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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Massive Kritik an Hartz IV Verschärfung
  2. Die Polizei spielt Krieg
  3. Amnesty International wirft Türkei Abschiebung von Syrern vor
  4. Bayerisches Kabinett erlaubt Verfassungsschutz Zugriff auf Vorratsdatenspeicherung
  5. Die Folgen der “Befreiung”
  6. Bundeswehreinsatz in Syrien SPD-Fraktion fühlt sich nicht an Parteivotum gebunden
  7. Professor Seltsam oder wie ich lernte, die Krise zu lieben
  8. SAP-Gründer Dietmar Hopp übernimmt Kinderbetreuung
  9. Alarmierende Pläne der neuen Regierung
  10. Portugal mit leisen Reformschritten
  11. Fabian Fritzsche: Historische Zinswende zur Unzeit
  12. Atomausstieg: Union riskiert Milliardendesaster für Steuerzahler
  13. Reaktionäre Turbolader
  14. Gesetzesentwurf liegt vor – Missbrauch verhindern geht anders!
  15. Die Mitte kann sich Gabriels SPD nicht leisten
  16. Zu guter Letzt: Steffen Seibert – der etwas andere Regierungssprecher

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Massive Kritik an Hartz IV Verschärfung
    Das bundesweite Erwerbslosen-Bündnis „AufRecht bestehen“ hat den Gesetzentwurf, mit dem das Hartz-IV-Gesetz angeblich vereinfacht werden soll, als Mogelpackung kritisiert. Der Entwurf enthalte eine Vielzahl von „völlig inakzeptablen Verschlechterungen“. Der Gesetzentwurf wird zurzeit zwischen den Bundesministerien abgestimmt. Der Gesetzentwurf richte sich zu weiten Teilen ausschließlich nach den Interessen der Jobcenter und des Bundesministeriums für Arbeit, kritisiert das Bündnis. „Hartz IV soll für die Jobcenter einfacher zu handhaben sein und dies geschieht zu Lasten der Leistungsberechtigten, deren Rechte eingeschränkt deren individuelle Leistungsansprüche weiter beschnitten werden sollen“, erläutert Helga Röller von der Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen (BAG PLESA).
    Das Bündnis „AufRecht bestehen“ nennt konkrete Beispiele aus dem Gesetzentwurf, mit denen Hartz-IV-Bezieher deutlich schlechter gestellt werden:
    So soll zukünftig eine separate Einzelfallprüfung der Heizkosten nicht mehr verpflichtend sein und die Kommunen dürfen stattdessen eine Obergrenze für die Warmmiete festlegen. Das würde bedeuten, dass Hartz-IV-Beziehern hohe Heizkosten nicht mehr erstattet werden, die besonderen Umständen wie etwa einer schlechten Wärmedämmung geschuldet sind.
    Quelle: gegen-hartz.de
  2. Die Polizei spielt Krieg
    Sturmgewehre, Häuserkampf – die Polizisten der neuen Anti-Terror-Einheit BFE+ denken und handeln wie Soldaten. Und weichen damit die Trennung von Militär und Polizei auf. Die 50 Mann marschieren schweigend auf den Innenminister zu. Sie sind schwarz gekleidet, Sturmhauben verdecken ihre Gesichter, sie tragen Schutzwesten und Sturmgewehre. Ein Paar Meter vor ihm stellen sie sich in ordentlichen Reihen auf, das Gewehr vor der Brust, die Hand am Abzug. “Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft, dabei zu sein”, sagt Thomas de Maizière sachlich. Die Männer blicken unruhig umher, sie fühlen sich sichtlich unwohl vor der Masse Journalisten, die das Ganze beobachtet. Das Medieninteresse ist groß: In Blumberg bei Berlin ist die erste von fünf neuen Spezialeinheiten der Bundespolizei angetreten. BFE+ heißt die Truppe, die de Maizière mit wenigen Worten offiziell in Dienst stellt.
    Quelle: Zeit Online
  3. Amnesty International wirft Türkei Abschiebung von Syrern vor
    Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat der Türkei vorgeworfen, seit September Hunderte Flüchtlinge an der Westgrenze der Türkei festgenommen und in Haftzentren im Süden und Osten des Landes gebracht zu haben. Das geht aus einem neuen Bericht unter dem Titel “Europe’s Gatekeeper” (Europas Türhüter) hervor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde.
    Die Türkei stelle die Menschen “vor eine unmenschliche Wahl: Entweder sie bleiben auf unbestimmte Zeit in Haft, oder sie kehren in ihre Heimatländer Syrien und Irak zurück, wo ihnen Verfolgung, Folter und Tod drohen”, erklärte Wiebke Judith, Asyl-Expertin bei Amnesty in Deutschland. Damit verstoße die Türkei “eindeutig gegen internationales Recht” und handele “im starken Kontrast zu ihrer bisherigen sehr humanitären Haltung”, erklärte Judith weiter.
    Quelle: Süddeutsche

