Bundesdeutsche Journalistenvereinigungen kultivieren Zersetzung

Bundesdeutsche Journalistenvereinigungen kultivieren Zersetzung

Bundesdeutsche Journalistenvereinigungen kultivieren Zersetzung

Ein Artikel von Angela Welty

Noch vor vielleicht zwei Jahrzehnten herrschte im deutschen Journalismus ein liberaler Geist, die Freiheit der bisweilen unbequemen Presse galt als unantastbar. Etwa im November 2000 solidarisierten sich Journalisten mit Kollegen, denen wegen einer albernen Recherche über angeblich koksende Politiker im Bundestag Hausverbot erteilt worden war. Die damalige Vorsitzende des Bundespressekonferenz e.V., Tagesspiegel-Journalistin Tissy Bruns, wetterte: „Verbote vertragen sich nicht mit der Pressefreiheit.“ Doch mit diesem journalistischen Geist ist es spätestens seit 2022 vorbei. Von Angela Welty.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Bundespressekonferenz e.V. wurde von Journalisten gegründet, damit alle Hauptstadtkorrespondenten unabhängig von Größe oder politischer Couleur ihrer Medien zeitgleich an Informationen der Bundesregierung gelangen, ohne sich solches durch Hofberichterstattung erkaufen zu müssen.

Zum Hausverbot des Bundestags kommentierte damals der Deutsche Journalistenverband e.V., diese Strafe, die auf eine Art Berufsverbot hinauslaufe, stehe in keinem Verhältnis zu einem möglichen Verstoß gegen die Hausordnung des Bundestages. Der Deutsche Journalistenverband e.V. sieht sich als Interessenvertreter von Journalisten aus allen Medienbereichen.

Beide Organisationen sind private Vereine, denn nach den Erfahrungen mit der Propaganda im Dritten Reich legten Verfassungsjuristen zum Schutz der Pressefreiheit Wert darauf, organisatorischen Einfluss des Staates auf die öffentliche Meinung zu minimieren. So sollte eine „Gleichschaltung“ der Presse wie im Schriftleitersystem der Nationalsozialisten vermieden werden. Pressegesetze verbieten im Journalismus sogar ausdrücklich eine Zwangsmitgliedschaft, wie sie etwa in berufsständischen Kammern gelten. Zu Zeiten der DDR legte man im Westen großen Wert auf ein demonstrativ liberales Mediensystem, das Raum für eine Vielzahl an Meinungen bot, aus der sich die Bürger frei diejenige aussuchen konnten, die sie am meisten überzeugte.

Eine Zensur fand nicht statt. Politikern wie Adenauer, der vergeblich von einem Propaganda-Ministerium träumte und mehrfach versuchte, Einfluss auf den Rundfunk zu nehmen, hatten Verfassungsjuristen sowie Journalisten mit Rückgrat ihre Grenzen aufgezeigt. Noch vor zwei Jahrzehnten hielten es gute Journalisten mit Hajo Friedrichs:

„Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“

Haltungsjournalismus war als unprofessionell verpönt.

Die Reihen fest geschlossen

In Zeiten des Krieges jedoch, seien es solche gegen Menschen oder Viren, wird dem überforderten Bürger bei der politischen Orientierung keine eigene Meinungsbildung mehr zugemutet, Journalismus dient „unter Kriegsrecht“ der politischen Sozialsteuerung. Während in der Nachkriegsgeneration Begriffe wie „Mitläufer“ und „Gleichschaltung“ politisch negativ besetzt waren und man notfalls mit Zivilcourage Sand ins Getriebe eines totalitären Staates streuen wollte, gelten Dissidenten heute nur noch dann als salonfähig, wenn es sich um solche im Ausland gegen unsympathische Regierungen handelt. Im Inland werden Personen, die sich in Widerspruch zu „öffentlicher Meinung“ und Herdentrieb setzen, inzwischen als „Querdenker“, „Verschwörungsideologen“, „Sonstwas-Leugner“, „Sonstwas-Versteher“ oder „Anti-Sonstwas“ etikettiert und sozialer Ächtung preisgegeben.

