Der Prinz der Intoleranz

Der Prinz der Intoleranz

Der Prinz der Intoleranz

Ein Artikel von Frank Blenz

Der Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel lehnt den Löwenherz-Friedenspreis ab, weil ihm wohl die zweite Preisträgerin Gabriele Krone-Schmalz und der Laudator Eugen Drewermann nicht passen – ein Abkanzeln ihm politisch nicht genehmer Mitmenschen. Damit ist Krumbiegel leider repräsentativ für viele etablierte „Kulturlinke“ – ehemals kritische Künstler predigen in ihren Songs mehr Toleranz und Dialog von Andersdenkenden, zeigen sich aber selbst intolerant und nicht dialogbereit, wenn es um die Vorwärtsverteidigung ihrer Positionen geht. Aus Opposition wurde Opportunismus, aus Kritik vorauseilender Gehorsam, aus Pazifisten Bettvorleger der NATO. Ein Kommentar von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Am vergangenen Freitag hat Tobias Riegel hier auf den NachDenkSeiten eine aufkommende Diffamierungskampagne zur bevorstehenden Löwenherz-Friedenspreis-Verleihung kommentiert. In seiner Einleitung schrieb er:

Manche Meinungsmacher können es nicht fassen: Die Autorin Gabriele Krone-Schmalz erhält gemeinsam mit dem Sänger der „Prinzen“, Sebastian Krumbiegel, den renommierten Löwenherz Friedenspreis – zu Recht! Erst kürzlich wurde Krone-Schmalz in Mainz ein zugesagter Raum verwehrt. Nun wird sie wegen der Preisverleihung einmal mehr diffamiert: von „Experten“, die in einer sachlichen Debatte keine Chance gegen sie hätten.

So weit, so schlecht. Nun kommt es noch heftiger und es bleibt nicht nur bei den Anfeindungen von Außenstehenden gegen Krone-Schmalz. Der zweite Preisträger, Sie haben es sicher schon erfahren, Sebastian Krumbiegel, Sänger, hat überaus öffentlichkeitswirksam die Annahme des Friedenspreises abgelehnt.

Es ist so grotesk, Sebastian Krumbiegel konterkariert mit der Ablehnung des Löwenherz-Friedenspreises sein eigenes gesellschaftliches Handeln, für das er den Preis erhalten sollte.

Sebastian Krumbiegel steht durch sein persönliches Engagement für gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, für eine starke Demokratie und Vielfalt. Dies alles benötigen wir angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit.

Stattdessen teilt er via Twitter mit:

Konkret verschweigt der bekannte und erfolgreiche Künstler, dass ihm die andere Preisträgerin, Gabriele Krone-Schmalz, nicht in den Kram passt. Im Blätterwald wird berichtet, dass aus obigem Tweet von Krumbiegel nicht hervorgehe, wen genau und welche Meinung Krumbiegel meinte. Um dann doch um die Ecke zu kommen, dass es sich aber „vermutlich“ um Gabriele Krone-Schmalz handele. Sie, die ehemalige ARD-Korrespondentin, die in der Kritik stehen soll, sobald es um den Ukrainekrieg geht, sie, Gabriele Krone-Schmalz, sei eine langjährige und vehemente Verteidigerin des Putin-Regimes.

Wie aber verhält sich das mit dem Zusammenhalt, dem sozialen, dem gesellschaftlichen, dem zwischenmenschlichen, für den Krumbiegel sich so einsetzt? Der ist doch der Kitt, der benötigt wird, gerade in schweren Zeiten. Dieser Zusammenhalt wird doch nicht durch Ausgrenzen, Ablehnen und Hand-Ausschlagen erreicht, oder? Sänger Sebastian Krumbiegel sagt zum Vorgang der Ablehnung des Friedenspreises sogar noch:

„Ich habe deswegen so lange gezögert, weil ich eigentlich davon überzeugt bin, dass wir miteinander reden müssen, wenn wir unterschiedliche Meinungen haben.”

Eigentlich? Warum verzichtet er dann auf das Miteinander-Reden? Man stelle sich das vor: Die Preisverleihung findet in Krumbiegels Heimatstadt Leipzig statt, überaus berühmte Vorgänger unter den Preisträgern seien genannt: Michail Gorbatschow, der Dalai Lama. In Leipzig wäre er mit Krone-Schmalz ins Gespräch gekommen. Er hätte sich weiter informieren können über den Werdegang der Preisträgerin. Er hätte dabei mit ihr nicht einer Meinung sein müssen. Das ist Demokratie, das ist Meinungsfreiheit. Warum kanzelt er die Preisträgerin ab, die Veranstalter der Friedenspreisverleihung, den Laudator Eugen Drewermann? Menschen, die sich sicher lange und ausgiebig Gedanken gemacht haben, wer für den Preis dieses Jahr infrage kommt. Und gerade eine Journalistin wie Krone-Schmalz mit ihrem Hintergrund, ihrem Wissen, ihren Fragen und auch Antworten hinsichtlich der Sowjetunion früher und Russland heute, sie soll ungeeignet neben Krumbiegel sein?

Der Künstler Krumbiegel positioniert sich geradezu fanatisch konträr zu seiner ihn „eigentlich“ wertschätzenden Dialogfähigkeit. Krumbiegel findet, dass man sich vor allem in Kriegszeiten klar positionieren müsse und keine Zweifel darüber aufkommen lassen dürfe, auf welcher Seite der Barrikade man stehe. Was ist das für ein Deutsch? Patrioten-Deutsch?

