Leserbriefe zu „FAZ: Dümmlich-akademischer Renten-Zynismus“

Ein Artikel von:

In diesem Beitrag diskutiert Werner Rügemer über den ganzseitigen Artikel „Renten, stabiler als gedacht?“ in der „Unternehmer-Postille FAZ“ vom 9. Juni 2023. Die Autoren, Senior Economist Benjamin Bittschi vom Institut für Wirtschaftsforschung WIFO in Wien und Professor Berthold Wigger vom Karlsruher Institut für Technologie KIT, würden für die Erhöhung des Renteneintrittsalters plädieren und Rentner gegen Noch-Beschäftigte aufhetzen. Die abhängig Beschäftigten hätten die Arbeits- und Renten-Verarmung seit dem Ende des Sozialismus viel zu lange hingenommen. Bittschi/Wigger & Co würden „mit politischen, medialen, ´wissenschaftlichen´ Mitteln die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung“ verdrängen und verleugnen. U.a. würden 83 Prozent für die besseren Renten höhere Löhne wollen. Wir danken für die interessanten Leserbriefe. Es folgt nun eine Auswahl, die für Sie von Christian Reimann zusammengestellt worden ist.


1. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten-Macher,

vielen Dank an Werner Rügemer für seinen Artikel über die Rentenproblematik.

Zu ergänzen ist nur noch die Beitragsbemessungsgrenze in Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Sie liegt in der Rentenversicherung bei 7.300,00 EUR monatlich und besagt, dass alle, die mehr verdienen, nur Beiträge bis zu diesem Betrag zahlen müssen. Der Beitragssatz, zur Zeit 18,6 % für die gesetzliche Rentenversicherung, wird dadurch, je höher der Verdienst ist, umso geringer.

Die Zahlen in Kranken, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sind andere, das Prinzip ist dasselbe.

Das Argument, dass man, wenn man die Beitragsbemessungsgrenze aufhebt, Renten in entsprechender Höhe zahlen müsse, wird m.W. durch die schweizer Realität widerlegt: es gibt keine Beitragsbemessungsgrenze, aber sowohl eine Mindest- als auch eine Höchstrente. 

Mit freundlichen Grüßen
I. Göddertz


2. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Dr. Rügemer,
sehr geehrtes NDS-Team,
 
bei der Überschrift dachte ich, da musst Du gleich ergänzen. Dann gelesen und siehe da: Ich habe selten, vermutlich noch nie, einen derart stimmigen und inhaltlich richtigen Aufsatz zu diesem Thema gelesen. Dafür meinen herzlichen Dank!

Warum erwähnt ein Österreicher nicht die vorbildliche Altersversorgung dort und versucht die Bedingungen in diesem Land noch zu verschlechtern? Österreich wird oft als Vorzeigebeispiel genannt, wie die Schweiz, zwei Nachbarländer welche die wertschöpfenden Menschen ehrt und schätzt über gerechte Entlohnung und Altersversorgung. Anders als hier im Lande. Leider gibt es keine Fürsprecher mehr für die abhängig Beschäftigten, die Gewerkschaften sind in der Versenkung verschwunden, einige Gruppierungen für diesen Personenkreis sind nicht mehr existent, was auch der eigenen Klientel zu „verdanken“ ist. Man bekommt nahezu keine Beschäftigten/Rentner mehr dazu sich für die eigene Sache (oder für die Nachkommen) einzusetzen, Sport, Reisen etc. stehen oft im Vordergrund, die Aussichten auf Änderung somit um Null. Andere, Armutsrentner z.B., können sich keinen PC oder Anreisen zu Vorträgen leisten. Gleichzeitig verliert man das eigene Engagement, wenn man sieht wie wenig es sind die sich einbringen. Würde man für Beamte eine solche Forderung aufstellen, wie höheres Pensionsalter o.ä., würde der Beamtenbund Millionen auf die Straße bringen und die Politik als weiterer Nutznießer im Rücken. Sie haben ja schon z.T. wichtige Seltsamkeiten bezüglich Geldzuwendungen erwähnt, Verdienst wäre deplatziert, denn verdienen kann man solche Summen nicht, die muss man sich genehmigen, was in einem Selbstbedienungsladen oder Filzsystem ja kein Problem ist. Aber nicht vergessen möchte ich die Intendanten, wie kürzlich veröffentlicht. Wie kann man Zwangsbeiträge dermaßen zweckentfremden, ohne dass große Einwände erhoben werden und dann zu höheren Rundfunk-Beiträgen aufrufen? Was rechtfertigt derartige Geldsummen? Oder der „EU-Lindwurm“ mit Tausenden von „Beschäftigten“ bei überzogenen finanziellen „Zuwendungen“? Dazu kommt noch die aufgedeckte Korruption, weil es vermutlich nicht kompliziert ist. Charakter ist heute ein Wort, das aus der Mode gekommen scheint oder wie lässt sich das alles erklären? Parallel dazu verarmen die tatsächlich Wertschöpfenden immer weiter, also Menschen die ein Roh- oder Halbfabrikat veredeln und somit mit dem erzielten Mehrpreis dem Unternehmen einen Gewinn ermöglichen, nur als einleuchtendes Beispiel. Unsere Bürokratie gerät aus den Fugen, was einer zunehmenden Ausuferung von Gesetzen und neuen Ämtern geschuldet ist, eine Wertschöpfung sehe ich darin nicht. Bei derart kopflastiger Konstellation rückt eine Bürgerversicherung in unerreichbare Galaxien.

