Familienministerium räumt finanzielle Vorzugsbehandlung des Grünen-nahen Projektes „Gegneranalyse“ ein

Familienministerium räumt finanzielle Vorzugsbehandlung des Grünen-nahen Projektes „Gegneranalyse“ ein

Familienministerium räumt finanzielle Vorzugsbehandlung des Grünen-nahen Projektes „Gegneranalyse“ ein

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Die Skandale rund um das umstrittene Projekt „Gegneranalyse“ der Grünen-nahen „Denkfabrik“ Zentrum Liberale Moderne (LibMod) reißen nicht ab. Den NachDenkSeiten liegen interne Unterlagen vor, die belegen, dass das Familienministerium das Projekt, welches zum erklärten Ziel hatte, „systemoppositionelle Medien“ zu überwachen, großzügig im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ finanzierte, obwohl grundlegende Anforderungen an die Projektfinanzierung nicht erfüllt waren. Auf Nachfrage räumte das Ministerium jetzt gegenüber den NachDenkSeiten ein, dass für LibMod extra eine Ausnahmeregelung erlassen wurde. Dies ist aber bei Weitem nicht die einzige Ungereimtheit bei der von Regierungsseite mit Steuergeld in Millionenhöhe finanzierten „Nichtregierungsorganisation“ mit dem fragwürdigen Status als „gemeinnützige GmbH“. Von Florian Warweg.

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Hintergrund

Ausgestattet mit allein 284.590,33 Euro vom Bundesfamilienministerium (ausgerechnet im Rahmen des Programms „Demokratie leben“), dazu kamen noch Gelder von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), ging im August 2021 ein Projekt mit dem bezeichnenden Namen „Gegneranalyse – Gegenmedien als Radikalisierungsmaschine“ an den Start, das, ausschließlich mit Steuergeld finanziert, „Verfassungsschutz spielt“, wie es beispielsweise der Journalist Frank Lübberding in einem Beitrag für die Welt ausführte, der darin zudem „eine Zweckentfremdung öffentlicher Mittel für parteipolitische Ziele“ sah. Zu einem ähnlichen Urteil kamen auch die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin von Bündnis 90/Die Grünen, Antje Vollmer, in einem Interview mit Telepolis kurz vor ihrem Tod, in welchem sie das Projekt ihrer Parteikollegen als „Instrument eines ideologischen Lobbyismus“ bezeichnete, sowie der SPD-Politiker Mathias Brodkorb in einem Beitrag für den Cicero, der ergänzend von einem „staatlich finanzierten Eingriff in die unabhängige Meinungsbildung der Bürger“ sprach.

Kritisch gesellschaftliche Entwicklungen hinterfragende Medien wie die NachDenkSeiten (NDS) wurden von LibMod in der „Gegneranalyse“ als „systemoppositionelle Gegenmedien“ bezeichnet, die „selbsterklärte Gegner der liberalen Demokratie“ seien, die es in Form von monatlichen „Monitorings“ zu überwachen und in Form von „Fallstudien“ zu „analysieren“ und vor allem zu diffamieren galt. Hauptziel waren dabei die NachDenkSeiten, denen die zweifelhafte Ehre zuteil wurde, dass sie in den ersten zwölf Monaten der Laufzeit des „Gegneranalyse“-Projektes das einzige Medium waren, dem eine Fallstudie gewidmet wurde. Danach folgten knapp vor Ende der anderthalbjährigen Projektlaufzeit noch Fallstudien zu Compact und Auf1. Zwei weitere Fallstudien zu Apolut und RT DE wurden erst vier (!) Monate nach offiziellem Projektende veröffentlicht.