Kriegszeiten? Deutschland ist nicht im Krieg. Zumindest nicht offiziell. Es gibt bei uns keine Barrikaden. Und es soll auch in Zukunft keine geben. Ja, wenn wir genau hinschauen, ist das etwas naiv mit „nicht im Krieg sein“, wir sind in der Tat doch mitten im Schlamassel. Das, was Krumbiegel von sich gibt, ist aber noch schlimmer: Es klingt wie „wer nicht für mich ist, der ist gegen mich“. Hat der Sänger Frau Krone-Schmalz mal gefragt, wo sie steht? Und wann und wie ist das „Wo“ das richtige „Wo“ und wann und wie das falsche? Krumbiegel hat sein „Wo“, seine Barrikade gefunden. Das disqualifiziert ihn aber, für das soziale Zusammenhalten einzustehen. Das, was seine Ablehnung per Prominenten-Statements in die vielen auf Empfang geschalteten Mikrofone und Kameras oder seine Tweets erzeugen, kann man aufzählen: Spaltung, Ausgrenzung. Gutes ist nicht dabei. Nein, Herr Sänger, es ist längst an der Zeit, damit aufzuhören, in allen Bereichen muss deeskaliert werden!

Als etablierter Künstler hat man Privilegien, die Bühne ist groß, das Mikrofon an, das verleiht Macht. Und Möglichkeiten. Krumbiegel hat sie schon zu Pandemiezeiten genutzt. Und dabei ziemlich heftig agiert, so wie man das wohl macht, wenn man weiß, auf welcher Seite der Barrikade man steht, liegt, kämpft. Ein Gezwitscher (Twitter) von ihm klang dann so:

Krumbiegel wird in einem Beitrag von Sonntag-Sachsen als Vertreter der Leipziger Zivilgesellschaft bezeichnet, die die sogenannten Corona-„Spaziergänge“ und Demonstrationen in einer Erklärung verurteilt hatte.

„Ihr Protestierenden verbreitet Hass und Häme, schreckt nicht vor Gewalt zurück und lasst Euch von rechtsextremistischen Kreisen vereinnahmen und benutzen, aber: Ihr seid nicht das Volk!“

Dass hier etwas nicht falsch verstanden wird: Krumbiegel darf das, Twittern, Demonstrationen verurteilen. Er darf auch Preise ablehnen. Preise anderen Persönlichkeiten abzusprechen, sie auszugrenzen und sich selbst für einen der Nabel unserer wertebasierten Gesellschaft zu halten, schränkt damit aber die Freiheit ein, die er selbst für sich in Anspruch nimmt.

Krumbiegels Combo, die Prinzen, haben ein Lied „Dürfen darf man alles“ im Repertoire. Die Vokalisten zählen darin vieles flott auf, was unkorrekt, frech und unangepasst erscheint. Ein bisschen Gesellschaftskritik, ein bisschen Umweltschutz. Und sie sprechen mit schönem Prinzensound durch die Blume aus, dass wir dann doch eine feine, freie Gesellschaft sind, in der es aber so gewisse Leute gibt. Sie wissen schon. Krumbiegels und Kollegens Zeilen sind vielsagend, wenn fabuliert wird, dass Menschen meinen, dass die Welt sich gegen sie verschwöre, dass sie meinten, dass die Wahrheit ja nur ihnen gehörte. Und dann, das ist der Gipfel: es welche gäbe, die sagten, was sie dächten und dann danach sagten, dass man heutzutage nichts mehr sagen dürfe.

Wenn denn Gabriele Krone-Schmalz, die bei der ARD Auslandskorrespondentin war und bis heute jedes Recht hat, als Journalistin die Pressefreiheit zu genießen, sich auf die Textzeile über die Redefreiheit in „Dürfen darf man alles“ berufen würde, käme Krumbiegel vielleicht ins Schwitzen. Der Text sagt ja nichts anderes, als dass Krumbiegel und Co. behaupten, dass man alles sagen dürfe. Also darf man eben auch eine Krone-Schmalz sein, ohne Nachteile zu erleiden. Und Leute liegen vielleicht doch richtig, wenn sie im schlimmsten Fall schwadronierten, dass sich die Welt gegen sie verschwöre. Dem nun Nicht-Preisträger Krumbiegel sei nochmal wiederholt, warum Krone-Schmalz ausgezeichnet werden soll:

Gabriele Krone-Schmalz ist Trägerin der Puschkin-Medaille und des Bundesverdienstkreuzes I. Klasse. Das zeigt Ihre Anstrengungen, Trennendes zu überwinden und zusammen mit vielen anderen die Zukunft Europas im Sinne der Menschen mitzugestalten.

Der Laudator der Preisverleihung, Eugen Drewermann, sollte Sebastian Krumbiegel ebenfalls etwas Aufmerksamkeit wert sein. Am 14. Mai 2023 hat der Friedensaktivist Eugen Drewermann anlässlich der Verleihung des Karlspreises 2023 an den ukrainischen Präsidenten Selenskyj einen Appell für den Frieden und das Ende des Krieges an die Welt gerichtet. Drewermanns Rede wurde in Aachen auf der öffentlichen Gegenveranstaltung zur Karlspreis-Verleihung „Frieden in Europa ist nur mit und nicht gegen Russland möglich!“ von der Gruppe Aachener für eine menschliche Zukunft veröffentlicht. Der Prinzensänger wird dem „Frieden in Europa ist nur mit und nicht gegen Russland möglich!” sicher im Herzen beipflichten, singt er doch: „Dürfen darf man alles.“

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Titelbild: Olaf Scholz via Facebook

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