Wenn der schlecht bezahlte Museumswärter lieber die Füße stillhält

Wenn der schlecht bezahlte Museumswärter lieber die Füße stillhält

Wenn der schlecht bezahlte Museumswärter lieber die Füße stillhält

Ein Artikel von Frank Blenz

Das war ein spektakulärer Einbruch in den Pariser Louvre, meldeten Medien euphorisch. Derweil suchen die aufgewachten Sicherheitsprofis Frankreichs hektisch nach den Tätern samt wertvoller Beute. Viele wichtige Akteure kommen zu der Erkenntnis, dass die Sicherheitsvorkehrungen des Museums in die Jahre gekommen seien. Welch Blamage, wird geklagt. Doch den Verantwortlichen braucht man das Jammern nicht abzunehmen. Alles ist nicht eine Frage des Geldes, sondern eine der Prioritäten: bei der Sicherheit, Machtdemonstration und beim Prestige wie bei Polizei, Militär, Rüstung fließen die Mittel ja auch wie im Schlaraffenland der zuckersüße Honig. Bei den einfachen Ordnern im Louvre und moderner Technik wird hingegen gegeizt. Spät und unaufrichtig geriet dazu die Erkenntnis des Präsidenten Emmanuel Macron, der meinte, dass der Diebstahl ein Angriff sei auf ein Kulturgut, das man schätze, weil es Teil der Geschichte sei. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.

Der Coup der Juwelenräuber – dank Eigenschutz-Handelns der Museumsangestellten

Dieser Umstand zum spektakulären Diebstahl von Paris ist bemerkenswert: Dass die Juwelenräuber ihren Coup im Louvre geradezu ungehindert durchziehen konnten, dafür sorgte wohl auch die ordentliche Dienstausübung der anwesenden unbewaffneten Museumsangestellten, die dem Eigenschutz den vernünftigen Vorrang einräumten, anstatt sich den womöglich bewaffnenden Gangstern entgegenzustellen. Verletzte oder gar Tote wurden damit wohl verhindert. Und ja, eine Menge königlicher Klunker wurde ungehindert entwendet. Sei´s drum. In einer Mitteilung zum Ereignis in den musealen Räumen hieß es:

Die Alarmanlagen am Außenfenster der Apollo-Galerie sowie an den beiden betroffenen Vitrinen wurden ausgelöst. Im Moment des Einbruchs, der besonders schnell und brutal war, griffen die fünf Museumsangestellten, die sich im Saal und in den angrenzenden Räumen befanden, sofort ein, um das Sicherheitsprotokoll anzuwenden: Kontaktaufnahme mit den Ordnungskräften und vorrangiger Schutz von Personen.“

(Quelle: Heute Österreich)

Großes Lamento bei den Behörden und zaghafte Selbstkritik

Die Täter sind auf und davon (vorerst). Die Trümmer liegen vor den Verantwortlichen. Vor allem die Sicherheitsvorkehrungen des Museums werden – jetzt, wo es zu spät ist – kritisiert: Im Louvre mit seinen zahlreichen Sälen sei zum Beispiel sehr sparsam mit dem Einsatz von Überwachungskameras umgegangen worden. Zwar soll es einen Masterplan für die Modernisierung geben, aber die Mittel flossen bislang eher tröpfchenweise. Warum nur, wenn doch alles ein wichtiges Gut der Nation sei, wie Präsident Emmanuel Macron schwärmte. Die „Tagesschau“ meldete nun:

Der französische Rechnungshof prangert “erhebliche Verzögerungen” bei der Installation von Sicherheitseinrichtungen an, wie es in einem noch unveröffentlichten Bericht heißt, aus dem französische Medien zitieren. “Aufgrund der anhaltenden Verschiebung des Masterplans zur Modernisierung der Sicherheitsausrüstung erfolgt die Installation von Kameras im Wesentlichen nur im Rahmen von Umbauarbeiten in den Sälen.” Dem Bericht zufolge sind in einigen Gebäudeteilen nur etwa ein Drittel der nötigen Überwachungskameras installiert.

(Quelle: Tagesschau)

Schmuck ist Eigentum Frankreichs, also aller Franzosen – und doch nachlässig geschützt

Wenn die Verantwortlichen die zahlreichen wertvollen Exponate im Louvre mit lediglich einem Drittel der nötigen Überwachungskameras zu schützen gedenken, stellen sich Fragen nach der Wichtigkeit, nach der Wertschätzung, nach der wirklichen Bedeutung für die Gesellschaft, für die Allgemeinheit. In führenden Medien findet sich aktuell keine Überlegung. Doch die Sammlungen des Louvre sind das Eigentum aller Franzosen. Die Bürger werden verschmerzen, was die Räuber erbeutet haben:

  • Eine Halskette und ein Ohrring aus der Kollektion von Kaiserin Marie-Louise (1791 – 1847), der zweiten Frau von Napoleon Bonaparte
  • Eine Halskette, ein Paar Ohrringe und ein Diadem aus den Kollektionen der Königinnen Marie-Amélie (1782 – 1866) und Hortense (1783 – 1837)
  • Zwei Broschen und ein Diadem aus der Kollektion der Kaiserin Eugénie (1826 – 1920)
  • Die Krone der Kaiserin Eugénie wurde gestohlen, aber von den Dieben verloren.

Laut einer internen Quelle des Louvre wurde der berühmte “Régent”, der größte Diamant der Sammlung mit mehr als 140 Karat, nicht gestohlen.