Die Tatsache, dass ausgerechnet ein klassisch linkes und gewerkschaftsnahes Medium wie die NachDenkSeiten von LibMod zum „Hauptgegner“ des Projektes auserkoren worden war, sorgte auch im Bundestag für Verwunderung, sodass zahlreiche Anfragen hierzu die Bundesregierung erreichten. Dabei kam unter anderem heraus, dass das Grünen-nahe Zentrum neben der von Friedrich Küppersbusch recherchierten „institutionellen Förderung“ in Höhe von 500.000 Euro pro Jahr durch das Bundespresseamt (BPA) insgesamt rund fünf Millionen Euro Fördergelder durch aktuell von Grünen geleitete Ministerien (insbesondere Familien- und Außenministerium) erhalten hatte. Ebenso musste die Bundesregierung einräumen, dass der historisch aus der NS-Zeit vorbelastete Titel „Gegneranalyse“, unter dem das Projekt lief, ohne Absprache mit den Geldgebern erfolgte: „Dieses Vorgehen wurde nicht mit den fördernden Institutionen abgestimmt“, hieß es leicht pikiert auf eine entsprechende Anfrage.

„Ausnahme erlassen“ – Die neuste Entwicklung in der Causa „Gegneranalyse“

Dieser in den oben genannten Daten zum Vorschein kommende Klientelismus von Altkadern der Grünen hat durch kürzlich im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes veröffentlichte Dokumente – unter anderem die Förderantragsskizze von LibMod sowie der Zuwendungsbescheid des dem Familienministerium unterstellten Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) – neue Bestätigung gefunden.

Das Projekt „Gegneranalyse“ wurde fast vollumfänglich durch das dem Familienministerium unterstellte Bundesprogramm „Demokratie leben!“ finanziert. In dessen „Richtlinie zur Förderung von Projekten der Demokratieförderung, der Vielfaltgestaltung und zur Extremismusprävention“ heißt es unmissverständlich:

„(2) Die Zuwendungen werden grundsätzlich als Teilfinanzierung in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen gewährt. Dabei soll vorrangig von der Fehlbedarfs- oder der Anteilsfinanzierung Gebrauch gemacht werden.“

(3) Die Gewährung einer Zuwendung setzt grundsätzlich den Einsatz von Eigen- bzw. Drittmitteln in Höhe von mindestens 10 Prozent der Gesamtausgaben im Bewilligungszeitraum voraus.

Wirft man aber einen Blick auf den offiziellen und für verbindlich erklärten Finanzierungsplan für das Projekt „Gegneranalyse“, dann fällt auf, dass die sechsstellige Zuwendung des Familienministeriums erfolgte, obwohl weder die geforderte „Teilfinanzierung“ noch der ebenso „grundsätzlich“ vorgeschriebene „Einsatz von Eigen- bzw. Drittmitteln in Höhe von mindestens 10 Prozent“ vorlag:

Wie aus dem Finanzierungsplan ersichtlich, wurde das LibMod-Projekt zur Überwachung angeblich „systemoppositioneller Medien“ ausschließlich vom Bundesfamilienministerium sowie der dem Innenministerium unterstellten Bundeszentrale für politische Bildung finanziert. Die verfügbare Projektsumme setzt sich lediglich aus den Zuwendungen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ (284.590,33 Euro) sowie der Bundeszentrale für politische Bildung (31.621,14 Euro) zusammen. Als Eigen- und Drittmittel werden im Bewilligungsbescheid 0,00 Euro angeführt. LibMod, welches ausweislich der veröffentlichten Jahresabschlüsse im Bundesanzeiger regelmäßig trotz des Status als „gemeinnützig“ sechsstellige Bilanzgewinne vorweist, musste entgegen allen Vorgaben keinen einzigen Cent für die Finanzierung des eigenen Projekts aufbringen. Wie ist das möglich?

Fragwürdige Begründung von Familienministerium und LibMod

Die NachDenkSeiten fragten hierzu sowohl das Familienministerium als auch die Grünen-nahe „Denkfabrik“ an. Für das Ministerium antwortete die zuständige Pressereferentin Jenny Möller mit folgender Begründung:

„Die administrative Umsetzung des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ erfolgt durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA). Auch der Zuwendungsbescheid wird durch das BAFzA erstellt. Der Träger hat die Kofinanzierungsquote von derzeit in der Regel 10 Prozent nicht eingehalten. Der Träger konnte dem BAFzA seine Bemühungen um Kofinanzierungen, unter anderem bei verschiedenen Stiftungen, plausibel darlegen. Deshalb wurde eine Ausnahme erlassen.“

Eine seit 2018 allein mit über fünf Millionen Euro Steuergeld gepäppelte, transatlantisch ausgerichtete Denkfabrik, darunter eine halbe Million Euro jährlich vom Bundespresseamt für eine nicht projektgebundene, „institutionelle Förderung“, soll nicht in der Lage sein, den „grundsätzlich“ geforderten zehnprozentigen Eigenanteil, also im konkreten Fall 28.459 Euro, aufzubringen?

