Debattenbeitrag: Die Pro-Maduro-Linke und ihre blinden Flecken

Debattenbeitrag: Die Pro-Maduro-Linke und ihre blinden Flecken

Debattenbeitrag: Die Pro-Maduro-Linke und ihre blinden Flecken

Ein Artikel von amerika21

Der Artikel des US-Politikwissenschaftlers Steve Ellner „’Neoliberal und autoritär?’ Eine grob vereinfachende Darstellung der Maduro-Regierung, die vieles außer Acht lässt”, verfasst als Antwort auf den Soziologen Gabriel Hetland und dessen Maduro-kritischen Text „Kapitalismus und Autoritarismus im Maduro-Venezuela”, bietet eine neue Gelegenheit, eine entscheidende Debatte über den Verlauf der bolivarischen Regierung und die aktuelle Situation in Venezuela weiterzuführen und zu erweitern. Von Emiliano Terán Mantovani.

Ich möchte in dieser Diskussion Stellung beziehen, insbesondere, um einige der von Ellner vorgebrachten Argumente zu beantworten. Meiner Ansicht nach versucht er damit, kritische Positionen gegen die rückschrittliche Entwicklung des venezolanischen politischen Systems unter der Regierung Maduro zu neutralisieren. Sie sind sogar Ausdruck der Labyrinthe, in denen sich manche linke Strömungen befinden: festgefahren in der Unterstützung bestimmter maroder Regime und kaum mit Ideen oder Vorstellungskraft, um neue kritische Wege zu beschreiten, die mit den Kämpfen der einfachen Menschen verbunden sind. Das ist von entscheidender Bedeutung in einer Welt, in der rechte Extreme und Autoritarismen voranschreiten.

Ellners zentrales Argument lautet, dass kritische Analysen der Maduro-Regierung kontextualisiert und differenziert werden müssen und dass mehr Gründlichkeit geboten ist. Tatsächlich ist sein Text jedoch einseitig: Er präsentiert eine Sammlung von „Nuancen” zu Hetlands Argumenten, die rechtfertigen sollen, warum Maduro unter anderem Arbeiter unterdrückt, die Löhne aushöhlt und ein aggressives neoliberales Regime errichtet.

Paradoxerweise zeigen Ellners Gegenargumente gegenüber Hetland kaum Nuancen. Er lässt eine enorme Menge an Aspekten unberücksichtigt, die nicht nur dringend angesprochen werden müssten, sondern auch für eine Analyse außerhalb jeglichen Binarismus sehr relevant wären – vor allem für eine Analyse, die sich den Kämpfen von Volkskräften verpflichtet fühlt. Am Ende verfällt Ellner jedoch in die gleiche Logik, die er kritisiert. Wenn es um Genauigkeit geht, fehlen zudem oft die Fakten, die er selbst von Hetland verlangt. Andere Argumente stützen sich wiederum auf Informationen von venezolanischen Regierungsfunktionären.

In diesem Sinne muss die von Ellner geforderte Differenzierung hier vorgenommen werden, die er selbst leider kaum erfüllt hat.

Es wurden verschiedene Themen angesprochen. So argumentiert Ellner beispielsweise, dass die internationalen Sanktionen in den Mittelpunkt der Analyse gestellt werden müssen, um die Geschehnisse in Venezuela zu verstehen. Ich möchte meine Position hierzu betonen: Ich halte diese Sanktionen für vollkommen verabscheuungswürdig, vor allem, wenn sie von einer Regierung wie der US-amerikanischen ausgehen, die eine lange Tradition von Einmischung und Neokolonialismus hat.

Ich möchte hinzufügen, dass dies eine Position ist, die von der heterogenen venezolanischen Linken geteilt wird, die ihre Ablehnung stets zum Ausdruck gebracht hat. Tatsächlich wird diese Politik von der Mehrheit der Bevölkerung nicht akzeptiert. Selbst einige liberale Forscher, Intellektuelle und politische Akteure der Opposition haben die Sanktionen abgelehnt, andere jedoch nicht.

Das Problem ist, dass die Sanktionen für die Maduro-Regierung nicht nur zu einem Instrument geworden sind, um Kritik und Debatten zu unterdrücken, sondern auch zur perfekten Ausrede, um eine Reihe wirtschaftlicher und politischer Missstände zu rechtfertigen.