    dazu: EU finanziert Haftzentren für Flüchtlinge in der Türkei
    “In ihrer unmenschlichen Abschottungspolitik schreckt die EU vor gar nichts mehr zurück – sie finanziert unter dem Deckmantel der humanitären Flüchtlingshilfe offenbar sogar Haftzentren in der Türkei, in denen die Schutzsuchenden auf unbestimmte Zeit abgeschnitten von der Außenwelt weggesperrt werden”, sagt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, mit Blick auf den aktuellen Bericht von Amnesty International zum Umgang der Türkei mit Flüchtlingen. Der Türkei werden darin schwere Verstöße gegen internationales Recht, insbesondere massenhafte Zurückschiebungen und Festnahmen von Flüchtlingen, vorgeworfen.
    Quelle: Ulla Jelpke (MdB, die Linke)

    dazu auch: Ausnahmezustand in den kurdischen Städten in der Türkei
    Die Lage in den kurdischen Städten eskaliert. Die Bevölkerung befürchtet die Vorbereitung eines Massakers seitens des türkischen Militärs. Zehntausende Bewohner Diyarbakırs sind auf der Flucht.
    Die Auseinandersetzungen eskalieren zwischen den Bewohnern und der türkischen Polizei und der Armee. Bewohner fürchten, dass eine größerer Angriff seitens des Militärs bevorsteht. Dafür gebe es einige Hinweise, berichten kurdische Medien.
    In den kurdischen Städten (inkl. Gemeinden) Cizre und Silopi hat der türkische Staat am Wochenende 3.000 Lehrer zurückgezogen. Sie wurden auf unbestimmte Zeit freigestellt, die Schulen geschlossen. Per SMS des Bildungsministeriums wurden die Lehrkräfte dazu aufgerufen, aufgrund von “Weiterbildungsmaßnahmen” die Region zu verlassen und in ihre türkischen Heimatstädte zurückzukehren.
    Es gibt auch Berichte darüber, dass türkisches Gesundheitspersonal zurückgezogen wurde. Andererseits wurden die Staatskrankenhäuser in einem offiziellen Brief angewiesen, ihr Personal und alle Materialien “bereit zu halten“.
    Quelle: Telepolis

  4. Bayerisches Kabinett erlaubt Verfassungsschutz Zugriff auf Vorratsdatenspeicherung
    Das bayerische Kabinett hat heute den Entwurf zur Novellierung des bayerischen Verfassungsschutzgesetzes beschlossen und damit auch den Zugriff des Verfassungsschutzes auf die Telekommunikations- und Standortdaten der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung. Bei der ersten Präsentation zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung fragten wir Bundesjustizminister Heiko Maas, ob denn der Verfassungsschutz Zugriff auf die Vorratsdaten bekommen würde:

    netzpolitik.org: Also der Verfassungsschutz kriegt keinen Zugriff?
    Maas: Der Verfassungsschutz, das Verfassungsschutz-Amt ist in dem Gesetz nicht vorgesehen für einen Zugriff nach den Regeln, die wir in diesem Gesetz vorschlagen werden.