So lehrreich und richtig, wie auch wichtig, Ihr Aufsatz ist, für eine Änderung sehe ich keinen Silberstreif am Horizont, leider.

Mit freundlichen Grüßen
E. Bauer


3. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Rügemer,
sehr geehrte Damen und Herrn der Nachdenkseiten,
sehr geehrte Leserinnen und Leser!

Nicht erst nach dem lesen Ihres Beitrags frage ich mich einmal mehr, wer dieses Land eigentlich regiert und-oder kontrolliert. Seit Jahr und Tag ist bekannt,dass das Umlagesystem das beste Rentensystem ist,es hat allen Unwägbarkeiten standgehalten. Es ist auch lange bekannt,dass man die gesetzliche Rentenversicherung mit den von Ihnen geschilderten Optionen resistent gegen Altersarmut und zukunftssicher reformieren kann.
 
Mehr als eindeutig ist,dass dies nicht gewollt ist,nicht gewollt von „Volksvertretern“,die nur neoliberal verseuchte Klientelpolitik kennen. Angefangen bei einer rot-grünen Regierung von 1998-2005,die mit der Abrissbirne gegen Arbeitnehmerschaft und Rentnerschaft vorgegangen ist, hat bis heute jede andere Regierung wider besseres Wissen von besagten Optionen die Altersarmut und andere gegen das Volk und den gesunden Menschenverstand gerichtete Massnahmen ausgeweitet ( Bildung-Gesundheitswesen-Energiesektor-Wohnungsmarkt-Verkehr-Steuergerechtigkeit etc.).
 
Wer selber die schönste Rundumsorglosversorgung (selbst geschaffen) genießt und nicht von den Ergebnissen seiner asozialen Politik leben muss, hat auch keine Ambitionen,dass umzusetzen,was das Grundgesetz besagt, nämlich Schaden vom Volk (wird auch Stimm-und Nutzvieh tituliert) abzuwenden. Allein in den letzten drei Jahren konnte man sehen,wie trotz Dauerkrisengeschwafel die neoliberale Umverteilungsorgie von unten nach oben noch weiter beschleunigt wurde,ein funktionaler Sozialstaat ist da nur hinderlich. Von der Demokratie in die Plutokratie.

„Der Kapitalismus basiert auf der seltsamen Überzeugung,dass widerwärtige  Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.“  (John Maynard Keynes)

 
Wenn dann noch Ministerien mit Personen besetzt sind,die den Neo-Liberalismus wie den heiligen Gral vor sich hertragen,ist das Ergebnis,der Supergau,keine Überraschung mehr (konnte keiner wissen-konnte keiner ahnen-darf nie wieder passieren-ich kann mich nicht erinnern). Wo waren und sind eigentlich die Gewerkschaften,die das Treiben doch offensichtlich toleriert haben?

Mit freundlichen Grüßen
Peter Dukot


4. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Rügemer,

bei all berechtigter Kritik an obigem FAZ-Artikel, erlauben Sie mir folgende “Anmerkung”:

Wenn Sie den FAZ-Autoren ein “souveränes Übergehen” bzw. Nichterwähnen der rentenfremden Leistungen in Höhe von fast 23 % am Bestand der Rentenkasse vorwerfen, so hätten Sie allerdings auch erwähnen sollen, dass die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung mit ca. 100 Milliarden € an Bundesmitteln bezuschusst werden.

Mit freundlichem Gruß,
Michael Schneckeneichner


5. Leserbrief

Sehr geehrter Dr. Rügemer,

die angegebenen Zahlen in Ihrem Artikel passen nicht zusammen:

“Im Jahr 2022 betrug die durchschnittliche gesetzliche Rente 1.152 Euro – sie liegt also unterhalb der Armutsgrenze! Das bleibt auch so, wenn wir das nach Männern und Frauen und nach West- und Ostdeutschland aufschlüsseln: Die durchschnittliche Rente in Westdeutschland beträgt bei Männern 1.218 Euro, bei Frauen 809 Euro. Ostdeutschland: für Männer 1.143 Euro, für Frauen 1.072 Euro.”

Da müssten es schon ganz erheblich mehr “westdeutsche Männer” als Rentner der anderen Kategorien geben, damit diese den Durchschnitt auf 1.152 Euro heben. Zum Nachrechnen fehlt die Angabe der Anzahl der jeweiligen Rentner. Als Beispiel die aktuellsten Zahlen, die ich auf die Schnelle gefunden habe (Stand 31.12.2021):

deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Zahlen-und-Fakten/Statistiken-und-Berichte/statistiken-und-berichte_node.html

Dort auf den Seiten 34/35:

14 860 126 * 948 (gesamt West) + 3 658 813 * 1172 (gesamt Ost) / (14 860 126 + 3 658 813) = 992,26

Mit freundlichen Grüßen,
Lars Geidel


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