Wenn wir also über Differenzierung und Gründlichkeit in Bezug auf die Sanktionen sprechen, dann ist es angemessen, die Frage zu stellen, ob sie die schlimmste Krise der venezolanischen Geschichte ausgelöst haben und welche Rolle sie dabei gespielt haben. Ellner spricht von den Sanktionen, die Obama im Jahr 2015 verhängte. Diese umfassten das Einfrieren von Vermögenswerten und Bankkonten in den USA, die Aussetzung von Visa und ein Einreiseverbot für Regierungsfunktionäre sowie zentrale Akteure mit Verbindungen zur venezolanischen Regierung.

Er verschweigt jedoch, dass das Bruttoinlandsprodukt bereits 2017, als die ersten Sanktionen direkt auf die Wirtschaft Venezuelas zielten, um 31,9 Prozent eingebrochen war, die Importe im Vergleich zu 2012 um 81,76 Prozent gesunken waren, die Inflation mit 438,1 Prozent die höchste weltweit war und die Schulden bereits bei 148,328 Milliarden US-Dollar lagen. Tatsächlich begannen der langsame Rückgang der Ölproduktion sowie das Debakel zahlreicher staatlicher Industrien und wichtiger Landwirtschaftssektoren wie Zuckerrohr und Mais schon in den Chávez-Jahren.

Schon damals war einiges schiefgelaufen. Ursache waren die Vertiefung des ölrentenbasierten Wirtschaftsmodells unter der Regierung Chávez sowie eine äußerst schlechte wirtschaftliche und administrative Steuerung. All dies geschah in einer Phase, in der die Regierung Chávez etwa 70 Prozent Zustimmung genoss, die Ölpreise sehr hoch waren, das Land über jahrelang außergewöhnliche, beispiellose Einnahmen verfügte, die Institutionen unter Kontrolle standen und die Regierung großen regionalen Einfluss hatte und enge Allianzen in den Regionen unterhielt.

Ellner vergaß ebenso, das kleine Detail der massiven Korruptionsskandale zu erwähnen, die die öffentlichen Kassen und die Bevölkerung schwer trafen: Wechselbetrügereien bei Cadivi[1], die zahlreichen Fälle bei Pdvsa, Pdval[2], dem chinesischen Fonds[3] und im Infrastrukturbereich. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Die oft zitierte Wirtschaftskrieg-Erzählung basierte in Wahrheit auf einem Netzwerk aus Akteuren, zu denen Regierungsmitglieder höchster Ebene sowie internationale und unternehmerische Gruppen gehörten.

Dieser Prozess setzte sich unter Maduro fort, wie sogar die Behörden selbst eingestehen. Es kam zu Verhaftungen hochrangiger Pdvsa-Manager, darunter mehrere Vorsitzende, sowie zu Betrügereien bei Sunacrip und Petróleos de Venezuela in Höhe von über 21 Milliarden Dollar. Angesichts einer solchen systematischen Veruntreuung sollte es einer kritisch denkenden Person schwerfallen, all dies als Einzelfälle skrupelloser Personen zu verstehen, statt davon auszugehen, dass es sich um eine kohärente Struktur zur illegalen und massiven Aneignung von Reichtum handelt.

Manch einer mag sich fragen, wie der Chavismus von einem hohen Popularitätsgrad im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts zu einer tiefgreifenden Ablehnung gelangen konnte, die heute bei 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung liegt. Die unermessliche Not der Venezolaner – geprägt von extremer Armut, fehlender medizinischer Versorgung und mangelhafter Grundversorgung – steht heute im krassen Gegensatz zum luxuriösen und exzessiven Lebensstil der Regierungs- und Staatselite: mit Wohnungen in Dubai oder Europa, ihrer Flotte teurer SUVs, Gourmetrestaurants und Megapartys.

Dies ist etwas, das im Bewusstsein der venezolanischen Bevölkerung bereits weitgehend verankert ist und sogar zur sozialen Vorstellungswelt gehört. Und das erklärt die weit verbreitete Abneigung gegen die Regierung Maduro, die Aushöhlung der Volkseinbindung, die in diesem Prozess erzeugt wurde, die massive Wahlbeteiligung am 28. Juli 2024 – mit dem Ziel, einem als Albtraum empfundenen Zustand zu entkommen – und sogar die Proteste vom 29. und 30. Juli gegen den Wahlbetrug, die vor allem aus den Armenvierteln wie Petare, La Vega, El Valle und Catia kamen.