    Wir haben seinerzeit schon darauf hingewiesen, dass die Antwort ein Taschenspielertrick ist und vernebelt, dass ein solcher Zugriff über andere Gesetze einfacher gestaltet würde. Die Vorratsdatenspeicherung ist beschlossen, aber noch nicht in Kraft. Das hindert das bayerische Kabinett nicht daran, heute bereits den Zugriff des Verfassungsschutzes auf die Vorratsdaten im Rahmen der Reform des Verfassungsschutzgesetzes zu beschließen:
    Quelle: netzpolitik.org

  5. Die Folgen der “Befreiung”
    Fast zwei Jahre nach dem von Berlin unterstützten Umsturz in Kiew ziehen Experten eine gleich in mehrfacher Hinsicht verheerende Bilanz der Entwicklung in der Ukraine. Das belegen aktuelle Studien in den an der Universität Bremen publizierten “Ukraine-Analysen”. Demnach ist die Wirtschaft des prowestlich gewendeten Landes katastrophal eingebrochen und droht aufgrund der politischen Unwägbarkeiten noch weiter abzustürzen. Die Krise hat zu einem Rückgang der Reallöhne um mehr als 30 Prozent geführt; die Preise für Lebensmittel sind im laufenden Jahr um 34 Prozent gestiegen, die Wohnkosten haben sich seit der Unterstellung des Landes unter westliche Dominanz verdoppelt. Ein Drittel der Ukrainer kann sich die notwendigen Nahrungsmittel nicht mehr leisten; lediglich der Konsum von Brot und Kartoffeln bleibt annähernd konstant. Gleichzeitig dauern Nepotismus und Korruption auch unter der neuen Regierung an und drohen breite Proteste hervorzurufen. Weniger als ein Drittel der Bevölkerung äußert noch “Vertrauen” gegenüber Staatspräsident Petro Poroschenko; seine “Vertrauensbalance”, die statistische Differenz zwischen Zustimmung und Ablehnung, liegt noch unter derjenigen für Staatspräsident Wiktor Janukowitsch im Dezember 2013. Die “Vertrauensbalance” für Regierung und Parlament hat sogar ein – unter Janukowitsch nie gekanntes – Langzeittief erreicht.
    Quelle: German Foreign Policy

    dazu: Ukraine: Wenn der Rechte Sektor im Gerichtssaal das Sagen hat …
    Am 30. November 2015 stürmten hundert Mitglieder des Rechten Sektors einen Saal des Malinowski-Gerichts in Odessa. Die wachhabenden Polizisten wurden einfach zur Seite gedrängt. Maskierte Männer und Frauenbauten sich vor den drei Richtern auf. Sie hatten ein Urteil erlassen, fünf wegen der Straßenschlacht am 2. Mai 2014 inhaftierte Anti-Maidanisten gegen Kaution freizulassen. Angesichts der anrückenden Rechten guckten die Richter ängstlich. Und unter Drohungen der Maskierten unterschreiben (Minute 1:23) sie ihren Rücktritt.
    Kurze Zeit später wurde das Urteil zur Freilassung der fünf Anti-Maidanisten gegen Kaution von der Staatsanwaltschaft in Odessa wegen “der Nichtberücksichtigung einiger Tatsachen” aufgehoben und die Haft für die Fünf auf zwei Monate verlängert.
    Quelle: Telepolis

  6. Bundeswehreinsatz in Syrien SPD-Fraktion fühlt sich nicht an Parteivotum gebunden
    Mit seinem Vorschlag eines Mitgliedervotums zu einem möglichen Kampfeinsatz der Bundeswehr in Syrien hat SPD-Parteichef Gabriel die eigenen Abgeordneten unangenehm überrascht. Nun hat die SPD-Fraktion Gabriel bei seinem Vorstoß Grenzen gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion sähe sich durch die vom Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel angekündigte Mitgliederbefragung im Fall einer Ausweitung des Syrien-Einsatzes der Bundeswehr nicht gebunden. Das Mitgliedervotum wäre nur ein Stimmungsbild der Partei, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Christine Lambrecht am Mittwoch in Berlin.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers U.D.: Also sind Bodentruppen der Bundeswehr zum Einsatz in Syrien in der Planung. Die SPD ist unwählbar. Das “Spiel” von Gabriel kennen wir doch, denn in Sachen Handelsabkommen war es nicht anders. Wer glaubt diesem Mann noch?

