Leserbriefe zu „Reparatur am Zug“

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In diesem Beitrag kommentiert Jens Berger „eine größere Reise mit der Bahn“, die er nach zwei Jahren Abstinenz mal wieder gemacht habe. Es sei graue Theorie, entspannt und pünktlich anzukommen oder während der Fahrt arbeiten zu können. Kein einziger ICE gen Süden habe keine Verspätung gehabt – mindestens die Hälfte davon mit dem Vermerk „Reparatur am Zug“. Anstatt zu arbeiten sei er „die halbe Fahrt über voll und ganz mit der Studie der Fahrpläne und der stetig dynamischen Meldungen von neuen Verspätungen bei Anschlusszügen beschäftigt“ gewesen. Bahnfahren sei heute Luxus – nicht nur finanziell, sondern auch zeitlich. Die Bahn sei kaputtgespart worden und wir müssten mit den Konsequenzen leben. Wir danken für die interessanten Leserbriefe. Es folgt nun eine Auswahl. Christian Reimann hat sie für Sie zusammengestellt.


1. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

Sie schreiben mir aus der Seele. Auch ich gehöre zu den Glückseligen, die im Home-Office arbeiten und bin dafür unendlich dankbar. Allerdings muss ich immer wieder raus zu Kundengesprächen und dafür habe ich früher – genauer vor Corona – stets die Bahn genommen, was im Laufe der Zeit masochistische Züge annahm, denn es war immer irgendwie die Katastrophe.

Stundenlanges Warten auf Bahnsteigen bei Minusgraden, kein Zug in Sicht, dafür aber jede eiskalte Zugluft. Ich reiste dann mit Moonboots anstatt mit schickem, für Kundentermine angeschafftem Schuhwerk. Die Bahn hatte dazu auch ein Kontrastprogramm im Sommer parat: ausgefallene Klimaanlage. Als ich beim Kunden eintraf war meine hellblaue Bluse am Rücken und anderen Stellen dunkelblau, da komplett verschwitzt. Nach einer gewissen Zeit nahm ich dann wie früher meine Oma eine kleine Thermoskanne mit Kaffee mit, denn viele Male zuvor war die Durchsage zu hören gewesen: „Das Bordbistro ist heute leider defekt.“ Apropos defekt: Auch das Verrichten Notdurft kann in der Bahn zu wirklich großer Not führen. Ekelhaft dreckig sind die Toiletten immer, aber man – und insbesondere frau – arrangiert sich, und ich war im Laufe der Zeit froh, wenn das WC wenigstens nicht defekt war, was sehr, sehr oft vorkam. Nicht zu vergessen, wer Bahn fährt, braucht eine sehr gute Kondition, denn der Wechsel von einem Zug zum anderen bedeutet nicht selten, einen Sprint hinzulegen, den Koffer tragend (nicht rollend, sonst schafft man’s nicht), Treppen runter, Treppen rauf und dann flugs in den zum Glück noch stehenden Zug hochklettern. Ältere Menschen haben da keine Chance. Ich könnte diese Liste noch endlos fortsetzen, denn ich fuhr immer wieder mit der Bahn, da ich dachte, dass Autofahren bei längeren Strecken sicherlich noch schlimmer sei.

Dann kam Corona, und ich keine Lust stundenlang hinter einer Maske zu schwitzen – und nahm das Auto. Siehe da, es war im Vergleich zur Bahn wunderbar. Kein Bibbern mehr auf eiskalten Bahnsteigen, keine verschwitzten Klamotten, auf der Raststätte gibt’s immer Kaffee und vor allem piccobello saubere WCs gegen kleines Entgelt. Und ob ich Staus auf der Straße oder lange Zugverspätungen einplanen muss, das gibt sich auch nix.

Doch wenn ich in gut zehn Jahren mit dem vorgeschriebenen E-Auto gar nicht mehr von Stuttgart etwa nach Passau komme, hole ich wieder meine Moonboots und Thermoskanne raus und halte mich einstweilen fit für Bahnsteigsprints ….

Dr. Petra Braitling


2. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

meine Praxis mit der Bahn sieht ähnlich aus. Ich will nicht mit Details langweilen, sie haben es ja exakt beschrieben.

Es muss wohl etwa 40 Jahre her sein, als die formidable Hochgeschwindigkeitsstrecke Hannover-Würzburg gebaut wurde. Göttingen liegt mitten drin, also kam man damals wirklich schnell nach Würzburg. Aber schon nicht mehr nach Nürnberg. Seitdem wurde nichts weiter ausgebaut auf der Strecke, im Gegenteil, man lies das Vorhandene verlottern.

Wenn man wirklich ernsthaft den Autoverkehr reduzieren will, muss man die Bahn-Infrastruktur ausbauen!

Und glauben Sie bloß nicht, dass Sie mit dem Auto demnächst schneller nach Augsburg kommen. Wenn die Grünen den Diesel verbieten, müssen Sie mit dem Elektroauto alle 200 km eine Übernachtung zum Aufladen einlegen!