Ich habe mit Erstaunen beobachtet, wie diese Proteste von linken Kreisen auf internationaler Ebene kriminalisiert wurden, die sie mit erschreckender Leichtfertigkeit als Demonstrationen von „Leuten der extremen Rechten” beschuldigten und damit die brutale Repression, die in diesen Tagen und den folgenden Wochen stattfand, rechtfertigten. Eine solche Praxis der Kriminalisierung der Bevölkerung haben wir auch bei rechten Regierungen wie der von Iván Duque in Kolumbien und Sebastián Piñera in Chile im Kontext der Massenproteste von 2019 gesehen.

Wenn wir wirklich über Nuancen sprechen wollen, müsste man sich ernsthaft mit den Ursachen der tiefen Unzufriedenheit der venezolanischen Bevölkerung auseinandersetzen. Die Anhänger der Maduro-Regierung ziehen es offenbar stets vor, äußere Schuldige zu suchen und Andersdenkende zu kriminalisieren, statt sich selbst einer gründlichen Prüfung zu unterziehen und zu fragen, wie und warum sie die Unterstützung und den Kontakt zur Bevölkerung verloren haben.

Zwar hatten die Sanktionen nachträglich negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Krise und erschwerten tatsächlich den Erholungsprozess nach dem freien Fall der venezolanischen Wirtschaft. Doch sie erklären weder die Ursachen des gesellschaftlichen Zusammenbruchs, den wir erlebt haben, noch die Tatsache, dass sich all dies innerhalb eines strukturellen Rahmens vollzog, der die Aneignung von Reichtum aus dem Inneren der bolivarischen Regierung heraus ermöglichte und in Gang setzte. Ich befürchte, dass das offizielle Sanktionsnarrativ als wirksamer Mechanismus zur Neutralisierung von Kritik und Diskussion fungiert – ein Narrativ, das bedauerlicherweise von Teilen der internationalen Linken übernommen wird, die sich dieser Realität entziehen.

Das Narrativ der Vergangenheit bemühen, um das gegenwärtige Desaster zu rechtfertigen

Es scheint mir, dass es eine hartnäckige Tendenz gibt, sich an Argumente aus der Chávez-Ära zu klammern – an eine Zeit, in der die Öleinnahmen massiv in der Gesellschaft verteilt wurden, der nominelle Monatslohn bis zu 400 US-Dollar erreichte und die politische Mitwirkung der unteren sozialen Schichten gezielt gefördert wurde –, um all dies auf eine Gegenwart zu übertragen, die sich dramatisch gewandelt hat. Dafür ließen sich zahlreiche Beispiele anführen. Ellner spricht von den Kommunen, obwohl er selbst einräumt, dass diese unter Maduro über Jahre hinweg auf ein Minimum zurückgefahren wurden. Anschließend verweist er auf einen „neuen Impuls” für die Kommunen. Was er jedoch verschweigt, ist, dass diese Minimierung Teil eines Prozesses der Demobilisierung und Aushöhlung basisnaher Organisationen war – mit äußerst schädlichen Folgen – und des Verlusts jeglicher kommunaler Substanz dieses Ansatzes, der unter Maduro schließlich selbst in die Clap-Strukturen[4] überführt wurde. Heute wird dieses Projekt neu gedeutet – als Instrument zur Durchsetzung staatlicher Kontrolle über die Territorien, eingebettet in ein politisches System, das sich zu einem neopatrimonialen Modell entwickelt hat.

Wenn heute vom „bolivarischen Prozess” die Rede ist, geht es nicht mehr um ein volksnahes, national orientiertes Bündnis mit Schwerpunkt auf die benachteiligten Klassen. Diese Konstellation hat sich inzwischen drastisch gewandelt: Die Allianz mit dem Militär hat die Präsenz der Sicherheitskräfte vervielfacht; es bestehen enge Verbindungen zu den Fedecámaras[5] und den Eliten der evangelikalen Kirchen – Bündnisse, die durch die Zusammenarbeit mit dem US-Konzern Chevron verstärkt wurden; ebenso mit chinesischem Kapital im Orinoco-Ölgürtel sowie mit Bankiers und Neureichen, die aus dem Schoß der sogenannten „Revolution” hervorgegangen sind.