    dazu: DEHLER-Austritt: “Fortwährend steigerndes Kriegstreiben der herrschenden Politik”
    Zum Austritt von Prof. Dr. Joseph Dehler aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands dokumentiert OSTHESSEN|NEWS die Begründung seiner Entscheidung mittels eines Briefes an den SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel. +++
    Quelle: osthessen-news

  7. Professor Seltsam oder wie ich lernte, die Krise zu lieben
    Professor Dr. Hans-Werner Sinn hat erneut ein Buch über den Euro geschrieben („Der Euro. Von der Friedensidee zum Zankapfel“, Hanser Verlag). Es beschreibt sozusagen seine finale Sicht auf ein europäisches Reformprojekt. Dass Professor Sinn dabei in tiefes Wasser und in große Erklärungsnöte gerät, verwundert nicht. Wir greifen einige Stellen heraus, sozusagen unsere finale Sicht auf Professor Sinn, der ja demnächst in Rente geht.
    Hans-Werner Sinn hat vor einiger Zeit in der Süddeutschen Zeitung die Aufgabe von Volkswirten folgendermaßen beschrieben. (hier): „Wie Spürhunde suchen Volkswirte die Wirtschaft nach Marktfehlern ab und überlegen, wie man diese Fehler durch kluge Staatseingriffe korrigieren kann“. Volkswirte eignen sich nach seiner Meinung genau dann als Spürhunde, wenn sie als „Analyserahmen“ die „neoklassische Theorie“ wählen. Denn er ist überzeugt, dass diese Theorie die Bedingungen identifiziert hat, die erfüllt sein müssen, damit eine Wirtschaftsordnung „effizient“ ist. Marktfehler sind in seiner Sichtweise nicht etwa Fehler des Marktes, sondern es sind alle Tatsachen, die mit den Annahmen und logischen Ableitungen der neoklassischen Wirtschaftstheorie nicht vereinbar sind.
    Quelle: flassbeck-economics
  8. SAP-Gründer Dietmar Hopp übernimmt Kinderbetreuung
    Der bekannte Mäzen und Investor Dietmar Hopp ordnet seine Spendentätigkeit neu. Seine Stiftung übernahm laut Mannheimer Morgen 85% am Kita-Betreiber family&kids@work und setzte eine neue Geschäftsführung ein. Damit wurde die langjährige SAP-Betriebsratsfürstin Sabine Kuntz-Mayr wohl endgültig aus der Rolle der scheinbar familienfreundlichen Wohltäterin gedrängt.
    Die Umstrukturierung im Hopp-Imperium hat auch etwas mit dem Buch „Die Fertigmacher – ArbeitsUnrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung“ zu tun. Darin portraitierten Werner Rügemer und Elmar Wigand die Aktivitäten der Sabine Kuntz-Mayr, die viele Jahre gleichzeitig im Betriebsrat und im Aufsichtsrat von SAP saß.
    Die gelbe Betriebsrätin powered by Dietmar Hopp klagte gegen die Autoren.
    Quelle: arbeitsunrecht.de
  9. Alarmierende Pläne der neuen Regierung
    Reporter ohne Grenzen ist in höchstem Maße besorgt über die Pläne der neuen Regierung in Polen, die Medien unter ihren Einfluss zu bringen und die öffentliche Meinung in undemokratischer Weise zu kontrollieren. Noch vor Weihnachten will die mit absoluter Mehrheit regierende nationalkonservative PiS einen Gesetzentwurf vorlegen, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verstaatlichen.
    Kritischen Journalisten drohen Minister offen damit, sie von ihren Posten zu entfernen. Eine TV-Moderatorin wurde wegen kritischer Äußerungen bereits zeitweise vom Dienst suspendiert, eine unbequeme Talkshow abgesetzt. Zudem soll der Anteil ausländischer Zeitungsverlage beschränkt werden. Dies richtet sich in erster Linie gegen deutsche Verlage, die in Polen sehr aktiv sind.
    Quelle: Reporter ohne Grenzen
  10. Portugal mit leisen Reformschritten
    Der Drahtseilakt der neuen sozialistischen Regierung in Portugal hat begonnen. Sie will den strengen Austeritätskurs der konservativen Vorgänger beenden, aber den Eindruck vermeiden, dass sie einen Bruch wolle, wie ihn Syriza in Griechenland erfolglos versucht hatte.