Der Deutsche Journalistenverband verzichtet heute auch konsequent auf jeden Anschein von Objektivität und Überparteilichkeit. Journalisten auf der Suche nach der Marschrichtung müssen in Social Media nur einen Blick auf das Logo des Deutschen Journalistenverbandes werfen, das dort in den Nationalfarben eines fremden Landes erstrahlt, das offenbar über jede Kritik erhaben ist. Und auch die Nähe zu staatsnahen Propaganda-Agenturen mit staatlicher Finanzierung ist kein Tabu mehr.

Besonders hervorgetan hat sich das Grünen-nahe „Zentrum für liberale Moderne“ (LibMod), dessen Projekt Gegneranalyse Propaganda gegen alternative Medien lancieren und diese mundtot machen soll. Dort sagt man ganz offen, dass Medien mit abweichender Meinung „Gegner“ und zu „bekämpfen“ sind, und markiert sie öffentlich zum Abschuss. Überschaubare Resonanz erzielte das Zentrum mit einer substanzlosen Studie, die als inszenierte Referenz zur Diffamierung herhalten sollte.

Auftragsjournalismus

Deutlich effizienter arbeitete LibMod hingegen mit einem sogenannten „Journalisten“, der die Botschaft von „Gegneranalyse“ verdeckt in konventionellen Medien platzieren konnte. Der Journalist hatte sich in der Vergangenheit mit dem originellen Kampfschreiben gegen Nazis und entsprechend provozierten Gegenreaktionen einen Namen gemacht. Außerdem kolportierte er in der taz eifrig Dreck innerhalb der Linkspartei, mit dem sich linke Parteifreunde traditionell gegenseitig über die Medien bewerfen. Seine Funktion erinnert an den Zwietrachtsäher Tullius Destructivus aus Asterix, der strategisch Streit herbeimanipuliert.

Der von LibMod bezahlte „Journalist“ publizierte nun eifrig über „Gegenmedien“ u.a. in taz, SPIEGEL und Tagesspiegel und warnte insbesondere vor den gefährlichen NachDenkSeiten, die er in einen Topf mit Blogs aus dem rechten Spektrum warf. Der mutige Informationskrieger schwärzte die NachDenkSeiten dann auch noch persönlich beim Finanzamt an – das jene Steuern sammelt, von denen letztlich auch LibMod subventioniert wird.

In seinen Artikeln unterschlug der professionelle Provokateur jedoch, dass sich der Journalist nicht nur von den Verlagen bezahlen ließ, sondern auch von LibMod.

Das jedoch ist mit Ziffer 6 des Pressekodex nicht wirklich vereinbar:

„Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen könnten.

Richtlinie 6.1 – Doppelfunktionen

Übt ein Journalist oder Verleger neben seiner publizistischen Tätigkeit eine Funktion, beispielsweise in einer Regierung, einer Behörde oder in einem Wirtschaftsunternehmen aus, müssen alle Beteiligten auf strikte Trennung dieser Funktionen achten. Gleiches gilt im umgekehrten Fall.“

Nachdem der LibMod-Propagandist in der Pose eines vermeintlich objektiven taz-, SPIEGEL- und Tagesspiegel-Journalisten gegen die NachDenkSeiten sein Gift versprüht hatte, beschwerte sich der Herausgeber beim Deutschen Presserat. Der Journalist kann schwerlich Akteur und getarnter Journalist in eigener Sache sein.

Der Deutsche Presserat ist ebenfalls ein privater Verein, der von Verlegern und Journalistenvereinigungen getragen und von nahezu allen professionellen Medien beachtet wird. Die Spruchpraxis des Presserats zu Ziffer 6 war bislang sehr restriktiv. Journalisten, die für einen Beteiligten ihres Berichtsthemas arbeiteten, mussten ihren Interessenkonflikt gegenüber den Lesern mindestens offenlegen.