Aber das Wichtigste ist: Nahezu das gesamte in Venezuela vorhandene Kapital schöpft den Reichtum des Landes unter beschämend bevorzugten Bedingungen aus – ohne Einschränkungen, mit großzügigen Vergünstigungen und ohne jede Möglichkeit zur öffentlichen Kontrolle. Gesetze wie das Anti-Blockade-Gesetz, das Gesetz über die Sonderwirtschaftszonen, das Gesetz zum Schutz ausländischer Investitionen, Steuerbefreiungsdekrete für Unternehmen, unauffällige Privatisierungen, die LG41-Lizenz für Chevron, die Vereinbarungen mit dem Ölkonzern China National Petroleum Corporation (CNPC) und viele andere belegen dies. Das Kuriose daran ist nicht, dass sich der Großteil der linken Kräfte im Land – insbesondere die kämpferischsten – diesem Ausverkauf des Landes vehement widersetzt hat, sondern dass die Pro-Maduro-Linke als einzige all dies mitträgt und sogar beklatscht.

Ein weiteres Element der Diskrepanz zwischen dem alten Narrativ und dem neuen Regime: Ellner beharrt darauf, dass die Rolle der (traditionellen) venezolanischen Opposition nicht vergessen werden darf, wenn es darum geht, die „Tragweite des Kriegs gegen Venezuela” zu verstehen. Zweifellos hat auch diese Opposition im Allgemeinen zum Verfall des nationalen politischen Systems beigetragen – etwa durch aufstandsartige Zyklen, die vom radikalen Flügel angestoßen wurden und zur Verarmung der politischen Kultur beitrugen; durch eine geringe organische Verankerung von Machtstrukturen in der Basis und vor allem durch kaum nennenswerte Beiträge zum Aufbau politischer Alternativen.

Was der Autor nicht erklärt, ist, wie die Regierung nicht nur die rechte Opposition schließlich zerschlug – die heute nur noch ein Trümmerhaufen ist, was wiederum den Aufstieg der Massenführungsfigur María Corina Machado mit erklärt –, sondern auch jede politische und soziale Kraft vernichtete, die sich ihr entgegengestellt hat. Dazu gehörten die Intervention und Spaltung traditioneller Parteien wie AD und Copei, deren Führungsstrukturen durch regierungstreue Gremien ersetzt wurden – das ist jene „Opposition”, die der Öffentlichkeit präsentiert wird. Ebenso kam es zur Verfolgung und Inhaftierung von Gewerkschafterinnen – eine Praxis, die sich auch gegen Gemeindeaktivistinnen, soziale Organisationen und NGOs richtete.

Ellner hätte auch auf die Situation inhaftierter Kommunarden und kritischer Chavisten eingehen sollen, auf die Folter in venezolanischen Gefängnissen, die Verfolgung der Kommunistischen Partei Venezuelas und die Auswirkungen des „Gesetzes gegen den Hass” auf die Gesellschaft. Gerade in einem so sensiblen Bereich fehlen dem Text jegliche Nuancen – und das wiegt schwer.

Ellner verschweigt, dass das heutige Venezuela nicht mehr das von 2017 oder 2019 ist. Wir haben es mit einem völlig veränderten Szenario zu tun: einem Machtmodell ohne jegliches Gegengewicht. Analysen ändern sich, so wie auch die Geschichte sich wandelt.

Die Verwüstung eines Landes nuancieren? Über die Grenzen des Inakzeptablen

Eine von Ellners Schlussfolgerungen, die ich schockierend finde, lautet, dass Maduros Fehler von Washington erzwungen worden seien. Eine solche Argumentation trägt meines Erachtens eindeutig manichäische Züge: eine Seite reiner, bösartiger Dunkelheit, die Maduro einhüllt. In diesem Licht ist der andere nicht „böse” – er wird nur dazu gezwungen, es zu sein. Als spräche hier jemand, der dem Anführer aus einem Akt des Glaubens folgt.

Es ist schwer, jemandem vernünftig zu entgegnen, der Maduros Regierung als Opfer darstellt, ohne im selben Artikel ein Wort über die Opfer innerhalb der venezolanischen Gesellschaft zu verlieren – Opfer, die durch die Dekadenz und das räuberische Abgleiten dieses Regimes verursacht wurden. Ellner, und hierin stimme ich mit Hetland überein, konstruiert letztlich eine rechtfertigende Erzählung. Er verteidigt die neuen Bündnisse mit Fedecámaras und deren Politik, erwähnt jedoch mit keinem Wort die systematische Zerstörung der Löhne sowie die Verfolgung und Inhaftierung von Arbeitern.