    Klarer Ausdruck dafür ist, dass der neue Finanzminister Mário Centeno den Sorgen in europäischen Hauptstädten präventiv begegnete. Nach seiner Ernennung erklärte er mit Blick auf den ehemaligen griechischen Finanzminister, er sei kein “portugiesischer Varoufakis”, wie ihn seine rechten Kritiker nennen.
    Stets hatte die von marxistischen Linksblock (BE) und der grün-kommunistischen CDU gestützte Regierung bekräftigt, die Vereinbarungen mit internationalen Geldgebern einhalten zu wollen. Um das zu untermauern, kündigte Centeno nun an, alle Ausgaben würden bis zum Jahresende eingefroren. Damit soll gesichert werden, dass Portugal erstmals wieder das Stabilitätsziel des Maastricht-Vertrags einhält und 3% nicht überschreitet.
    Quelle: Telepolis
  11. Fabian Fritzsche: Historische Zinswende zur Unzeit
    Auf den ersten Blick mag eine Zinserhöhung tatsächlich angemessen erscheinen: Die Arbeitslosenquote liegt mit 5,0% auf einem Niveau, welches mit Vollbeschäftigung assoziiert wird, die Beschäftigungsquote der 16-64jährigen steigt seit 2010 kontinuierlich an, die Einzelhandelsumsätze steigen seit Jahren stärker als im letzten Aufschwung und auch die Industrieproduktion hat seit 2009 so kräftig zugelegt wie sonst in kaum einer anderen westlichen Volkswirtschaft. Zudem sind die Auswirkungen der geplatzten Immobilienblase weitestgehend überwunden: Die Schuldenquote der privaten Haushalte ist über die vergangenen Jahre deutlich gesunken und die Zahlungsrückstände bei Hypotheken liegen auf einem historisch normalen Niveau. Es spricht also einiges dafür, nun endlich mit der Normalisierung des Zinsniveaus zu beginnen.
    Möglicherweise ist es aber nun auch genau der falsche Zeitpunkt. Immer wieder war zu hören, die Zinsen könnten weder in den USA noch anderswo steigen, weil die Verschuldung so hoch sei und ein höherer Zins somit in die Pleite führe. Dies ist so nicht haltbar. Die Gesamtschuldenquote von Staat, Unternehmen und Privathaushalten liegt in den USA aktuell etwas niedriger als 2009 und das bei einem deutlich niedrigeren Zinsniveau. Die Zinslast ist damit sehr niedrig und auch etwas steigende Zinsen würden daran zunächst wenig ändern. Das Problem liegt woanders. Es gibt Anzeichen, dass die USA den konjunkturellen Hochpunkt bereits überschritten haben. Die Unternehmensgewinne sinken, die Nettoinvestitionsquote ist rückläufig und der starke USD ist ohnehin eine dauerhafte Belastung.
    Quelle: WirtschaftsWunder
  12. Atomausstieg: Union riskiert Milliardendesaster für Steuerzahler
    Die Energiekonzerne sollen die Kosten des Atomausstiegs tragen. Doch das zentrale Gesetz dafür wurde nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen auf 2016 vertagt – weil die Union blockiert. Das Wirtschaftsministerium warnt vor einem finanziellen Desaster. Die Bundesregierung gerät mit einem Gesetz zur Finanzierung des Atomausstiegs in bedenklichen Zeitverzug. Spätestens 2022 soll das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz gehen, die Milliardenkosten für Rückbau und Entsorgung müssen die vier Energieversorger E.on, RWE, EnBW und Vattenfall tragen. Doch das Gesetz, das sie zwingen soll ihrer Pflicht nachzukommen, wurde zum wiederholten Mal vertagt. […]
    Offiziell begründet die Union ihre Blockadehaltung so: Sie will das Gesetz für die Konzernhaftung möglichst eng an den Abschlussbericht der sogenannten Atomkommission koppeln. Das Expertengremium soll bis Ende Februar einen Vorschlag machen, wie die Finanzierung des Atomausstiegs genau geregelt wird.
    Quelle: Spiegel Online