Im Kontext Hannover-Würzburg träume ich schon seit Jahrzehnten von einem Orientexpress mit Hochgeschwindigkeitstechnik. Nicht nur bis Wien, nein, weiter nach Budapest, Belgrad, Sofia, Istanbul! So abwegig ist das gar nicht. Letztes Jahr habe ich auf einer Autoreise in Serbien an der Donau übernachtet und die im Bau befindliche Strecke Budapest-Belgrad bewundern können, Hochgeschwindigkeitstechnik natürlich. Und wer baut das? China! Serbien hat das Glück nicht in der EU zu sein, da ist so etwas möglich. Leider bauen die Chinesen weiter über Nis nach Piräus und lassen Sofia und Istanbul links liegen, das wird ein Teil der Belt and Road Initiative.

Man wird ja noch mal träumen dürfen… Wenn EU und Grüne Geschichte sind, dann könnte es vielleicht was werden mit meinem Traum.

Schöne Grüße in Ihr Dorf bei der kleinen Universitätsstadt, die “berühmt ist für die großen Füße Ihrer Mädchen, ihre Mettwürste und ihre Professoren, in dieser Reihenfolge” (Heinrich Heine).

Rolf Henze


3. Leserbrief

Werte Redaktion, lieber Herr Berger,
 
wäre die Bahn AG eine Partei, über die man abstimmen könnte, läge die (natürlich negative) Trefferquote sicher über 80%.
Ich kenne auch keine Diktatur auf der Welt, über die man derart einseitig – korrekt – ein Urteil fällen könnte.
 
Aber bitte nicht zuviel Zeit auf die umfassenden Fehleranalysen verschwenden – die sicher alle mehr oder weniger Sinn machen, das kann inzwischen sogar “BILD”.
 
Ein Kernproblem bleibt und schlägt alle anderen: ich kenne weltweit kein funktionierendes Hochgeschwindigkeits-Schienensystem, bei dem der Nahverkehr und sogar Güterzüge auf demselben Gleiskörper verkehren. Einen solchen Verkehr zu organisieren – wie sich die Bahn wohl anmaßt – ist unsinniger, als 15 Züge eines Schachspiels vorauszusagen – vor allem, wenn einer der Spieler betrunken ist, also unlogisch agiert.
 
In Japan – dem Mutterland aller Schnellzüge – fahren die Geräte nicht nur auf ihren freien Schienen, sondern es gelten dort auch sinnvollere Regeln z.B. bei Baumpflanzungen neben den Geleisen. In Deutschland werden die Abstandsregeln – angeblich für die Umwelt – auf ein Drittel reduziert – und im Winter stirbt es sich eben leichter, bei Schnee und Eis, als zu anderen Jahreszeiten. Bitte ohne mich.
 
Fazit meinerseits: solange die ICEs etc. ihre tolle Technik nicht auf eigenen Gleisen ausspielen können, bitte vergessen Sie alle Reformen, die lediglich Verbesserungen im einstelligen Bereich bringen können – dafür braucht man keine KI, sondern offene Augen. Da diese bei unseren Politikern vom System verklebt sind – egal auf welchen Sektor – werde ich eher zum Mond fliegen, als drei Mal ohne Verspätung durch Deutschland fahren.
 
Weiter so, aber nicht mehr zu viel Gehirn an Hirnloses verschwenden – “the Bahn is a nobrainer”.
 
Beste Grüße,
H. Rudolf
 
P.S.: im zarten Alter von 75 Jahren gebe ich auf und werden mir wieder ein Auto zulegen, ggf. als Abo-Leasing. Aber die Aufregung und den Verlust an Lebenszeit mit der Bahn schlägt jeden Stau (den ich weitaus besser planen und umgehen kann) um unzumutbare Längen.


4. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

man müsste fast lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

Ich selbst bin Berufspendler. Fast täglich werde ich durch eine Fließtextanzeige an meiner Zughaltestelle über “Verspätung aufgrund eines vorfahrenden Zuges” informiert. Woraus sich in mir die Frage aufdrängt, ob dieser Zug aufgrund einer Verspätung des vorausfahrenden Zuges, seinerseits Verspätung der nachkommenden Züge auslöst, die wiederum…
Ein Klassiker sind auch Begründungen für Verspätungen, wie “Störungen im Betriebsablauf”. Dies hat in etwa den Informationsgehalt, dass der Zug nicht pünktlich kommt, weil er eben Verspätung hat.
Oft erlebe ich es auch, dass der Zug unvermittelt in der Landschaft anhält. Was mir die seltene Gelegenheit verschafft, intensiv Büsche und Bäume zu betrachten – man will ja auch nicht undankbar sein. Vom Charakter des Zugführers hängt es dann ab, ob dieser über den Grund für das Anhalten des Zuges informiert (meistens: Verspätung eines vorausfahrenden Zuges), oder gar, wann in etwa mit einer Weiterfahrt zu rechnen ist.

Alles in Allem erweckt mein subjektives Empfinden als Pendler den Eindruck eines maroden, heruntergewirtschafteten und daher äußerst unzuverlässigen Unternehmens der öffentlichen Infrastruktur. Umso bemerkenswerter, als dass die Deutsche Bahn in früheren Jahren als Garant für Pünktlichkeit galt.