(Quelle: Heute Österreich)

Und dennoch zeugt der Vorfall, den die Sparfüchse in den Ministerien mitzuverantworten haben, davon, dass im Staate Frankreich was faul ist. Was überbordend in die Macht-Maschinerie des Staates investiert wird, einschließlich Personal und Ausrüstung, das wird nicht im Mindesten zum Beispiel bei den Mitarbeitern öffentlicher Einrichtungen wie in den Museen oder in Galerien bereitgestellt.

Bezeichnend für unser deutsches öffentlich-rechtliches Fernsehen ist, dass der Faktor Mensch in einem Nebensatz auftaucht. In der Kritik zur Sparpolitik heißt es in der „Tagesschau“:

Auch beim Sicherheitspersonal wurde nach Angaben von Gewerkschaften kräftig gespart.

(Quelle: Tagesschau)

Die Knauserei erwähnte auch der Deutschlandfunk samt eines interessanten Fakts über die Demotivation des Personals und etwaige Folgen:

In Paris hatten die Gewerkschaften vor einigen Monaten zudem mit einem Streik auf die schlechte Personallage im Louvre hingewiesen. Auch die Bezahlung des Sicherheitspersonals ist schlecht, was dazu führen kann, dass Schmiergelder für sogenannte Inside Jobs gezahlt werden. Es ist dokumentiert, dass in der Vergangenheit Menschen, die in Museen arbeiten, Tipps an Kriminelle gegeben haben.

(Quelle: Deutschlandfunk Kultur)

Kleckern für Museen, klotzen für militarisierte Polizei

Die Museumsangestellten, die Menschen, die in den Sälen leise und diskret aufpassen – ihnen wird wenig Beachtung geschenkt. Zum Vergleich habe ich eine lose Aufstellung von Maßnahmen für die französische Polizei, Gendarmerie und Spezialeinheiten und ihre Ausrüstung zusammengetragen, für die ein enormer Aufwand betrieben wird: Erhöhung der Zahl der Einsatzkräfte; Verstärkung der Bewaffnung von Streifenpolizisten; Bewaffnung der Gendarmerie mit Langwaffen; Militarisierung und Modernisierung im Bereich Waffen, Pistolen, Maschinenpistolen; Spezialeinheiten mit Ausstattung Scharfschützengewehre und Taser-Elektroschockpistolen; Ausweitung des Einsatzes von Überwachungstechnologie (Gesichtserkennung, Drohnen zur Überwachung); Militarisierung bei den Fahrzeugen der verschiedenen Polizeiabteilungen. Die Liste ist unvollständig.

Warum das Ganze? Die „Militarisierung“ aller französischen Polizeikräfte ist Ausdruck des Machtmissbrauchs der politischen Klasse gegen die Bevölkerung. Statt eine soziale Politik zu realisieren, setzen die Verantwortlichen auf die Ordnungskräfte und diese bei Widerstand des Volkes ein. Wer aufmuckt … In einem NachDenkSeiten-Beitrag schrieb ich dazu:

… die Polizei zu einer Armee im Innern aus: paramilitärisch, aggressiv ausgestattet, gefährliche bis international geächtete Waffen bei Protesten einsetzend. Die Vorstädte Frankreich heißen Banlieues, sie gelten bis heute nicht als Orte der Hoffnung und des schönen französischen Lebens. Die Verarmung der Menschen dort, deren Herabwürdigung, deren gesellschaftliche Ausgrenzung haben noch zugenommen. Dagegen zeigt sich der Staat, die Bürokratie in all seiner zynischen Größe und Machtfülle. Die Polizei patrouilliert durch die Viertel, sie sorgt für Ordnung und Sicherheit, heißt es.

Wie in Frankreich, so auch bei uns

Die sinnlose wie arrogante Sparpolitik bis in die wichtigen öffentlichen Einrichtungen eines Landes hinein, wie in Frankreich eben der Louvre, sie wird auch in unserem Land praktiziert. Das zivilisatorische Leben leidet, der Zwang hat Vorfahrt, soziale, kulturelle, gesellschaftliche Errungenschaften zu beschneiden, zu vernachlässigen, hinten anzustellen, um „wichtigere“ Dinge zu finanzieren (zum Beispiel Aufrüstung, Umverteilung von unten nach oben). Was dabei herauskommt? Der brave Bürger hört Radio, so von der spektakulären Geschichte aus Paris, aber auch von kleinen wie traurigen Geschichten aus der deutschen Provinz. Im Osterzgebirge und in der Oberlausitz zum Beispiel überlegen gerade die engagierten wie machtlosen Verantwortlichen an der Basis, wie sie die Bewirtschaftung von musealen Einrichtungen in einigen Kommunen angesichts der Kürzungspläne der Landespolitik noch stemmen können. Museumsschließungen, mindestens die Verkürzung von Öffnungszeiten stehen im Raum. In einem weiteren Ort in der Oberlausitz, Görlitz, hingegen läuft die Umwandlung der traditionsreichen zivilen Waggonproduktion zur Rüstungsproduktion auf Hochtouren. Was die geschlossenen Museen anbetrifft: Wenigstens wäre da nichts mehr zu klauen. Was die künftige Rüstungsschmiede anbelangt: die Gewinne werden sprudeln.

Titelbild: Olha Solodenko/shutterstock.com

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