Im Bezug auf den Tagesspiegel stimmten daher vier Mitglieder des Beschwerdeausschusses für eine Beanstandung, drei dagegen und eines enthielt sich. Dennoch wurde die Mehrheit knapp verfehlt, da der Presserat auf die Mehrheit der Anwesenden abstellt. (Ein Mitglied, das sich für befangen erklärt hätte, wäre hingegen stimmlos ausgeschieden. Enthaltungen sind vorliegend faktische Nein-Stimmen. Warum ein nicht befangenes Mitglied sich enthalten darf, ist unerfindlich, denn Entscheidung ist nun einmal dessen Aufgabe.)

An der Entscheidung hatten allerdings auch Mitglieder mitgewirkt, die der Deutsche Journalistenverband zum Presserat entsandt hatte. Und hier drängt sich ein pikanter Interessenkonflikt auf: So hatte besagter Journalist auch im vom Deutschen Journalistenverband herausgegebenen Organ journalist während des Verfahrens ebenfalls gegen die NachDenkSeiten agitiert, ohne seine Lobby-Tätigkeit für LibMod vollumfänglich offenzulegen.* Die vom Deutschen Journalistenverband entsandten Mitglieder urteilten also über einen Vorwurf, der dem eigenen Verband mit demselben Akteur ebenfalls zu machen ist. Mit anderen Worten: Sie waren strukturell befangen. Beim Presserat gibt man sich dazu kleinlaut.

Da der Presserat inzwischen über § 19 Medienstaatsvertrag auch indirekt öffentlich-rechtliche Funktionen ausübt, stellt sich die Frage, ob ein solches nach Gutsherrenart arbeitendes Gremium noch zeitgemäß ist. Während dem Deutschen Journalistenverband eine gewisse politische Haltung zuzugestehen sein mag, hätte man sich vom Presserat hingegen Objektivität und Professionalität gewünscht.

Ausgrenzung

Der Arm von LibMod zur Ausgrenzung unerwünschter Stimmen reicht über besagten Journalisten auch bis in den Bundespressekonferenz e.V., von dem man eigentlich auch eine Unparteilichkeit erwarten dürfte. Der Bundespressekonferenz e.V. jedoch lehnte einen bereits positiv beschiedenen Mitgliedsantrag des Hauptstadtkorrespondenten der NachDenkSeiten mit fadenscheinigen Pseudo-Begründungen ab, nachdem der von LibMod bezahlte Journalist Einspruch erhoben und damit öffentlich geprahlt hatte. Als der Hauptstadtkorrespondent seine Mitgliedschaft einklagte, bestritt Bundespressekonferenz e.V. eine Monopolstellung.

Tatsächlich allerdings gibt es zu den Veranstaltungen der Bundespressekonferenz keine ernsthafte Alternative, vielmehr halten Kanzleramt und Bundesministerien nahezu alle Pressekonferenzen in den repräsentativen Räumen des Bundespressekonferenz e.V. ab und gewähren den Mitgliedern auch Audienzen im nicht öffentlichen Teil, aus dem nicht zitiert werden darf. Wer nicht Mitglied ist, kann hierüber nur aus zweiter Hand berichten und insbesondere keine Fragen stellen. Daneben kontrolliert der Bundespressekonferenz e.V. über den Bundespresseball auch das gesellschaftliche Parkett der Medien und verleiht ausgerechnet einen Preis für herausragende Leistungen im Sinne gelebter Pressefreiheit. Während rechtsextreme Publikationen ungehindert Zutritt zur BPK haben, werden die sozialdemokratisch orientierten NachDenkSeiten politisch ausgegrenzt. Was die ehemalige BPK-Vorsitzende Tissy Bruns („Verbote vertragen sich nicht mit der Pressefreiheit“) wohl zu hierzu gesagt hätte?

Wer Zeuge werden will, wie sich Bundespressekonferenz e.V. mit dem kuriosen Argument verteidigt, er könne seinen Mitgliedern praktisch nichts Exklusives bieten, hat hierzu am kommenden Donnerstag, dem 29. Juni 2023, Gelegenheit: Landgericht Berlin, Tegeler Weg 17-21, 11.30 Uhr, Saal 111. Zutritt vor Gericht hat jeder – den können selbst LibMod und gedungene Saboteure nicht verhindern.

* 11. Juli 2023, 20 Uhr: Der letzte Teilsatz wurde präzisiert.

Titelbild: shutterstock / ralphmeiling