    Zur Rolle der Union noch einmal Monitor: Atomausstieg: Wie Energiekonzerne sich um die Kosten drücken
    Die vier großen Energiekonzerne zahlen zumindest einen Teil ihrer Rückstellungen nach und nach in einen Fonds ein, den der Staat kontrolliert. Dort wird das Geld angelegt, damit es dann zur Verfügung steht, wenn es für die Endlagerung gebraucht wird. Gutachter, Umweltverbände – sie sind sich einig, dass das eine gute Idee ist. Doch der Koalitionspartner des Wirtschaftsministers, die Union, sieht das Fondsmodell offenbar skeptisch. Denn im März taucht plötzlich diese Pressemitteilung vom Bundestag auf: Die „Fondslösung ist umstritten“, heißt es da. Umstritten? Warum gibt es plötzlich Zweifel? […]
    Drei Experten, eine Meinung – ganz im Sinne der Atomkonzerne, und wohl auch im Sinne der CDU/CSU Fraktion. Denn alle drei Experten wurden von der Unionsfraktion eingeladen. Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen), atompolitische Sprecherin: „Die Union versucht ganz eindeutig diesen Fond zu verhindern. Sie hat die entsprechenden Sachverständigen ausgewählt, die aus dem Umfeld der Konzerne kamen, die Interessen der Konzerne vertreten haben, also gegen die Einrichtung dieses öffentlich-rechtlichen Fonds argumentiert haben. Das heißt, die Union vertritt hier die Interessen der Konzerne, nicht die Interessen der Steuerzahler.“
    Quelle: Monitor

  13. Reaktionäre Turbolader
    Immer wieder in der Nachkriegsgeschichte hat der Nachwuchs in der CDU als leidlich innovative Kraft agiert. Heutzutage sind führende Köpfe der Jungen Union Modernisierungsbremser und allzu oft auch noch Snobs oder Schnösel.
    Sie wollen, dass vor jedem DFB-Pokalspiel die deutsche Hymne gesungen wird, sie wollen die Einnahmen des Staates verringern mit Hilfe von Steuersenkungen und den Hartz-IV-Satz abkoppeln von der Lohnentwicklung. Sie wollen zum Soldatengedenken einen Veteranentag, einen bundesweiten Eignungstest für alle Gymnasiasten, keine Gender-Forschung mehr und keine Frauenquoten, dafür aber ein neues Kindergeld. Sie kommen nicht selten daher, als wären sie von vorgestern, und doch werden sich aus Kreisen der JU tragende Teile der künftigen Unions-Elite rekrutieren. Spätestens in der Nach-Merkel-Ära soll die Partei raus aus der Mitte und wieder nach rechts. “Wir müssen uns wieder unterscheidbar von der SPD machen”, sagt Carsten Linnemann, 38 Jahre alt und smarter Chef des Wirtschaftsflügels, unter anderem ein mannhafter Kämpfer gegen Rettungsmaßnahmen für Griechenland.
    Heinz Schwarz hingegen ist stolze 87 Jahre alt, hat seit seinem Eintritt in die Partei sofort nach ihrer Gründung noch nie einen Bundesparteitag der CDU verpasst und die JU mitbegründet. In Karlsruhe versteht er die Welt nicht mehr. “Nit mehr”, sagt der berühmte Winzersohn, der es einst unter Ministerpräsident Helmut Kohl (Jahrgang 1930) zum rheinland-pfälzischen Innenminister gebracht hatte. Dass die JU, die er selber nach dem Zweiten Weltkrieg mitgegründet hat, der Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage in den Arm fällt – Schwarz fehlen die Worte: “Da ist ja die Vorsitzende moderner und besser als unsere Jungen.”
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung

    In der Gesamtausgabe von Kontext lesen Sie diese Woche unter anderem:

    • Im Eunuchen-Stadl: Noch hat der heiße Wahlkampf nicht begonnen, schon verheddert sich der Südwestrundfunk (SWR) im politischen Gestrüpp. Wer darf vor die Kamera und wer nicht? Wie hält man’s mit der AfD, die nicht mehr rechtspopulistisch heißt?
    • Läuse im Bahnpelz: Der Tiefbahnhof für Stuttgart 21 soll nur acht Gleise haben. Aber wenn tatsächlich, wie in Sonntagsreden gern verkündet, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene geholt werden soll, wird der bestehende Stuttgarter Kopfbahnhof womöglich noch dringend gebraucht.
    • Pfusch mit Ansage? Stuttgart 21 ist auf gutem Weg, den Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg BER als chaotischste Skandalbaustelle Deutschlands abzulösen, sagen die projektkritischen “Ingenieure 22”. Grund für die Befürchtung: Beim schwäbischen Tunnelbahnhof gehe es beim Brandschutz weiter drunter und drüber.
    • Mehr Sprit im Gebirge: Keine guten Nachrichten für Daimler & Co. Wenn die Klimakonferenz ernst macht, kann der Betrug bei VW die ganze Branche erschüttern. Weil alle Hersteller beim Spritverbrauch schummeln. Eine Studie besagt, dass dadurch der Beitrag zur Erderwärmung um 50 Prozent höher liegt.
  14. Gesetzesentwurf liegt vor – Missbrauch verhindern geht anders!
    Das Bundesarbeitsministerium hat den lang erwarteten Referentenentwurf für ein Gesetz gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen vorgelegt. Das Ergebnis ist enttäuschend: Insbesondere die Vorschläge gegen den Missbrauch von Werkverträgen sind halbherzig und völlig unzureichend. Die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte sollen nicht erweitert werden. Das ist eindeutig zu wenig.
    Quelle: IG Metall
  15. Die Mitte kann sich Gabriels SPD nicht leisten
    1999 riefen Schröder und Blair den dritten Weg der Sozialdemokratie mit einer Politik der “Neuen Mitte” aus. Kurze Zeit später kamen die Agenda-Reformen. Seitdem verfolgt die SPD in Regierung oder Opposition mehr oder weniger kontinuierlich eine “Politik der Mitte”. Mit welchem Erfolg? Sowohl die Mitte der Gesellschaft als auch die SPD ist geschrumpft. Millionen sind aus der Mittelschicht abgerutscht, Millionen haben sich von der SPD abgewendet. Denn das Problem der “Politik der Mitte” war und ist, dass sie in Wahrheit keine Politik für die gesellschaftliche Mitte macht. Im Gegenteil: Sie spielt die Mitte gegen Unten zugunsten von Oben aus.
    Quelle: Matthias Höhn (MdB, die Linke)
  16. Zu guter Letzt: Steffen Seibert – der etwas andere Regierungssprecher
    An einem Freitag im November zum Beispiel rauscht er pünktlich durch die Glastür der Bundespressekonferenz. Abendmahlartig beflankt von den Sprechern der Ministerien nimmt er in der Mitte Platz. Seibert, lobte man lange, komme extrem schnell zum Punkt, selbst bei verwickelter Sachlage. Aber was man in seinen 21 Jahren beim ZDF zu schätzen wusste, stellte sich hier bald als Nachteil heraus: Denn je schneller der Punkt kommt, desto kürzer ist der Satz davor. Seibert schien überhaupt nichts sagen zu wollen. „Alles wissen, alles erfahren, nichts sagen“, sei Seiberts Maxime, heißt es. Er übertreibe es damit, Vertrauliches für sich zu behalten. Als ginge es um die Imprägnierung der Regierung. Bela Anda war unter Rot-Grün ab und an mal nicht informiert. Seibert ist informiert, sagt aber nichts. […]
    Die Enttäuschung abgeprallter Fragesteller wird man nach Seiberts Amtszeit im Saal von den großen Scheiben kratzen können. Oder wahrscheinlich saugen die Putzkräfte, wenn sie abends auf dem orangenen Teppich herumfuhrwerken, die verkrümelten Fragen ein wie anderswo die toten Fliegen von einem Fensterbrett.
    Schnippisch hat man Seibert genannt. Aber das wirklich Aufreizende ist der sonore Tonfall, der aus der Zeit als Moderator blieb. Da fasst einer zusammen, suggeriert die Stimme. Jede Antwort klingt irgendwie abschließend. Doch die Finalität des Tons wird vom Inhalt überhaupt nicht gedeckt. Da ist oft nichts, was zusammenzufassen wäre.
    Quelle: Tagesspiegel

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