mit den Ostgebieten über Richtlinien für Kommunalwahlen verhandeln, die in diesem Jahr unter Aufsicht der OSZE abgehalten werden sollten. Dann würde Kiew eine Verfassungsreform durchführen, die die Rechte des Ostens garantiert. Nach den Wahlen würde Kiew die volle Kontrolle über Donezk und Lugansk übernehmen, einschließlich der Grenze zu Russland. Eine Generalamnestie würde sich auf Soldaten auf beiden Seiten erstrecken.

Doch obwohl Kiew die Vereinbarung unterzeichnet hat, hat es nie auch nur einen dieser Punkte umgesetzt und weigert sich, mit den Rebellen im Osten zu verhandeln. Im sogenannten Normandie-Format sollten Frankreich und Deutschland Druck auf Kiew ausüben, damit es diese Friedensvereinbarung akzeptiere – doch nichts geschah. Stattdessen beschuldigte der Westen Russland, das Abkommen nicht umzusetzen, was keinen Sinn ergibt, da es an Kiew liegt, das Vereinbarte umzusetzen, nicht an Moskau. Kiews Vertreter wiederholen regelmäßig, dass sie es ablehnen, mit den Rebellen zu verhandeln, und fordern zugleich immer mehr Waffen von den NATO-Mächten, um mit dem Problem auf ihre eigene Weise umzugehen.

Unterdessen drücken große Fraktionen in der Russischen Duma und die öffentliche Meinung seit langem ihre Besorgnis über die russisch-sprechende Bevölkerung der östlichen Provinzen aus, die seit acht Jahren unter Entbehrungen und militärischen Angriffen der Zentralregierung leidet. Diese Besorgnis wird im Westen natürlich als eine Neuauflage von Hitlers Drang zur Eroberung von Nachbarländern interpretiert. Doch wie immer entbehrt die unvermeidliche Hitler-Analogie jeder Grundlage. Denn eines steht fest: Russland ist zu groß, um Lebensraum erobern zu müssen.

Du brauchst einen Feind? Da hast du einen!

In Deutschland hat man die perfekte Formel für die Beziehungen des Westens mit Russland gefunden. Bist du ein „Putinversteher“ oder nicht? Mit Putin ist Russland gemeint, da der übliche westliche Propagandatrick darin besteht, das Land, das man ins Visier genommen hat, mit dem Namen seines Präsidenten Wladimir Putin zu personifizieren, der zwangsläufig ein diktatorischer Autokrat ist. Wer Putin oder Russland „versteht“, macht sich der Illoyalität gegenüber dem Westen höchst verdächtig. Also, jetzt alle zusammen, lasst uns dafür sorgen, dass WIR Russland NICHT VERSTEHEN!

Die russische Führung behauptet, sie fühle sich von Mitgliedern eines riesigen feindlichen Bündnisses bedroht, die regelmäßig militärische Manöver vor ihrer Haustür abhalten? Sie fühle sich unwohl angesichts von Atomraketen, die von nahe gelegenen NATO-Mitgliedstaaten auf ihr Territorium gerichtet werden? Aber warum denn, das ist nur Paranoia oder ein Zeichen listiger, aggressiver Absichten. Da gibt es nichts zu verstehen.

Der Westen hat also Russland wie einen gehetzten Bären behandelt. Und nun bekommt er eine nuklear bewaffnete, militärisch mächtige gegnerische Nation, an deren Spitze Menschen stehen, die weitaus bedächtiger und intelligenter sind als die mittelmäßigen Politiker in Washington, London und einigen anderen Orten.

US-Präsident Joe Biden und sein Tiefer Staat wollten nie eine friedliche Lösung in der Ukraine, weil der Unruheherd Ukraine als dauerhafte Barriere zwischen Russland und Westeuropa fungiert und die Kontrolle der USA über Letzteres sichert. Sie haben Russland jahrelang als Gegner behandelt, und Russland zieht nun die unvermeidliche Schlussfolgerung, dass der Westen es nur als Gegner akzeptieren wird. Die Geduld ist am Ende. Und das ändert vollkommen die Spielregeln.

Die erste Reaktion: Der Westen wird den Bären mit Sanktionen bestrafen! Deutschland stoppt die Zertifizierung der Erdgaspipeline Nordstream 2. Deutschland weigert sich also, das russische Gas, das es braucht, zu kaufen, um sicherzustellen, dass Russland das benötigte Gas nicht irgendwann in der Zukunft abstellen kann. Ein raffinierter Trick, oder? Und in der Zwischenzeit wird Russland angesichts einer wachsenden Gasknappheit und steigender Preise keine Probleme haben, sein Gas anderswo in Asien zu verkaufen.
Wenn „unsere Werte“ die Weigerung zu verstehen beinhalten, ist der Vorrat an Unverständlichem unerschöpflich.

Fortsetzung folgt.

Titelbild: Africa Studio/shutterstock.com

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