Im Kern von alldem steht vielleicht die Frage nach den Grenzen des Inakzeptablen, nach den Dingen, die schlicht keine Nuancen mehr zulassen, nach den Dingen, die das Schlimmste von eben jenen Dramen verkörpern, die die Linke über Jahrzehnte hinweg kritisiert hat.

Und dass die derzeitige geopolitische Dynamik, beherrscht von abscheulichen Logiken, nicht ausreicht, um die Barbarei und die Verwüstung eines Landes durch eine Regierung zu „nuancieren”. Im Namen von nichts.

Dass diejenigen, die eine vermeintliche „kritische Unterstützung für Maduro” reklamieren, sich in ihrer Logik nicht von denen unterscheiden, die kritische Unterstützung für Bukele, Milei, Ortega oder Putin fordern. Alles ist nuancierbar. Wir können alle als Opfer dargestellt werden. Trump kann das Opfer des US-Deep-State sein, Netanjahu das Opfer der Hamas. Dieses Argument taugt für alles und liefert Vorteile zur Rechtfertigung von Exzessen. Und am Ende führt uns das alles in Irrwege, in denen wir uns verlieren und wo wir anfangen, Nuancen bei Barbarei und Plünderung zu akzeptieren – was zur aktuellen globalen „Normalität” wird.

Dort würde die Linke für immer verloren sein.

Epilog

Eine der vielen Fragen im Fall Venezuela lautet: Wenn ein Teil der internationalen Linken, der die Regierung Maduro unterstützt, sich der Missstände und der Korruption des Regimes voll bewusst ist und es für eine Frage der „Ehre” hält, traditionelle Oppositionsführer und -parteien nicht zu unterstützen – warum investieren sie dann nicht ihre Kräfte, Ressourcen und ihre Unterstützung in den Aufbau einer linken Opposition, die eines Tages auf irgendeine Weise die politische Macht erringen könnte?

Warum schlägt sie, wenn es ihr wirklich darum geht, ihre linke Identität treu zu bewahren, keine Brücken zu den oppositionellen linken Kräften vor? Warum fördert sie nicht eine andere, nicht-neoliberale, volksnahe Alternative, die ein alternatives politisches Projekt von nationaler Tragweite auf den Tisch legt, das die Vielfalt der Organisationen zusammenführt, die Löhne und Beschäftigten, die Volkssouveränität, die öffentliche Bildung sowie weitere historische Forderungen verteidigt? Diese Fragen halte ich für entscheidend und sie eröffnen andere notwendige Debatten.

Zum Autor: Emiliano Terán Mantovani ist Soziologe, Forscher und politischer Ökologe. Er erhielt 2015 eine Sonderauszeichnung beim venezolanischen Preis des Kritischen Denkens „Premio Libertador al Pensamiento Crítico” und ist Mitglied des Netzwerks Oilwatch Latinoamerica.

Übersetzung: Hans Weber, Amerika21

Titelbild: Shutterstock / T


[«1] Die Behörde für die Verwaltung des Wechselkurses und die Regulierung des Devisenhandels (Cadivi) existierte von 2003 bis 2015.

[«2] Pdvsa (Petróleos de Venezuela, S. A.) ist das staatliche Öl- und Erdgasunternehmen Venezuelas. Pdval (Producción y Distribución Venezolana de Alimentos) ist ein staatliches Unternehmen in Venezuela, das für die Produktion und Verteilung von Lebensmitteln zuständig ist. Es wurde im Jahr 2009 unter Chávez gegründet.

[«3] Der „Fondo Chino-Venezolano“ ist eine bilaterale Vereinbarung zwischen China und Venezuela, die darauf abzielt, die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zu stärken sowie Investitionen und Projekte zu fördern. Das Abkommen ist im Jahr 2008 entstanden.

[«4] Die Claps sind die „Lokalen Komitees für die Volksversorgung”. Es handelt sich um staatliche Programme zur Verteilung von Grundnahrungsmitteln an die Bevölkerung. Sie wurden 2015 im Zuge der Wirtschaftskrise gegründet.

[«5] Die Föderation der Handels- und Produktionskammern und -verbände, Fedecámaras, ist eine Vereinigung, die die Interessen der Großunternehmer Venezuelas vertritt.

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