Noch aufschlussreicher ist vor diesem Hintergrund die geradezu unverschämte Antwort von Oliver Geheeb, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Zentrums Liberale Moderne. Auf die Frage der NachDenkSeiten, aus welchen Überlegungen heraus sich die „Denkfabrik“ entschieden habe, nicht den geforderten Eigenanteil in Höhe von zehn Prozent für das Projekt bereitzustellen, erklärte dieser:

„Es waren keine Eigenmittel verfügbar.“

Wenn man weiß, dass diese Form von „Eigenanteil“ nicht direkt als reale Geldsumme zu verbuchen ist, sondern, wie von vielen anderen „Demokratie leben!“-Projektträgern auch regelmäßig praktiziert, über eingebrachte Personalkosten abgerechnet werden kann, dann ist diese Antwort auf eine Presseanfrage mindestens an der Grenze zur Falschbehauptung.

Fast kein einziger Punkt der Förderrichtlinie erfüllt – Finanzierung erfolgte trotzdem

Doch ist dies bei Weitem nicht die einzige Ungereimtheit bei der Bewilligung des Förderantrags für „Gegneranalyse“ durch das Bundesfamilienministerium, in welchem die LibMod-Gründerin Marieluise Beck jahrelang als Parlamentarische Staatssekretärin tätig war. So heißt es in den Förderbestimmungen für „Demokratie leben“ bezüglich der zu unterstützenden Projekte eindeutig:

„Zielgruppe des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ sind in erster Linie Kinder und Jugendliche, deren Eltern (…).“

Angesichts von Inhalt und Ausrichtung des Projekts „Gegneranalyse“ kann man grundsätzlich ausschließen, dass sich dieses Projekt „in erster Linie“ an Kinder und Jugendliche wendet. Man fragt sich auch, unter welches der vorgegebenen 14 Themenfelder der Projektförderung von „Demokratie leben!“ das umstrittene LibMod-Projekt eingeordnet wurde:

„Demokratieförderung im Kindesalter“, „Phänomenübergreifende Prävention“ oder doch „Hass im Netz“?

Selbst der Bewilligungsbescheid des Ministeriums macht dazu bezeichnenderweise keine konkreten Angaben.

Problematisch für die erfolgte Förderung erscheint auch die unter Punkt 5 der Förderrichtlinie („Art und Umfang, Höhe der Zuwendung“) erwähnte Auflistung:

„Grundsätzlich nicht zuwendungsfähig sind (…) Maßnahmen und Projekte mit agitatorischen Zielen, (und) Maßnahmen, die im Rahmen institutioneller Förderungen des Bundes gefördert werden. Alle beabsichtigten Maßnahmen müssen partizipativ angelegt sein und einem begründeten Bedarf entsprechen.

Dass es sich bei dem Projekt nicht um eine Maßnahme mit „agitatorischen Zielen“ handelt, muss man angesichts des verwendeten Projektnamens („Gegneranalyse“), der genutzten Sprache gegenüber den beobachteten Medien („Agenda-Setzer der radikalen Systemopposition“) und Behauptungen („Wir nehmen einen Bereich unter die Lupe, in dem radikalisierte Positionen von Impfgegnerschaft, Elitenfeindschaft oder Verschwörungstheorie in einer radikalisierten Sprache in die Mitte der Gesellschaft wirken“) infrage stellen. Ebenso stellt sich die Frage, ob die explizit unter dem Titel „institutionelle Förderung“ erfolgten Zahlungen des Bundespresseamtes in Höhe von 500.000 Euro jährlich an LibMod nicht mit dem Teil der Förderrichtlinie „Grundsätzlich nicht zuwendungsfähig sind Maßnahmen, die im Rahmen institutioneller Förderungen des Bundes gefördert werden“ kollidieren. Ebenso war das Projekt nachweislich nicht „partizipativ angelegt“ und entsprach auch nicht dem in den Richtlinien eingeforderten „begründeten (gesellschaftlichen) Bedarf“.