Abschließend sei angemerkt, dass der desaströse Zustand der Bahn, meiner Meinung nach, lediglich ein Symptom unter vielen ist, die den Verfall des Wirtschaftsstandortes Deutschland und dieser Republik beschreiben.
 
P.S.: Wo bleibt eigentlich die Forderung der Klimakleber für die Subvention von öffentlichen Verkehrsmitteln zur Reduzierung der CO²-Emissionen? Wäre das nicht nachhaltiger und zielführender, als der Ruf nach Höchstgeschwindigkeit 100 km/h auf deutschen Autobahnen?
 
Viele Grüße,
Ralf Stiegler


5. Leserbrief

Mag sein, daß Bahnfahren Luxus ist, wie Sie, lieber Herr Berger, bei Minute 8:00  anmerken, auf jeden Fall aber ist es Abenteuer.
 
Und da sollten Sie sich als freiwilliger Gast an sich darüber freuen, daß Sie erstens auch Alternativen hatten (Auto, Fahrrad), zweitens im Fern- und nicht im Nahverkehr unterwegs waren – wo Sie am Vortag hätten anreisen müssen und mit den 9 Minuten fürs Protokoll wohl nicht ausgekommen wären – und drittens keinen Abenteuerzuschlag zahlen mußten, was freilich nur daran lag, daß bei der Bahn noch niemand darauf gekommen ist.
 
Die wiederholten Hinweise auf „Reparatur am Zug“ zu allen aktuell verfügbaren Zügen diente erstens der Ablenkung, zweitens als Anregung zum Grübeln und drittens als ein Vorzug für Fernreisende. Denn Reisende Im Nahverkehr werden im täglichen Wechsel  mit Hinweisen wie  „Überholung durch einen anderen Zug“ oder „Verspätung aus vorangegangener Fahrt“ bei Laune gehalten. Beides wäre Ihnen im ersten ICE am frühen Morgen vermutlich erst recht sauer aufgestoßen.
Was ich aber selbst nicht verstehe, warum denn der Hinweis „… am Zug“ nicht mit dem Hinweis „Reparatur an der Strecke“ im Wechsel erfolgte.
 
Gruß
G. Hantke


6. Leserbrief

Hallo Herr Berger,
 
Sie müssen noch viel Zug fahren, um die ganze Palette der Begründungen für ausgefallene oder verspätete Züge kennen zu lernen, Reparatur am Zug ist nur eine unter vielen. – Auch beliebt: Kurzfristiger Personalausfall  bzw.  kurzfristige Erkrankung des Personals – Verspätung eines vorausfahrenden Zuges – Verspätung aus vorangegangener Fahrt – Störung im Stellwerk – Reparatur am Gleis – Polizeieinsatz – unbefugte Personen im Gleis.
 
Letzteres ist ja ein ernst zu nehmender Grund, aber warum wird die Strecke genau dann frei gegeben, wenn der laut Plan nächste Zug eingetroffen ist??? Vielleicht ein kurzfristiger Personalausfall, den man durch das Zusammenlegen zweier Züge unauffällig kaschiert?
 
Auch kann es vorkommen, dass ein Zug zunächst als bald abfahrender schon angezeigt ist, dann die Anzeige ohne eine der genannten Begründungen verschwindet und dann, als wäre es nie anders gewesen, der turnusmäßig nächste Zug angezeigt wird, zwei Stunden später, was soll’s. – Lohnende Erfahrung, wenn der Bahnhof keinerlei Wartemöglichkeit außer dem zugigen Gleis oder dem verrotzten Gang zwischen den Bahnsteigen hat und der Warteraum – so denn überhaupt einer vorgesehen ist – geschlossen ist.
 
Habe neulich Zug fahrender – nein wartender Weise – unterwegs folgendes Liedchen gehört: Wenn die Züge nicht fah’n, biste bei der Deutschen Bahn…
 
Gute Reise
Cornelia Wimmer


7. Leserbrief

Hallo Herr Berger,
 
leider wird Ihr grausamer Tatsachenbericht dem Thema nicht gerecht; er passt höchstens zur aktuellen BRD der politischen Amateure und Überzeugungstäter.
Denn auch Sie scheinen zu glauben, die Katastrophe Deutsche Bahn liege am Kaputtsparen. Aber genau das stimmt nicht, wie alleine die Milliarden-Fehlplanung „Tiefbahnhof Stuttgart“  unwiderlegbar beweist!
 
Dass ein seit Jahrzehnten völlig unfähiges Management, angefangen bei den politisch Verantwortlichen CSU-Verkehrsministern, bis zu allen BB-Vorständen der vergangenen Jahrzehnte dazu gehören, hätten Sie nicht mit „kaputtsparen“ verschleiern oder zumindest verschweigen dürfen.
 
Nur DAS wollte ich Sie wissen lassen, denn zur sachlich-detaillierten Kritik gibt es Berufenere!
 
Gruss
Rolf Schmid(89)


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