„Russland ist der Feind“: Karl Schlögel erhält „Friedenspreis“ des deutschen Buchhandels

„Russland ist der Feind“: Karl Schlögel erhält „Friedenspreis“ des deutschen Buchhandels

„Russland ist der Feind“: Karl Schlögel erhält „Friedenspreis“ des deutschen Buchhandels

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die Propaganda durch Preisverleihungen geht weiter. Nach Anne Applebaum oder Serhij Zhadan wird mit dem Historiker Karl Schlögel nun ein weiterer „Kronzeuge“ für die militaristische Zeitenwende mit dem „Friedenspreis“ ausgezeichnet. Unvergessen sind auch die Karlspreise für Selenski oder Ursula von der Leyen. Viele Kulturschaffende und ihre Institutionen stellen sich in abzulehnender Weise in den Dienst der „Kriegstüchtigkeit“. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Historiker und Essayist Karl Schlögel erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2025, wie die „Tagesschau“ berichtet. Schlögel sei einer der profiliertesten Kenner der russischen und osteuropäischen Geschichte, teilte der Börsenverein mit. Die Auszeichnung wird am 19. Oktober zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse in der Frankfurter Paulskirche überreicht. Der Preis sei mit 25.000 Euro dotiert und zähle zu den bedeutendsten Kulturpreisen in Deutschland. Vergeben wird er vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels.

Schlögels Bücher würden historische Fakten mit persönlichen Erlebnissen verbinden, schreibt T-Online. Der Börsenverein würdigt ihn als Autor, der „Maßstäbe für eine anschauliche, lebendige Geschichtsschreibung gesetzt“ habe. Besonders hervorgehoben werden seine Werke „Terror und Traum“ (2008) und „Das sowjetische Jahrhundert“ (2017).

Kronzeugen der militaristischen Zeitenwende

Inzwischen hat sich Schlögel bei zahlreichen Gelegenheiten als Kronzeuge der militaristischen Zeitenwende positioniert. Er muss als einer jener „Experten“ eingeordnet werden, die versuchen, die aktuelle zerstörerische Politik aus Wirtschaftskrieg, Waffenlieferungen und Aufrüstung „historisch“ zu unterfüttern. Gleichzeitig wird vonseiten vieler Militaristen aber tunlichst vermieden, sich seriös mit der ukrainischen Geschichte seit dem gewaltsamen Umsturz 2014 zu befassen.

Zitate von Schlögel folgen weiter unten. Dass er nun eine als „Friedenspreis“ betitelte Auszeichnung erhält, ist in meinen Augen absurd – einerseits. Andererseits passt der Historiker hervorragend in die ideologische Stoßrichtung, die die Jury (nicht nur) des „Friedenspreises des deutschen Buchhandels“ inzwischen eingeschlagen hat: Beispielsweise wurde der „Friedenspreis“ 2022 an Serhij Zhadan verliehen – darauf sind wir damals im Artikel „Die Russen sind ‘Unrat’: Pamphlet erhält den ‘Friedenspreis’ des Buchhandels“ eingegangen. Und 2024 erhielt die Publizistin Anne Applebaum den „Friedenspreis“, darauf sind wir damals im Artikel „Alle Friedenspreise erobert!“ eingegangen.

Diese Preisträger widersprechen meiner Meinung nach dem Gedanken eines „Friedenspreises“, aber sie fügen sich ein in die im folgenden Artikel beschriebene Sichtweise: „Kapiert es endlich: Frieden ist jetzt Krieg! Und links ist jetzt rechts!“ sowie in das schon seit langem betriebene Prinzip der „Kulturpropaganda durch Preisverleihungen“. Als solche müssen auch die in jüngerer Vergangenheit verliehenen Preise an „Correctiv“ oder an Alena Buyx oder an Sarah Bosetti bezeichnet werden. Natürlich müssen in dem Zusammenhang auch die Karlspreise für Selenski und für Ursula von der Leyen erwähnt werden. Allgemeiner wird in diesem Artikel beschrieben, wie aktuell der Eindruck erweckt werden soll, dass „anerkannte Kulturträger und Wissenschaftler“ das Anliegen der Militaristen unterstützen würden.

„Russland ist der Feind“

Die Jury urteilt nun aktuell über Schlögel: „Nach der Annexion der Krim durch Russland hat Karl Schlögel seinen und unseren Blick auf die Ukraine geschärft und sich aufrichtig mit den blinden Flecken der deutschen Wahrnehmung auseinandergesetzt.“ Als einer der Ersten habe er vor der aggressiven Expansionspolitik Wladimir Putins gewarnt. „Seine Mahnung an uns: Ohne eine freie Ukraine kann es keinen Frieden in Europa geben.“ Weitere Infos finden sich auf der Webseite des Börsenvereins.

Zur inhaltlichen Beurteilung Schlögels kann ein Gespräch des Historikers mit dem Spiegel von November 2024 unter dem Titel „Russland ist der Feind“ hilfreich sein. Dort sagt er unter anderem:

„Wir sind ja schon in einer Kriegssituation“, sagt Schlögel. „Ein Krieg fängt ja nicht von heute auf morgen an, sondern es gibt Vorstufen.“ Russland versuche, „die EU zu zerlegen“ und Fluchtbewegungen auszulösen. Acht Millionen Ukrainer seien durch den russischen Angriffskrieg vertrieben worden. „Es gibt fortwährend Versuche der Einmischung, Sabotageakte, Versuche, die politischen Parteien zu instrumentalisieren, also die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht“, sagt Schlögel. „Russland testet, wie weit es gehen kann.

Und deswegen finde ich die Lieferung von Waffen, die auf die Ausgangspunkte dieser Aggressionen abzielen, längst überfällig und dringend notwendig.“ Schlögel spielt damit auf die Lieferung weitreichender Waffen an.“

Da sich der „Friedenspreis“ sich auch irgendwie als „Kulturpreis“ versteht, sind die folgenden, höchst fragwürdigen Äußerungen Schlögels zur russischen Geschichte und zu „der“ russischen Kultur ebenfalls aufschlussreich:

Schlögel äußert sich skeptisch, ob sich Russland nach der Ära Putin zu einem freiheitlichen oder reformorientierten Land entwickeln kann. Im 20. Jahrhundert seien die zivilen Kräfte und Eliten in Russland durch Revolution und Bürgerkrieg, Hungersnöte, den Stalinschen Terror und die zwei Weltkriege stark dezimiert worden. Er habe den Eindruck, dass dieser Prozess immer wieder von vorn beginne. „Dieser Eindruck, dass Russland sich im Kreise dreht und es eigentlich keinen Fortschritt gibt, der hat sich auch jetzt wieder eingestellt.“

Auch die russische Kultur muss nach Ansicht Schlögels im neuen Kontext gesehen werden. „Man kann nicht dem Krieg zugucken und gleichzeitig sagen: Es gibt ja die große russische Kultur.“ Auch russische Kulturschaffende würden „von dem Aggressor“ eingesetzt. „Es wird furchtbar lange dauern, bis die russische Kultur nach dem Ende des Krieges sich von dieser Kontaminierung und Instrumentalisierung durch den Krieg erholen wird – wenn überhaupt.“

Fazit: Das Wirken des Preisträgers Schlögel in jüngerer Vergangenheit ist meiner Meinung nach eines Friedenspreises nicht würdig. Andererseits ist die Auswahl Schlögels innerhalb der Praxis der Kulturpropaganda durch Preisverleihungen wiederum stimmig.

Titelbild: Kastoluza / Shutterstock