Halten wir fest: „Gegneranalyse“ erfüllte weder buchhalterische noch inhaltliche Mindestanforderungen der Projektförderung bei „Demokratie leben!“– erhielt aber trotzdem den Zuschlag, dies zudem fast in Höhe der maximal zu vergebenden Fördersumme des Bundesprogramms. Ob es bei der Projekt-Bewilligung wirklich mit rechten Dingen zugegangen ist, darf angesichts der aufgezeigten Unstimmigkeiten bezweifelt werden. Um hier jeden Zweifel auszuräumen, wäre es angeraten, dass das Ministerium und insbesondere auch die „gemeinnützige GmbH“ reinen Tisch machen und den gesamten Antrags- und Bewilligungsprozess veröffentlichen. Bisher wehrt sich insbesondere LibMod mit allen Mitteln (man fragt sich wieso…), dies zu tun.

Ein entsprechendes Gesuch auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes wurde bisher von der Geschäftsführung, dem Ehepaar Ralf Fücks und Marieluise Beck, abgelehnt. Auf dem Portal „Frag den Staat“ heißt es dazu noch sehr zurückhaltend formuliert:

„Das Zentrum für Liberale Moderne hat die Herausgabe der angefragten Informationen abgelehnt, da die Unterlagen angeblich schützenswertes „Know How“ für Förderanträge enthalten. Für eine Institution, die mit durch Steuerzahler geförderten Projekten vorgeblich die Demokratie stärken möchte, ist diese Form der Intransparenz kein Herausstellungsmerkmal.“

Wie scheinbar unangreifbar sich die Macher von LibMod fühlen, zeigt auch der Umgang mit dem bewilligten Projektantrag. Im fraglichen Antrag wird dargelegt, dass mit den Mitteln im Rahmen des Förderzeitraums von August 2021 bis Dezember 2022 unter anderem „monatliche Monitorings“, „Fallstudien zu vier ausgewählten Schlüsselmedien“, „Zwei Fachgespräche mit Vertreterinnen von Projekten aus dem Bundesprogramm“, „zusammenfassende Veranstaltungsberichte“, die „Erstellung eines Abschlussberichts“ sowie eine „öffentliche Präsentation mit Vertreter/innen aus Projekten und Partnerschaften des Bundesprogramms“ durchgeführt werden sollen. Zum Zeitpunkt der Projektlaufzeit im Dezember 2022 war kaum einer der genannten Punkte erfüllt. So wurden beispielsweise zwei der Fallstudien erst im April 2023, also geschlagene vier Monate nach Ende der Projektförderung, veröffentlicht. Ebenso gibt es mit Stand Mai 2023, also fünf Monate (!) nach Ende der Projektförderung, weder den versprochenen „Abschlussbericht“ noch die damit im Zusammenhang stehende „öffentliche Präsentation“ der Ergebnisse desselbigen.

Auch dazu befragten die NachDenkSeiten das Familienministerium. Die lapidare Antwort:

„Die Erfolgskontrolle sowie die Prüfung der Mittelverwendung erfolgt erst im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung. Der Verwendungsnachweis muss bis zum 30.06.2023 eingereicht werden und liegt derzeit noch nicht vor. Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Die Evaluationsergebnisse wurden dem Zuwendungsgeber fristgerecht übergeben und werden derzeit geprüft. Eine Veröffentlichung ist geplant, zu welchem Zeitpunkt steht noch nicht fest.“

Na, dann nehmen wir doch gerne das Ministerium unter der Leitung der Grünen-Politikerin Lisa Paus beim Wort und warten mit Spannung auf die doch hoffentlich zeitnahe Veröffentlichung der Evaluierungsergebnisse des Projektes ihrer Parteifreunde…

Titelbild: Screenshot Förderbescheid BAFzA